Neben Forschung und Lehre hat für Hochschulen in den letzten Jahren auch ein Austausch mit unterschiedlichen Akteur_innen aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Berufspraxis an Bedeutung gewonnen. Wie kann dies durch ein Lehrforschungsprojekt mit Studierenden und Fachkräften aus der Praxis gelingen kann, wird im vorliegenden Beitrag dargestellt.

Im Folgenden wird in das Lehrforschungsprojekt eingeführt. Hierbei gehen wir zum besseren Verständnis zunächst auf Anlass, Art und Ziele des Projektes ein. Im weiteren Verlauf widmen wir uns kursorisch den sogenannten Transferaufgaben von Hochschulen sowie der Bedeutung eines Wissenstransfers im Allgemeinen und der Einordnung des hier vorgestellten Lehrforschungsprojekts in diesen Kontext. Darüber hinaus möchten wir im weiteren Verlauf des Artikels die Besonderheiten resp. Alleinstellungsmerkmale des hier vorgestellten Projekts darstellen.

Zunächst werden dafür die einzelnen Projektphasen des Lehrforschungsprojektes vorgestellt und reflektiert. Um einen präzisen Einblick geben zu können, stellen wir Herausforderungen, die uns im Projektverlauf begegnet sind, vor und greifen hierbei unter anderem Perspektiven der Teilnehmenden auf, die wir im Rahmen unterschiedlicher Reflexionsphasen festgehalten haben. Zum Abschluss des Artikels wird der Frage nachgegangen, wie der Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen Praxis, Forschung und Ausbildung nachhaltig gelingen kann und welche Möglichkeiten dabei digitale Kommunikationsformen bieten.

Das Lehrforschungsprojekt: Anlass, Art und Ziele

Von 2021 bis 2022 wurde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ein Lehrforschungsprojekt durchgeführt, um den Transfer zwischen professioneller Praxis, wissenschaftlicher Forschung und akademischer Ausbildung durch digitale Medien zu fördern. Das Projekt wurde durch Gelder aus dem Digitalisierungsfonds der CAU gefördert und im Rahmen eines Lehrforschungsseminars im Masterstudiengang Pädagogik mit circa zwanzig Studierenden durchgeführt (Modul: „Bildungsforschung und Forschungsmethoden“).

Dafür war ein Projektteam von der CAU in Kiel verantwortlich, das sich aus den Autor_innen dieses Beitrages zusammensetzte, d. h. Martin Hunold (Projektleitung), Maike Tobies-Jungenkrüger (Lehrbeauftragte) und Kim Hartung (wissenschaftliche Hilfskraft). Stefanie Kessler und Adrian Beutler (2021: beide wissenschaftliche Mitarbeitende) waren zudem an der Beantragung der Fördergelder für das Projekt beteiligt. Ziel des Projektes war es, forschungsorientierte Lehre zur Förderung selbstständiger Forschung in digitalen Lehrformaten zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten die im Rahmen des Projekts durchgeführten Interviews zu einer Videosammlung von Expert_inneninterviews organisiert werden, die vielseitig in der Lehre genutzt werden können.

Transfer zwischen wissenschaftlicher Forschung, professioneller Praxis und akademischer Ausbildung

Wirft man einen Blick auf die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von Hochschulen, so zeigt sich, dass neben Forschung und Lehre in den letzten Jahren verstärkt auch ein Austausch mit unterschiedlichen Akteur_innen aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Berufspraxis in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist. Dies umfasst zumeist sehr verschiedene Aktivitäten, an denen Hochschulpersonal und/oder Studierende beteiligt sind (vgl. Henke und Schmid 2017, S. 116). Im Hochschulkontext wird neben der „First Mission“ Forschung und der „Second Mission“ Lehre an dieser Stelle von einer „Third Mission“ als weitere Hochschulaufgabe gesprochen (vgl. Schneidewind 2016, S. 14). Hierunter wird zumeist ein Tätigkeitsbereich verstanden, der im Zusammenhang von Lehre und Forschung entsteht, aber vorrangig durch Interaktionen mit Akteur_innen außerhalb der akademischen Sphäre gekennzeichnet ist (vgl. Henke und Schmid 2017, S. 116). Hierdurch wird unter anderem das Ziel verfolgt, durch Kooperationen mit unterschiedlichen Praxisakteur_innen außerhochschulische Entwicklungsinteressen zu fördern (vgl. Henke et al. 2015, S. 5). Übergeordnet lassen sich erstens die Weiterbildung, zweitens der Forschungs- und Wissenstransfer und drittens das gesellschaftliche Engagement dem Aufgabenspektrum der Third Mission zuordnen (vgl. Henke und Schmid 2017, S. 120).

