Wenn junge Menschen eine Berufsausbildung beginnen, verändert sich auch ihr Alltag. Sie stehen vor der Herausforderung, ihre Ausbildung in der Berufsschule und im Betrieb sowie ihre Freizeitaktivitäten in Einklang zu bringen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten anzuwenden und weiterzuentwickeln.

Im Jugendalter stehen u. a. der Erwerb von Wissen, die Herausbildung von Identität und die Befähigung zur Teilhabe am sozialen, kulturellen und beruflichen Leben im Mittelpunkt (Hurrelmann und Quenzel 2016). Die Jugend- und Bildungsforschung hat dabei in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend herausgestellt, dass dies nicht nur in formalisierten, durch Messung und Zertifizierung von vorgegebenen Inhalten geprägten Bildungssettings, erfolgt. Vielmehr benötigen junge Menschen Gelegenheitsstrukturen, in denen sie sich mit sich und anderen in einem sanktionsarmen Raum auseinandersetzen können und ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Handlungsstrategien erproben, reflektieren und erweitern können.

Solche Auseinandersetzungsprozesse finden im Jugendalter sowohl informell durch selbst gestaltete soziale Interaktion mit Anderen (Freunden, Gleichaltrigen und Bekannten) (Harring 2022), als auch non-formal über z. B. außerunterrichtliche Ganztagsangebote (Arnoldt et al. 2015; Mutz und Burrmann 2010), Vereine (Grgic und Züchner 2016; Rasche und Herrmann 2019) oder die Jugendarbeit (Kreher 2008; Baumbast et al. 2014; Brenner 2016) statt. Non-formale Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zu informellen Kontexten oftmals durch Anleiter_innen (vor)strukturiert sind, im Vergleich zu formaler Bildung jedoch in erheblich höherem Maße von Freiwilligkeit, Beteiligung und Ergebnisoffenheit geprägt sind. Dabei ist zu beachten, dass formale, non-formale und informelle Bildung nicht immer trennscharf voneinander differenziert werden kann, sondern dass es sich hierbei um ein Kontinuum handelt (Rohs 2014) und die verschiedenen Formen prinzipiell an allen Orten (also auch in institutionalisierten Kontexten) vorzufinden sind.

Nationale und internationale Studien zeigen, dass durch non-formale Angebote u. a. das Selbstkonzept und Selbstwertgefühl gestärkt (Busseri et al. 2006; Marsh und Kleitman 2002), die Lebenszufriedenheit gefördert (Larson 2000; Sporer und Noack 2008) und Effekte auf soziale Kompetenzen der Heranwachsenden bestätigt werden (Blomfield und Barber 2011; Busseri et al. 2006; Neuber 2010) können. Somit können solche Angebote einen erheblichen Beitrag für ein „positive youth developement“ und die Bewältigung verschiedener Entwicklungsaufgaben leisten (Lerner et al. 2009).

Wenig Beachtung findet in der Forschung aktuell aber noch die Rolle non-formaler Bildung für die berufliche Ausbildung (Hemming und Reißig 2015). Dies lässt sich auch anhand des nationalen Bildungsberichts illustrieren (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Dort wird non-formale Bildung lediglich in den Kapiteln „Allgemeinbildende Schulen und non-formale Bildung im Schulalter“ und „Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter“ behandelt. Im Kapitel „Berufliche Ausbildung“ werden vor allem Kennzahlen zu Angebot und Nachfrage von Ausbildungsplätzen oder zu Ausbildungsverläufen dargestellt; non-formale Bildung ist hier kein Thema.

Diese Forschungslücke hat das Projekt „Non-formale Bildung im Jugendalter und jungen Erwachsenenalter“ des Deutschen Jugendinstituts zum Anlass genommen, formale, non-formale und informelle Lernprozesse in der beruflichen Bildung näher zu betrachten. Dabei mussten auch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, welche durch die Kontaktbeschränkungen einen großen Einfluss auf das Aufwachsen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Schlack et al. 2022) und auf die Ausbildung genommen haben (Dick 2021), berücksichtigt werden.

