Viele Unternehmen haben mit der Digitalisierung einhergehende Veränderungen in ihre Strategie integriert. Diese Analyse zeigt, welche Bereiche sich in der Transformation befinden - und dass nur das Controlling, als Steuerungsinstrument des Top-Managements, die nötige Transparenz erzeugen kann, um zu einer konsistenten und holistischen Steuerung der Digitalisierungsbemühungen zu gelangen.

Die digitale Transformation ist nicht nur von strategischer, sondern auch von operativer Relevanz, die COVID-19-Pandemie zeigt das besonders deutlich. Damit Unternehmen künftig resilienter mit neuen Situationen umgehen können, ist es von zentraler Bedeutung, dass sie Digitalisierung als Querschnittsthema verstehen, das über alle Unternehmensfunktionen hinweg relevant ist und umgesetzt wird. Zwar hat fast jedes DAX-Unternehmen inzwischen einen Chief Digital Officer und eine entsprechende Abteilung etabliert. Welche Funktionen und Bereiche - wie beispielsweise das Controlling - wie und in welchem Maße mit digitalen Maßnahmen befasst sind, ist oftmals jedoch nicht transparent. Diese Analyse der Geschäftsberichte und aktuellen Online-Auftritte der 30 DAX-Unternehmen hat dies nun empirisch untersucht und liefert Hinweise, an welchen Stellen Unternehmenssteuerung und Controlling ansetzen können, um digitale Aktivitäten in allen Bereichen voranzutreiben.

Analyse von Geschäftsberichten der DAX-Konzerne

Im Rahmen der quantitativen Textanalyse wurden die Geschäftsberichte der DAX-Konzerne explizit nach Begriffen wie Digitalisierung, Transformation oder Vernetzung durchsucht und das Verhältnis zwischen der reinen Nennung von Schlagworten zu konkret durchgeführten Digitalisierungsmaßnahmen analysiert (vergleiche Kasten Digitalisierungsindex). Die Ergebnisse zeigen die aktuellen Digitalisierungsbemühungen der Konzerne und legen nahe, welche Unternehmensfunktionen in dieser Hinsicht konkrete Maßnahmen implementiert haben.

Abb. 1
figure 1

Verteilung des Digitalisierungsindex im DAX

Quelle: eigene Darstellung

Digitalisierungsaktivitäten nach Bereichen

Die Analyse legt offen, dass die meisten Digitalisierungsaktivitäten der 30 DAX-Konzerne in den Bereich der organisatorischen Transformation fallen. Die Konzerne fokussieren sich hier auf interne Aktivitäten wie zum Beispiel die Verschlankung der Organisationsstruktur oder den Aufbau von digitalen Anlaufstellen wie "Hubs", "Labs" oder Kompetenz-Centers. Die DAX-Unternehmen setzen in diesem Zusammenhang auch auf externe Kooperationsaktivitäten mit Start-ups, um ihre Innovationskraft zu steigern. Starke Aufmerksamkeit erhält das Thema Digitalisierung auch in den Bereichen Geschäftsmodell, Prozesse und IT-Infrastruktur. Digitale Maßnahmen in Personal-Management, Führung/Steuerung und Kundenerlebnis hingegen sind unterdurchschnittlich repräsentiert.

"Die meisten Digitalisierungsaktivitäten der 30 DAX-Konzerne fallen in den Bereich der organisatorischen Transformation."

In der Analyse der Geschäftsberichte nimmt im Durchschnitt aller betrachteten Dimensionen der quantitative Teil des Digitalisierungsindex, also die reine Nennung von Schlagworten, 30 Prozent ein, der qualitative Teil des Digitalisierungsindex hingegen - die Umsetzung konkreter Digitalisierungsaktivitäten - insgesamt 70 Prozent. Während der qualitative Teil in allen Bereichen bei Weitem überwiegt, ist die Verteilung im Bereich Geschäftsmodell ausgewogen (vergleiche Abbildung 1). Die Chancen und Potenziale der Digitalisierung auf das aktuelle Geschäftsmodell werden demnach zwar erkannt, konkrete Maßnahmen umzusetzen oder entsprechende digitale Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, scheint für die Unternehmen jedoch herausfordernd zu sein. Die übrigen fünf Bereiche Kundenerlebnis, Prozesse und IT-Infrastruktur, Personal-Management, Führung/Steuerung sowie organisatorische Transformation weisen eine größere Differenz zwischen qualitativem und quantitativem Teil auf, was für eine konsequentere Transformation spricht.