Das durchgeführte Lehrforschungsprojekt knüpfte an diese drei „Missionen“ an und zielte vor allem auf den Transfer zwischen Fachkräften in den Feldern der Sozialen Arbeit, Wirtschaft und Verwaltung, dem Projektteam aus Lehrenden und Forschenden sowie den Pädagogik-Studierenden an der CAU zu Kiel. Durch den Austausch konnten verschiedene Lern- und Entwicklungsprozesse innerhalb und außerhalb der Hochschule in Gang gesetzt und eine Perspektivübernahme auf Seiten der Beteiligten unterstützt werden. Die Durchführung und Auswertung der Expert_inneninterviews, das zeigte sich in der projektinternen Evaluation, regte die Beteiligten mit ihren Erfahrungs- und Wissenshintergründen zur Reflexion von Praxis- und Fachwissen an. Im Rahmen des Lehrforschungsseminars konnten die Studierenden ihre Fragen entwickeln und diese an die Expert_innen richten und auf diese Weise vom Erfahrungswissen der Befragten profitieren, dadurch eine forschende Haltung erproben und entfalten und Forschung aktiv und selbstorganisiert erleben sowie Kontakte für künftige Forschungs- und Arbeitsvorhaben knüpfen. Durch die von den Studierenden und Forschenden des Projekts eingebrachten Leitfragen erhielten die befragten Fach- und Führungskräfte wiederum die Möglichkeit, ihr Erfahrungswissen zu strukturieren und zu hinterfragen. Diese Mitgestaltung von Hochschulbildung erweiterte nicht nur die didaktisch-methodische Varianz des Seminars, sondern förderte ebenso einen erfahrungsbasierten Wissenstransfer und die inhaltliche Nachvollziehbarkeit in Bezug auf das reflexive Verhältnis von Disziplin und Profession. Im Zuge der Auswertung der Interviews wurde die verbalisierte Praxis zudem vom Projektteam erforscht und durch die Herstellung von digitalen Lernressourcen (v. a. Videos) nachhaltig in der Lehre verankert. Im Folgenden werden die vier Projektphasen näher vorgestellt und als Erfahrungsbericht ausgewertet.

Erste Projektphase: Lehrforschungsseminar und Interviewführung

In der ersten Projektphase ging es zunächst darum, die Studierenden mit der Erhebung von narrativ orientierten Expert_inneninterviews sowie digitalen Interviews vertraut zu machen (vgl. Küsters 2009; Helfferich 2014). Hierbei ging es u. a. darum, Fragen zum Vorgehen zu klären. Außerdem konnten die Studierenden in selbstgewählten Forschungsteams (Kleingruppen) eigene Frageleitfäden entwickeln, mit dem Ziel, möglichst viele Einblicke in die Praxis der befragten Führungskräfte zu bekommen. Die Befragten, die für das Projekt gewonnen werden konnten, wurden im Vorfeld vom Projektteam durch bereits bestehende Kontakte organisiert. Insgesamt wurden acht Fachkräfte mit Führungsverantwortung aus unterschiedlichen Dienstleistungsorganisationen der Sozialen Arbeit, Wirtschaft und Verwaltung befragt (durch die Interviews in den Arbeits- und Handlungsfeldern wurde zudem eine vergleichende Analyse unterstützt).

Nach einer arbeitsintensiven Vorbereitungsphase, die neben forschungspraktischen Fragen vor allem von organisatorischen Aufgaben geprägt war, konnten die Studierenden die Interviews durchführen und ihr theoretisch-methodisches Wissen aus dem bisherigen fünf Seminarsitzungen praktisch erproben. Für die Durchführung der Interviews wurde ein digitales Videokonferenzsystem der Universität genutzt. Im Rahmen der Vorbereitung haben sich die Studierenden zudem mit datenschutzrelevanten und forschungsethischen Anforderungen auseinandergesetzt. Für das Lehrforschungsprojekt wurde gemeinsam eine Datenschutzvereinbarung entwickelt und sowohl von den Studierenden als auch den befragten Fach- und Führungskräften unterzeichnet. Die Studierenden führten die Interviews selbstständig durch und zeichneten diese in Bild und Ton auf. Schwerpunkt der Interviews bildete übergeordnet die Frage nach dem Thema personaler und speziell digitaler Führung. Alle Befragten konnten zum Zeitpunkt der Interviewerhebung bereits auf z. T. mehrjährige Führungserfahrungen, insbesondere in der Team- und Personalführung, auch aus der Distanz, zurückgreifen. Mithilfe erzählgenerierender Fragen sollten die Studierenden dann Einblicke in die Handlungs- und Führungspraxis der Fachkräfte bekommen und hierbei insbesondere deren Erfahrungen im Kontext virtueller Führung bzw. einer Führung aus der Distanz in Erfahrung bringen.

