figure a

Die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und insbesondere die Einrichtungen der vorschulischen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zählen zu den beruflichen Bereichen mit den größten Fachkräftelücken (Hickmann und Koneberg 2022). Zugleich ist in diesen Berufsfeldern trotz mehr oder weniger stagnierender Bevölkerungszahlen in Deutschland seit Jahrzehnten ein Personalaufwuchs zu verzeichnen. Gegenwärtig sind, je nachdem wie breit oder eng Soziale Arbeit definiert wird, zwischen 1,6 bis 1,8Mio. Personen in sozialpädagogischen Handlungsfeldern beruflich engagiert (vgl. Meyer 2023). Ein Grund für die identifizierte Personalsituation könnte also schlicht in dem Wachsen der sozial- und kindheitspädagogischer Handlungsfelder vermutet werden.

Für die Kinder- und Jugendhilfe kann diese Entwicklung und der gegenwärtige Personalbestand konkreter benannt werden. In den Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sind momentan ungefähr 1.000.000 Personen berufstätig. Gegenüber dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends entspricht das einem Personalwachstum von mehr als 75 % respektive von ungefähr 500.000 Beschäftigten.

Bedarf respektive Mangel – Entwicklungen und Annahmen

Diese Expansion verdankt sich vor allem dem Ausbau von Kindertageseinrichtungen. Vorliegenden Szenarien zufolge könnte sich die Expansion in den kommenden Jahren leicht reduzieren, jedoch keineswegs umfänglich abflachen. Abhängig von Fluktuationen, Renteneinstiegen, sozial- und bildungspolitischen Entscheidungen, der Zu- oder Abnahme der von Kindern und Jugendlichen zu bewältigenden gesellschaftlichen Risiken und Herausforderungen, Verschiebungen zwischen Handlungsfeldern, beispielsweise zwischen der Kinder- und Jugendarbeit und den Angeboten im Rahmen des Ausbaus von ganztägigen Angeboten an Schulen, und der weiteren Verbesserung der Angebote werden in der Kinder- und Jugendhilfe unabhängig vom Personalbedarf in Kindertageseinrichtungen je nach Szenario zwischen 9000 und gut 20.000 Personen fehlen (vgl. Autor_innengruppe Forschungsverbund DJI/TU Dortmund 2024).

Für das Feld der Kindertageseinrichtungen kann diese Markierung feiner, jedoch keineswegs präzise beschrieben werden. Nach dem besonders bis in die zweite Hälfte der 2020er Jahre fortdauernden Bedarfs an Fachkräften wird sich der darüber ergebene Mangel an pädagogischen Fachkräften bis 2030 möglicherweise leicht reduzieren. Wenn jedoch, wie Expert_innen nachdrücklich empfehlen, der Personalschlüssel deutlich verbessert werden und eine weitere Professionalisierung des Personals und der organisationalen Bedingungen angestrebt werden sollte, dann fehlen in den ostdeutschen Bundesländern über 2000 und in den westlichen Bundesländern über 13.000 Fachkräfte zu Beginn der 2030er Jahre (vgl. Bock-Famula et al. 2023).

Weitgehend unstrittig ist, dass ein zentraler Grund für den Bedarf an Fachkräften in den gestiegenen Inanspruchnahmequoten liegt. Diese begründen sich wiederum in erweiterten Rechtsansprüchen, beispielsweise bezüglich der bildungsorientierten Kindertagesbetreuung, dem Ausbau von Angeboten, unter anderem in Bezug auf ganztägige Angebote im Primar-, aber auch im Sekundarbereich, und dem Hinzukommen neuer und gewachsener Bedarfe, beispielsweise auch durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete (vgl. AKJStat 2022). Die wachsende Nachfrage nach Angeboten und Leistungen der Kinder und Jugendhilfe nehmen Janine Birkel-Barmsen und Christiane Meiner-Teubner als Ausgangspunkt, in ihrem Beitrag in diesem Schwerpunkt die Herausforderungen, die das System der Kinder- und Jugendhilfe bewältigen muss, zu diskutieren.