Datengrundlage und Vorgehen

Im Frühjahr 2022 wurden zwölf problemzentrierte Interviews (Witzel und Reiter 2022) mit jungen Menschen im zweiten Ausbildungsjahr geführt. Die Teilnehmer_innen für die Interviews wurden über eine quantitative Befragung gewonnen, die in einem anderen Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts durchgeführt wurde. Die Befragung war auf keine Ausbildungsbranche eingegrenzt. Die Auszubildenden waren zwischen 17 und 19 Jahre alt und lebten in Ostdeutschland – überwiegend in ländlichen Regionen. Aufgrund der Ansteckungsgefahr durch die Covid-19-Pandemie wurde die Befragung telefonisch durchgeführt. Das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen. Die Länge der Interviews lag zwischen 23 und 54 min.

Über erzählgenerierende Fragen wurden die Jugendlichen in leitfadengestützten Interviews ermutigt zu schildern, wie ihr Alltag aussieht, wie sich ihr Leben mit der Aufnahme ihrer beruflichen Ausbildung verändert hat und welchen Einfluss die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen dabei genommen haben. Der Leitfaden diente dabei als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen für die Interviewführung. Er beinhaltete zuvor als relevant erachtete Themenkomplexe, die – sofern sie vom Jugendlichen nicht von sich aus benannt wurden – durch die Interviewerin nachgefragt wurden. Zudem konnten die Befragten auch eigene Schwerpunkte und Themensetzungen in das Interview einbringen. Innerhalb von lebensbereichsbezogenen Themenkomplexen wie „Freizeit“, „Berufsschule“ oder „Ausbildungsbetrieb“ konnten Situationsdeutungen und Handlungsmotive erfragt, Alltagstheorien und Selbstinterpretationen erhoben und Fragen zu Zweck-Mittelvorstellungen gestellt werden (Hopf 2016). Über den qualitativen Zugang erhielten die Befragten so die Gelegenheit, ihre „Innensicht“ auf ihre beruflichen Übergangsverläufe und deren Wahrnehmung zu reflektieren (Stauber et al. 2007). Die Interviews wurden digital aufgezeichnet, transkribiert und nach der strukturierenden qualitative Inhaltsanalyse (QIA) nach Kuckartz (2018) ausgewertet. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem das gesamte Interviewmaterial systematisch und regelgeleitet Haupt- und Unterkategorien zugeordnet und anschließend interpretiert wird. Ziel war es, sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der Befragtengruppe herauszuarbeiten, zu veranschaulichen und übergreifende und übertragbare Schlussfolgerungen abzuleiten.

Herausforderungen in der beruflichen Ausbildung

Mit der Aufnahme ihrer beruflichen Ausbildung hat sich der Alltag der befragten Jugendlichen deutlich verändert. Sie schilderten dabei verschiedene Herausforderungen, denen sie sich im Alltag stellen müssten.

  • Weniger freie Zeit: Alle Befragten rekapitulieren, dass sie mit Aufnahme ihrer Berufsausbildung weniger Freizeit haben als vor der Ausbildung. Dies habe zu einer deutlichen Einschränkung ihrer Freizeitaktivitäten geführt. Lange Pendelzeiten zum Betrieb und/oder zur Berufsschule, lange oder unbequeme Arbeitszeiten und hohe Lernanforderungen werden als Hauptgründe dafür genannt.

  • Hohes Lernpensum: Insbesondere das Aneignen von Lerninhalten der Berufsschule setzt die Auszubildenden unter großen Druck. Oftmals fühlen sie sich mit ihren Vorkenntnissen aus der Sekundarschule nicht ausreichend vorbereitet. Im Verlauf der Covid-19-Pandemie sei es zu Ausfall und Kürzungen von Unterrichtsstunden gekommen. Zudem mussten Lerninhalte – etwa zu Zeiten von Berufsschulschließungen – verstärkt eigenständig zu Hause erarbeitet werden. Im Vergleich zur Sekundarschulzeit sei der Erwerb von Prüfungswissen somit viel stärker durch Eigenverantwortung geprägt.

  • Unterschiedlichen Rollenerwartungen gerecht werden: In der Berufsschule, im Ausbildungsbetrieb, zu Hause und im Freundeskreis stehen unterschiedliche Werte und Normen im Vordergrund, und es werden unterschiedliche Erwartungen an sie gestellt. Sie müssen sich mit ihren Rollen in den verschiedenen Lebensbereichen auseinandersetzen, diese für sich definieren und in ihre Person integrieren.

  • Fehlende Planbarkeit durch die Pandemie: Im Laufe ihrer Ausbildung wurden die Auszubildenden mit ständig wechselnden Vorschriften im Kontext der Pandemie konfrontiert. Arbeitstage und Berufsschultage wurden oft kurzfristig umdisponiert. Auch seien die Maßnahmen zum Infektionsschutz in den verschiedenen Lebensbereichen zunehmend unterschiedlich streng gehandhabt worden.

  • Das Leben von der Herkunftsfamilie losgelöst gestalten: Insbesondere mit Blick auf das Erreichen von Berufsschule oder Ausbildungsunternehmen sind viele auf die Unterstützung der Eltern durch Fahrtätigkeiten angewiesen. Auszubildende, die bereits in eine eigene Wohnung oder Wohngemeinschaft gezogen waren, berichteten, dass sie sich durch die Anforderungen einer eigenen Haushaltsführung belastet fühlen.

  • Berufliche Zukunftsperspektiven weiterentwickeln: Die Chancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten in ihrem Ausbildungsberuf erschlossen sich ihnen erst im Verlaufe der Ausbildung. Bereits während der Ausbildung machen sich viele der Auszubildenden Gedanken und Sorgen um ihre berufliche Zukunft nach der Ausbildung und entwickelten mitunter schon weiterführende Qualifikationsstrategien.

Erfahrene Unterstützung

Im Folgenden werden die Lernkontexte beschrieben, in denen die Befragten Unterstützung bei der Bewältigung der oben beschriebenen Herausforderungen erhielten.

In der Berufsschule

Die Auszubildenden assoziieren die Berufsschule in erster Linie mit der Vermittlung von prüfungsrelevantem Fachwissen und „klassischen Unterricht“. Die Herausforderungen in der Ausbildung oder die Belastungen durch die Covid-19-Pandemie wurden nur in den ersten Wochen der Berufsausbildung thematisiert. Klassenfahrten und Exkursionen wurden aufgrund der Kontaktbeschränkungen abgesagt. Mit Ausnahme weniger Wochen fand der Unterricht in der Regel in Präsenz statt. Dies wird von den Berufsschüler_innen positiv bewertet, da sie ihre Mitschüler_innen in der Berufsschule regelmäßig trafen und sich mit ihnen über Lerninhalte und Erfahrungen in der Ausbildung austauschen konnten. Allerdings wurde der Stoff aufgrund von Lehrermangel und Wechselunterricht oft nur in verkürzten oder reduzierten Einheiten vermittelt. In den wenigen Phasen von Homeschooling fand der Berufsschulunterricht für einige online über Videokonferenzen statt oder die Inhalte wurden über Lernplattformen bearbeitet. Andere bekamen nur Aufgaben, die sie innerhalb einer bestimmten Zeit selbstständig bearbeiten mussten. Sie erlebten kaum eine individuelle Betreuung oder Kontaktaufnahme durch die Lehrkräfte bei Problemen mit dem Lernstoff oder Problemen im Ausbildungsbetrieb. Im Gegenteil, einige der Befragten schilderten, dass die Lehrer_innen zwischenzeitlich „verschwunden“ seien und sich hinter den Vorschriften zum Infektionsschutz „versteckt“ hätten. Den Befragten waren keine Angebote bekannt, die sie online oder in Präsenz über den Unterricht hinaus unterstützen könnten, um den Stoff „nachzuholen“. Auch hatten sie während ihrer Ausbildung keinen Kontakt zu Mitarbeiter_inen der Schulsozialarbeit oder wussten nicht, ob es an ihrer Berufsschule überhaupt Schulsozialarbeiter_innen gibt. Sie konnten auch nicht von freiwilligen Arbeitsgemeinschaften an ihrer Berufsschule berichten, wobei sie davon ausgingen, dass sie diese aufgrund der Entfernung zur Berufsschule und der wenigen Berufsschultage wohl eher nicht in Anspruch nehmen würden.

Durch das Ausbildungsunternehmen

In Unternehmen findet die Wissensvermittlung hauptsächlich durch die praktische Anleitung durch Ausbilder_innen oder Kolleg_innen statt. Besonders zu Beginn der Ausbildung wurden sie langsam an neue Aufgaben herangeführt. Zunehmend konnten sie selbstständig Aufgaben übernehmen und die Anforderungen stiegen.

Die meisten der Auszubildenden beschreiben eine vertrauensvolle und respektvolle Atmosphäre in ihrem Unternehmen. Das erleichtert es ihnen, Fragen zu stellen und bei inhaltlichen oder persönlichen Problemen auf Vertrauenspersonen im Betrieb zuzugehen und nach Lösungen zu suchen. Mitunter wenden sich die Betriebe dann auch an die Berufsschullehrer_innen, um auf besondere Bedarfe ihrer Auszubildenden hinzuweisen.

Wurde ihnen eine Übernahmegarantie bei erfolgreichem Abschluss gegeben und ihre beruflichen Zukunftswünsche bereits während der Ausbildung mit dem Arbeitgeber, z. B. über Ausbilder_innen thematisiert, so fühlten sie sich als Auszubildende wertgeschätzt und zusätzlich motiviert.

Lernformate, in denen Wissen spielerisch, experimentell und multimedial vermittelt wird, kamen primär bei Befragten in Ausbildungsbetrieben mit mehreren Auszubildenden zum Tragen. Im Gegensatz zu den Berufsschulen fanden trotz Covid-19-Pandemie Einführungstage, Exkursionen oder Klassenfahrten statt. Dort standen u. a. das soziale Lernen, das Verhalten in Konfliktfällen sowie das Kennenlernen von Hilfs- und Anlaufstellen im Fokus.

Nur eine Befragte berichtet von regelmäßig stattfindenden Angeboten, die einen non-formalen Charakter aufweisen. In ihrem Betrieb im Bereich Büromanagement werden Auszubildende darin gefördert, eigene Ideen projektförmig zu entwickeln und umsetzen. So erhalten sie Gelegenheit, einen Stand des Unternehmens auf der Berufsmesse zu planen und zu betreuen, den Betrieb in Schulen vorzustellen oder Ideen umzusetzen, wie das „Ankommen“ von neuen Auszubildenden im Betrieb verbessert werden kann. Dies würde eine „Abwechslung im Büroalltag“ bieten. Durch die Umsetzung der Ideen könnten erworbene Kenntnisse angewendet und Teamfähigkeit, Kreativität und Durchhaltevermögen weiterentwickelt werden. Bei erfolgreicher Umsetzung der Idee würde darüber hinaus insbesondere das Selbstvertrauen gestärkt.

Durch außer- und überbetriebliche Kooperationen

Einige der Betriebe bieten ihren Auszubildenden auch Lernerfahrungen außerhalb des Arbeitsplatzes im Unternehmen an. Ein Konzern schickte seine Auszubildenden für eine Woche an einen externen Ort, an dem sie sich auf ihre Prüfungen vorbereiten können. Dort wurde der Lernstoff nicht auf klassische Art und Weise vermittelt, sondern die Auszubildenden lernten verschiedene Lernstrategien kennen, die sie dann sofort anwenden konnten.

Einer der Betriebe verfügt über ein eigenes Ausbildungszentrum, in dem ein Teil der betrieblichen Ausbildung durchgeführt wird. Im Vergleich zur Berufsschule würde sich dieser Lernort durch eine wesentlich bessere Ausstattung und eine bessere Lernatmosphäre auszeichnen. Die Wissensvermittlung erfolge hier über interaktive Formate in kleinen Gruppen und sei spielerischer als in der Berufsschule oder im Betrieb. Die Auszubildenden erhalten eine Rückmeldung und ein Feedback zu ihren Leistungen, das aber nicht in Form von Noten gegeben wird. Sie kommen dort zudem mit den Aufgaben anderer Arbeitsbereiche im Betrieb in Berührung und verstehen so die Gesamtzusammenhänge im Unternehmen besser.

Muster non-formaler Freizeitgestaltung

Die Veränderungen der Freizeitgestaltung sind von den Befragten wider Erwarten stark aus den Anforderungen der beruflichen Ausbildung und weniger aus den pandemiebedingten Maßnahmen zum Infektionsschutz hergeleitet worden. Dies könnte damit zusammenhängen, dass ihre berufliche Ausbildung mit starken Kontaktbeschränkungen startete, die zunächst die „Normalsituation“ darstellte. Im Verlauf des Pandemiegeschehens kam es dann zu Lockerungen vieler Maßnahmen und auch die Angst vor Ansteckung nahm ab. Sie schildern, dass die Kontaktbeschränkungen im ländlichen Raum zunehmend lockerer gehandhabt und wenig kontrolliert worden seien. Auch seien sie eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten durch ihr Aufwachsen im ländlichen Raum gewohnt und vermuten, damit besser umgehen zu können als Auszubildende aus dem städtischen Raum.

Insgesamt haben sich die Freizeitaktivitäten stark in den informellen Bereich verlagert. Hinsichtlich der non-formalen Freizeitgestaltung konnten bei den Befragten im Kontext der Berufsausbildung unterschiedliche Muster herausgearbeitet werden.

  • Abbruch non-formaler Freizeitaktivitäten vor der beruflichen Ausbildung: Mit Aufnahme der Berufsausbildung haben viele ihre Freizeitaktivitäten wie Musikunterricht, Aktivitäten in Sportvereinen oder den Besuch in Jugendclubs bereits beendet. Sie seien aus den Altersgruppen, für die diese Aktivitäten angeboten werden, „herausgewachsen“. Zudem befürchteten sie, durch die Weiterführung der Aktivitäten nicht hinreichend Zeit für die Ausbildung und die informelle Freizeitgestaltung mit Freunden zu haben.

  • Non-formale Freizeitaktivitäten während beruflicher Ausbildung ruhen lassen: Aufgrund der Kontaktbeschränkungen konnten viele non-formale Freizeitaktivitäten nicht ausgeübt werden. Obwohl dies zunehmend wieder möglich war, wurden die Aktivitäten nicht wieder aufgenommen, da die Befragten ihre Ausbildung zunächst erfolgreich abschließen wollten. Nach Abschluss der Ausbildung möchten sie sich wieder mehr Zeit für diese Aktivitäten nehmen.

  • Wahl zeitlich begrenzter non-formaler Freizeitaktivitäten: Durch die unterschiedlichen Ausbildungsphasen ist ein regelmäßiger Besuch von wöchentlich stattfindenden Angeboten häufig nicht möglich. Daher wählen sie non-formale Freizeitaktivitäten, die sie am Wochenende oder projektförmig in einem begrenzten Zeitraum wie der Ferienzeit (z. B. Ferienfreizeit) umsetzen können.

  • Priorisierung einer non-formalen Freizeitaktivität: Aufgrund knapper Zeitressourcen priorisieren sie eine non-formale Aktivität (z. B. Reitbeteiligung) und ordnen diese anderen (auch informellen) Freizeitaktivitäten unter.

  • Auszubildende als Gestalter non-formaler Freizeitaktivitäten: Sie haben während ihrer beruflichen Ausbildung Kompetenzen und Fähigkeiten entwickelt, die sie auch über ihre berufliche Ausbildung hinaus in die non-formale Freizeitgestaltung einbringen. (Planung von Freizeitaktivitäten in der Funktion als Jugendbeirat)

Hinweise für Akteure im Kontext des Übergangs Schule-Berufsausbildung

Auszubildende sind mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert, die sowohl ihre berufliche Ausbildung als auch ihre persönliche Lebensgestaltung betreffen. Die Berufsschule nahmen die Befragten nur als Akteur der formalen Wissensvermittlung wahr. Mit Angeboten, in denen sich Auszubildende mit veränderten Anforderungen auseinandersetzen und Handlungskompetenzen für ihre Lebensgestaltung erweitern können, sind sie nicht in Berührung gekommen. Jedoch sind solche Angebote durch die geringe Verweildauer in der Berufsschule, regelmäßige z. B. wöchentlichen Arbeitsgemeinschaften mit einer Teilnehmergruppe, kaum umzusetzen. Hilfreich wären zeitlich befristete Settings, in denen Lernrückstände aufgearbeitet und gezielte Unterstützung geleistet werden kann.

