Digitale Praktiken durchdringen alle Lebensbereiche und sind seit der Corona-Pandemie präsenter denn je. Meetings fanden und finden digital statt, (Video‑)Telefonie mit Freunden und Verwandten wurde im Rahmen des ‚Social Distancing‘ bevorzugt. Die Nutzung digitaler Dinge, die bereits vor der Pandemie fester Bestandteil unseres täglichen Lebens waren, hat sich nun scheinbar verstärkt.

Mit digitalen Dingen sind in diesem Kontext z. B. Anwendungen für Videotelefonie, Meetings, aber auch technisches Equipment gemeint, es geht dabei um „Hardware und Software, [die] äußerst komplexe Eigendynamiken [entfalten] und […] deshalb als wirkmächtige Aktand:innen, eventuell sogar als Akteur:innen verstanden werden [müssen]“ (Weinhardt 2021c) sowie „[…] ihre je spezifischen oder offen gehaltenen Verbindungen (z. B. als Smartphone des Typus iPhone oder Android, als ‚Gaming-PC‘, Bildbearbeitungs- oder CAD-Arbeitsplatz) die zusammen mit menschlichen Akteur:innen Sozialer Arbeit soziotechnische Assemblagen bilden.“ (Weinhardt 2021b, Herv. i. O.).

Es steht also außer Frage, dass die Nutzung digitaler Dinge durch die COVID-19-Pandemie verstärkt sichtbar gemacht wurde. Personen jeden Alters bewegen sich bisweilen in der digitalen Sphäre, was beispielsweise an der täglichen Internetnutzung ablesbar ist (Beisch und Koch 2021, S. 489). Es findet ein Metaprozess statt, der durch den Umgang mit Medien im Alltag bestimmt wird (Krotz 2007, S. 33). „Technik offeriert bekanntlich nur Potenziale, die sich die Menschen für die gedachten Zwecke, für andere Zwecke oder eben nicht aneignen […].“ (Krotz 2007, S. 31). Mediale Angebote werden produziert, von Menschen gegebenenfalls zweckentfremdet, woraufhin die Industrie mit Weiterentwicklungen und Verbesserungen reagieren kann (Krotz 2007, S. 33). Dadurch werden Medien zunehmend Teil des Alltags (Krotz 2007, S. 33).

Zum wissenschaftlichen Verständnis der gesteigerten Nutzung digitaler Dinge im Alltag ist ein analytischer Rahmen notwendig, der die Begriffe Digitalisierung und Digitalität in einer spezifischen Lesart unterscheidet. Digitalisierung wird vordergründig als Prozess der Einführung digitaler Dinge beziehungsweise Innovation beschrieben und diskutiert, wohingegen die Digitalität als Vollzug von Alltagspraktik ebenso betrachtet werden muss, um „[…] den Umgang mit digitalen Dingen [nicht] manageriell zu verflachen oder zu externalisieren.“ (Weinhardt 2021c). Aus einer solchen Perspektive, die von einem quantitativ gesteigerten und qualitativ veränderten Gebrauch digitaler Technologien ausgeht, lässt sich entlang praxistheoretischer Überlegungen fragen, wie die daraus resultierenden Handlungspraktiken genau aussehen, in denen menschliche Akteur_innen und digitale Dinge verflochten sind. „Doing Digitality“ (Weinhardt 29,30,b, c) wird im vorliegenden Beitrag auf Familie als sozialpädagogisch relevanten Ort des Umgangs mit digitalen Dingen entfaltet. Ausgehend von einer durch die Pandemie nochmals gesteigerten Intensität der Nutzung digitaler Dinge werden zunächst Phänomene von Digitalisierung und Digitalität im allgemeinen Kontext Sozialer Arbeit verortet. Darauf aufbauend wird Familie sowie die darin ablaufenden digitalen Praktiken als Gegenstand Sozialer Arbeit dargelegt. Diese digitalen Praktiken werden dann im Sinne von Doing Digitality thematisiert. Dabei werden Digitalisierung und Digitalität als zwei entgegengesetzte Prozesse betrachtet. Doing Digitality wird anschließend auf die Familie angewendet und exemplarisch am Beispiel Sharenting verdeutlicht.

Nutzung digitaler Dinge im Kontext Sozialer Arbeit

Soziale Arbeit muss sich aufgrund ihres lebensweltlichen Anspruchs zwangsläufig mit der Digitalisierung und Digitalität auseinandersetzen (Kreidenweis 2017, S. 164; Beranek et al. 2019, S. 226). Die Digitalisierung beeinflusst dabei die professionelle Arbeit z. B. in Form von digitalen Dokumentations- und Risikoeinschätzungsprogrammen (Ackermann 2020, 2021). Die Nutzung digitaler Technologien ist in die Lebenswelt der Fachkräfte und Adressat_innen Sozialer Arbeit eingebettet (Weinhardt 2021c). Klassischerweise wird diese Nutzung im Kontext Sozialer Arbeit zur dreiseitigen Struktur sozialer Dienstleistungen in Bezug gesetzt. Damit stehen die professionell Handelnden, ihre Organisationen und die Adressat_innen (Kutscher et al. 2014; Kutscher 2019, S. 43) mit ihren auf soziale Dienstleistungen bezogenen Handlungsvollzügen als Akteur_innen im Fokus – professionell Handelnde bewegen sich beispielsweise in fachspezifischen Foren und kommunizieren via Mail miteinander, Adressat_innen bewegen sich in Sozialen Medien und informieren sich auf Webseiten über das Angebot entsprechender Organisationen Sozialer Arbeit (Kutscher et al. 2014, S. 88; Kutscher 2019, S. 43). Daraus resultiert einerseits die notwendige, andererseits die zwangsläufige (bewusste oder unbewusste) Auseinandersetzung Sozialer Arbeit mit Digitalisierung und Digitalität – aufgrund ihrer professionellen und organisationalen Einbettung in eine zunehmend digitalisierte und bereits digitale Gesellschaft. Diese Auseinandersetzung betrifft alle Akteursgruppen (Professionelle, Organisationen und Adressat_innen) sowie die Profession der Sozialen Arbeit als Ganzes. Insbesondere da die Soziale Arbeit im Gebrauch digitaler Dinge einer Ergänzungs- oder Ersetzungslogik folgt.

Familie und digitale Praktiken als Gegenstand Sozialer Arbeit

Im Kontext digitaler Praktiken werden in der Sozialen Arbeit oftmals Jugendliche und junge Erwachsene als typische Adressat_innengruppe verstanden (Beranek et al. 2019, S. 226), da diese als sogenannte ‚digital natives‘ zwangsläufig digitale Technologien nutzen (Kreidenweis 2017, S. 164). Die Annahme, dass die digitale Sphäre nur die Lebenswelt junger Menschen betrifft, ist jedoch falsch und kann mit aktuellen Studien widerlegt werden (z. B. Beisch und Koch 2021). Es liegt also nahe, dass sowohl junge als auch alte Menschen aus allen sozialen Schichten digitale Dinge nutzen. Dabei sind Familien für die sozialpädagogische Praxis und Forschung von besonderem Interesse – hier nutzen verschiedene Altersgruppen einerseits individuell, andererseits gemeinsam als Familie digitale Dinge, wie beispielsweise Medien, die zunehmend zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Familienalltags und der familialen Kommunikation werden (Jurczyk und Ludwig 2020, S. 69). Familie im Sinne von familialem Alltag und familialer Gemeinschaft (Jurczyk 2018, S. 146–147) wird somit über die Mediennutzung hergestellt (Lange 2020, S. 359–360), was z. B. an der Relevanz des gemeinsamen Fernsehkonsums deutlich wird – mehr als die Hälfte der Eltern (58 %) schauen täglich oder mehrmals in der Woche mit ihren Kindern fern (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) 2017, S. 58–59). Familiale Alltagspraktiken beziehen sich jedoch nicht mehr nur auf den Fernsehkonsum. Die Geräteausstattung im Jahr 2022 zeigt, dass digitale Dinge wie Wearables (z. B. Smartwatches) oder Smartspeaker an Bedeutung gewinnen – bei letzteren ist die Ausstattung im Vergleich zum Vorjahr mit 24 % um sieben Prozentpunkte gestiegen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) 2022, S. 7). „Smarte Dinge“ wie Sprachassistent_innen werden somit ganz selbstverständlich Teil des Familienalltags und aus Kindersicht auch Teil der Familie (Graßhoff und Weinhardt 2022, S. 526–527). Wie die JIM-Studie 2022 zeigt, werden Alexa, Siri und Co. von 48 % der Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche genutzt (S. 13–14). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Nutzung von Smartspeakern um 15 Prozentpunkte gestiegen (S. 13–14).

Soziale Medien können ebenfalls Teil familialer Herstellungspraktiken sein, wie die FIM-Studie 2016 zeigt – 23 % der Eltern nutzen diese täglich oder mehrmals in der Woche mit ihren Kindern (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) 2017, S. 59). „Der Mediengebrauch selbst wird reflexiv bearbeitet und die Medien- und Kommunikationstechnologien sind ein Instrument des Informationsaustausches sowie der Synchronisation und Koordination des Familienalltags.“ (Lange 2020, S. 360). Daraus ableitend bilden sich neue Alltagspraktiken wie z. B. die familiale Alltagsdokumentation über Soziale Netzwerke im Rahmen des Sharenting (Alig 2021; Kutscher 2021, 2022). Sharenting beschreibt eine Praktik, bei der Eltern Informationen über sich und ihre Kinder online teilen (Blum-Ross und Livingstone 2017, S. 2). Der Begriff setzt sich aus share und parenting zusammen (Oxford English Dictionary 2022). Aus der zunehmenden Relevanz dieser familialen Alltagspraktik resultiert der Bedarf einer systematischen Betrachtung, die im Diskurs bisher noch nicht stattgefunden hat.

Doing Digitality in Family

Um Alltagspraktiken innerhalb von Familien wie beispielsweise Sharenting näher zu betrachten, kann die für die Soziale Arbeit entfaltete Heuristik von Doing Digitality (Weinhardt 29,30,b, c) probeweise auch für die Familie aufgegriffen werden, indem hier ebenfalls systematisch zwischen Digitalisierung und Digitalität unterschieden wird, um neue Theorie- und Forschungsperspektiven zu gewinnen. Doing Digitality meint in der Sozialen Arbeit einerseits die Einführung von digitalen Dingen wie beispielsweise Systeme digitaler Dokumentation (Top-down), andererseits die alltägliche Nutzung digitaler Dinge in Form alltäglich gelebter Digitalität von Adressat_innen und Fachkräften (bottom-up) (Weinhardt 2021b). Diese Prozesse werden dabei als prägend für die Soziale Arbeit beschrieben und inkludieren „[…] all diejenigen Praxen des Helfens, die in einem Spannungsfeld aus Digitalisierung und Digitalität einerseits und den organisations- und fallarbeitsbezogenen Aspekten Sozialer Arbeit andererseits hervorgebracht werden, und zwar durch Fachkräfte, Adressat:innen und digitale Dinge selbst.“ (Weinhardt 2021b). Gelebte Digitalität wird dabei als „Vollzug von Alltagskultur“ verstanden (Weinhardt 2021b) und meint damit auch „[…] widerständige[n] Praktiken entgegen organisationaler und (vermeintlich) professioneller Intentionen (Datenschutz, Betonung von Gefahren)“ (Weinhardt 2021c).

Um dieses Konzept für die Betrachtung von Familie fruchtbar zu machen, wird sie unter einer bestimmten Perspektive konzeptualisiert. So ist Familie zunächst „[…] Milieu und Ort sozialisatorischer Interaktion, an dem Eltern und Kinder miteinander interagieren und ihr Verhältnis über Ein- und Ausschlussprozesse ausbalancieren.“ (Schierbaum 2022, S. 22). Darüber hinaus geht es im Rahmen von Doing Family nach Jurczyk um die Herstellungsleistung von Familie. Familie ist demnach nicht etwas natürlich Gegebenes (Jurczyk 2014, S. 51), sie ist „[…] ein soziales und kulturelles Konstrukt, das in seiner konkreten Gestalt hergestellt und vollzogen werden [muss].“ (Jurczyk 2020, S. 27). Das Handeln innerhalb der Familie ist ebenfalls nicht natürlich, sondern wird durch soziokulturelle Prägungen beeinflusst und schafft sowohl nach innen als auch nach außen eine Identität (Jurczyk et al. 2014, S. 11). Familie wird durch Praktiken (‚Doings‘) hergestellt (Jurczyk 2020, S. 29). Diese Herstellung durch Praktiken kann auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden. Einerseits werden zur Herstellung von Familie Praktiken der „[…] sinnhafte[n] Konstruktion eines gemeinschaftlichen Beziehungsgefüges […]“ (Jurczyk 2018, S. 147, Herv. i. O.) relevant, die sich beispielsweise auf gemeinsame Handlungen, den gegenseitigen Bezug und die familiale Darstellung beziehen (Jurczyk 2018, S. 147). Andererseits geht es um Praktiken „[…] des Vereinbarkeits- und Balancemanagements […]“ (Jurczyk 2018, S. 146, Herv. i. O.), die die Organisation sowie logistische Abstimmungen der einzelnen Mitglieder einer Familie betreffen (Jurczyk 2018, S. 146) und nicht nur eine Abfolge von Zufällen darstellen. Feste familiale Abendroutinen, wie beispielsweise gemeinsames Lesen vor dem Schlafen, sind zum einen eine Interaktion zwischen Familienmitgliedern, die Gemeinschaft herstellt beziehungsweise herstellen kann, zum anderen ist diese Praktik in den Tagesablauf eingebettet und muss koordiniert werden.

Doing Digitality bezieht sich zunächst nicht auf die Alltagspraktiken von Familie, weshalb sich eine Modifizierung des Ansatzes anbietet. Daraus ergibt sich eine Heuristik für die Betrachtung digitaler Alltagspraktiken in Familien: Doing Digitality in Family (siehe Abb. 1). Entlang der Heuristik lassen sich zwei Wege unterscheiden, die digitale Praktiken in der Familie konstituieren. Zum einen die Digitalisierung als Prozess aktiver Innovation mit und durch digitale Dinge als Top-down-Prozess. So gibt es für Familien verbindliche, mit hohem normativem Druck ausgestatte Implementierungswege digitaler Praktiken, die die Familie als individuelle Organisation und demnach deren Interaktion beeinflussen. Familie kann somit durch Einwirkung von außen hergestellt werden (Top-down), beispielhaft durch Apps in Schulen, wie die Lern-App ANTONFootnote 1, die durch das Anlegen von Schulklassen und Aufgabenzuweisungen durch Lehrende von Kindern genutzt werden müssen und damit zwangsweise in den Familienalltag eingebettet werden. Ebenso wichtig wie diese formalisierten Formen des Einbringens digitaler Praktiken in die Familie sind jedoch alltagskulturell gerahmte Nutzungsmuster, die sich z. B. an Geschmacks- und Mediensozialisationspräferenzen festmachen. In diesem Sinne ist Digitalität als Vollzug von Alltagskultur mit und durch digitale Dinge als Bottom-up-Prozess zu verstehen. Innerhalb der Familien finden selbst gewählte digitale Praktiken statt, beispielsweise durch Sprachassistent_innen, die in den Alltag eingebettet sind (Bottom-up) und von Kindern als Teil der Familie angesehen werden (Graßhoff und Weinhardt 2022, S. 526–527). Das Zusammenspiel beider Wege bringt familiale Praktiken hervor, die unter dem Schema Doing Digitality in Family zusammengefasst werden können. Die Digitalisierung ist dahingehend als Prozess zu verstehen, der digitale Dinge (mit und durch digitale Dinge) hervorbringt und damit zum einen die Familie als Organisation, zum anderen die Familie als Interaktion von außen beeinflusst (z. B. Apps in Schulen, iPad-Klassen, E‑Learning Angebote, etc.). Digitalität meint den Vollzug familialer Alltagskultur (mit und durch digitale Dinge), der ebenfalls die familiale Organisation und Interaktion beeinflusst – jedoch als Prozess, der freiwillig innerhalb der Familie stattfindet (z. B. Smartspeaker in Familien, WhatsApp-Familiengruppen, gemeinsames Fernsehen über Smart-TV, etc.).

