Leben in Armut ist für die betroffenen Menschen mit einem ständigen Kampf um die nötigen Existenzgrundlagen verbunden. Es fordert die dauernde Anstrengung, trotz des Mangels, das eigene Leben bestimmen zu können und es bedeutet letztlich das ständige Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung als Person.

Menschen, die in Armut leben müssen, stehen im individualisierten Widerspruch gegenüber dessen, was gesellschaftlich als „Normalität“ definiert wird – in ihrer Nachbarschaft, in der Schule oder gegenüber dem Sozialamt (Munsch 2005, S. 133). Dieses Bemühen ist der Versuch der personalisierten Bewältigung sozialer Probleme, welche die andauernde Beschämung eines wachsenden Teils der Bevölkerung in den wohlhabenden Staaten mit sich bringt. Armutserfahrenen Menschen wird der Zugang zu den gesellschaftlich als normal angesehenen Positionen und Gütern, aber auch die damit verbundene soziale Anerkennung, verwehrt. Überwiegend individualisierte Soziale Arbeit verstärkt diese beschämenden Erfahrungen, wie u. a. die Nichtinanspruchnahme von Rechten auf Sozialhilfe zeigt. Robert Castel (2000, S. 403) spricht im Zusammenhang der Vereinzelung armuts- und abstiegsgefährdeter oder -betroffener Menschen von „negativem Individualismus“. Die Prozesse struktureller Entsolidarisierung zeigen ihre Wirkungen zuerst am unteren Rand der Gesellschaft. Aus dieser Perspektive sind soziale Dienste Austragungsorte gesellschaftlicher Konflikte (Anastasiadis 2019, S. 615).

Dieser Beitrag diskutiert kollektive Ansätze Sozialer Arbeit, die eine Einbeziehung und Anerkennung armutsbetroffener Menschen ermöglichen und gleichzeitig einen Beitrag leisten können zu einer öko-sozialen Transformation, welche angesichts der brennenden Gegenwarts- und Zukunftsfragen erforderlich ist.

Wenn Armut im Reichtum zur Normalität wird

Angesichts der Daten zur Armutsentwicklung liegen Überlegungen zur Korrektur gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen vor, die ihrerseits noch zu verbinden sind mit einem grundlegend neuen Gesellschaftsbild und neuen Kulturen und Organisationen der Wohlfahrtspflege, welche auch die Erfordernisse und Möglichkeiten einer öko-sozialen Transformation zum Ausgangspunkt nehmen (Elsen 2019). Der notwendige Transformationsprozess kann dabei nicht nur verbunden werden mit der Vorstellung von Verzicht und materiellem Verlust, sondern mit der Erkenntnis, dass eine öko-soziale Entwicklung mit einem Gewinn an Zeitwohlstand, Beziehungsintensität und Lebensqualität verbunden sein kann. Es bedarf einer neuen Narration möglicher Zukünfte. Dabei geht es um das Recht auf ein gutes Leben für alle (Acosta 2015) sowie um die Erhaltung der Grundlagen des Gemeinwesens und der sozialen sowie ökologischen Mitwelt.

Laut Paritätischem Armutsbericht (2023) hat die Armut in Deutschland mit einer Quote von 16,9 % einen neuen Höchststand erreicht. 14,1 Mio. Menschen sind demnach in Deutschland von Armut betroffen. Diese Zahlen wurden vor dem Ukrainekrieg und der rasanten inflationären Entwicklung erhoben. „Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Er rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzt: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien weiterhin bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.

