Bislang liegen keine empirischen Erkenntnisse dazu vor, wie Fachkräfte der Schulsozialarbeit ihre gegenwärtige Situation im Vergleich zur Vorpandemie-Zeit bewerten. Der vorliegende Beitrag möchte einen Teil dieser Lücke schließen, indem er empirische Befunde einer baden-württembergweiten Studie zu wahrgenommenen Veränderungen hinsichtlich Tätigkeiten, Kooperationen und Themen der Adressat_innen aus der Perspektive der Fachkräfte vor Ort vorstellt.

Um das Infektionsgeschehen einzudämmen, beschlossen ab Mitte März 2020 nach und nach alle Bundesländer flächendeckende Schulschließungen (Blum und Dobrotic 2021, S. 83; Maaz und Dietrich 2020). Eine weitere Schulschließung folgte mit der zweiten Infektionswelle von Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021 (Blum und Dobrotic 2021, S. 89). Zahlreiche Studien befassten sich mit den psychosozialen Herausforderungen, mit denen sich junge Menschen und ihre Eltern während der Pandemie konfrontiert sahen. Insbesondere im ersten Jahr der Pandemie fühlten sich junge Menschen nicht ausreichend in politische Entscheidungsprozesse eingebunden, erlebten eine Entstrukturierung des Alltags durch die Schließung von Schulen und Freizeiteinrichtungen und waren zunehmend psychisch belastet (u. a. Kaman et al. 2023; Reiß et al. 2023; Langmeyer et al. 2020). Als in einem primär auf junge Menschen und deren Lebenswelten fokussierten sozialpädagogisches Arbeitsfeld tätig, sahen sich die Fachkräfte der Schulsozialarbeit nicht nur während der Hochphase der Pandemie mit den pandemiebedingten Folgeerscheinungen in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlich konfrontiert, sondern auch mit längerfristigen ‚Nachwehen‘ der Krise. Zur Rolle und zum Auftrag der Schulsozialarbeit während der Corona-Pandemie finden sich allerdings nur wenige Beiträge (u. a. Opalka 2022; Hettler 2021; Pudelko 2021; Mesch et al. o.J.), die sich vorrangig auf frühe Phasen der Pandemie beziehen. Empirische Beiträge, die die Situation der Schulsozialarbeit und tätigkeitsbezogene Veränderungen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie in den Blick nehmen, liegen bislang dagegen nicht vor. An dieser Stelle setzt die vorliegende Untersuchung an, deren Ziel es ist, zu rekonstruieren, wie sich die Tätigkeiten und Kooperationen der Schulsozialarbeit im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie ggf. verändert haben. Darüber hinaus ist von Interesse, welche aktuellen Themen die Schulsozialarbeiter_innen bei jungen Menschen sehen und ob sie hier ebenfalls Veränderungen gegenüber der Vorpandemie-Zeit konstatieren.

Daten, Stichprobe und methodisches Vorgehen

Die Datenerhebung erfolgte mittels einer Online-Befragung von Fachkräften der Schulsozialarbeit in Baden-Württemberg im Zeitraum vom 1. bis 22. März 2023. Der Zugang zu den Fachkräften wurde über entsprechende eMail-Verteiler des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), des Netzwerks Schulsozialarbeit Baden-Württemberg e. V. und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit realisiert. 591 der vom KVJS (2022, S. 35) für das Jahr 2023 prognostizierten 2930 Fachkräfte der SchulsozialarbeitFootnote 1 haben an der Befragung teilgenommen. 39,6 % der befragten Fachkräfte gaben an, ausschließlich an Grundschulen tätig zu sein, 2,9 % an Werkreal‑/Hauptschulen, 10,3 % an Realschulen, 15 % an Gymnasien, 7,4 % an sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, 9,6 % an Gemeinschaftsschulen, 0,7 % an Gesamtschulen und 14,5 % an Berufsschulen. In der Stichprobe finden sich darüber hinaus auch Fachkräfte, die an mehreren Schularten eingesetzt sind. Was die institutionelle Verortung der Schulsozialarbeiter_innen anbelangt, sind jeweils rund 50 % bei freien Trägern (48,4 %) und öffentlichen Trägern (51,6 %) beschäftigt. Die vom KVJS (2020, S. 30) dazu zuletzt veröffentlichten Daten zeigen mit 51,8 % freien Trägern und 48,2 % öffentlichen Trägern eine ähnliche Verteilung für die Schulsozialarbeit in Baden-Württemberg insgesamt.

