Das einst stabile Umfeld der Zuckerindustrie in der Europäischen Union unterliegt mittlerweile einer hohen Dynamik. Die Südzucker-Gruppe hat deshalb ihre Strategie angepasst. Die Division Zucker wurde als eine organisatorisch eigenständige Einheit aufgestellt und die Funktion Finance & Controlling neu geschaffen.

Mit dem Leitsatz "Structure follows strategy" hat der Wirtschaftshistoriker Alfred Chandler 1962 für mehrere Dekaden die Sichtweise auf das Design von Organisationsstrukturen in Unternehmen geprägt. Seit den 1980er Jahren hat sich der Fokus von der Aufbauorganisation zunehmend auf die Prozess- beziehungsweise Ablauforganisation verschoben, die heute im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion steht. Dabei werden aus einer marktorientierten Strategie kundenzentrierte, effiziente Prozesse abgeleitet, die dann im Rahmen des Change Managements in eine sinnvoll angepasste Aufbauorganisation eingebettet werden (vergleiche Chandler 1962; Hammer/Champy 1993). Die Neuaufstellung des Bereichs Finance & Controlling der Division Zucker der Südzucker-Gruppe folgt dieser Vorgehensweise.

Das einst stabile Geschäftsmodell Zucker

Seit die Zuckermarktordnung im Jahr 1967 in Kraft getreten ist, hat sie nahezu ein halbes Jahrhundert lang Zuckerrübenanbauern und Zuckerindustrie in der Europäischen Union (EU) ein weitestgehend stabiles Umfeld geboten. Bei konstantem Zuckerverbrauch wurde der Zuckermarkt über Produktionsquoten stabilisiert, um zum einen die Versorgungssicherheit für die Verbraucher zu gewährleisten und zum anderen die vorgeschriebenen Rübenmindestpreise für die Landwirte marktseitig abzusichern. "Weltmarkt-Zucker" aus Erzeugerländern wie Brasilien und Indien wurde nur in geringem Maße importiert. Die meisten Zuckerunternehmen waren in diesem Umfeld in hoch spezialisierten Bereichen funktional organisiert.

Am 1. Oktober 2017 sind wesentliche Elemente der Zuckermarktordnung wie Rübenmindestpreise und Produktionsquoten weggefallen. Der EU- Zuckermarkt ist nun einer der am weitestgehend liberalisierten Zuckermärkte der Welt. Etwa 100 Länder können ihren Zucker entweder zollfrei oder zum günstigeren Zollsatz in die EU einführen. Der deutsche Zuckerrübenanbau wird im Gegensatz zum Zuckerrübenanbau anderer wichtiger EU-Erzeugerländer beziehungsweise zum Zuckerrohranbau in Drittländern nicht subventioniert. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu den fünf größten Zuckererzeugern beziehungsweise Zuckerexporteuren auf dem Weltmarkt: Brasilien, Indien, Thailand, Australien und Mexiko. Als Reaktion auf den Druck auf die Margen mussten Zuckerfabriken in der EU geschlossen werden.

Strategische Neuausrichtung der Südzucker-Gruppe

Die Südzucker-Gruppe ist mit einem Marktanteil von rund 24 Prozent Europamarktführer und mit einer Zuckererzeugung von jährlich circa vier Millionen Tonnen und 23 Zuckerwerken auch größter Zuckererzeuger. Allerdings ist Südzucker schon lange kein reines Zuckerunternehmen mehr: Am Konzernumsatz von 7,6 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2021/2022 hatte der Zuckerbereich mit einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro einen Anteil von 34 Prozent. Die weiteren Segmente sind das "Segment Spezialitäten" mit Produkten wie Tiefkühlpizza und funktionale Zutaten für Lebensmittel, das "Segment Stärke", das "Segment CropEnergies", der führende Hersteller von Bioethanol in Europa, und das "Segment Frucht", der Weltmarktführer für Fruchtzubereitungen für die Lebensmittelindustrie.

Im Rahmen des Projekts 2026 PLUS hat die Gruppe ihre Strategie neu ausgerichtet (vergleiche Abbildung 1). Unter dem Leitsatz "Get the Power of Plants" entwickelt sich die Südzucker-Gruppe nun von einem großindustriellen Verarbeiter von Rohstoffen hin zu einem Anbieter von pflanzenbasierten Lösungen. Pflanzenbasierte Anwendungen kommen in einer Vielzahl von Bereichen des täglichen Lebens zum Tragen: in unserer Ernährung (zum Beispiel Zucker, Zuckeralternativen, Fruchtsäfte oder Tiefkühlprodukte), bei Energie (zum Beispiel Treibstoffkomponenten) und vielem mehr (zum Beispiel Tiernahrung, Chemie, Kosmetik oder Verpackungen).

