Dass das Thema Digitalisierung im Diskurs, in der Forschung sowie in der Handlungspraxis der Sozialen Arbeit eine herausragende Rolle spielt, bedarf kaum mehr der Erwähnung. Die zahlreichen Tagungen, Vernetzungen und Publikationen in den vergangenen Jahren sprechen für sich.

Diskutiert, kritisch reflektiert und begleitend erforscht werden bereits vor dem Beginn der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen die Chancen und Risiken der Digitalisierung in unterschiedlichen Arbeitsfeldern ebenso wie damit verbundene ethische und disziplinäre Fragestellungen (s. die diversen Beiträge in Hammerschmidt et al. 2021; Freier/König/Manzeschke/Städtler-Mach 2021; Meyer et al. 2022; Seelmeyer und Kutscher 2021; Wunder 2021).

Darüber hinaus findet sich eine Überblicksarbeit, die sich dem Nutzungsverhalten Sozialarbeitender in unterschiedlichen Feldern mit Blick auf spezifische digitale Teilaspekte widmet (Hoose et al. 2021; Schönauer et al. 2021).

In der Fachkräfteumfrage zum beruflichen Alltag in der Sozialen Arbeit in der Corona-Pandemie (Meyer und Buschle 2020) wird der Blick auf pandemiebedingte Veränderungsprozesse in der Praxis der Sozialen Arbeit gelegt. Mit dem „Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung“ (Kutscher et al. 2020) liegt zudem ein umfassendes Werk vor, das in über 50 Beiträgen zu Forschung, arbeitsfeldspezifischer Praxis und Theorie den jeweiligen Diskussionsstand vorstellt. Ein Fokus der aktuellen Forschung und Diskussion liegt, bedingt durch die sukzessive Normalisierung digitalisierten Handelns in der Sozialen Arbeit, auf den digitalen Kompetenzen Sozialarbeitender, wobei vor allem digitale Schlüsselkompetenzen wie medienpädagogisches Wissen und digital literacy (Beloch 2022; Emanuel und Weinhardt 2019; Siller et al. 2020) und weniger die technologischen Kompetenzen in den Blick genommen werden. Gefragt wird hier u. a. nach dem Vorhandensein und dem Grad der Professionalität in Nutzung und Anwendung ebenso wie nach der Reflexion vorhandener und mangelnder Kompetenzen.

Was mit Blick auf den Forschungsstand fehlt, ist ein umfassender, über die Befragung einer relativ niedrigen Anzahl von Fachkräften hinausgehender Blick auf die Perspektiven derjenigen, die die Digitalisierung in der Sozialen Arbeit, gewissermaßen in der Breite, begleiten, umsetzen und praktisch bewältigen. In diesem Beitrag werden zentrale Erkenntnisse aus dieser ersten Erhebungsphase skizziert und diskutiert. Zentrale Fragestellungen, denen sich die hier vorgestellte DIGITASA-Pulsbefragung in der ersten Erhebungsphase widmet, knüpfen insofern an den Teildiskurs zu Kompetenzen an, als im Zentrum der Befragung die Perspektiven Sozialarbeitender stehen. Fokussiert werden neben dem Stand des Einsatzes und des Umgangs mit digitalen Tools in der Praxis besonders die Einschätzungen und Wahrnehmungen der Sozialarbeitenden in verschiedenen Arbeitsfeldern (Farrenberg und Schulz 2020) und in unterschiedlichen beruflichen Positionen (ehrenamtlich Tätige_r, Hilfskraft (ohne Formalqualifikation), Fachkraft, Führungskraft untere bis mittlere Ebene (Teamleitung, Bereichsleitung o. ä.), Führungskraft obere Ebene (Geschäftsführung, Vorstand o. ä.)). Die erste Erhebungsphase mit explorativem Charakter zielte darauf ab, Themen, Fragestellungen, Problemlagen und Bedarfe Sozialarbeitender zu erfassen, die unter dem gegenwärtigen Digitalisierungsgeschehen entstehen und/oder im Diskurs der Sozialen Arbeit (noch) nicht hinreichend repräsentiert sind.

Forschungsdesign und Teilnehmer_innen

Die DIGITASA-Pulsbefragung (N = 488) wurde als nicht-repräsentative Fragebogenerhebung online durchgeführt (07.05.2021 bis 06.06.2021). Vorab konnten Kooperationspartner_innenFootnote 1 aus der Praxis der Sozialen Arbeit, überwiegend auf Verbandsebene, gewonnen werden. Über diese erfolgte bundesweit der Kontakt zu Fach- und Führungskräften aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit.

Der Fragebogen umfasste 20 Fragen mit allgemein gehaltenen Antwortkategorien, die zumeist um Freitextantwortmöglichkeiten ergänzt werden konnten. Ziel dieses mixed-method-Designs (Flick 2007, S. 42 ff..) war es, die quantitativen Daten mithilfe ergänzender Angaben zu triangulieren, Erörterungen sowie auch Infragestellungen genauer interpretieren sowie neue bzw. aus Perspektive der Befragten besonders relevante Aspekte eruieren zu können. Von dieser Möglichkeit machten erfreulich viele der Befragten (teilweise ausführlich) Gebrauch.Footnote 2 Mit dem qualitativ auswertbaren Studienanteil konnten damit wichtige Einblicke in das Erleben und die Einschätzungen der Sozialarbeitenden in der Praxis gewonnen werden. Die Freitextantworten dienen damit auch der Präzisierung und Überarbeitung des Fragebogens für die nachfolgenden Erhebungsphasen.

An der Befragung beteiligten sich Sozialarbeitende aus allen Bundesländern, Bremen (18 %) und Niedersachsen (16 %) waren am stärksten vertreten. Die überwiegende Mehrzahl der Befragten ist im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (46 %) tätig, wobei ein Viertel die Hilfen zur Erziehung als Arbeitsfeld angibt. Jeweils neun Prozent arbeiten im Bereich Schule bzw. in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Weitere Arbeitsfelder sind die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen (8 %), das Gesundheitswesen (5 %), die Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen (4 %) und die Verwaltung (4 %). Jeweils drei Prozent der Befragten geben an, in den Bereichen Sozialmanagement, der frühkindlichen Bildung, der Erwachsenenbildung, der Arbeit mit alten Menschen, dem allgemeinen Sozialen Dienst oder in der Sucht- und Drogenhilfe tätig zu sein. Auf die Verbandsarbeit sowie die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt/Eingliederung entfallen zwei Prozent. Sieben Prozent der Befragten ordnen ihre Tätigkeit der Kategorie Sonstiges zu.

Keine Altersgruppe ist überdurchschnittlich vertreten, auf die Altersgruppen 20 bis 29, 30- bis 39, 40 bis 49 und 50 bis 59 Jahre entfallen je zwischen 21 und 26 %. Unter Zwanzigjährige und über Sechzigjährige sind kaum vertreten. Auffällig ist, dass circa die Hälfte der Befragten (49 %) bereits länger als zehn Jahre in der aktuellen Position tätig ist (16 % sind fünf bis zehn Jahre berufstätig, 34 % sind weniger als fünf Jahre in der aktuellen Position tätig). 67 % der Befragten geben die weibliche Geschlechtszugehörigkeit an, 31 % die männliche und ein Prozent definiert sich als divers.

Relevant für die Befunde der Auswertung der Befragung sind überdies die berufliche Position sowie die Trägerart. Über die Hälfte der Befragten (53 %) gibt an, Fachkraft der Sozialen Arbeit zu sein, 37 % sind Führungskräfte der unteren, mittleren oder oberen Ebene. Die übrigen zehn Prozent sind Ehrenamtliche oder Hilfskräfte ohne Formalqualifikation. Die Mehrheit der Befragten arbeitet bei freien Trägern (59 %), gefolgt von Mitarbeitenden öffentlicher Träger (28 %). Im privatwirtschaftlichen Bereich sind 13 % tätig.

Bewertung der digitalen Ausstattung

Die Frage nach dem Stand der Digitalisierung, vor allem mit Blick auf die in den Einrichtungen vorhandenen Ressourcen, war für uns bei der Entwicklung des Fragebogens inmitten des zweiten Lockdowns ebenso wichtig wie Fragen nach Nutzungs- und Anwendungskompetenzen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Ausstattung mit digitaler Technik (Software und Hardware, S. Abb. 1) am eigenen Arbeitsplatz von den Befragten recht heterogen bewertet wird: Ein Drittel der Befragten schätzt die Ausstattung als mindestens gut ein, ein weiteres Drittel bewertet die Ausstattung hingegen als nur befriedigend und ein Drittel als ausreichend bis mangelhaft. Fast die Hälfte der Befragten (45 %) gibt an, private Hardware (vor allem Mobiltelefon oder Laptop) für Dienstzwecke zu verwenden. Private Hardware wird dabei in Relation zu anderen Arbeitsfeldern eher wenig in Verwaltung und Management (22 %) verwendet. Am häufigsten wird sie eingesetzt im Bereich der Förderung von Bildung und Teilhabe erwachsener Menschen (66 %).

Abb. 1
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Digitale Ausstattung

Der genauere Blick auf die heterogenen Bewertungen zeigt dabei signifikante Unterschiede zwischen Fach- und Führungskräften: Führungskräfte bewerten die Ausstattung mit digitaler Technik in der eigenen Einrichtung deutlich besser als Fachkräfte.

Wenig überraschend sind die Angaben zu den eingesetzten digitalen Formaten und Technologien: Am häufigsten genutzt werden E‑Mail (97 %), Videokonferenztools (85 %), die Website des Trägers oder des Projektes (73 %) sowie der Server bzw. das einrichtungseigene Intranet (73 %). Mehr als die Hälfte der Befragten gibt den Gebrauch von Chat- und Messengerdiensten (59 %) an, v. a. im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (68 %). Der Messenger, der dabei am weitaus häufigsten genutzt wird, ist WhatsApp. Auch Social Media wird genutzt. Die größten arbeitsfeldbezogenen Unterschiede zeigen sich dabei zwischen gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit (19 %) und Verwaltung und Management (56 %). Die sogenannten ‚Jobportale‘ werden ebenfalls vorrangig im Verwaltungsbereich genutzt (39 %).

Nur marginal vertreten sind digitale Formate wie Blogs (6 %), Podcasts (4 %) und Apps (10 %). Mehr als die Hälfte der Befragten nutzt hingegen Klient_innen- und Dokumentationssoftware wie z. B. Connext Vivendi oder Daarwin QM Center (51 %). Dokumentationssoftware wird dabei überdurchschnittlich häufig in den Arbeitsfeldern Hilfen für erwachsene Menschen mit speziellen Bedarfen (63 %) und in der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit (69 %) genutzt. Überraschend häufig wird, gewissermaßen am anderen Ende des digitalen Spektrums, die Nutzung des Faxgerätes angegeben (46 %).

Digitale Kompetenzen und Datenschutz

Blickt man auf die Einschätzung der Anwendungskompetenz in der eigenen Einrichtung, ergibt sich ebenfalls ein heterogenes Bild (s. Abb. 2). Ein Drittel der Befragten bewertet diese zwar als gut oder sehr gut (32 %), ein weiteres Drittel jedoch votiert für nur ausreichende oder gar mangelhafte Kompetenz (30 %).

Abb. 2
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Kompetenzen in der Einrichtung (links); Eigene Kompetenzen (rechts)

Interessant ist dieses Ergebnis mit Blick auf die Frage nach den eigenen Kompetenzen: Diese schätzen 69 % der Befragten als sehr gut oder gut ein. Die Einschätzung der eigenen Kompetenz und die der Kolleg_innen in der Einrichtung fällt mithin deutlich auseinander, was natürlich ein Hinweis darauf sein kann, dass eine Befragung zum Thema Digitalisierung vor allem Personen erreicht, bei denen bereits Interesse und damit einhergehende Kenntnisse vorliegen. Anders als angenommen, spielen die Variablen Geschlecht und das konkrete Arbeitsfeld für die Einschätzung der eigenen Kompetenzen dabei keine Rolle. Allerdings zeigt sich, dass die unter 40-Jährigen ihre eigenen Kompetenzen häufiger als sehr gut einschätzen als die älteren Befragten; die 20–39-Jährigen etwa bewerten ihre eigenen Kompetenzen signifikant häufiger als sehr gut als ihre älteren Kolleg_innen.

Erstaunt haben die Antworten auf die Datenschutzfrage. Mit Blick auf die in der Sozialen Arbeit wie auch gesamtgesellschaftlich relevante Diskussion des Schutzes personenbezogener Daten sowie die Vielzahl damit verbundener offener Problemlagen ist auffällig, dass nur neun Prozent der Befragten angeben, dass die Sicherheit im Umgang mit sensiblen Daten in ihrer Einrichtung gering/nicht vorhanden sei. Dagegen geben 61 % an, dass die Datenschutzsicherheit in Bezug auf die in der Einrichtung genutzten Formate sehr hoch (14 %) oder hoch (47 %) sei. Offen ist zwar, inwiefern die Einschätzung mit der tatsächlichen Sicherheit übereinstimmt. Ein genauerer Blick auf die möglichen Gründe der Selbsteinschätzungen zeigt aber auch hier die Relevanz der beruflichen Position im Digitalisierungsgeschehen – und der damit verbundenen Nähe zu (oder Ferne von) Klient_innen und deren Daten: Fachkräfte sowie Führungskräfte der unteren bis mittleren Ebene schätzen die Sicherheit im Datenschutz signifikant geringer ein als Führungskräfte der oberen Ebene.

Beschleunigung der Digitalisierung aufgrund der Pandemie

Dass die Pandemie zur Beschleunigung der Digitalisierung in den Einrichtungen Sozialer Arbeit beigetragen hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Hier sind sich drei Viertel der Befragten sicher (41 %) bzw. ganz sicher (33 %). An diesem Punkt zeigt sich abermals die Relevanz der beruflichen Position: Mit steigender Position im Träger wird die Pandemie tendenziell häufiger als Beschleuniger der Digitalisierung begriffen. Ganze 95 % der Führungskräfte der oberen Ebene stimmen zu, dass mit der Pandemie ein Digitalisierungsschub durch die Einrichtungen Sozialer Arbeit ging. Bei den Führungskräften der mittleren und unteren Leitungsebene sind es noch 84 % und auf Ebene der Fachkräfte sehen 72 % die Pandemie und ihre Folgen als ursächlich für die Beschleunigung der Digitalisierung. Anders verhält es sich bei den Hilfskräften ohne Formalfunktion. Bei ihnen ist der Anteil derer, die einem durch die Pandemie bedingten Voranschreiten der Digitalisierung zustimmen, genauso hoch, wie der Anteil der Befragten, die keinen Zusammenhang sehen (jeweils 41 %).

Danach gefragt, was sich in der Einrichtung konkret verändert habe, machen sowohl die Fach- als auch die Führungskräfte deutlich, dass die Pandemie maßgeblich dazu beigetragen habe, mobiles Arbeiten und Homeoffice einzuführen und sowohl die interne Kommunikation als auch die Kommunikation nach außen digital zu ersetzen: „Wir waren gezwungen, digitale Medien im zwischenmenschlichen Kontakt einzusetzen.“ (Freitextkommentar einer Führungskraft). Hierfür musste zuallererst Hard- und Software gekauft werden, von der Erstanschaffung von Dienstlaptops über den Austausch veralteter Desktop-PCs bis hin zum Kauf von Webcams, Headsets und Diensthandys für das Team. Teilweise wurden auch digitale Endgeräte für Klient_innen angeschafft, z. B. um Kindern und Jugendlichen, die stationär betreut werden, die Teilnahme am Online-Schulunterricht zu ermöglichen. Zudem wurden die Internetgeschwindigkeiten in den Einrichtungen angepasst, um die vermehrte Online-Kommunikation realisieren zu können. In der Breite zeigt sich, dass Einrichtungen in der Sozialen Arbeit zunächst einmal herausgefordert waren, die grundsätzlichen Bedingungen für die digitale Bewältigung der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Schließungen herzustellen.