Um aktuelle Entwicklungen in der Schulsozialarbeit vor dem Hintergrund der zurückliegenden Pandemiekrise nachvollziehen zu können, wurden die Fachkräfte gebeten, auf einer bipolaren Skala die Relevanz bestimmter Tätigkeiten in ihrer aktuellen Situation mit der Situation unmittelbar vor der Pandemie zu vergleichen sowie zu bewerten, welche kooperationsbezogenen Aspekte ihrer Arbeit sie vor der Pandemie und welche sie zum Zeitpunkt der Befragung als besser einschätzen. Da bei dem Vergleich nur die Fachkräfte berücksichtigt werden konnten, die angeben, bereits vor der Pandemie an einer ihrer Schulen beschäftigt gewesen zu sein, fällt die Stichprobengröße bei den tätigkeits- und kooperationsbezogenen Befunden entsprechend kleiner aus. In Ermangelung von Vergleichsdaten, die unmittelbar vor der Pandemie erhoben wurden, beruhen die Einschätzungen der Fachkräfte zudem auf erinnerungsbasierten Rekonstruktionen, die nicht frei von einem gewissen ‚memory bias‘ sein dürften.

Neben den hier dargestellten deskriptiv-statistischen Beschreibungen wurden auch mögliche Bewertungsunterschiede nach der Form des Anstellungsträgers (freier vs. öffentlicher Träger der Jugendhilfe) sowie bezogen auf den Stellenumfang der Fachkräfte (bis 50 %; 51 bis 75 %; mehr als 75 % eines Vollzeitäquivalents) statistisch überprüft. Die Ergebnisse der offenen Frage zu themenspezifischen Veränderungen, die die Fachkräfte wahrnehmen, wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und werden ebenfalls in diesem Beitrag vorgestellt.

Empirische Befunde zu tätigkeitsbezogenen Veränderungen

In Tab. 1 sind die Einschätzungen der Fachkräfte zu tätigkeitsbezogenen Veränderungen in absteigender Reihenfolge der Mittelwerte dargestellt. Mittelwerte größer 0 bedeuten, dass die Fachkräfte einer Tätigkeit zum Zeitpunkt der Befragung einen höheren Stellenwert zuschreiben als unmittelbar vor der Pandemie. Mittelwerte unter 0 bedeuten, dass die entsprechenden Tätigkeiten vor der Pandemie als relevanter eingeordnet werden, und 0 bedeutet, dass die Fachkräfte keinen Unterschied in der Bedeutung der Tätigkeiten zwischen den beiden Vergleichszeitpunkten sehen. Mit Ausnahme der Tätigkeiten Beteiligung in außerschulischen Gremien und Offene Angebote für Eltern zeigen die Befunde, dass die Fachkräfte in allen abgefragten Tätigkeitsbereichen die Bedeutung der Tätigkeiten in ihrer aktuellen Arbeitssituation tendenziell höher einschätzen als vor der Pandemie. Die drei Tätigkeiten mit dem größten Bedeutungszuwachs gegenüber dem Zeitraum vor der Pandemie sind die individuelle Beratung/Begleitung von Schüler_innen, die Beratung von Lehrkräften bzgl. einzelner Schüler_innen und/oder Klassen und die Durchführung von Klassen- bzw. Gruppeninterventionen zur Förderung sozialer Kompetenzen.

Tab. 1 Wahrgenommene tätigkeitsbezogene Veränderungen zur Zeit vor der Pandemie

Betrachtet man die Bewertungen der Tätigkeiten, bei denen die Fachkräfte im Durchschnitt einen Unterschied von mehr als 0,5 Skalenpunkten festgestellt haben (in Tab. 1 kursiv hervorgehoben), so zeigt sich, dass von den neun Tätigkeiten, die in diese Kategorie fallen, sieben einen deutlichen Einzelhilfebezug aufweisen. Die Tätigkeiten mit geringeren Veränderungen im Stellenwert lassen sich hingegen stärker gruppenbezogenen Methoden (Offene Angebote für Schüler_innen, Offene Angebote für Eltern) bzw. struktur- und organisationsbezogenen Methoden der Sozialen Arbeit zuordnen.