Abb. 1
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Strategie der Südzucker-Gruppe

Quelle: eigene Darstellung

Historisch hatte sich die Südzucker-Gruppe aufgrund der früheren Dominanz des Zuckergeschäfts als Stammhauskonzern entwickelt. Das Zuckergeschäft lag in der Verantwortung des Konzernvorstands, die anderen Segmente waren meist gesellschaftsrechtlich eigenständige Konzernbeteiligungen. Um die strategischen Handlungsfelder in den unterschiedlichen Gegebenheiten der fünf Segmente besser umsetzen zu können, wurden die Vorstandsressorts neu geordnet. Die Geschäftsleitung der Division Zucker verantwortet nun das Zuckergeschäft der Südzucker-Gruppe gemeinschaftlich gegenüber dem Chief Operating Officer (COO) der Südzucker AG.

Der Fokus des modernen CFOs liegt heute auf den Themen Financial Governance, Data Production, Data Science und Business Partnering.

Transformation: Finance & Controlling der Division Zucker

Als Folge der organisatorischen Eigenständigkeit der Division Zucker wurde der Bereich Finance & Controlling der Division Zucker neu geschaffen. Dessen neue Prozess- und Aufbauorganisation folgt drei Grundprinzipien, die sich aus den strategischen Handlungsfeldern der Südzucker-Gruppe ableiten lassen: Fokus, Agilität und Diversität.

"Die neue Prozess- und Aufbauorganisation folgt drei Grundprinzipien, die sich aus den strategischen Handlungsfeldern der Südzucker-Gruppe ableiten lassen: Fokus, Agilität und Diversität."

Fokus

Die neue Organisation des Bereichs Finance & Controlling, die neben zwei Stabsfunktionen neun Themenfelder umfasst, zeigt sich in Abbildung 2. Ziel des Organisationsmodells ist es, repetitive und divisionsübergreifende Aufgaben in Shared Service Centers der Südzucker-Gruppe auszulagern. In diesem Sinne werden die meisten Prozesse des Accountings (Einzel- und Konzernbuchhaltung), Finance, Taxes, Legal als Dienstleistungen und Corporate Controlling als Zentralfunktion durch Abteilungen auf Konzernebene wahrgenommen. Die verbleibenden Kernprozesse des Finanzbereichs in der Division Zucker werden, sofern dies sinnvoll möglich ist, standardisiert und automatisiert.

Abb. 2
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Organigramm der neuen Organisationsstruktur

Quelle: eigene Darstellung

Die Managementberatung Horváth & Partners fordert von modernen CFOs, sich auf die Themen Financial Governance, Data Production, Data Science und Business Partnering zu fokussieren. Der frühere Fokus auf viele unterschiedliche Planungs- und Berichtsinhalte sowie -formate für unterschiedliche Gremien und Anlässe im Sinne eines "Number Crunchings" ist für eine moderne Finance-Organisation aus Effektivitäts- und Effizienzgründen nicht mehr angemessen (vergleiche Horváth & Partners 2020).

Die neue Organisationsstruktur spiegelt sich in fünf transnationalen Teams des Bereichs Finance & Controlling wider. Der Bereich Finance & Controlling setzt seine Schwerpunkte auf die fünf Themenfelder Financial Governance, Data Production, Data Science, Business Partnering (anstelle von Controlling) und Institutional Relations & Political Affairs:

  • Financial Governance steuert die Division Zucker finanziell verantwortungsvoll und transparent, dabei berücksichtigt sie die formalen und rechtlichen Vorgaben der Südzucker-Gruppe ("Legal Governance").

  • Data Production bereitet Daten sowie daraus resultierende zielgerichtete Handlungsempfehlungen auf, wertet sie aus und analysiert sie.

  • Business Solutions, IT-Systems & Data Science entwickelt IT-gestützt betriebswirtschaftliche Modelle und Systeme, die Daten erfassen und aufbereiten. Hier sind die Themen Big Data und Predictive Analytics angesiedelt.

  • Die Business Partner unterstützen die operativen Bereiche wie Verkauf, Produktion und Rohstoff, die Divisionsstrategie umzusetzen. Dabei verfolgt das Business Partnering einen ganzheitlichen Ansatz, indem es die Kompetenz des Finanzbereichs mit einer tiefen Kenntnis des Geschäftsmodells Zucker, Führungsqualitäten und zielführendem Engagement verbindet. Hierdurch bekommt der Finanzbereich einen konkreten Einfluss auf das operative Geschäft.

