Die Diskussion um ökologische Problemlagen und ihre sozialpädagogische Bearbeitung im Rahmen gemeinwesenorientierter Sozialer Arbeit lässt sich in bis zu den Anfängen der Sozialen Arbeit bei Jane Addams (siehe hierzu der Beitrag von Susanne Elsen in diesem Heft) finden, wurde seither aber nur selten weiterverfolgt. Mit der einseitigen Ausrichtung der Sozialen Arbeit auf Einzelfallhilfe und Beratung in der Praxislandschaft wie im Diskurs Sozialer Arbeit gerieten dann aber auch die wenigen ökologische Problemlagen aufgreifenden theoretischen Diskurse nahezu in Vergessenheit.

Durch die Notwendigkeit klimakrisenbedingter gesellschaftlicher Veränderungen und die immer offensichtlicher werdende Tatsache, dass diese Veränderungen eine grundlegende Umgestaltung des Sozialen bedeuten und damit Soziale Arbeit in ihrem disziplinären wie professionellen Kern adressiert ist, werden ökologische Problemlagen im Kontext nachhaltigkeitsorientierter Sozialer Arbeit nun wieder stärker diskutiert. Der folgende Beitrag bietet einen eher lexikalisch gehaltenen Überblick zur aktuellen Debatte um ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit in der Sozialen Arbeit, auf den ein kritisches Fazit folgt.

Ökologische Nachhaltigkeit

Allgemein wird unter Nachhaltigkeit eine Art und Weise der Nutzung von ökologischen, ökonomischen und/oder sozialen Systemen verstanden, die sicherstellt, dass die wesentlichen Eigenschaften des jeweiligen Systems dauerhaft erhalten bleiben. Ökologische Nachhaltigkeit meint daher eine Nutzung der Ökosysteme der Erde, welche die gegenwärtigen Lebensbedingen auf der Erde dauerhaft erhält.

An dieser Stelle schließt in der Sozialen Arbeit aktuell die Diskussion um starke und schwache Nachhaltigkeit an. Die im medialen Alltag vorherrschende Diskussion um grünes Wachstum und grünen Kapitalismus lässt sich dabei dem Konzept schwacher Nachhaltigkeit zuordnen, wonach es bereits als nachhaltig gilt, wenn bspw. die Eigenschaften eines Waldes, also etwa die Photosyntheseleistung, die Hochwasserrückhaltefunktion oder die Funktion als Erholungs- und Regenerationsraum für Menschen, durch CO2-Absorbtionsgeräte, technischen Hochwasserschutz oder die virtuelle Simulation des Waldes kompensiert werden (Liedholz 2023a; Löhe 2023). Zum Erhalt bzw. zur Steigerung des Wohlstandes und/oder des Wirtschaftswachstums dürfen demnach natürliche Ressourcen und Ökosysteme entlang von technologischen Entwicklungen verwirtschaftet und minimiert werden. Demgegenüber gesteht das Konzept starker Nachhaltigkeit natürlichen Ressourcen, Tier- und Pflanzenbeständen sowie Ökosystemen eine „(Eigen‑)Wertschätzung“ (Verch 2023, S. 57) zu – sie werden daher als „nur sehr beschränkt ersetzbar angesehen“ (Liedholz 2023b, S. 39). Zudem gelten aus dieser Perspektive auch die Belastungs- und Regenerationsgrenzen der Ökosysteme und damit auch des globalen Wirtschaftswachstums als bereits erreicht, woraus zugleich die Notwendigkeit einer „suffizienzkulturellen Transformation“ bzw. einer Postwachstumsgesellschaft abgeleitet wird (Verch 2023).

Da sich der Wert von natürlichen Ressourcen, Tier- und Pflanzenbeständen sowie Ökosystemen aber nicht auf naturwissenschaftlich ermittelte (Grenz‑)Werte reduzieren lässt, führt die Frage nach dem ‚Bewahrenswerten‘ auf die Frage zurück, „was gesellschaftlich haltbar, erträglich und verkraftbar ist“ (Liedholz und Verch 2023a, S. 12). Damit sei nun zugleich auch die Soziale Arbeit „angerufen […], sich in diese Auseinandersetzung einzuschalten und möglichst viele Menschen ‚anwaltschaftlich‘ […] darin zu unterstützen, an den Informations‑, Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen zu (starker) Nachhaltigkeit zu partizipieren“, da sie durch ihre Arbeit mit Menschen auch „tiefe Einblicke in Gerechtigkeitsfragen und in die Grenzen des Haltbaren, des Verkraftbaren hat“ (Liedholz und Verch 2023a, S. 12).

Soziale Arbeit ist hier aber nicht nur in ihrer Kompetenz als Gemeinwesenarbeit, Community Organizing und Community Development angesprochen, sondern auch in ihrer Kompetenz, Menschen im Rahmen von Erlebnis‑, Sport- und Naturpädagogik für ökologische Zusammenhänge und für das existenzielle Eingewobensein von Menschen in diese Zusammenhänge sowie ihre Abhängigkeit von diesen Zusammenhängen zu sensibilisieren (Anregungen etwa in Liedholz und Verch 2023b). Zugleich braucht es aber auch neue theoretische Orientierungen, um die gesellschaftliche Relevanz von ökologischen Zusammenhängen zu reflektieren und das bestehende Methodenrepertoire entsprechend weiterzuentwickeln (Anregungen etwa in ZfSp 2022).

Dörfler und Stamm (2023, S. 90) werfen allerdings die kritische Frage auf, wie mit Zielkonflikten umgegangen werden könne, da sich Rechte für Menschen, Tiere und Pflanzen, gar für Ökotope und global-ökologische Zusammenhänge mitunter widersprechen und Soziale Arbeit daher Gefahr laufe, sich einer „zu große[n] Aufgabe“ zu stellen. Aber auch auf organisationaler Ebene stellt sich das Problem der strukturellen Überforderung, da es „mindestens ambitioniert – wenn nicht schlicht unrealistisch [ist]“, bei etwa akuter Kindeswohlgefährdung auch „Fragen ökologischer Nachhaltigkeit zu berücksichtigen oder zu priorisieren“ (Löhe 2023, S. 78). Aktuell sei daher nur ein „flexibles Modell“ zu realisieren, „das zwischen der Priorisierung sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit je nach Situation wechselt“ (Löhe 2023, S. 78). Damit ist zugleich auch die Notwendigkeit gesamtgesellschaftlicher Transformationen samt der darin eingelassenen Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit zum Ausdruck gebracht, die mit dem Konzept starker Nachhaltigkeit verbunden sind.

(Öko)Soziale Nachhaltigkeit

In dieser transformativen Hinsicht versteht Elsen soziale Nachhaltigkeit „als demokratie- und verteilungspolitische, sozialpolitische und integrierende nachhaltigkeitspolitische Fragestellung“, bei der es „um den Erhalt der Gesellschaft durch gerechte Teilhabe, Demokratie und Partizipation [geht]“ und die „eine Veränderung von Lebensstilen und Lebensformen und eine Neuorganisation von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft [erfordert]“ (2018, S. 1055 ff.). Für eine daran anschließende Soziale Arbeit kann das aber nicht nur heißen, sich auf ihre Traditionslinie als Gemeinwesenarbeit zurückzubesinnen und sie theoretisch wie methodisch weiterzuentwickeln. Die katastrophale Überflutung des Ahrtals im Sommer 2021 zeigt, dass sie ebenso einen erneuerten Blick auf menschliche Vulnerabilitäten und vulnerable Bevölkerungsgruppen (insbes. Menschen mit Behinderungen)Footnote 1 entwickeln und auf deren ernsthafte partizipative Einbindung in die Entwicklung von kommunalen Resilienz- und Nachhaltigkeitsstrategien hinwirken muss (Ćerimović et al. 2021). Zugleich zeigt ein Blick über den nationalgesellschaftlichen Containerrand in die von Klimawandelfolgen ungleich stärker betroffenen Gesellschaften des globalen Südens (wobei auch hier zwischen resilienzstarken und besonders vulnerablen Gruppen und Milieus unterschieden werden muss), dass die Themenfelder soziale Ungleichheit und Klimagerechtigkeit nicht nur in lokaler, sondern vor allem auch in globaler Hinsicht ins Zentrum Sozialer Arbeit rücken müssen (Pfaff et al. 2022).

Im Mittelpunkt gesellschaftlicher Veränderungen stehen dabei neben globalen (neo)kolonialen Zusammenhängen vor allem auch lokale Lebenszusammenhänge, weil hier ökologische bzw. geografische Verhältnisse durch menschliche Sozialitäten und Lebensweisen überformt und umgestaltet werden, die lokale ebenso wie globale Effekte zeitigen. Für Soziale Arbeit heißt das, Transformationen auf der Ebene der Dörfer, Städte (Quartiere, Stadtteile) und Kommunen anzuregen, kommunalpädagogisch zu unterstützen und forscherisch zu begleiten. Konkret: Menschen und Gruppen, aber auch lokale Unternehmen, Vereine sowie lokale Akteur_innen aus Politik und Verwaltung zu unterstützen, um produktiv zusammen zu finden und auf Augenhöhe an lokaler wie globaler Klimagerechtigkeit orientierte Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln sowie diese im kommunalen Alltagsleben zu erproben (Elsen 2013, 2018). Die darin eingelassenen und zu erwartenden Konflikte zwischen den verschiedenen Akteur_innengruppen werden wiederum von Böhnischs „Sozialpädagogik der Nachhaltigkeit“ (2020) adressiert. Er sieht es als Aufgabe Sozialer Arbeit an, diese Konflikte zu analysieren, sozialpädagogisch zu bearbeiten und auf die strukturelle Verankerung (auch kleiner) sozialer Fortschritte in ökologischen Nachhaltigkeitsfragen hinzuarbeiten. Angestrebt wird die Bildung einer ökologisch und sozial sorgetätigen Bürger_innenkommune, bei der zur Förderung des Gemeinwohls zivilgesellschaftliche, ökonomische, administrative und politische Akteur_innen gleichberechtigt, kooperativ und sich ergänzend zusammenarbeiten (Böhnisch 2020, S. 79). Ziel ist also, dass die verschiedenen Akteur_innen- und Statusgruppen nicht bloß in der Kommune, sondern als Kommune zusammenkommen können. Soziale Arbeit soll – etwa im Rahmen von gemeinwesenorientierter Stadtteilarbeit oder Quartiersmanagement – die fachliche Unterstützung dafür anbieten.

Mit fachlich unterstütztem Community Organizing ist es allein allerdings nicht getan. So zeigt etwa die feministische Forschung, dass die kapitalistische Lebensweise der letzten Jahrhunderte die Ideologie eines männlichen Subjekts hervorgebracht hat, das Abhängigkeiten von anderen Menschen, aber auch von natürlichen Ressourcen und Ökosystemen systematisch unsichtbar macht oder negiert und entsprechend jedwede Verantwortung für Belastungs- und Regenerationsgrenzen von sozialen und ökologischen Systemen aus den Augen verloren hat (Scholz et al. 2019). Das dadurch entstandene Dilemma lässt sich wie folgt beschreiben: Auf der einen Seite existiert ein Klimaproblem, das nur gemeinschaftlich bearbeitet werden kann. Auf der anderen Seite wird den Menschen aber entlang von alltäglichen Konkurrenzkämpfen um Zugänge zu den Infrastrukturen der Existenzsicherung (Arbeitsmarkt, Wohnung, Gesundheit usw.) und kapitalistisch organisierter Erwerbsarbeit jeglicher sozialer Zusammenhalt, Empathie und Sorgeverantwortung systematisch abtrainiert und ein sozial wie ökologisch care-loses Subjekt forciert. Vor dem Hintergrund dieser strukturellen Maskulinisierung der Gesellschaft plädieren neben Böhnisch auch Klus und Schramkowski (2022, S. 236) für eine an Caring-Masculinities-Strategien orientierte Soziale Arbeit, die „tradierte Formen des Mannseins mit ihrer Fokussierung auf Autonomie, Macht und Erwerbsarbeit infrage“ stellt und sich „demgegenüber an Werten wie Aufmerksamkeit, Interdependenz, gegenseitiger Hilfe und Fürsorglichkeit“ sowie der „Übernahme von (Mit‑)Verantwortung für die gesellschaftlich notwendige Care-Arbeit in Familie und Haushalt, aber auch in Care-Berufen“ orientiert. Adressiert ist damit nicht nur die gemeinwesenorientierte Soziale Arbeit, sondern ein Arbeitsansatz, der im Rahmen jedweder Sozialer Arbeit erbracht werden müsste, um eine sozialstrukturelle Wirkung entfalten zu können. Die Autor_innen sehen in der Ermöglichung sozialer Sorgetätigkeit zum einen das Potenzial zur Sorge auch um natürliche Ressourcen und den Erhalt ökologischer Systeme sowie um Klimagerechtigkeit angelegt. Und zum anderen einen Beitrag zur Reduzierung des „Gender Climate Gap“Footnote 2 (Klus und Schramkowski 2022, S. 232).

(Sozio)Ökonomische Nachhaltigkeit

In der aktuellen Debatte um ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie ökosoziale Transformationen ist die Frage nach ökonomischer Nachhaltigkeit in weiten Teilen der Diskussion noch ausgeklammert, so dass Elsen hier weiterhin eine zentrale Bezugsquelle bleibt. Sie versteht unter ökonomischer Nachhaltigkeit eine Art und Weise des Wirtschaftens, die die „Wertschöpfungsfähigkeit bei Orientierung an gesellschaftlichen Bedürfnissen zu erhalten“ strebt, wozu existenziell auch die ökologischen Lebensbedingungen der Menschen gehören – einschließlich künftiger Generationen (Elsen 2018, S. 1055).

Dies sieht sie am ehesten in kleinräumigen solidarischen Ökonomien gewährleistet. Gemeint sind Formen des Wirtschaftens, die nicht vorrangig auf Wachstumsproduktivität aus sind, sondern unter Wirtschaft vor allem die strukturelle Ermöglichung und räumliche Verwirklichung von Sozialität verstehen und sich damit „gegen die systematische Individualisierung […] neoliberalen Denkens und Handelns“ aussprechen (Elsen 2023, S. 247). Ihre wirtschaftliche Tätigkeit orientiert sich stattdessen an „Gegenseitigkeit und kollektivem Handeln“ sowie „reflexive[r] Solidarität und Kooperation“ (Elsen 2023, S. 247). Solidarische Ökonomien lassen sich demnach nicht nur im Bereich der sozialen Ökonomie (3. Sektor) ausfindig machen, also in „Verbände[n], Vereine[n], Genossenschaften und Unternehmen der Sozialwirtschaft“, sondern auch im Bereich der Schattenökonomie, also in Nachbarschafts‑, Familien- und Selbsthilfegruppen (Elsen 2023, S. 246). Hierbei entstehen nicht selten (mitunter auch unbeabsichtigt) neue Formen des Arbeitens, die soziale und ökologische Care-Tätigkeiten mit Erwerbsarbeit verbinden, etwa indem „lokale Wertschöpfungskreisläufe“, die „Verbindung von Produktion und Konsum“ oder die „systematische Verknüpfung von Bedürfnissen und Potenzialen  […] zur Sicherung und Bewirtschaftung von Gemeingütern“ forciert werden (Elsen 2023, S. 246). Statt an positiven Wachstumsbilanzen orientieren sie sich zuvörderst an positiven Gemeinwohlbilanzen, d. h. an der „Schaffung von Nutzwerten, Bedürfnisbefriedigung, Teilhabe aller, Verteilungsgerechtigkeit, Mitbestimmung, Geschlechterdemokratie, ökologische[r] Nachhaltigkeit usw.“ (Elsen 2013, S. 54).

Soziale Arbeit ist hier abermals als sozialitätsunterstützende und konfliktbearbeitende Gemeinwesenarbeit adressiert. Gleichwohl betont Elsen die Notwendigkeit, auch Gruppen und Milieus erreichen zu müssen, die sich aufgrund ihrer sie benachteiligenden gesellschaftlichen Lebens- und Sozialisationsbedingungen (noch) nicht für Projekte solidarischer Ökonomien öffnen können bzw. die „es sich oftmals nicht leisten [können], Experimente und Risiken einzugehen“, weil sie Gefahr laufen, „soziale Sicherheiten“ und „stabilisierende Alltagsroutinen“ zu verlieren (2023, S. 254). Soziale Arbeit ist aber auch gefragt, wenn es darum geht, Akteur_innen(gruppen) bei der Erschließung von Räumen (Büros, Versammlungsorten etc.), Flächen und Mitteln ihrer solidarischen Bewirtschaftung (etwa bei Urban-gardening-Projekten) zu helfen. Zugleich ist sie als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Alltagspraxis adressiert (Elsen 2018, S. 1059). Hier bestehe die Aufgabe u. a. darin, nicht direkt erfahrbare Auswirkungen lokalen Handelns zu ermitteln (Stichwort intra- und intergenerationale Klimagerechtigkeit) oder auch Menschen dabei zu unterstützen, ökologische und gesellschaftliche Problemlagen zu durchdringen sowie individualisierendes und konkurrenzorientiertes Denken und Handeln zu überwinden, um nicht auf hegemoniale „Reprivatisierungsdiskurse“ hereinzufallen, die Akteur_innen und Initiativen „in ihren gespaltenen sozialen Identitäten anzusprechen“ versuchen (Fraser 1994, S. 242).

Doch auch wenn Elsen (2013, 2018, 2023) in solidarischen Ökonomien zu Recht eine wesentliche Basis für eine Postwachstumsgesellschaft sieht, muss dieser Optimismus dahingehend gebremst werden, dass diese bislang auf gesellschaftliche Sozialsysteme angewiesen sind, deren Funktionieren gegenwärtig noch maßgeblich vom Wirtschaftswachstum abhängig ist. Daraus ergibt sich das Dilemma einer „ökonomisch-ökologische[n] Zangenkrise“ (Dörre 2019), wonach auch eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung nicht auf Wirtschaftswachstum verzichten kann, zugleich aber jedes Wirtschaftswachstum immer auch eine Zuspitzung der ökologischen Krise bedeutet. Entsprechend kann es nicht bloß darum gehen, Postwachstum als neuen Imperativ zu setzen. Vielmehr muss „die Frage nach dem Wachstum (wenn Wachstum, dann wie viel Wachstum, welche Art von Wachstum, in welchen Bereichen und wofür?) zu einer politischen Frage“ (Fraser 2020, S. 124 f.) gemacht werden, so dass eine Bürger_innenkommune selbst entscheiden kann/muss, um welchen sozialen und ökologischen ‚Preis‘ sie sich dieses erwirtschaften will.