Die o. g. Gruppenvergleiche der Befragten nach Trägerform und Stellenumfang ergaben keine signifikanten Gruppenunterschiede bzgl. der in Tab. 1 dargestellten Tätigkeiten.

Empirische Befunde zu kooperationsbezogenen Veränderungen

Die von den Fachkräften wahrgenommenen Veränderungen in der Zusammenarbeit sind in Tab. 2 dargestellt, auch hier in absteigender Reihenfolge nach dem jeweiligen Mittelwert. Im Vergleich zu den tätigkeitsbezogenen Veränderungen fällt auf, dass die Fachkräfte hier im Durchschnitt deutlich geringere Veränderungen in den verschiedenen Aspekten der Kooperation und sozialräumlichen Vernetzung zwischen der Zeit vor der Pandemie und dem Befragungszeitpunkt wahrnehmen. Die drei Aspekte, die sich nach Einschätzung der Fachkräfte im Mittel am stärksten verändert haben, sind die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen vor Ort (Lehrer_innen, Erzieher_innen etc.), die Festlegung klarer Verantwortungsbereiche der Akteur_innen vor Ort und das Treffen klarer Absprachen zwischen den Berufsgruppen bei der Bearbeitung gemeinsamer Aufgaben.

Tab. 2 Wahrgenommene kooperationsbezogene Veränderungen zur Zeit vor der Pandemie

Nichtparametrische Tests (Kruskal-Wallis-Test) und anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Test) ergaben für den Aspekt der Definition klarer Verantwortungsbereiche der Akteur_innen vor Ort signifikante Bewertungsunterschiede zwischen Fachkräften mit unterschiedlichem Stellenumfang (Chi-Quadrat(2)=6,196, p = 0,045) wobei Fachkräfte mit mehr als 75 % eines Vollzeitäquivalents diesen Aspekt im Mittel etwas höher bewerten, als Fachkräfte, die bis maximal 50 % eines Vollzeitäquivalents tätig sind (z=−2,452, p = 0,043, r=0,14). Damit sehen die Fachkräfte mit einem höheren Beschäftigungsumfang keine Unterschiede (M=0,00) zwischen ihrer aktuellen Situation und der Zeit vor der Pandemie, während die Fachkräfte mit bis zu 50 % Stellenanteil eine geringfügige Verschlechterung in diesem Aspekt gegenüber der Zeit vor der Pandemie sehen (M = −0,20). Der identifizierte Bewertungsunterschied ist jedoch gemäß der Effektstärke r als gering (r < 0,30) einzustufen (Cohen 1992).

Wahrgenommene Veränderungen bei den Themen der jungen Menschen

In einem offenen Textfeld konnten die Fachkräfte Angaben dazu machen, welche Themen ihrer Meinung nach im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie an Bedeutung gewonnen bzw. verloren haben. Diese insgesamt 467 offenen Antworten wurden induktiv inhaltsanalytisch in Anlehnung an Mayring (2022) ausgewertet. Wurden mehrere Themen in einem Beitrag genannt, so wurde dies entsprechend in einzelne Textstellen und Kategorien aufgeteilt. Das Ergebnis dieses qualitativen Auswertungsprozesses ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Themen der jungen Menschen, die aus Sicht der Fachkräfte an Bedeutung hinzugewonnen haben

Mit Abstand am häufigsten wurden von den Fachkräften die Themen psychische Belastungen oder Erkrankungen und Kommunikations- und Interaktionsprobleme im sozialen Miteinander genannt. In mehr als jeder zweiten offenen Antwort finden sich inhaltliche Bezüge zu jeweils einem der beiden Aspekte. Aber auch Zukunftsängste, ein gestiegener Medienkonsum sowie Schulabsentismus, Leistungsprobleme und Konflikte im Elternhaus werden jeweils mehr als siebzigmal als Themen mit einer gestiegenen Relevanz markiert. Dieses breite Spektrum an Themen mit erhöhter Relevanz verweist auf die aus Sicht der Fachkräfte insgesamt hohe Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie, wie sie auch in den eingangs erwähnten Studien identifiziert wurde (u. a. Kaman et al. 2023). Dass sich diese Themen auch im Alltag der Schulsozialarbeit wiederfinden, belegt somit einerseits die Qualität dieses Arbeitsfeldes als lebensweltnaher ‚Sensor‘ für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen. Andererseits deuten sich hier aber auch Aufgabenverschiebungen sowie eine aktuell hohe Belastung der Fachkräfte in der Schulsozialarbeit an, die abschließend diskutiert werden.