  • In der Division Zucker nimmt das Themenfeld Institutional Relations & Political Affairs eine aktive Rolle in den europäischen Verbänden der Zuckerhersteller sowie in den nationalen Verbänden wahr. Die Verbindung zwischen Politik und Finanzfunktion hat bei Südzucker seit jeher Tradition, um Einflüsse aus dem politisch geprägten zuckerwirtschaftlichen Umfeld betriebswirtschaftlich zu bewerten, in die Divisionsstrategie zu integrieren und daraus Empfehlungen an die Politik abzuleiten.

Bei dem Prinzip Fokus spielen auch der Einsatz und die stetige Weiterentwicklung einer Data-Driven IT-Architektur eine besondere Rolle. Dies gilt auf verschiedenen prozessualen und organisatorischen Ebenen und beginnt beispielsweise beim Einsatz von sogenannten Bots, durch die Planungs- und Reporting-Prozesse, die vorher von Hand, das heißt meist in Excel, durchgeführt wurden, vereinfacht und automatisiert werden. Weiterhin wurde der Planungsprozess in der Division Zucker durch ein treiberbasiertes Planungsmodell neu aufgesetzt und damit inhaltlich und prozessual verschlankt. Dies entspricht den Konzeptionen von Beyond Budgeting beziehungsweise Better Budgeting, die in den 1990er Jahren entwickelt wurden. Neu ist allerdings die Konsequenz, mit der dies implementiert wurde. Erst die neuen IT-Technologien in Verbindung mit der in den vergangenen Jahren erhöhten Akzeptanz für ein Lean Controlling auf allen Hierarchieebenen der Organisation und das Auflösen funktionaler Silos haben dies in der Division Zucker ermöglicht (vergleiche Wiltinger/Heupel/Deimel 2022, S. 58 ff.). Das neue Verständnis des Finanzbereichs mit den vier Feldern Value Finance, Business Acumen, Engagement und Leadership zeigt Abbildung 3.

Abb. 3
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Rollen des Finanzbereichs

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Anaplan 2020

Agilität

Allgemein wird davon ausgegangen, dass die dynamische Entwicklung der fünf Themenfelder in den kommenden Jahren die CFO-Funktion stetig verändern wird. Hinzu kommt die hohe Dynamik, der das Geschäftsmodell Zucker unterliegt. Beidem wird eine klassische Organisation in "Silos" nicht gerecht. Die in Abbildung 2 dargestellten Abteilungen werden daher durch sich verändernde, transnationale, agile Teams abgedeckt. Die Organisation bezieht sich dabei auf wesentliche Kerngedanken des agilen Managements, von denen hier nur die für die Division Zucker wichtigsten aufgezählt sind (vergleiche Wiltinger 2022, S. 787): Bevorzugung struktureller Einfachheit, enge Zusammenarbeit mit den internen "Kunden", Ergebnisorientierung in den Prozessen, Fokussierung auf herausfordernde Zielsetzungen, konsequente Nutzung von Dynamik des Umfelds, organisatorische Dezentralisierung durch Empowerment der Mitarbeiter und Bottom-up-Prozesse, grundlegendes Vertrauen in Teams und Mitarbeiter, deutliche Verkürzung von Feedback-Schleifen und Rückmeldungen, häufige Updates und intensive Kommunikation im Team (Jour fixe), Bevorzugung von persönlicher - auch virtueller - Kommunikation, regelmäßige Selbstreflexion der Teams und organisationales Lernen sowie Transparenz der Performance über Team-Grenzen hinweg.

Nur eine agile Organisation wird den künftigen Anforderungen des Bereichs Finance & Controlling gerecht.

Ganz konkret wird im Bereich Finance & Controlling eine horizontale und agile Bereichskultur gelebt:

  • Mitarbeiter können je nach Know-how mehreren Teams zugeordnet sein.

  • Die Teams werden transnational gebildet und Teamleader nach Qualifikation benannt, unabhängig von Standort oder Nationalität.

  • Mitarbeiter können in einem Themenfeld eine Rolle als Team-Leiter einnehmen und in anderen Themenfeldern als Team-Mitglied.

  • Der Einsatz folgt dem Bedarf, aber auch insbesondere den Stärken und Potenzialen der Mitarbeiter.

  • Wissenstransfer und Synergien zwischen den Teams werden durch häufige, regelmäßige Jours fixes gefördert.

Wie überlegen eine agile Organisation dem herkömmlichen Modell ist, zeigt sich insbesondere bei disruptiven Diskontinuitäten im Unternehmensumfeld wie beispielsweise der COVID-19-Pandemie, die auch in den Zuckermärkten zu erheblichen Verschiebungen geführt hat. So ist das Industriegeschäft spürbar zurückgegangen, was durch das Consumer-/Retail-Segment nicht kompensiert werden konnte. Auch der Ukraine-Konflikt wird sich perspektivisch erheblich auf die weltweiten landwirtschaftlichen Märkte auswirken. Regionale Lieferketten zur Absicherung der Lebensmittelversorgung werden an Bedeutung gewinnen. Auf solche Disruptionen kann eine agile Organisation angemessener und schneller reagieren.