Gerade mit Blick auf die narrative Ausrichtung der Interviews war es wichtig, dass die befragten Führungskräfte in ihrer Art und Weise zu Wort kommen konnten. Ausgewählte Teile der durchgeführten Interviews wurden im Seminar von den Studierenden präsentiert und gemeinsam reflektiert, vor allem aber bezüglich

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    der Methode der Interviewführung (u. a. zur Erzählgenerierung),

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    den theoretisch-methodologischen Grundlagen (z. B. zur Validität des Verfahrens),

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    der Gegenstandstheorie (hier stand die Handlungs- und speziell die Führungspraxis der Befragten im Vordergrund, die unter Rückgriff auf die Fachliteratur und die Interviews reflektiert wurde) und

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    dem dynamischen Verhältnis von Theorie und Praxis.

Die Studierenden führten außerdem während des gesamten Arbeitsprozesses eigenständig Forschungstagebücher, in denen sie ihre Erfahrungen, Fragen und die Herausforderungen zum Forschungsprozess notierten. Im Seminar unterstützten diese Forschungstagebücher den Reflexionsprozess, indem die Studierenden anhand ihrer Notizen die forschungsbezogenen Erfahrungen entfalten und diskutieren konnten.

So bewertete bspw. eine Studentin die Interviewsituation wie folgt: „Es sind viele Details verloren gegangen, zu denen ich gerne mehr gefragt hätte […]. Mir ist außerdem aufgefallen, dass ich nach dem Interview sehr wenig des Gesagten behalten habe und mich kaum an den Inhalt erinnern konnte, weil ich so konzentriert auf Faktoren, wie die Wirkung meines Verhaltens und das meiner Partnerin, die richtigen Fragen, das Verhalten der interviewten Person […] geachtet habe“ (Auszug aus einem Forschungstagebuch).

Eine andere Studentin stellte heraus, dass sie im Anschluss an das geführte Interview ihre Perspektive zum Thema Hierarchie zwischen interviewten Personen und Forscher_innen nochmal überdacht habe, da die Befragte der forschenden Studierendengruppe das Angebot machte, ein Feedback zur Interviewerhebung zu geben. Die Studentin brachte zum Ausdruck, dass sie sich zuvor intensiv auf die eigene Rolle als Forscherin konzentriert habe, was von ihr wie folgt beschrieben wurde: „Zuvor habe ich deutlich stärker die Perspektive der forschenden Person bedacht und weniger die der zu interviewenden Person. Ich denke, dass ein wichtiger Aspekt ist, in welchen sozialen Rollen ein Mensch als Interviewpartner_in angesprochen wird“.

Eine weitere Studierende bewertete resümierend den Interviewverlauf als Erfolgserlebnis („hatte das Gefühl, dass wir das recht souverän gemeistert haben“) und stellte sich zugleich die Frage nach einer möglichen Differenz zwischen digitaler und analoger Interviewerhebung („wäre das Interview auch in einer face-to-face-Situation so gut abgelaufen?“). Diese und weitere Reflexionen der Studierenden wurden dann gemeinsam im Seminar unter Rückgriff auf ausgewählte Sozial- und Handlungstheorien strukturiert und diskutiert und dabei nach möglichen Alternativen von Methoden und Verfahren gefragt.

Zweite Projektphase: Aufbereitung der digitalen Interviews für die Lehre

In der zweiten Projektphase, im Anschluss an das Lehrforschungsseminar, wurden die acht Interviews vom Projektteam in mehreren Arbeits- und Rekonstruktionstreffen gesichtet und sukzessive ausgewertet. Dabei wurden aussagekräftige Stellen zum Leitungs- und Führungshandeln in den Interviews sondiert und bestimmt und von der wissenschaftlichen Hilfskraft mit Blick auf erkenntnisversprechende Ausschnitte zum untersuchten Gegenstand transkribiert sowie zu kurzen Lehr-Lern-Videos geschnitten. Dadurch konnten sieben Transkriptausschnitte sowie neun Lehrvideos in einer Länge von zwei bis vier Minuten als Lehr-Lern-Ressourcen für die Hochschulbildung entwickelt werden.

Die Durchführung und Aufnahme sowie die Auswertung und Aufbereitung der Interviews ist für die Lehre nachhaltig, da neben den Erfahrungen aller Beteiligten eine bleibende Ressource für die akademische Ausbildung von angehenden Pädagog_innen entstanden ist. Zugleich wurde mit dem Lehrforschungsprojekt ein innovatives Lehr-Lernformat erprobt, durch das der Transfer zwischen Lehre, Qualifikation und Forschung gestärkt werden konnte.