Fazit und Diskussion

Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Angebote der Schulsozialarbeit gegenüber der Zeit vor der Pandemie aus Sicht der Fachkräfte zumindest einen leichten, überwiegend jedoch einen mittleren Bedeutungszuwachs erfahren – insbesondere Angebote der Einzelfallhilfe und Gruppenangebote zur Förderung sozialer Kompetenzen. Dies spiegelt sich auch in den Themen und Entwicklungen wider, die die Fachkräfte für die jungen Menschen identifizieren: Ein Bedeutungszuwachs psychischer Belastungen und Erkrankungen sowie Kommunikations- und Interaktionsprobleme im sozialen Miteinander stellen aus Sicht der Fachkräfte die relevantesten Themen dar, von denen die jungen Menschen aktuell besonders betroffen zu sein scheinen. Hier zeigen sich keine Unterschiede nach Beschäftigungsumfang und Trägerform, was darauf hindeutet, dass es sich um übergreifende Themen handelt, die für das gesamte Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit aktuell von Bedeutung sind. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich in weiterführenden Analysen diesbezüglich ggf. schulartspezifische oder andere Unterschiede identifizieren lassen.

Die offenen Rückmeldungen der Fachkräfte weisen in Kombination mit den Befunden zu den tätigkeitsbezogenen Veränderungen darauf hin, dass die Fachkräfte noch stärker als bisher gefragt sein dürften, eine funktionierende Balance zwischen einzelfallorientierten und gruppenbezogenen Angeboten zu finden. Das Problem der fehlenden Kapazitäten setzt sich darüber hinaus bei den sozialräumlichen ‚Anschlussstellen‘ zur Unterstützung und Begleitung von jungen Menschen (z. B. Hilfen zur Erziehung, Jugendarbeit) fort. Gerade mit Blick auf die von vielen Fachkräften genannten Kommunikations- und Interaktionsprobleme junger Menschen (Abb. 1) sind sowohl schulische als auch außerschulische Akteur_innen gefordert, mehr Räume für den Erwerb sozialer Kompetenzen, die Förderung von Gemeinschaftssinn und ein auf gegenseitige Unterstützung ausgerichtetes soziales Miteinander zu schaffen. Die Peer-Gruppe kann und sollte hierbei als soziale Unterstützung und als kollektive Lernbegleitung dienen. Ein zu starker Fokus auf schulinterne Einzelfall- und Gruppenangebote sollte zudem nicht dazu führen, dass sozialräumliche Expertise in der Schulsozialarbeit ‚abgebaut‘ wird, da diese ein wichtiges sozialräumliches Bindeglied zwischen den Lebenswelten von Schüler_innen und den kommunalen Bedingungen des Aufwachsens darstellt (Zipperle et al. 2018, 2022).

Bei den kooperationsbezogenen Veränderungen schätzen die Fachkräfte die Unterschiede zwischen den beiden Zeitpunkten insgesamt deutlich geringer ein. Angesichts der pandemieindizierten Herausforderungen für die Kooperation durch Schulschließungen, Homeoffice etc. können die kooperationsbezogenen Veränderungen positiv bewertet werden. So scheint sich beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen vor Ort leicht verbessert zu haben.

Die sich in den Befunden abzeichnenden, gegenwärtigen Herausforderungen bedeuten, dass sich für die Schulsozialarbeit auch nach der Pandemie kein ‚business as usual‘ einstellt. Sie sieht sich vielen zusätzlichen Herausforderungen und einem großen Erwartungsdruck gegenüber. Die Situation der Fachkräfte dürfte sich zudem durch den Wegfall von Aufholpaketen und ähnlich gelagerten Förderprogrammen nach der Corona-Pandemie noch verschärft haben. Angesichts einer fehlenden empirischen Evidenz ist in Frage zu stellen, ob mit den Aufholpaketen und deren kurzen Laufzeiten tatsächlich ‚aufgeholt‘ werden konnte, was durch die Pandemie verloren ging und ob es nicht – auch im Bereich der Schulsozialarbeit – ein deutlich stärkeres politisches Engagement für zusätzliche Ressourcen bräuchte.