Fazit und Desiderate

Der Beitrag Sozialer Arbeit für das Gelingen einer nachhaltigkeitsorientierten gesellschaftlichen Transformation ist sicher nicht zu unter-, aber auch nicht zu überschätzen. Nicht das erste Mal in ihrer Geschichte läuft sie Gefahr, „Versprechen auf Veränderung zu geben, ohne über die Mittel ihrer Einlösung zu verfügen“ (Richter 2004, S. 84), was in der aktuellen Debatte aber nur selten thematisiert wird. Auch sonst wirkt die Debatte erstaunlich geschichtsvergessen (Winkler 2022) – ein Problem, das sie mit der aktuellen Diskussion um eine „Soziologie der Nachhaltigkeit“ (SONA 2021; Wendt 2021) teilt, auf die in der Sozialen Arbeit ebenfalls kaum Bezug genommen wird. Zudem taucht der Zusammenhang von „Arbeiter[_innen]klasse und Ökologie“ (Gärtner 1979) heute allenfalls noch am Rande der Geschlechterfrage auf (Ausnahme etwa Böhnisch 2020), weil die aus der Klimabewegung hervorgehenden solidar-ökonomischen Projekte „vor allem durch diejenigen [entstehen], die über das kulturelle und monetäre Kapital verfügen, Alternativen wählen und gesellschaftliche Experimente leben zu können“ und daher „überwiegend Sache der Surplusfähigen“ sind (Elsen 2023, S. 254). Wird diesem Umstand analytisch wie praktisch nicht Rechnung getragen, reproduziert eine nachhaltigkeitsorientierte Soziale Arbeit – wenn auch unbeabsichtigt – vorfindliche klassistische (Re)Produktionsverhältnisse der Gesellschaft.

Zusammengenommen verweist das auf den oftmals bloß programmatischen Charakter der Auseinandersetzungen in der Sozialen Arbeit mit gesellschaftlichen Problemlagen und einen in weiten Teilen fehlenden gesellschaftstheoretischen Tiefgang. So wird im Herausgeberband von Verch und Liedholz (2023b) zwar der Begriff der Nachhaltigkeit gründlich durchleuchtet, aber der Begriff der Transformation, der auch im Band von Pfaff et al. (2022) zentral ist, bleibt nahezu unaufgearbeitet. Damit läuft Soziale Arbeit abermals Gefahr, den über den Städtebau und soziale Stadtentwicklungen organisierten Reproduktionsstrategien wachstumsorientierter Kapitaleliten (Harvey 2014) auf den Leim zu gehen. Gemeint sind insbesondere auch energetische Sanierungen, die zwar vordergründig den Klimaschutz begünstigen und Heizkosten zu senken vermögen, was vor allem einkommensärmere Haushalte entlasten würde. Letztlich aber lassen sie im Rahmen von Modernisierungsumlagen auch die Mieten und den Marktwert von Immobilien ansteigen, was langfristig eher den Eigentümer_innen und Immobilienkonzernen denn den Mieter_innen zugute kommt, während zugleich Gentrifizierungs- und soziale/räumliche Segregationsprozesse forciert werden.

Soziale Arbeit steht damit auch den dialektischen Entwicklungen des Gesellschaftlichen analytisch unvorbereitet gegenüber: sei es, weil Reprivatisierungsdiskurse, die sowohl von außen als auch von innen auf die bzw. in den sozialen (Klima)Bewegungen wirken, neue Herrschaftsformen entstehen lassen (können), oder weil die Gefahr, dass durch soziale (Klima)Bewegungen neue soziale Ausgrenzungen und Etikettierungen produziert werden (können), analytisch nicht eingeholt und eingedämmt werden. Dadurch wird nicht nur allzu leicht reaktionären Gegenbewegungen in die Hände gespielt, sondern auch das eigene Anliegen konterkariert.

Zudem fällt auf, dass die Eigentumsfrage in den Transformationsdiskursen der Sozialen Arbeit bislang noch kaum aufgeworfen wird, wodurch etwa die Reproduktion kapitalistischer Produktions- und Ausbeutungsverhältnisse von Mensch und Natur, aber auch die Frage nach den Ursachen für die ausbleibende Verbreitung und den geringen Einfluss kleinräumiger solidarischer Ökonomien auf das gesamtgesellschaftliche Wirtschaften nicht von der Wurzel her untersucht werden kann.

Kurzum: Dafür, dass mit der Klimakrise so viel existenziell Lebensbedrohliches für so viele Menschen verbunden ist, sind diese Desiderate umso unverständlicher. Vor allem, wenn sie sich als Menschenrechtsprofession verstehen und gegenwärtige wie künftige Menschenrechtsverletzungen sowie ihre Ursachen bekämpfen will.