Dritte Projektphase: Erprobung der Interviewmaterialien in der Lehre

In der dritten Projektphase wurde der Einsatz der Lehrvideos und Transkriptausschnitte in zwei Lehrveranstaltungen an der CAU erprobt. Dafür wurden im Sommersemester 2022 zwei Pilotveranstaltungen von Martin Hunold in Form eines Seminars im Masterstudium und einer Vorlesung für Bachelorstudierende im Fach Pädagogik durchgeführt. Die Expert_innenvideos wurden gezielt in den Lehrveranstaltungen eingesetzt, um den Studierenden verschiedene Einblicke sowohl in die Interviewführung (Methodik) als auch in die Handlungs- respektive Führungspraxis (Erfahrungswissen) der Befragten in den jeweiligen Dienstleistungsorganisationen der Sozialen Arbeit, Wirtschaft und Verwaltung vergleichend zu ermöglichen.

Neben den videogestützten Einblicken in die Handlungspraxis von Fachkräften aus der Sozialen Arbeit, Wirtschaft und Verwaltung, konnten die Studierenden einen qualitativ forschenden Blick auf transkribierte Interviewsequenzen werfen, den Unterschied zwischen erlebter und erzählter Praxis diskutieren und praktische Rekonstruktionsübungen in Kleingruppen realisieren. Insbesondere durch den Einsatz der Transkripte, aber auch Lehr-Lernvideos in der Vorlesung, konnten viele – auch eher stille und zurückhaltende – Studierende ermutigt werden, sich aktiv zu den jeweiligen Themen einzubringen. Auch in zukünftigen Lehrveranstaltungen werden die Lehrvideos und Transkripte verwendet.

Vierte Projektphase: Praxisreflexion und Erfahrungsaustausch

Neben diesen Aktivitäten in der Hochschulbildung erhielt auch das Projektteam über die Auswertung und Aufbereitung der durchgeführten Interviews einen empirischen Einblick in die verbalisierte Handlungspraxis der befragten Fachkräfte und konnte diesbezüglich wissenschaftliche Analysen vor allem zur organisationalen Führungspraxis verwirklichen. Die Erkenntnisse dieser Analysearbeit und die Erfahrungen zum Lehrforschungsseminar wurden im Rahmen einer digitalen Podiumsdiskussion mit über hundert Kolleg_innen aus Wissenschaft und Berufspraxis sowie Studierenden der Pädagogik und Sozialen Arbeit im Wintersemester 2021/22 diskutiert (diese Veranstaltung wurde zusätzlich durch die Gleichstellungsbeauftrage der CAU zu Kiel gefördert).

Die Präsentation zum Lehrforschungsprojekt im Zuge der digitalen Podiumsdiskussion wurde durch eine projektinvolvierte Studentin unterstützt, um einen möglichst breiten Einblick in den Projektverlauf zu geben. In diesem Kontext wurden besonders die Herausforderungen und Schwierigkeiten des Projektes aufgegriffen (z. B. die Erstellung eines Frageleitfadens, die Auseinandersetzung mit der Technik oder die Spezifika einer digitalen Interviewerhebung). Im folgenden Abschnitt werden diese und andere Herausforderungen sowie alternative Vorgehensweisen thematisiert. Dabei wird der Fokus besonders auf die Ausbildung der Studierenden gerichtet (die Third Mission von Hochschulen wird als weitere Dimension des Lehrforschungsprojektes an anderer Stelle vertieft).

Abschließende Reflexion

Mit dem Lehrforschungsprojekt wurde der Wissenstransfer zwischen Forschung, Berufspraxis und Lehre im Studium der Pädagogik unterstützt, die Selbstorganisation und Eigenaktivität von Studierenden gefördert und mögliche Arbeits- und Forschungskooperationen zwischen den Beteiligten gefördert (z. B. auch hinsichtlich der Umsetzung empirischer Masterarbeiten von Studierenden). Gerade auch mit Blick auf die Herausforderungen und Schwierigkeiten im Projektverlauf mussten neue Wege gesucht und Lösungen gefunden werden, wodurch das Lehrforschungsseminar und die Ermittlung und Reflexion von Wissen und Können profitierten. Mit Blick auf die Erfahrungen im Projekt werden im Folgenden einige Herausforderungen aufgegriffen und alternative Vorgehensweisen skizziert.

