FormalPara Originalpublikation

Huang L, Zhao P, Tang D, Zhu T, Han R, Zhan C, Liu W, Zeng H, Tao Q, Xia L (2020) Cardiac involvement in patients recovered from COVID-2019 identified using magnetic resonance imaging. JACC Cardiovasc Imaging (11):2330–2339. https://doi.org/10.1016/j.jcmg.2020.05.004

Die Coronavirus-Erkrankung 19 (COVID-19), hervorgerufen durch eine Infektion mit dem „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2), ist primär eine Erkrankung der Atemwege. Systemische und insbesondere kardiovaskuläre Begleitstörungen werden jedoch beobachtet. Das häufigste Zeichen einer akuten Herzbelastung ist eine Troponinerhöhung, die mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist. Einige Patienten entwickeln ein akutes Koronarsyndrom sowie eine akute links- und rechtsventrikuläre Herzinsuffizienz. Der exakte Mechanismus einer Herzschädigung im Rahmen von COVID-19 ist nicht eindeutig geklärt. Vermutete Pathomechanismen sind zum einen eine direkte virale Infektion von Myokard und Endothel, zum anderen Prozesse im Rahmen der generalisierten Inflammationsreaktion wie eine inflammationsvermittelte mikrovaskuläre Thrombosierung und Plaqueinstabilisierung sowie eine infektassoziierte Bedarfsischämie und Stresskardiomyopathie. Kleine Studien mit histologischen Untersuchungen des Myokards aus Biopsien und Autopsien beschrieben allgemeinentzündliche Veränderungen, myokarditische Veränderungen und myokardialen Virusnachweis [1].

Die kardiale Magnetresonanztomographie (MRT) hat sich als wichtiges Instrument bei der Diagnosestellung einer Myokarditis entwickelt und wird von der ESC-Herzinsuffizienz-Leitlinie „zur myokardialen Gewebecharakterisierung bei Verdacht auf Myokarditis“ empfohlen (Klasse I, Level C) [2, 3]. Dabei wird eine Kombination aus verschiedenen Bildparametern herangezogen, um das Myokard hinsichtlich Funktion, Ödem, Nekrose und Fibrose zu differenzieren [4].

Die Durchführung einer kardialen MRT im Rahmen einer floriden COVID-19 ist schwierig, u. a. hinsichtlich des Infektionsschutzes des Personals und der nicht selten fehlenden direkten Behandlungskonsequenz [5, 6]. Eher möglich ist es daher, Patienten nach überstandener COVID-19 einer kardialen MRT zuzuführen und nach residuellen myokardialen Veränderungen zu suchen.

Puntmann und Nagel et al. von der Universität Frankfurt haben diesbezüglich im Sommer 2020 eine viel beachtete Studie veröffentlicht [7, 8]. Sie führten bei 100 Patienten (medianes Alter 49 Jahre) im Median 71 Tage nach überstandener COVID-19 eine kardiale MRT durch. Zum Zeitpunkt der MRT war das hochsensitive Troponin bei 71 Patienten nachweisbar und bei 5 Patienten auf ≥ 13,9 pg/ml erhöht; 73 der 100 Patienten hatten erhöhte T1-Werte (Zeichen für Myokardödem und/oder diffuse Fibrose), 60 hatten erhöhte T2-Werte (Zeichen für Myokardödem), 32 zeigten Late-Gadolinium-Enhancement im Myokard (Zeichen für fokale Fibrose) und 22 im Perikard (Zeichen für Perikarditis). Die Autoren fassten zusammen, dass die kardiale MRT bei 78 % der Patienten nach stattgehabter COVID-19 eine kardiale Beteiligung und bei 60 % eine protrahierte myokardiale Inflammation nachweise. Die Studienergebnisse wurden rasant von der Laienpresse aufgenommen und teilweise undifferenziert verbreitet.

Die im Folgenden vorgestellte Studie geht inhaltlich in dieselbe Richtung. Sie ist von Interesse, da sie unsere Erfahrungen mit kardialen MRT-Befunden nach COVID-19 erweitert. Gleichzeitig kann sie uns sensibilisieren, in Zeiten von kurzen Review- und raschen Publikationsprozessen die Limitationen einer Studie zu berücksichtigen [9].

Zusammenfassung der Studie

Huang et al. aus Wuhan/China identifizierten für diese retrospektive Studie 26 Patienten nach stattgehabter COVID-19 (10 Männer, medianes Alter 38 Jahre); 22 hatten eine moderate und 4 eine schwere Pneumonie. Während der akuten COVID-19-Phase hatten sie keine kardialen Symptome. Zwei Patienten hatten eine arterielle Hypertonie, die anderen keine kardiovaskulären Vorerkrankungen.

Die kardiale MRT erfolgte im Verlauf zur Abklärung von thorakalem Unwohlsein und Palpitationen. Zwischen Auftreten der Symptome und der MRT-Untersuchung vergingen im Median 47 Tage. Die kardiale MRT umfasste Cine-Bilder (links- und rechtsventrikuläre Funktion und Dimension), Late-Gadolinium-Enhancement-Bilder (fokale Fibrose), T2-gewichtete Bilder (Myokardödem) sowie parametrisches Mapping des Myokards zur Bestimmung der T2-Werte (Myokardödem), der T1-Werte (diffuse Fibrose und/oder Myokardödem) und des ECV (extrazelluläres Volumen; Marker für Fibrose und/oder Myokardödem).