Der Personalaufwuchs kann zweitens mit Verweis auf gestiegene fachliche Anforderungen und damit verbundenen Professionalisierungsprozessen in der veränderten Mandatierung der Sozialen Arbeit gesehen werden. Die Bedingungen des Aufwachsens fordern die institutionellen Strukturen wie die fachlichen Ressourcen der Kinder- und Jugendhilfe, sich kontinuierlich zu qualifizieren und neu zu orientieren. Neue, unter anderem auch pandemiebedingte Risiken, die Zunahme kriegerischerer Auseinandersetzungen und darüber mitmotivierter Infragestellungen der Demokratie sowie bisheriger Formen der Herstellung von sozialem Zusammenhalt und gesellschaftlicher Solidarität fordern die organisationalen Strukturen und pädagogischen Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe und die hier als fluide beschriebene Professionalität zusätzlich (vgl. u. a. Sehmer et al. 2022; insbesondere auch den Beitrag von Julia Breuer-Nyhsen und Verena Klomann in diesem Heft).

Inwieweit der diagnostizierte Mangel an Fachkräften drittens in der fehlenden Attraktivität des Berufsfeldes begründet ist, wird hingegen kontrovers diskutiert. Hingewiesen wird diesbezüglich auf die gegebenen Rahmenbedingungen, etwa wenn festgestellt wird, dass „jahrelang zu wenig ausgebildet“ wurde. Die „Tätigkeiten waren und sind oft schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen sind längst nicht ideal, und viele Fachkräfte verbleiben nicht allzu lange in ihren Praxistätigkeiten in der Sozialen Arbeit“, so etwa Christian Spatscheck (2023, S. 48). Harald Gieske (2012, S. 30) prognostiziert vor gut zehn Jahren schon, dass die Soziale Arbeit 2025 den Wettbewerb um beruflichen Nachwuchs verlieren werde, wenn die Arbeitsbedingungen nicht dramatisch verbessert würden. Dem stehen Befunde zu stabilen, wenn nicht sogar steigenden Studierendenzahlen in der Sozialen Arbeit (Bundesagentur für Arbeit 2023) und einer hohen Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten (Mayer und Hollederer 2024) gegenüber.

Davon auszugehen ist, dass die hier angedeuteten Zusammenhänge jedoch wesentlich komplexer sind. Eine Sonderauswertung des Mikrozensus und des DGB-Index „Gute Arbeit“ (Henn et al. 2017) zeigt, dass Sozialarbeiter_innen ihre berufliche Tätigkeit hinsichtlich Einkommen tatsächlich deutlich schlechter einschätzen als andere Berufsgruppen. Zugleich werden aber die Ressourcen des Berufs (z. B. Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Sinn der Arbeit) überdurchschnittlich hoch bewertet (Henn et al. 2017, S. 46). Beschäftigte in der Sozialen Arbeit scheinen ihren Beruf trotz zum Teil widriger Arbeitsbedingungen zu mögen. Sarah Henn et al. (2017, S. 51) sehen darin einen Grund, warum in der Sozialen Arbeit beruflich Engagierte die hohen Belastungen kaum zum Anlass nehmen, sich berufspolitisch zu engagieren. Hinweise darauf, dass dieser Befund nun wiederum kein Grund sein sollte, die Attraktivität des Berufsfeldes in der Gewinnung und Bindung von Fachkräften zu vernachlässigen, finden sich in den Beiträgen dieses Schwerpunkts. So macht Nanine Delmas aus einer Praxisperspektive darauf aufmerksam, dass der Fachkräftemangel „arbeitsfeld-interne Konkurrenzen“ begünstige. Darunter würden insbesondere jene Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit leiden, in denen die Beschäftigten Schichtdienst leisten müssen oder hohen (emotionalen) Belastungen ausgesetzt sind. Sie skizziert eine Spirale der Unterbesetzung und Überlastung im herausfordernden Arbeitsfeld des ASD, die letztlich zu „einer Art Arbeitsfeld-Burnout“ führe.

Woran es mangelt …

Die vorliegenden Versuche, die Gründe für den angezeigten Personalmangel im Feld der Sozialen Arbeit zu eruieren, verweisen einerseits auf einen grundsätzlich bestehenden Fachkräftemangel und anderseits auf die Diagnose eines Mangels an einer spezifischen fachlichen Expertise respektive darauf, dass Qualitätsstandards sich veränderten.