Die Studierenden setzten sich im Rahmen des Lehrforschungsseminars mit unterschiedlichen Fragestellungen auseinander. Beispielsweise ging es in vielen Gesprächen der Studierenden darum, erzählgenerierende Fragen zu stellen. Die Studierenden setzten sich intensiv mit dem Führen eines narrativen digitalen Interviews auseinander und beschäftigten sich hierbei insbesondere mit der eigenen Rolle als Forscher_in. So kamen beispielsweise Fragen dazu auf, inwiefern und wodurch Forschende speziell im digitalen Raum erlebnisintensive Erzählungen auf Seiten der Befragten fördern können. Hauptsächlich die digitale Interviewerhebung stellte für die einzelnen Gruppen eine Herausforderung dar, sowohl hinsichtlich der technischen Gegebenheiten (Mikrofon und Kamera) als auch den Intervieweinstieg (Einstieg in das Interview).

Eine weitere Herausforderung bestand darin, die Studierenden in der relativ kurzen und anspruchsvollen Vorbereitungszeit zu befähigen, im Vollzug ihrer eigenen Erhebungen und Reflexionen eine forschende Haltung einnehmen zu können. Bei der Sichtung der Interviews durch das Projektteam wurde deutlich, dass nicht alle Studierenden in der Lage waren, den Fach- und Führungskräften erzählgenerierende Fragen zu stellen. Um eine solche Erhebungs- und Analysehaltung zu ermöglichen, wären Rollen- und Planspiele im Vorfeld der Forschung im Seminarkontext und umfangreichere Zeitspannen für Einlassungen und Erprobungen denkbar. Auf diese Weise bekämen die Studierenden die Möglichkeit, sich im Trainingsraum Hochschule auszuprobieren und auf die Forschungspraxis vorzubereiten.

Außerdem könnten die Studierenden durch ein gezieltes Coaching der Lehrenden vor, während und nach den Erhebungen dabei unterstützt werden, eine forschende Haltung einzunehmen und – im Verlauf des Studiums und durch entsprechende Praxisbegleitung – einen forschenden Habitus zu entwickeln. Mit Nentwig-Gesemann (2007) lässt sich ein forschender Habitus für pädagogische und soziale Professionen wie folgt beschreiben: „Der forschende Habitus als professionelle Schlüsselkompetenz bedeutet, sich fragend und neugierig dem ‚Fremden‘ und auch dem fraglos Funktionierenden zu nähern, die Realität als perspektivische Konstruktion erfassen und Perspektivenwechsel vornehmen zu können, den forschenden Blick von theoretischem Wissen inspirieren zu lassen, das Erfahrene mit bereits gemachten Erfahrungen zugleich systematisch wie auch kreativ zu vergleichen, sich in ein kritisches und reflexives Verhältnis zu sich selbst und der sozialen Situation setzen zu können und damit Prozesse des Verstehens und Erklärens zu vollziehen, die sich von denjenigen des Alltagshandelns und -denkens unterscheiden“ (Nentwig-Gesemann 2007, S. 20).

Trotz der begrenzten Zeit konnten viele Studierende im Rahmen des Lehrforschungsseminars zumindest ein Stück weit dabei unterstützt werden, forschende Haltungen zu entwickeln. Die Studierenden konnten nicht nur neues Wissen und Können aufbauen und Methoden praktisch erproben, sondern sich auch als Forschende ausprobieren (das wurde zumindest bei vielen Studierenden in den anschließenden Reflexionen evident). Gerade die Herstellung und Gestaltung sozialer Beziehungen und die Aneignung forschender Haltungen sind mit Blick auf professionalisiertes Handeln in Praxisfeldern der Pädagogik, Sozialen Arbeit und anderen Professionen von großer Bedeutung.

Lehrforschungsprojekte, die den Theorie-Empirie-Praxis-Transfer im Studium fokussieren und organisieren, sind besonders geeignet, Studierende in forschende Selbst- und Weltzugänge einzuführen, und zwar für die Professions- und/oder Forschungspraxis. Neben der Aneignung und Einübung forschender Haltungen durch Erhebungen und Analysen ist die empirische Auseinandersetzung mit Professions- und Organisationswissen ein weiterer Vorteil von Lehrforschungsprojekten. Dabei können gerade auch digitale Medien einen Zugang zum Forschungsfeld sowie eine Möglichkeit zum Erfahrungs- und Wissenstransfer sein. In Bezug auf die multiplexe Praxis von Studierenden, Fach- und Führungskräften sowie Lehrenden und Forschenden in ausdifferenzierten Gesellschaften können Hochschulen grenzüberschreitende Orte nachhaltiger Wissenstransfers und soziokultureller Innovationen sein.