Ein anderes Bild zeigt sich bei den Erfahrungen, die die Auszubildenden in ihren Ausbildungsbetrieben gemacht haben. Hier steht die praxisorientierte Vermittlung von berufsrelevantem Wissen im Vordergrund, Auszubildende berichten aber auch von Lernformaten, die sie bei der Entwicklung von darüber hinausführenden Fähigkeiten fördern. Auch wenn spezifische non-formale Bildungsangebote nur im Betrieb einer Befragten vorzufinden waren, so konnte aus den Schilderungen gezeigt werden, dass über solche Formate junge Menschen in wichtigen Handlungskompetenzen wie Durchhaltewille, Kreativität und Eigeninitiative gefördert und somit z. B. das Selbstbewusstsein gestärkt werden können. Durch die Einbindung von Auszubildenden in die Außendarstellung des Unternehmens kann zudem eine zielgruppengerechte Ansprache von potenziellen Auszubildenden gelingen.

Für Akteure des non-formalen Freizeitbereichs zeigt sich, dass sie, wenn sie junge Erwachsene in ihren Aktivitäten halten wollen, deren geringere Zeitkapazitäten berücksichtigen und eine Teilnahme und Beteiligung projektförmig und zeitlich begrenzt anbieten müssen. Dies erhöht auch die Chance, dass diese ihre in der beruflichen Ausbildung erworbenen Fähigkeiten in die Angebotsgestaltung vor Ort einbringen.

Schärfung der Erkenntnisse

Die Studie gab Aufschluss darüber, wie Auszubildende ihre Lern- und Freizeitwelten wahrnehmen, vor welchen Herausforderungen sie in ihrer Berufsausbildung stehen und welche Anforderungen und Bedürfnisse sich daraus ergeben. Allerdings handelte es sich bei den zwölf Interviews um eine kleine Stichprobe, innerhalb derer sich die jeweiligen Ausbildungsberufe und deren Rahmenbedingungen deutlich unterschieden.

Aus der explorativen Befragung ergeben sich eine Vielzahl von Hinweisen auf Forschungsfragen und Forschungsansätze, die in der weiteren Forschung verfolgt werden sollten. So sollte beispielsweise untersucht werden, ob ähnliche Ergebnisse auch in der Zeit nach der Pandemie zu beobachten sind oder ob mit dem vollständigen Wegfall der Kontaktbeschränkungen andere Herausforderungen in der beruflichen Bildung und Freizeitgestaltung sichtbar werden. Um detailliertere Informationen zum Unterstützungsbedarf zu erhalten, wäre auch eine stärkere Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen sinnvoll. So könnte eine Befragung von Jugendlichen, die sich ehrenamtlich engagieren, oder von Jugendlichen, die ihre Ausbildung abgebrochen haben, weitere Informationen liefern, die über den ermittelten Unterstützungsbedarf hinausgehen. Im Hinblick auf die Lern- und Unterstützungsangebote in den Betrieben wäre es zudem sinnvoll, sich auf bestimmte Branchen oder Betriebsgrößen zu konzentrieren, um zu analysieren, wie und in welchen Lernsettings Auszubildende über die Vermittlung von Fachwissen hinaus unterstützt werden und wie diese Formate von den Auszubildenden wahrgenommen und genutzt werden.

Den Auszubildenden fiel es oft schwer, die verschiedenen Phasen der Ausbildung im Nachhinein zu erinnern. Längsschnittbefragungen, bei denen dieselben Auszubildenden zu Beginn, in der Mitte und nach dem Ende der Berufsausbildung befragt werden, könnten diesbezüglich von Vorteil. Auch könnten die herausgearbeiteten Herausforderungen und Muster der non-formalen Freizeitgestaltung in einer quantitativen Fragebogenerhebung in quantitativ messbare Konstrukte überführt werden, um so über eine größeren Befragtengruppe Verteilungen sowie den Einfluss von soziodemografischen Hintergrundinformationen in Erfahrung bringen zu können.