Wenn wir zu Beginn des Jahres 2023 von Armutsbetroffenheit in einem wohlhabenden Land wie Deutschland sprechen, dann geht es um einen wachsenden Anteil einkommensarmer Menschen, von denen jedoch nicht alle armutserfahren sind. Armutserfahren zu sein bedeutet auch, über eine längere Zeit dazu gezwungen (gewesen) zu sein, Bewältigungsstrategien für materiellen Mangel und damit zusammenhängende gesellschaftliche Beschämung entwickelt zu haben. Angesichts der genannten Entwicklungen, aber auch der gesellschaftlichen Erfordernisse des Klimawandels, ist es mit der Stärkung fürsorgerischer Maßnahmen und neuer Formen der Notversorgung wie Wärmestuben, Tafeln und Suppenküchen nicht getan. Die Entwicklung der sozialen Ungleichheit in Deutschland ist in der Tat dramatisch. Der Anteil der Vermögensmillionäre stieg zwischen 2021 und 2022 um 100.000 und im gleichen Zeitraum stieg deren Gesamtvermögen um 7,4 % auf 6,3 Billionen US Dollar, insbesondere aufgrund gestiegener Aktienkurse. Es bedarf grundlegender Überlegungen und neuer Ansätze der Umverteilung und der Förderung proaktiver Ansätze einer Gesellschaftspolitik, welche auf die öko-soziale Transformation zielen und hierbei soziale Dienste und ihre Nutzer_innen einbezieht.

Soziale und Solidarische Ökonomie (SSE), Armutsbekämpfung und öko-soziale Transformation

Der Transformationsprozess öffnet die Möglichkeit der Verbindung der sozialen und ökologischen Entwicklungsaufgaben und der bisher getrennten zivilgesellschaftlichen Bewegungen, mit sozialpolitischen oder ökologischen Zielen, sofern soziale Dienste diese Möglichkeit erkennen und nutzen und eine proaktive Sozialpolitik diese Ansätze fördert. Damit könnten soziale Dienste und mit ihnen ihre Nutzer_innen ein Stück aus ihrer marginalisierten Position heraustreten und sich verbinden mit Bestrebungen nachhaltiger Entwicklung. Ökosozial sinnvolle Ansätze könnten zeitgemäß transformiert werden und eine neue Bedeutung erlangen. Ansätze der Förderung sozialökonomischer Selbstorganisation in Solidarökonomien bieten zahlreiche Möglichkeiten mit diesem Ziel.

Solidarökonomie umfasst nicht nur traditionelle Organisationsformen wie Verbände, Vereine, Genossenschaften und Unternehmen der Sozialwirtschaft, sondern eine Vielzahl von eher spontanen selbstorganisierten Gruppierungen, die Güter und Dienstleistungen produzieren, solidarische Einkaufsgruppen oder Fairtrade Netzwerke, Konsument_innen-Initiativen, informelle Ökonomien, solidarische Finanzierungssysteme, komplementäre Währungen, Gemeinwesen-basierte Spargruppen und viele mehr (Utting 2015). Gemeinsam sind ihnen eine bedarfsorientierte, zivilgesellschaftliche Handlungslogik und demokratische Entscheidungsstrukturen. Ein facettenreiches Spektrum an kooperativen, überwiegend subsistenzorientierten Ansätzen, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum, eröffnet Lebensmöglichkeiten jenseits der vollkommenen Abhängigkeit von unbeeinflussbaren Versorgungsstrukturen.

Die vieldeutigen Begriffe Solidarität und Kooperation im Kontext des kooperativen Wirtschaftens bilden eine der Grundlagen des Verständnisses Solidarischer Ökonomie (Biesecker 1996; Daly und Cobb 1990; Duchrow et al. 2006). Jenseits strategischer Erwägungen basiert das Verständnis von Solidarität und Kooperation im Kontext solidarischen Wirtschaftens auf der Erkenntnis des Teilseins am begrenzten System der Biosphäre und der daraus erwachsenden Notwendigkeit der erhaltenden Nutzung. Diese erfordert reflexive Solidarität, die der Erkenntnis des Teilseins Rechnung trägt, nicht nur bezogen auf die Befriedigung humaner Bedürfnisse weltweit, sondern auch gegenüber den Ansprüchen nichtmenschlichen Lebens sowie Kooperation auf der Basis der Anerkennung gleicher Rechte.

Die Verbindung sozialer Dienste mit solidarökonomischen Ansätzen ist nicht neu. Als Ansatz öko-sozialer Sozialer Arbeit gewinnt sie aber zunehmend an Bedeutung (Elsen 2023). Im Kontext der Sozialarbeit wird das Potenzial der Solidarökonomie zur Förderung der Selbstorganisation benachteiligter Menschen und für eine gestaltende lokale Sozialpolitik deutlich. Als sektorübergreifender Ansatz kann SSE soziale Innovationen (Moulaert et al. 2013) und neue lokale Wohlfahrtsmodelle anregen, die verschiedene Ziele und Akteur_innen in synergetische Lösungen integrieren und so vielfältige gesellschaftliche Auswirkungen haben. Für Sozialdienste und lokale Sozialpolitik eröffnet sie die Möglichkeit, neue institutionelle Arrangements zu schaffen, in denen materielle und nicht-materielle Ressourcen auf integrative und produktive Weise kombiniert werden können. Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob Menschen auf die Rolle der Nutzer_innen von Sozialdiensten und Empfänger_innen sozialer Unterstützung reduziert werden, oder ob sie die Möglichkeit haben, sich aktiv an sinnvollen Kontexten zu beteiligen und Koproduzent_innen von innovativen Lösungen zu sein. Es geht im Kontext von Sozialarbeit und Solidarökonomie vor allem um die Erweiterung von Handlungsoptionen z. B. durch die Gestaltung von unproduktivem Distanzgrün im Wohnbereich zu einem Gemeinschaftsgarten. Drei aktuelle Beispiele der Sozialen und Solidarischen Ökonomie (SSE), die die Brücke zu ökologischen Zielen schlagen, zeigen das Potenzial für eine proaktive Soziale Arbeit (Elsen et al. 2020):

  • Bewegungen für lokal-regionale Ernährungssouveränität und gegen Nahrungsmittelverschwendung, Teilen von Nahrungsmitteln und der Neuorganisation der Verteilung entstehen in vielen wohlhabenden Ländern, in denen bis zu einem Drittel der Lebensmittel im Müll landen. Sie sind konsequente solidarökonomische Ansätze mit starken ökologischen und sozialen Effekten, verbinden soziale und ökologische Bewegungen, die Bewegung der solidarischen Landwirtschaft sowie die konsumkritische Bewegung gegen die großen industriellen Produzenten und Distributeure und den Druck des Weltmarkts.

  • Die konsumkritische Bewegung des Repair, Re-using, Recycling und Upcycling weckt seit Jahren das Interesse des öko-sozialen Designs und auch zahlungskräftiger Konsument_innen auf der Suche nach kunsthandwerklich gestalteten Unikaten. Als arbeitsintensiver und kreativer Bereich ist dieser verbunden mit sozialen Diensten zur Arbeitsintegration und Qualifikation benachteiligter Gruppen sowie mit gezielten Ansätzen des kollektiven Lernens und der Gemeinschaftsbildung. Die Bewohner_innenberatung des Salzburger Stadtteils Lehen organisiert seit mehr als zehn Jahren ein Repaircafé in ihrem Stadtteiltreff mit mehr als fünfzig aktiven Reparateur_innen.

  • Der Ansatz der Sozialen Landwirtschaft verbindet Arbeitsintegration, Bildung für nachhaltige Entwicklung und psychosoziale Zielsetzungen mit organischer Landwirtschaft. Sie bietet den kleinbäuerlichen Anbieter_innen Möglichkeiten des Zuverdienstes und damit des Erhalts ihrer Existenzgrundlage und Nutzer_innen ein breites Spektrum sinnvoller Arbeit mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Sie fördert die biologische Lebensmittelproduktion und ist mittlerweile in vielen europäischen Regionen das Rückgrat ländlicher Entwicklung.

Die Entwicklung eines bedarfsorientierten, lokalen Bereiches der Sozialen und Solidarischen Ökonomie nimmt eine Pionierfunktion im gesellschaftlichen Transformationsprozess ein. Die erhaltende Bewirtschaftung knapper Ressourcen durch Re-Lokalisierung, Gemeinwohlorientierung, Integration, Dekommodifizierung, Reduktion, Gemeinschaftsnutzung, Kooperation und lokale Selbstorganisation sind Schlüssel zu diesem Ziel. Dies betonen die Taskforce Social and Solidarity Economy der Vereinten Nationen (UNTFSSE), das Forschungsinstitut der vereinten Nationen zur Innovation und sozialen Entwicklung (UNRISD), die Europäische Kommission mit ihrem Aktionsprogramm zur Förderung der Sozialen Ökonomie und das europäische Programm REACT, welches der Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen zur Krisenbewältigung dient.