Genutzt wurde die (neue) Hardware vor allem für Videokonferenzen, sowohl innerbetrieblich als auch im Austausch mit Netzwerkpartnern und Geldgebern sowie in der Supervision und für Fortbildungen. Daneben wurden in vielen Einrichtungen Messengerdienste oder Videoberatungen in der Arbeit mit Klient:innen (erstmalig) eingesetzt. Von einigen Führungskräften wird zudem festgehalten, dass die Pandemie die Digitalisierung administrativer Aufgaben und Prozesse (Falldokumentation, Abrechnung, etc.) befördert habe.

Während einzelne Führungskräfte berichten, dass ihre Mitarbeitenden „ins kalte Wasser“ (Freitextkommentar einer Führungskraft) geworfen wurden und schlicht gezwungen waren, sich mit den Chancen und Möglichkeiten, aber auch mit den Grenzen und Risiken des Einsatzes digitaler Tools zu beschäftigen, beobachten die Fachkräfte dabei zugleich einen herausfordernden Lernprozess: „Die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten zur Kommunikation und Erhaltung der Arbeit haben einfach gezwungen umzudenken.“ (Freitextkommentar einer Fachkraft).

Digitalisierung zwischen Erwartungsdruck und Mitgestaltungsmöglichkeit

Vor dem Hintergrund der von uns vermuteten Beschleunigung der Digitalisierung im Zuge der Pandemie wurde danach gefragt, ob und inwiefern Sozialarbeitende die Digitalisierungsprozesse in ihrer Einrichtung als Folge von äußeren Vorgaben und Erwartungen wahrnehmen (s. Abb. 3). In der Tat gibt gut die Hälfte der Befragten (51 %) an, dass es primär um die Umsetzung äußerer Vorgaben und Erwartungen gehe. Demgegenüber stimmt ein Drittel (32 %) dem eher nicht oder gar nicht zu. In dieser Frage zeigen sich einmal mehr Unterschiede in der Einschätzung zwischen Fach- und Führungskräften. So fühlen sich die Fachkräfte und Führungskräfte der mittleren Ebene im Vergleich zu Personen der oberen Führungsebene stärker unter Druck, äußere Vorgaben zur Digitalisierung umzusetzen. Diese Differenzen lassen sich mit Blick auf die Instanzen, von denen der Erwartungsdruck ausgeht, klarer beleuchten. Fachkräfte verweisen in Freitextkommentaren häufig darauf, dass innerhalb der Einrichtung die Erwartung ‚von oben‘ an sie herangetragen wird: „Chef will irgendwas Digitales, weil das gut aussieht.“ Begründet wird das unter anderem damit, dass die eigene Einrichtung im Wettbewerb gegen andere bestehen können muss. So äußert eine Fachkraft in einem Freitextkommentar, die Digitalisierung sei der „Wunsch der Geschäftsführung, um im Konkurrenzgeschäft zu bestehen“.

Abb. 3
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Digitalisierung als äußere Vorgabe?

Die Notwendigkeit, äußeren Erwartungen nachzukommen, beschreiben auch die Führungskräfte. Im Unterschied zu den Fachkräften verweisen sie in Freitextkommentaren aber stärker auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen: „Es ist ein Erfordernis, dem sich die Soziale Arbeit zu öffnen hat, daran kommt keine*r vorbei“. In der Tendenz bejahen sie diese Öffnung stärker als die Fachkräfte: „Positiv ist, dass Digitalisierung durch die Pandemie heute eine hohe und vermutlich höhere Akzeptanz in der Sozialen Arbeit hat als vor einem Jahr.“

Ein Grund für die unterschiedlichen Sichtweisen der Fach- und Führungskräfte könnte in den unterschiedlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten zu finden sein. Insgesamt geben 53 % der Befragten an, dass sie sich aktiv in das Digitalisierungsgeschehen an ihrem Arbeitsplatz einbringen können. 36 % der Befragten sehen hingegen eher wenig bis gar keine solcher Möglichkeiten. Auffällig ist, dass Befragte aus den Feldern Verwaltung und Management hierbei signifikant häufiger angeben, Mitgestaltungsmöglichkeiten zu haben, als beispielsweise Befragte aus der Kinder- und Jugendhilfe, den Hilfen für erwachsene Menschen mit speziellen Bedarfen sowie der Förderung von Bildung und Teilhabe von erwachsenen Menschen. Ganz besonders deutlich zeigen sich Unterschiede zwischen den beruflichen Positionen. Während von den befragten Fachkräften 56 % angeben, wenn überhaupt, dann nur sehr geringe Möglichkeiten zur Mitgestaltung zu haben, sind dies bei den Führungskräften nur 5 %. (Abb. 4).