Werden die gestiegenen Inanspruchnahmequoten von Angeboten der bildungsorientierten Kindertagesbetreuung und von ganztägigen Bildungsangeboten an Schulen in den Kontext der Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit der Kommodifizierung elterlicher, vor allem aber mütterlicher Arbeitskraft gestellt, kann dies zum Beispiel je nach Begründungsmuster zu einer reinen Fokussierung auf die Zahl des erforderlichen Personals führen oder auch qualitative Anforderungen an das pädagogische Personal begründen (vgl. Rüling 2010). So lassen sich unmittelbare volkswirtschaftliche Effekte eher erzielen, wenn die Kosten der institutionellen Kindertagesbetreuung gering bleiben, was Deprofessionalisierungseffekte im Sinne der Absenkung von fachlichen Zugangsvoraussetzungen begünstigt. Werden hingegen langfristige volkswirtschaftliche Effekte anvisiert, spielt die fachliche Kompetenz der Pädagog_innen eine bedeutsame Rolle, da „auch das künftige Humankapital der nachfolgenden Generation abgesichert werden“ muss (Rüling 2010, S. 206). Diese Sichtweise knüpft an die Wahrnehmung gestiegener fachlicher Anforderungen an, die durchaus nicht nur ökonomisch gedeutet werden können, wie der Schwerpunktbeitrag von Julia Breuer-Nyhsen und Verena Klomann deutlich macht, wenn sie zum einen die adressat_innenorientierte Bearbeitung gesellschaftlicher Geltungskrisen als Aufgabe der Sozialen Arbeit skizzieren und zum anderen auf die Herausforderung der Zusammenarbeit mit Quereinsteiger_innen und Laien aufmerksam machen.

Neben den Annahmen, es mangle schlicht an Personen bzw. es fehle an angemessen qualifiziertem Personal, wird eine dritte Annahme, woran es mangle, vorgetragen: In dieser Lesart resultiert der gestiegene Bedarf an sozial- bzw. kindheitspädagogischen Angeboten und damit verbunden an Fachkräften aus einer fehlenden gesellschaftlichen Problembearbeitungskompetenz. So deutet Nanine Delmas in ihrem Beitrag an, dass im Kontext kommunaler Verteilungskämpfe, insbesondere vor dem Hintergrund schwieriger Haushaltslagen, die Notwendigkeit niedrigschwelliger, präventiver Hilfen – und damit der Bedarf an professioneller Unterstützung – von politischen Akteur_innen in Frage gestellt werde. Und Julia Breuer-Nyhsen und Verena Klomann gehen mit Verweis auf Rauschenbach (1994) davon aus, dass die Annahme, „eine Kultur des Sozialen [könne] letztlich nicht ‚künstlich‘ oder sekundär hergestellt werden“ immer noch in der Gesellschaft vorhanden sei. Zum Teil münden solche Positionen in begründeten Forderungen nach mehr Familienzeit oder der Stärkung informeller sozialer Gemeinschaften. Nicht selten wird der Bedarf an professionellen sozial- und kindheitspädagogischen Leistungen aber von Protagonist_innen des gesellschaftlichen Diskurses kritisiert, die äußerst konservative oder rechtsnationalistische Positionen vertreten. Ihre „Lösungen“ umfassen in der Regel die Responsibilisierung des Individuums, Strategien der Ausgrenzung oder die Negation von Unterstützungs- und Bildungsansprüchen.

Lösungen und Gestaltungsmöglichkeiten …

Während problemverlagernde Deutungsweisen des Bedarfs bzw. des Mangels kaum Gestaltungsräume eröffnen, die ethischen und professionellen Überlegungen standhalten können, changieren die Debatten jener Beobachter_innen, die den Bedarf an Fachkräften grundsätzlich anerkennen, zwischen Pragmatismus und professioneller Vision (vgl. den Beitrag von Fabian Kessl in diesem Schwerpunkt). Janine-Birkel-Barmsen und Christiane Meiner-Teubner legen beispielsweise dar, dass die Öffnungen der Fachkräftekataloge von Verantwortlichen der politischen Steuerung durchaus als eine Maßnahme verstanden werden, um zusätzliches Personal für die Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen. Befürchtungen, dass damit Deprofessionalisierungsprozesse in Gang gesetzt werden, sehen sie auf Basis des statistischen Monitorings bislang nicht bestätigt.

Demgegenüber zeigen sich Julia Breuer-Nyhsen und Verena Klomann weniger optimistisch, dass vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels das Qualifikationsniveau der Beschäftigten in der Sozialen Arbeit durchgängig aufrechterhalten werden kann. Sie warnen vor Aktionismus und machen deutlich, dass sie im Fachkräftemangel vor allem die Aufforderung an die Soziale Arbeit sehen, das eigene professionelle Berufsprofil zu schärfen. So würden sich aus der veränderten Zusammensetzung der Teams die Konsequenz für die fachlich einschlägig, insbesondere akademisch qualifizierten Fachkräften ergeben, die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Quereinsteiger_innen zu koordinieren, anleitend und steuernd zu agieren und das eigene professionelle Territorium deutlich abzustecken. Um die personelle und organisationale Deprofessionalisierung von Handlungsfeldern zu verhindern, müsse sich die Soziale Arbeit weiterentwickeln und auch ihre Rolle als Vermittlerin und Prozesssteuerung profilieren. Vor dem Hintergrund von Studien zu multiprofessioneller Zusammenarbeit im Kontext der Sozialer Arbeit, die nahelegen, dass die Koordinationsfunktion der Sozialen Arbeit häufig eher organisational ausbuchstabiert wird und keineswegs als Ausdruck ihrer spezifischen sozialpädagogischen Professionalität einzuordnen ist (vgl. Lochner und Henn 2020, S. 56 f.), erscheint dieser Anspruch in besonderer Weise herausfordernd und nur in Verbindung mit berufspolitischen Aktivitäten realisierbar.

In Beiträgen, die sich der Erweiterung von Zielgruppen in der Rekrutierung von Personal widmen, plädieren insbesondere politisch agierende Akteur_innen dafür, Quereinsteiger_innen einen beruflichen Einstieg anzubieten und Fachkräfte mit einem niedrigeren formalen Abschluss Zugänge auch in komplexeren sozialpädagogischen Arbeitsfeldern zu eröffnen. Die Einbindung von Fachkräften mit im Ausland erworbenen Abschlüssen scheint lediglich eine Randnotiz zu sein und das, obwohl Fachkräfte mit eigenen oder familialen Migrationserfahrungen in den Feldern der Kinder- und Jugendhilfe unterrepräsentiert sind (vgl. für den Bereich Kindertageseinrichtung auch Autorengruppe Fachkräftebarometer 2021, S. 97) – die „migrationsgesellschaftliche Realität“ (Akbaş 2018, S. 28) scheint in der Sozialen Arbeit noch kaum angekommen zu sein. Während es für die Begrenzung des Zugangs von Beschäftigten ohne hinreichende Qualifikation gute fachliche Gründe gibt, scheinen die Gründe für den schweren Weg der beruflichen Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse vorrangig in der defizitorientierten Logik der Gleichwertigkeitsprüfung (Faas et al. 2021, S. 274) als Form der „Gewalt des kollektiven Besserwissens“ (Sommer 2015) zu liegen.

Weitgehend einig scheinen sich die Autor_innen des Schwerpunkts darin zu sein, dass es wenig erfolgsversprechend und gerechtfertigt ist, die Frage, wie der Fachkräftemangel auch gelöst werden kann, allein damit zu beantworten, die Anzahl der Qualifizierungsformate zu erhöhen und die Ausbildung von mehr qualifizierten Fachkräfte zu fordern. Angeregt wird, beispielsweise zu überlegen, ob und wenn inwieweit technologische Innovationen einen Beitrag dazu leisten können, den Fachkräftemangel zu bewältigen (vgl. hierzu den Beitrag von Pottharst et al. in diesem Schwerpunkt). Gesehen werden Potenziale nicht nur in Bezug auf standardisierte Prozesse und Aufgaben. Vielmehr wir hervorgehoben, dass neuere Technologien auch Unterstützung für nicht-standardisierbare Tätigkeiten und das Herstellen niedrigschwelliger Zugänge bieten können. Eine Prämisse des Einsatzes müsse jedoch sein, dass Qualitätsstandards erhalten blieben oder sogar verbessert würden.

Resümee – kein Fazit

Die zuvor angedeuteten Fragen und vorgetragenen Überlegungen zur Bewältigung des identifizierten Bedarfs an sozialpädagogischen Fachkräften und die damit zugleich aufgeworfene, normativ konnotierte Frage nach dem gewünschten Profil von sozialpädagogischer Professionalität, sind keineswegs neu. Schon zu Beginn der 1970er-Jahre findet sich formuliert, dass es darauf ankommt, „die zentralen Kategorien übergreifender Handlungskonzeptionen, die auf gesellschaftliche Veränderung abzielen“ (Otto 1972, S. 416) für das Feld der Sozialen Arbeit zu definieren. Als Akteur_innen der Veränderung werden die sozialpädagogischen Fachkräfte angesehen, obgleich es denen bis dato noch nicht gelungen sei, so die Beobachtung, „die politisch-emanzipatorische Bewegung (…) auf breiter Linie zu einer kritischen Überprüfung ihrer beruflichen Situationsdefinition“ zu nutzen. Sie würden nur zögernd ihre „individualistisch-subtile, gesellschaftliche Widersprüche ausklammernde, (…) auf den sogenannten gesunden Menschenverstand“ (Otto 1972, S. 417 ff.) vertrauende Praxis politisch wie professionell zu verändern suchen.

Fragen der Professionalität werden in den 1970er-Jahren wie heute mit inhaltlichen Fragen verbunden. So wird beispielsweise analysiert, dass die vorliegenden, für den Elementarbereich bestimmten Erziehungskonzepte bislang keinen „Beitrag zum Abbau gesellschaftlicher Ungleichheit zu leisten“ vermögen und die sozialpädagogischen Ausbildungsformen und -inhalte „weniger bestimmte Fachkenntnisse als vielmehr Mütterlichkeit und Liebe zum Kind, […] also Tugenden, die nach der herkömmlichen Geschlechterordnung ohnehin den Frauen zugeschrieben wurden“ (Barabas et al. 1975, S. 49), priorisieren. Pläne, motiviert durch den von der „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung“ (1973) verabschiedeten „Bildungsgesamtplan“, wonach statt damals 27 % bis 1985 70 % aller drei- und vierjährigen Kinder eine Kindertageseinrichtung besuchen können sollen (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 1973, S. 11), konfrontieren die Professionalisierungsforderungen mit der Frage, wie die hierzu notwendigen Fachkräfte qualifiziert werden können. Allein für das Bundesland Hessen hätten die diskutierten Veränderungen laut dortigem Sozialministerium bis zu den 1980er ein Personalmehrbedarf von 1300 Sozialpädag_innen, 5500 Erzieher_innen und 2200 Kinderpfleger_innen erfordert (Barabas et al. 1975, S. 42).

Die zu Beginn der 1970er-Jahre diagnostizierte Situation und die damit verbundenen Herausforderungen scheinen sich im Kern also kaum verändert zu haben. Nach wie vor scheint es an – insbesondere akademisch qualifizierten – Fachkräften zu fehlen. Zwar sind inzwischen mehr einschlägig qualifizierte Personen in der Sozialen Arbeit beschäftigt. Wenn jedoch ein enges, formales Verständnis von Professionalität herangezogen wird, also nur diejenigen als professionelle Beschäftigte angesehen werden, die über einen einschlägigen Hochschulabschluss verfügen, dann können etwa für das Feld der Kinder- und Jugendhilfe lediglich 15 % als Professionelle angesehen werden. Der höchste Professionalisierungsgrad wird für das Feld der Allgemeinen Sozialen Dienste mit über 90 % ausgewiesen. Immerhin knapp 30 % der Beschäftigten in den Hilfen zur Erziehung, 46 % in der Kinder- und Jugendarbeit, allerdings lediglich unter 10 % in dem Feld der Kindertageseinrichtungen können auf den erfolgreichen Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums verweisen (Olszenka et al. 2022; vgl. auch Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2022 und Beitrag von Janine Birkel-Barmsen & Christiane Meiner-Teubner in diesem Schwerpunkt) Allerdings wird dieses formale Merkmal der Professionalisierung der Sozialen Arbeit zwar weiterhin diskutiert (vgl. hierzu auch die Beiträge von Julia Breuer-Nyhsen & Verena Klomann, Nanine Delmas und Fabian Kessl in diesem Schwerpunkt), angesichts des Bedarfs an Fachkräften, insbesondere im Feld der frühkindlichen Erziehung und Bildung, jedoch nicht mehr als zentrale Zielorientierung beschrieben.