Solidarökonomie hat das Potenzial zur Armutsbekämpfung beizutragen, weil sie neue Handlungsspielräume, Selbstverwirklichungschancen und Räume gesellschaftlicher Anerkennung eröffnet sowie Ansätze der gemeinschaftlichen Bewältigung und der Reziprozität fördert, Sozialkapital für die Beteiligten selber nutzbar macht, selbstorganisierte Bedarfsdeckung durch die Bündelung von Kräften ermöglicht, zur Verbesserung der materiellen und sozialen Lebenslage beitragen kann und die Marginalisierung von Menschen in Armutslagen durch die aktive Teilnahme an sinnvollen Tätigkeiten aufzubrechen in der Lage ist.

Das Sozialforschungsinstitut der UNO, UNRISD (United Nation Research Institute for Social Development), fördert und dokumentiert die weltweit wachsende Bewegung der Solidarischen Ökonomie. UNRISD betont die innovative Rolle von SSE-Organisationen als nicht-staatliche Akteure im Bereich der Sozialen Arbeit, welche zunehmend mit sozialem Wandel verbunden sind. Dies geschieht, wenn Organisationen und Netzwerke neue Ideen, Strategien und Praktiken in neuen institutionellen Arrangements übernehmen, die darauf abzielen, soziale Bedürfnisse besser zu erfüllen und Beziehungen aufzubauen, die zu sozialen und ökologischen Verbesserungen führen. Das Forschungsinstitut betont auch die Bedeutung der Solidarischen Ökonomie als Strategie zur Erreichung von elf der siebzehn Ziele der globalen Agenda für nachhaltige Entwicklung (SDGs), darunter Armutsbekämpfung, Reduktion sozialer Ungleichheit, würdige Arbeit, nachhaltige Gemeinwesen und Gender-Gerechtigkeit. Ein lange marginalisierter Bereich des diversen Wirtschaftens erfährt damit die Anerkennung seines Potentials als Beitrag zur Lösung sozialer Probleme und zur öko-sozial nachhaltigen Entwicklung.

Psychosoziale Effekte Solidarischer Ökonomie

Solidarökonomische Selbsthilfe und Selbstorganisation sind auch eine Gegenbewegung zum Verlust an Selbstwirksamkeit und produktiven Kompetenzen im institutionalisierten Staat und in der Konsumgesellschaft, welche vorgefertigte Güter und Dienstleistungen bieten, aber die Mitwirkung an deren Zustandekommen einschränken (Paech 2015). Das Bedürfnis, produktiv und kooperativ tätig zu sein, zeigt sich aktuell in der globalen Bewegung urbaner Landwirtschaft oder in der Repair-Bewegung, welche erkannt werden können als Ansätze der Dekommodifizierung, einer bewussten Wiederaneignung von Gebrauchswerten, welche die Markt-Abhängigkeiten reduzieren (Gerber und Gerber 2016). Die Transformation von monetarisierten Tausch- in kooperative Nutzwerte hat weitreichende materielle und immaterielle Wirkungen im Prozess öko-sozialer Transformation.

Der lebensweltliche Entstehungskontext als kooperative Antwort lokaler Akteur_innen auf konkrete Bedarfe ist verbunden mit Handlungslogiken und Motivbündeln, welche sich bürgerschaftlichem Engagement als zivilgesellschaftlichem Handeln für das Gemeinwohl zuordnen lassen (Anheier und Toepler 2001). Diese sind gemeinschaftsbezogen, altruistisch, gestaltungsorientiert oder problemorientiert. Das zweckorientierte und nicht instrumentelle Handeln bürgerschaftlich engagierter Akteur_innen liegt quer zu administrativen Routinen und dysfunktionalen Trennungslogiken. Es verbindet, integriert und kombiniert in sinnvoller Weise verschiedene Akteur_innen, Ressourcen und Ansätze, die dem Zweck dienlich sein können und generiert so vollkommen neue Lösungen. Beispiele hierfür sind die neuen Bürger_innengenossenschaften (BMWI 2021) in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands oder die zahlreichen Sozialgenossenschaften in der Sozialen Landwirtschaft (Elsen et al. 2020).

Erkenntnisse über die besonderen Potenziale kooperativer und bedarfsorientierter Ökonomien zur Befriedigung nicht materieller Bedürfnisse finden sich im Konzept der „Ökonomie nach menschlichem Maß“ (Max-Neef 1992). Das Konzept verdeutlicht den potenziellen Qualitätsgewinn bedarfsorientierten und kooperativen Wirtschaftens, der dem Verzichtsdiskurs der Postwachstumsökonomie entgegengestellt werden kann. Max-Neef unterscheidet zwischen Ergebnis und Prozess im Kontext der Bedürfnisbefriedigung. Der Prozessaspekt ist mit zentralen humanen und sozialen Dimensionen verbunden. Das Konzept von Max-Neef umfasst vier Aspekte menschlicher Bedürfnisse: Sein, Haben, Tun und Interagieren. Er zeigt auf der einen Seite die Verbindungen zwischen diesen Bedürfnissen und auf der anderen Seite Subsistenz, Sicherheit, Verbundenheit, Verständnis, Partizipation, Kreativität, verfügbare Zeit, Identität und Freiheit als befriedigende Elemente (Max-Neef 1992). Es macht nach diesem Konzept einen fundamentalen Unterschied, wie Bedürfnisse befriedigt werden, z. B. Gemüse im Supermarkt zu kaufen oder es in einer urbanen Landwirtschaft gemeinsam zu produzieren und zu ernten. Die Unterschiede liegen in den möglichen Effekten auf individuelles Wohlbefinden, soziale Inklusion, Vergemeinschaftung und der Entwicklung menschlicher Kapazitäten. Sie basieren auf diversen Organisationsformen, Werten, Regeln und sozialen Praktiken und können synergetische Effekte generieren, die in der Lage sind, verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen, z. B. bessere materielle Lebensbedingungen aber auch neues Wissen, soziale Inklusion, Resilienz und die Entwicklung des Gemeinwesens.

Am Beispiel solidarökonomischer Ansätze werden diese Ergebnisse als Prozess- und Ergebnisziele sichtbar. Sie sind verbunden mit kollektivem Lernen für bürgerschaftliche Selbstorganisation ebenso wie mit dem Lernen der politischen und administrativen Akteur_innen vor Ort und erzielen Ergebnisse, die durch ortsspezifische institutionelle Arrangements und Einbindungen nachhaltige Verbesserungen materieller und immaterieller Lebensbedingungen bewirken. Im Ergebnis sind sie kooperative Strukturen, die meist besser als Staat oder Markt die Bedürfnisse des Gemeinwesens befriedigen und flexibel bleiben für Veränderungen und Anpassungen.

Ermöglichungsstrukturen für solidarökonomische Ansätze für und mit armutserfahrenen Menschen

Der Aufbau solidarökonomischer Ansätze armutserfahrener Menschen erfordert Ermöglichungs- und Unterstützungsstrukturen. Diese Ansätze sollten Verbesserungen der materiellen und immateriellen Situation versprechen, Handlungsoptionen erweitern und kollektives Lernen fördern. Die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, mit Sport- und Kulturvereinen ist essenziell. Möglich sind z. B. Formen einer geförderten gemeinsamen Alltagsbewältigung, gemeinsame Kinderbetreuung, Dienste auf Gegenseitigkeit, die auf einem Kompetenz-Mapping basieren, Gemeinschaftsnutzung von Gebrauchsgütern, Urban gardening, Repaircafés und Gemeinschaftswerkstätten. Es braucht Orte der Gemeinschaft, Bürger_innentreffs für eine lebendige Nachbarschaft oder ein selbstorganisiertes Nachbarschaftscafé. Aufgaben im Bereich der Bewirtschaftung und Pflege des Wohnbereiches bieten in Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen Ansätze der kooperativen Selbstorganisation und der Dienstleistungen gegen Bezahlung durch die Bewohner_innen selber.

Soziale Dienste sollten dahin gehen, wo die Menschen leben, ihre Sprechstunden im Bewohnertreff anbieten und armutserfahrene Menschen auch als Expert_innen einbeziehen. Es geht um die Herausbildung einer neuen, kooperativen lokalen Wohlfahrtskultur, in der benachteiligte Menschen zu Beteiligten werden können.