Abb. 4
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Möglichkeiten der Mitgestaltung?

Fazit und Ausblick

Die hier vorgestellte Auswahl an Ergebnissen der ersten Erhebungsphase der DIGITASA-Befragung gibt Kutscher et al., die vor Beginn der pandemiebedingten Einschränkungen festhalten, dass die „Unausweichlichkeit des technischen Fortschritts“ in der Sozialen Arbeit (auch) eine Handlungsdruck erzeugende Behauptung ist, mindestens teilweise recht (Kutscher et al. 2020, S. 9). Die von uns befragten Fachkräfte betonen die wachsende Bedeutung digitaler Prozesse explizit, allerdings ist dies auch von Skepsis begleitet. Dabei bestätigt sich, dass mangelnde Kompetenzen im Umgang mit diversen digitalen Tools und Formaten für die Sozialarbeitenden selbst nicht im Zentrum stehen (vgl. Beloch 2022, der zu einem ähnlichen Befund gelangt). Die Einrichtungen der Sozialen Arbeit sind vielmehr mit den Schwierigkeiten der Bereitstellung einer Infrastruktur befasst, als dass sich eklatante Lücken zwischen vorhandenen digitalen Möglichkeiten und Kompetenzen ihrer professionellen Nutzung und Anwendung zeigen. Aus Perspektive der Fach- und Führungskräfte erweist sich auch das Thema Datenschutz als deutlich weniger problematisch, als wir antizipiert hatten. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass die konstatierte Sicherheit im Umgang mit personenbezogenen Daten im Kontrast steht zum sehr häufigen Einsatz privater Hardware sowie zur weithin durchgesetzten Nutzung von kommerziellen Messengerdiensten.

Ein besonders relevantes Ergebnis ist, dass sich in der Auswertung der 488 Fragebögen sowie der Freitextantworten zeigt, dass die maßgeblichen Differenzen im Erleben, in der Bewertung von Chancen und Risiken und in der Wahrnehmung von Möglichkeiten der Mitgestaltung und Einflussnahme, nicht entlang des Geschlechts, des Alters oder des konkreten Arbeitsfelds, sondern entlang der beruflichen Position verlaufen. Während Führungskräfte eher die Möglichkeiten der Arbeitserleichterung und der Effektivitätssteigerung im Träger und im Team fokussieren, sich dabei als aktiv mitgestaltend begreifen und externe Vorgaben und Erwartungen eher im gesamtgesellschaftlichen Wandel verorten, äußern sich Fachkräfte skeptischer. Sie erleben deutlich mehr Fremdbestimmtheit und äußern darüber hinaus in Freitextantworten die Sorge vor einer De-Professionalisierung, insbesondere auch bedingt durch abnehmende Zeit und Möglichkeit für die direkte, nicht digital vermittelte Hilfe. Der Topos der „Ersetzbarkeit“, nach dem im Fragebogen nicht explizit gefragt wurde, taucht in den Freitextantworten von Fachkräften auffällig häufig auf und ist für diejenigen, die direkten Kontakt mit Klient_innen haben, von hoher Relevanz.

Gerade dieses Thema könnte, verbunden mit dem Versprechen der Entlastung, im Zuge der Diskussion um den Fachkräftemangel zukünftig eine größere Bedeutung bekommen. Die nächste Befragung fokussiert daher u. a. Fragestellungen, die sich aus den Antworten dieser ersten Erhebungsphase ergeben haben. Neben den relevanten Unterschieden in der beruflichen Position und den damit verbundenen unterschiedlichen Einschätzungen wird ein Schwerpunkt auf den verschiedenen Zwecksetzungen der eingesetzten digitalen Tools und Formate liegen. Der Topos der Ersetzbarkeit, der in den Freitextantworten aufkam, wird dabei genauer beleuchtet werden.