Zum Zeitpunkt der kardialen MRT waren Troponin‑I und NT-Pro-BNP bei allen Patienten normal. Bei 15 der 26 Patienten (58 %) war der MRT-Befund hinsichtlich T2-Ratio und Late-Gadolinium-Enhancement auffällig: 14 Patienten hatten eine erhöhte T2-Ratio als Hinweis auf ein Myokardödem; 8 Patienten zeigten kleine, fokale Fibroseareale, vereinbar mit myokarditischen Läsionen. Der Ausdehnung nach war das Myokardödem deutlich größer als die Vernarbung (33 % vs. 4 % der 416 untersuchten Myokardsegmente). Die systolische linksventrikuläre Funktion war bis auf einen Patienten normal.

In den weiteren Analysen teilten die Autoren die Patienten in eine Gruppe mit pathologischen „konventionellen“ Parametern (T2-Ratio, Late-Gadolinium-Enhancement) und eine Gruppe mit normalen „konventionellen“ Parametern. Die Gruppe mit pathologischen „konventionellen“ Parametern hatte eine niedrigere systolische rechtsventrikuläre Funktion als gesunde Kontrollen (RV-EF: 37 % vs. 46 %). Überdies hatte die COVID-19-Gruppe mit pathologischen „konventionellen“ Parametern höhere T1-, T2- und ECV-Werte als die COVID-19-Gruppe mit normalen „konventionellen“ Parametern und als Gesunde (T1: 1271 ms vs. 1237 ms vs. 1224 ms; T2: 43 ms vs. 38 ms vs. 39 ms; ECV: 28 % vs. 25 % vs. 24 %).

Die Autoren fassten zusammen, dass Patienten mit kardialen Symptomen nach durchgemachter COVID-19 eine rechtsventrikuläre Dysfunktion sowie ein Ödem und Fibrose im linksventrikulären Myokard zeigten. Sie schlussfolgerten, dass diese Veränderungen bei den ansonsten gesunden Patienten auf eine „kardiale Beteiligung als dauerhafte Konsequenz einer SARS-CoV-2-Infektion“ hindeuteten.

Kommentar des Autors

Die hier vorgestellte Studie erweitert unsere Kenntnisse zu COVID-19 und möglichen kardialen Folgen. Studiendesign und Ergebnisse sind der Frankfurter Studie von Puntmann und Nagel et al. ähnlich, das Kollektiv ist bei Huang et al. kleiner.

Bei Patienten nach überstandener COVID-19 werden in einem relativ hohen Anteil abnormale MRT-Parameter erhoben.

Diese betreffen zum einen die systolische Funktion des rechten Ventrikels, die bei Puntmann et al. zwar im Normbereich, jedoch im Vergleich zu der Kontrollgruppe reduziert war. In der Studie von Huang et al. war die RV-EF nach COVID-19 sogar signifikant reduziert. Es wird vermutet, dass COVID-19 als primäre Lungenerkrankung zu einer Erhöhung des pulmonalvaskulären Widerstandes und so zu einer Belastung des rechten Ventrikels führt.

Die abnormalen MRT-Parameter betreffen zum anderen das linksventrikuläre Myokard (bei Huang et al. 58 % der Patienten, bei Puntmann et al. 78 % der Patienten). Beide Studien gehen dabei von einer protrahierten Myokardinflammation aus und stellen langfristige kardiovaskuläre Schäden durch COVID-19 als mögliche Konsequenz in den Raum.

Einige Limitationen der Studie von Huang et al. seien jedoch erwähnt: i) Die Fallzahl ist mit n = 26 klein, und die Studie ist retrospektiv. ii) Die Bestimmung des Myokardödems (T2-Ratio) erfolgte nicht entsprechend den Standards, sodass auch der Cut-off-Wert, der zwischen normal und abnormal differenzierte, fraglich korrekt ist [10, 11]. iii) Das Bildbeispiel im Paper für den Nachweis von Fibrose zeigt eine septale Hypertrophie, sodass die hier markierte Fibrose möglicherweise nicht mit COVID-19 assoziiert ist. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den MRT-Veränderungen und COVID-19 ist nicht nachweisbar. iv) Das Studiendesign ist fragwürdig, da das Kollektiv zunächst nach „konventionellen“ MRT-Parametern in 2 Gruppen geteilt wurde. Dann wurden „moderne“ MRT-Parameter, die Ähnliches auf andere Weise beschreiben, zwischen diesen Gruppen verglichen und signifikante Unterschiede entdeckt. Ein Vergleich der „modernen“ MRT-Parameter zwischen der gesamten COVID-19-Gruppe und Gesunden wird nicht berichtet. v) Die gesunde Kontrollgruppe hat eine RV-EF von 46 ± 12 %. Der Normwert liegt bei ≥ 51 % [12]. Das links- und rechtsventrikuläre Schlagvolumen ist verschieden (50 ml vs. 36 ml), was in dieser Form nur bei einem Shunt möglich wäre. Diese Beobachtungen stellen die Bild- und Auswertequalität der Studie generell infrage.

Zusammengefasst liefert uns die hier vorgestellte Studie Einblicke in den kardialen Verlauf nach durchgemachter COVID-19. Zukünftige Studien werden jedoch zeigen müssen, inwieweit die protrahierte Myokardinflammation, wie sie bestimmte MRT-Parameter nahelegen, auch durch andere Methoden verifiziert werden kann (z. B. laborchemisch oder histologisch) und inwieweit diese überhaupt mit langfristigen Konsequenzen (z. B. Herzinsuffizienz) assoziiert ist. Zusätzlich unterstreicht die Studie die allgemeingültige und im Rahmen der Corona-Pandemie besonders relevante Wichtigkeit, die Limitationen von Studien zu erfassen und diese in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen.