Nach den Schätzungen der WHO scheint das kardiovaskuläre Risiko bei Menschen mit Diabetes mellitus 2-fach höher zu sein als bei Menschen ohne Diabetes, wobei 50–80 % der Todesfälle bei Menschen mit Diabetes mellitus durch kardiovaskuläre Erkrankungen verursacht werden [1]. Die Autoren der vorgestellten Arbeit haben die Geschlechtsabhängigkeit des Diabetes-assoziierten Schlaganfallrisikos analysiert [2].

Zusammenfassung der Studie

In einem systematischen Screening wurde in PubMed nach prospektiven populationsbasierten Kohortenstudien (publiziert zwischen dem 01.01.1966 und 16.12.2013) gesucht, die geschlechtsspezifische Angaben zum relativen Risiko (RR) hinsichtlich eines Diabetes-assoziierten Schlaganfalls enthielten. In einer Metaanalyse wurden das geschlechtsspezifische RR und das Verhältnis des RR (Frauen:Männer) gepoolt. Daten von 64 Kohorten mit 775.385 Personen und 12.539 Ereignissen (tödliche und nicht-tödliche Schlaganfälle) wurden eingeschlossen. Das maximal adjustierte RR für einen Diabetes-assoziierten Schlaganfall war bei Frauen größer als bei Männern [2,28 (95 %-KI 1,93–2,69) vs. 1,83 (95 %-KI 1,60–2,08)]. Frauen mit Diabetes mellitus hatten ein 27 % größeres Schlaganfallrisiko als Männer mit Diabetes. Das gepoolte Verhältnis des RR war 1,27 (95 %-KI 1,1–1,46). Es gab keine Hinweise auf eine Heterogenität der eingeschlossenen Studien (I2 = 0 %).

Kommentar

In der vorgestellten Arbeit wurden zahlreiche populationsbasierte Kohorten mit einer großen Anzahl von Personen eingeschlossen. Die Fragestellung und die Ergebnisse der Arbeit haben klinische Relevanz. Allerdings sind folgende Limitationen erwähnenswert: Die Diabetesdefinition war bei den eingeschlossenen Studien nicht einheitlich. Separate Ergebnisse für verschiedene Diabetestypen liegen nicht vor. Es gab keine geeigneten Daten, die für eine Analyse des Einflusses der Blutzuckereinstellung oder der Diabetesdauer herangezogen werden konnten. Die Follow-up-Zeiten der eingeschlossenen Kohorten waren unterschiedlich und lagen zwischen 7 und 32 Jahren.

Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass Frauen beim Übergang von einer Normoglykämie zum Prädiabetes sowohl eine stärkere endotheliale Dysfunktion als auch vermehrt arterielle Hypertonie und Thrombosen aufweisen [3]. Die Autoren der vorgestellten Arbeit haben die Hypothese, dass für das höhere Diabetes-assoziierte Schlaganfallrisiko bei Frauen weniger ein geschlechtsspezifischer Grund per se vorliegt, sondern dass das höhere Risiko bei Frauen vielmehr durch ein über einen längeren Zeitraum unerkanntes und ungünstiges kardiovaskuläres Risikoprofil während der prädiabetischen Phase erklärt werden könnte.

Im Hinblick auf primäre Präventionsmaßnahmen sollte das höhere Diabetes-assoziierte Schlaganfallrisiko für Frauen unbedingt berücksichtigt werden. Solange keine Studien vorliegen, die spezifische Gründe für das höhere Risiko aufzeigen, sollte ein frühzeitiges und individuelles Management einer Glukoseintoleranz, des Diabetes mellitus sowie des kardiovaskulären Risikoprofils angestrebt werden.