In den fachlichen wie politischen Diskussionen weicht die Frage nach den Möglichkeiten einer weiteren Professionalisierung der Sozialen Arbeit der Frage, wie überhaupt der existierende Personalbedarf gedeckt werden kann. Die gegenwärtig diesbezüglich diskutierten und realisierten Wege liegen alle unterhalb formalen Professionalisierungskriterien gerecht werdenden Qualifizierungsformaten (vgl. hier u. a. Janine-Birkel-Barmsen & Christiane Meiner-Teubner in diesem Heft). Möglicherweise gibt es angesichts der bestehenden personellen und institutionellen Ressourcen auch keine klugen, den Bedarf deckenden wie fachlichen Qualitätsansprüchen gerecht werdende Lösungen. Wenn dem so sein sollte, wäre ausgiebiger als gegenwärtig wahrnehmbar zu diskutieren, ob Soziale Arbeit überhaupt noch umfänglich in der Lage ist, die an sie adressierten Aufgaben wahrzunehmen und wenn, mit welchen Intentionen und Zielen. Die zuweilen in den Institutionen der kommunalen Sozialen Arbeit diskutierte Idee, die Angebotspalette an sozialen Dienstleistungen fachlich abzuspecken und sich auf Kernaufgaben zu konzentrieren, manche Aufgaben lediglich noch ordnungspolitisch zu bearbeiten oder an die Polizei oder Justiz zu delegieren, stellt nicht nur keine Lösung dar, sondern impliziert ein Zurück in die Sanktions- und Kasernierungspraxis des 19. Jahrhundert.

Soziale Arbeit als Projekt von Angeboten der Hilfe und Bildung, Unterstützung und Begleitung von Menschen aller Altersgruppen, der sozialen Initiierung von subjektiven Lebensbewältigungs- und Lebensgestaltungskompetenzen in modernen, kapitalistischen Gesellschaften ist angesichts der scheinbar nicht aufzulösenden Paradoxie zwischen Deckung des Personalbedarfs und Professionalisierungsansprüchen neu zu diskutieren und zu relationieren. Die favorisierten kurzfristigen Lösungen dürfen dabei das Finden von langfristigen Antworten nicht blockieren, auch weil deutlich ist, dass die an Soziale Arbeit adressierten gesellschaftlichen Aufgaben sich keineswegs minimieren. Soziale Ungleichheiten nehmen zu, scheinen sich zu verschärfen wie zu festigen und dazu beizutragen, dass immer mehr Kindern und Jugendlichen verwehrt bleibt, in ihrer Sozialisation soziale, kognitive und emotionale Fähigkeiten zu erwerben, die ihnen einen guten, existenzsichernden, wie selbstständigen, mündigen Weg durchs Leben ermöglichen. Diesbezüglich wie auch bezüglich der Herstellung von sozialem Zusammenhalt und gesellschaftlicher Solidarität ist – und bleibt – die Soziale Arbeit gefordert. Wenn die bundesrepublikanische Gesellschaft weiterhin ein Ziel darin sieht, allen Bürger_innen ein weitgehend sicheres und zufriedenstellendes Leben und demokratische Teilhabe zu ermöglichen und Soziale Arbeit mit den sich daraus ergebenden Aufgaben beauftragt, dann sind auch die hierzu notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Bei allen damit verbundenen – ungelösten – Fragen ist sicher: Gebremst und blockiert werden der bedarfsdeckende Personalausbau und die Prozesse der weiteren Professionalisierung nicht durch die beruflichen Akteur_innen der Sozialen Arbeit, sondern durch die ökonomisch bedingten und politisch favorisierten Vergesellschaftungsmuster.