Transnationale Teams sind hinsichtlich Arbeitsqualität, Motivation und Leistungsfähigkeit überlegen.

Diversität

Der Bereich Finance & Controlling hat die Fluktuation von Führungskräften und die Digitalisierung genutzt, um die Diversität auf allen Ebenen der Organisation zu verankern. Auch der Anteil der weiblichen Teamleader und Team-Mitglieder konnte deutlich gesteigert werden. Die Theorie und Praxis des transnationalen Managements hat gezeigt, dass gut geführte transnationale und diverse Teams hinsichtlich Entscheidungsqualität, Motivation, Kreativität, Agilität und Leistungsfähigkeit überlegen sind (vergleiche Schneider/Barsoux 2003, S. 218).

Die Führungskräfte verteilen sich auf die Hauptstandorte in Deutschland, Frankreich, Belgien und Polen im Sinne einer transnationalen Organisation. Teams arbeiten grundsätzlich standortübergreifend. Möglich gemacht hat dies die bereits vor Jahren angestoßene europaweite Standardisierung der Controlling- und Finance-Prozesse. So arbeiten alle legalen Einheiten der Zucker-Division auf derselben SAP-Plattform mit denselben Prozessen, denselben BI-Tools für Planung und Reporting und denselben KPIs.

Zudem wird zwischen fachlicher und disziplinarischer Führungsfunktion getrennt. Die disziplinarische Führung wird modern im Sinne eines Mentorings verstanden und fokussiert sich auf Themen wie zum Beispiel Personalentwicklung und Weiterbildung. Die Trennung beider Führungsfunktionen ist eine notwendige Voraussetzung für die Bildung transnationaler Teams, um den unterschiedlichen nationalen Gesetzgebungen, zum Beispiel im Arbeits- und Steuerrecht, Rechnung zu tragen. Die Trennung der fachlichen Organisationsstruktur von der gesellschaftsrechtlichen Struktur der Division Zucker führt dazu, dass Mitarbeiter der Konzernmutter Südzucker AG und der Tochterunternehmen in Belgien, Frankreich, Polen sowie Moldawien auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

In der neuen Organisation mit ihrem hohen Grad an Diversität können die Mitarbeiter des Bereichs Finance & Controlling ihre Kompetenzen und Potenziale optimal einbringen. Synergieeffekte lassen sich auf diese Weise auch abteilungs- und segmentübergreifend nutzen, und auf Veränderungen im Umfeld des Unternehmens kann schnell reagiert werden.

Schlussbetrachtung

Der Bereich Finance & Controlling unterstützt aktiv die Transformation der Division Zucker zu einem nachhaltigen Zuckererzeuger. Nicht zuletzt erfordert die durch die EU-Kommission verfolgte Nachhaltigkeitsstrategie eine ständige Wandlungsbereitschaft der Finanzfunktion. So werden Initiativen wie der Zehnjahresplan "Farm to Fork" im Rübenanbau, das Maßnahmenpaket "Fit for 55" für die Zuckererzeugung und die Einführung der EU-Taxonomie für die Finanzierung am Kapitalmarkt direkten Einfluss auf das künftige Geschäftsmodell Zucker entfalten. Nachhaltigkeitsziele durch entsprechende KPIs in die Planungs- und Reporting-Prozesse und Nachhaltigkeitsprojekte der Südzucker-Gruppe zu integrieren, wie zum Beispiel Social-Impact-Analysen, ist eine weitere neue Aufgabe. Hinzu kommen die Herausforderungen der Digitalisierung. Durch die Neuaufstellung des Bereichs Finance & Controlling ist die Division Zucker für die Herausforderungen der Zukunft sehr gut gerüstet.

Literatur

Anaplan (2020): The modern CFO revealed, https://go.sn.pub/CJ7c8J (letzter Abruf: 27.03.2022).

Chandler, A. D. (1962): Strategy and structure, Cambridge, MA.

Hammer, M./Champy, C. (1993): Reengineering the corporation: A manifesto for business revolution, London.

Horváth & Partners (2020): Mehr als ein Projekt: Die CFO-Organisation im Wandel, https://go.sn.pub/kM5jah (letzter Abruf: 27.03.2022).

Schneider, S. C./Barsoux, J. L. (2003): Managing across cultures, Harlow.

Wiltinger, K. (2021): Objectives and Key Results (OKR), in: WISU - Das Wirtschaftsstudium, 50 (7), S. 785-792.

Wiltinger, K./Heupel T./Deimel, K. (2022): Controlling, 2. Auflage, München.