"Konkrete Maßnahmen umzusetzen oder entsprechende digitale Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, scheint für Unternehmen herausfordernd zu sein."

Digitalisierungsaktivitäten nach Branchen

Der branchenübergreifende Vergleich zeigt, wie unterschiedlich stark die digitale Transformation in den 30 DAX-Konzernen vorangeschritten ist: Während die Branchen Energie und Rohstoffe (ERM), Transport und Logistik (T&L), Banken, Versicherungen und Immobilien (BIR) sowie Chemie, Pharma und Medizin (CPM) einen ähnlichen Indexanteil aufweisen, ist sowohl in der IT-Dienstleistung und Software (ITSS) als auch im Hardware- und Technologiesektor (H&T) ein höherer quantitativer Anteil im Vergleich zum Durchschnitt zu beobachten. Möglich ist einerseits, dass die beiden genannten Branchen in der digitalen Transformation weiter fortgeschritten sind, sodass weniger Digitalisierungsaktivitäten durchgeführt werden. Andererseits könnten auch branchenspezifische Merkmale der Grund sein: So sind beispielsweise Unternehmen der ITSS-Branche aufgrund ihres Geschäftsmodells traditionell stärker von der Digitalisierung betroffen und bieten viele digitale Lösungen bereits an. Zudem nutzen sie Geschäftsberichte eher als Medium, um diese gegenüber externen Stakeholdern zu vermarkten. In der Handels- und Konsumgüterbranche (78 Prozent) sowie der Automobilbranche (76 Prozent) dominiert hingegen der qualitative Teil im Vergleich zum Durchschnitt. Die beiden Branchen könnten demnach im Betrachtungszeitraum am stärksten von der Digitalisierung betroffen gewesen sein oder sich mitten in der Transformation befinden.

"Unternehmen der ITSS-Branche sind traditionell stärker von der Digitalisierung betroffen und bieten viele digitale Lösungen bereits an."

Schlussbetrachtung

Die Ergebnisse der Geschäftsberichtsanalyse zeigen, dass sich der Digitalisierungsgrad der 30 DAX-Unternehmen sowohl nach Bereichen als auch nach Branchen stark unterscheidet. Häufig haben die Konzerne Schwierigkeiten, konkrete Digitalisierungsmaßnahmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle umzusetzen. Unternehmen sollten ihre bisherige Unternehmenssteuerung deshalb überdenken und die Digitalisierung als verbindliches und messbares Element in das Controlling einbetten. Steuerungskennzahlen, die den Digitalisierungsgrad unterschiedlicher Handlungsfelder widerspiegeln, können traditionelle Steuerungskennzahlen dabei effektiv ergänzen: Beispielsweise könnten Unternehmen digitale Ziele in bisherige Instrumente zur Leistungsmessung oder Performance-Messung wie in einer Balanced Scorecard integrieren. Auf diese Weise ließen sich die vier Perspektiven Kunden, Finanzen, Prozesse und Entwicklung um eine weitere Perspektive erweitern, welche sich ausschließlich mit den Handlungsfeldern der Digitalisierung befasst, beispielsweise mit digitalen Geschäftsmodellen oder Prozessen. Alternativ lassen sich digitale Ziele auch innerhalb der bereits bestehenden Perspektiven einbetten. Der digitale Zustand eines Unternehmens kann mittels verschiedener Reifegradmodelle aus Literatur und Praxis ermittelt werden.

"Unternehmen sollten ihre Unternehmenssteuerung überdenken und Digitalisierung als verbindliches und messbares Element in das Controlling einbetten."

Um digitale Aktivitäten über alle Ebenen hinweg konsequent umsetzen und ganzheitlich steuern zu können, müssen Unternehmen zudem ihr Reporting anpassen. Der Fortschritt digitaler Projekte, aber auch der Ergebnis- und Fixkostenbeitrag der entsprechenden Initiativen sollten deshalb auf der Agenda der monatlichen Berichterstattung stehen. Auch lassen sich digitale Vorhaben in die individuelle Zielvereinbarung integrieren, um digitale Aktivitäten zu fördern. Einige wenige DAX-Konzerne wie Daimler haben digitale Ziele wie beispielsweise den Anteil von digitalem Self Service oder Umsatz an Mobilitätsdienstleistung bereits in der individuellen Zielvereinbarung auf Vorstandsebene verankert.

Literatur

Mayring, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 12. Auflage, Weinheim.