Abb. 1
figure 1

Doing Digitality in Family (in Anlehnung an Weinhardt 28,29,a, b, S. 7)

Sharenting als Praktik des Doing Digitality in Family

Die zuvor entfaltete Heuristik ist geeignet, um bisher wenig beforschte familiale digitale Praktiken in den Blick zu nehmen. Folgend skizziere ich vor allem Forschungs- und Theoriepotenziale für die digitale Familienpraktik Sharenting, bei der Eltern Informationen über sich und ihre Kinder online teilen (Blum-Ross und Livingstone 2017, S. 2).

Digitale Familienpraktiken wie diese, die sowohl Top-down als auch Bottom-up entstehen, können mithilfe von Doing Digitality in Family multiperspektivisch analysiert werden. Top-down-Prozesse beschränken sich, wie bei Sharenting deutlich wird, nicht nur auf die Einführung von Apps. Hier werden auf der Top-down-Ebene äußere Einflussfaktoren wie beispielsweise Richtlinien der Anbieter Sozialer Plattformen bezüglich des Mindestalters ihrer Nutzer_innen relevant. Durch eine solche Richtlinie wird einerseits die Nutzung aller, die das Mindestalter erfüllen, andererseits die Nicht-Nutzung aller, die das Mindestalter nicht erfüllen, hervorgerufen. Es kann also von einer Exklusion, die bereits bei der Registrierung stattfindet, gesprochen werden. Diese vorgeschriebene Nicht-Nutzung kann jedoch durch verschiedene Praktiken umgangen werden wie z. B. die Erstellung eines Kontos für das eigene Kind, welches das Mindestalter zur Benutzung der Plattform (noch) nicht erfüllt. Dieser Prozess passiert auf der Bottom-up-Ebene und kann im Rahmen von Doing Digitality als widerständige Praktik definiert werden. Eine solche Praktik kann Familie in dem Sinne beeinflussen, dass entgegen rechtlicher (sowie gegebenenfalls gesellschaftlicher) Erwartungen der familiale Alltag auf und mit Sozialen Plattformen hergestellt wird (familiale Interaktion). Alltagspraktiken wandeln sich dahingehend, wenn z. B. Zeitpläne zur Erstellung von Fotos oder Videos existieren (familiale Organisation), wie es beispielsweise bei (Kinder)Influencern oft der Fall ist. Die Digitalisierung als Top-down- sowie die Digitalität als Bottom-up-Prozess beeinflussen und prägen die familiale Organisation und Interaktion, wodurch neue familiale Praktiken entstehen. Dies macht eine Betrachtung beider Ebenen (Top-down und Bottom-up) unabdingbar, da nur so die familialen Praktiken mit und durch digitale Dinge verstanden werden können.

Doing Digitality in Family erhebt dabei nicht den Anspruch einer bereits ausgereiften Theorie und kann diesbezüglich noch modifiziert werden. Es kann als mögliche Heuristik fungieren, um spezifische Phänomene wie z. B. Sharenting explorativ zu untersuchen und in diesem Prozess noch verändert werden. Wichtig hierbei ist, dass Doing Digitality in Family keine Wertung familialer Praktiken inkludiert, wie es beispielsweise im Diskurs zu Sharenting der Fall ist. Dieses Phänomen wird insbesondere aus einer bewahrpädagogischen und medienkritischen Perspektive diskutiert (z. B. Alig 2021; Brosch 2018; Kutscher 2021; Lupton und Williamson 2017; Siibak und Traks 2019). Diese Perspektiven sind ebenso notwendig, im aktuellen Diskurs findet jedoch eher eine explizite oder implizite (Vor)Verurteilung der Praktik aufgrund der (möglichen) Risiken statt. Zukünftige empirische Arbeiten sollten den bisher negativ geprägten Diskurs nicht nachbilden, sondern Sharenting als familiale Praktik möglichst frei von Vorurteilen sowie Bewertungen untersuchen und dahingehend „[…] die Funktionen […] verstehen, die Medienpraktiken für Familien einnehmen.“ (Schlör 2016, S. 353). Deshalb erscheint eine Untersuchung der Praktik aus der Perspektive des Doing Digitality in Family besonders notwendig.