Diverse ethnische Herkunft und Hautfarbe als Vielfaltsmerkmale bei Kindern gehören in Kitas zum Alltag. Bei pädagogischen Fachkräften gibt es allerdings oft noch große Unsicherheit, wie sie Vielfalt thematisieren sollen und sie schrecken sogar oft davor zurück, das Thema anzusprechen. Warum das problematisch ist und wie man entgegensteuern kann, zeigen wir anhand von ersten Zwischenergebnissen des Modellprojekts „Vielfalt vor Ort begegnen“ auf.

Das Modellprojekt, das in den Jahren 2021 bis 2023 im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport durchgeführt wird, basiert auf der anwendungsbezogenen Forschung zu diversitätssensibler Pädagogik und Praxis in 82 Thüringer Kindertageseinrichtungen. Die Fachhochschule Erfurt stellt dabei die wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts und hat in enger Zusammenarbeit mit den Pädagog_innen der beteiligten Einrichtungen durch qualitative und quantitative Erhebungen die Situation und Bedarfe in den Kitas ermittelt. Auf dieser Basis wurden anschließend Weiterbildungsmodule für die pädagogischen Fachkräfte entwickelt und durchgeführt. Die in diesem Beitrag zitierten Aussagen entstammen den Transkripten der geführten Gruppendiskussionen, die bisher im ersten Schritt der dokumentarischen Methode gesichtet und formulierend interpretiert wurden. Eine systematische Aufarbeitung des Materials ist daher noch nicht gegeben.

Rassismus als unsagbares Thema

„Das Zusammenleben und der Alltag in Kindertageseinrichtungen sind ein Spiegel der Gesellschaft und damit in gleicher Weise von Diversität und Heterogenität geprägt“ (Lochner et al. 2022, S. 2). Wenn wir davon ausgehen, dass die Kita als Ort des Aufwachsens von Kindern ein Spiegel unserer Gesellschaft ist, dann ist auch zu erwarten, dass Differenzen bezogen auf ethnische Herkunft, Religion und Hautfarbe und damit einhergehende Rassismuserfahrungen in der Kita existieren und reproduziert werden.

Wir verstehen Rassismus als eine Ideologie, die auf Rassekonstruktionen basiert und Ungleichbehandlung und ungerechte Machtverhältnisse legitimiert und stabilisiert. Dabei werden Menschen einer konstruierten Gruppe zugeordnet, der stereotype Eigenschaften zugeschrieben werden. Rassismus ist sowohl strukturell in der Gesellschaft und in Institutionen als auch in individuellen Diskursen und Handlungsweisen verankert und äußert sich in der ungleichen Verteilung von Privilegien, Ressourcen und Macht. Dadurch führt Rassismus zum Ausschluss und der Diskriminierung betroffener Menschen (Mecheril und Melter 2011, S. 16). In Anlehnung an Tupoka Ogette möchten wir noch hinzufügen, dass Rassismus nicht immer intendiert und böswillig sein muss, sondern es auf die Wirkung ankommt, die damit erzielt wird (Ogette 2022, S. 63 f.).

Im Rahmen der qualitativen Forschung des Modellprojekts wurden zum inhaltlichen Einstieg mit den Fachkräften Gruppendiskussionen zum pädagogischen Umgang mit Vielfaltsaspekten durchgeführt. Eine der zentralen Fragestellungen, die sich dabei zeigten, dreht sich um die Sagbarkeit und Nicht-Sagbarkeit von Schwierigkeiten in der pädagogischen Interaktion. Besonders deutlich wurden diese Schwierigkeiten anhand der Vielfaltskategorien ethnische Herkunft und Hautfarbe. In der Sichtung des aus den Gruppendiskussionen gewonnenen Materials fiel auf, dass eine bestimmte Aussage sinngemäß mehrfach formuliert wurde:

„Ja, wir haben auch gerade noch mal darüber gesprochen, uns/Also, mir selber ist (im) Kita-Alltag überhaupt (…) NIE eine Situation passiert, dass ein Kind wegen seiner HAUTFARBE, oder irgend/IRGENDWAS anderem bloßgestellt wurde. (.) Ähm, unsere Kinder gehen super entspannt mit den (.) anderen Kindern um, die halt jetzt ’ne andere Hautfarbe, andere Kleidung, was weiß ich haben. (.) Für die ist das alles TOTAL norMAL. (.) Und, ähm, wenn wir das als Erzieher dann nicht HINEINprojizieren, ja, dann kommen die Kinder ~wahrscheinlich~ auch gar nicht auf die Idee, dass da irgendwas ist. Weil, für die ist es ja normal.“ (GD 6, Z. 230–238)

Diese Aussage beinhaltet mehrere zugrundeliegende Annahmen. Die Fachkräfte gehen davon aus, dass Kinder keine Unterschiede wahrnehmen und diese dementsprechend auch nicht zum Problem machen, denn für sie „ist das alles total normal“. Das Kindbild der Fachkräfte basiert auf der Annahme, dass Kinder (vermeintlich) vorurteilsfrei wären. Die zweite Annahme, die in der zitierten Äußerung enthalten ist, geht davon aus, dass Erwachsene – und in diesem Kontext besonders die pädagogischen Fachkräfte – Differenz erst einbringen, indem sie über Vielfalt mit den Kindern sprechen. Die Vorannahme dahinter ist, dass Fachkräfte im Gegensatz zu Kindern bereits rassistische Wissensbestände in ihrem Repertoire haben und in die Kinder durch Thematisierung „hineinprojizieren“. Rassistische Wissensbestände sind (implizites) Wissen und Erfahrungen, die aus in der Gesellschaft verankerten Stereotypen entstehen und gemacht werden (Terkessidis 2004, S. 10). Sie können im eigenen privaten Kontext, in Bildungseinrichtungen, durch die stereotypen Darstellungen von BIPoC (Black Indigenous People of Colour)Footnote 1 in Medien, Filmen und Kinderbüchern sowie durch einseitige Spielmaterialien erworben worden sein.

Da es für die Fachkräfte somit eine große Schwierigkeit darstellt, in ihrem Kita-Alltag über Hautfarbe und ethnische Herkunft zu sprechen, wird auch Rassismus zum unsagbaren Problem. Für die Fachkräfte ergibt sich daraus die Herausforderung, ob und wie sie Diversität im Kita-Alltag mit den Kindern thematisieren können, ohne damit Prozesse von VerAnderung (Othering) und somit Ausgrenzung zu verstärken.

Diversity-Kompetenzen und Privilegien

Dass die Interaktion mit Kindern diverser ethnischer Herkunft und Hautfarbe für die Fachkräfte eine alltägliche Normalität ist, konnte in einer quantitativen Erstbefragung unseres Modellprojekts im Jahr 2021, an der die Fachkräfte der Kitas teilnahmen, festgestellt werden. Etwa 70 % der Pädagog_innen (n = 257) gaben an, dass sie eine hohe Heterogenität in Bezug auf ethnische Herkunft und Hautfarbe wahrnehmen und über 83 % der Befragten sagten, dass sie Kinder mit unterschiedlichen Hautfarben betreuen. Die Fachkräfte gaben zudem an, dass sie in ihren Einrichtungen sowohl Kinder aus Familien deutscher Herkunft wie auch Kinder aus Familien mit Fluchterfahrung und/oder Familien mit Migrationshintergrund betreuen.

In der Umfrage wurde dabei nicht nach den objektiven Daten zur Gruppenzusammensetzung gefragt, sondern die Wahrnehmung der Pädagog_innen von unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Hautfarbe als relevante Größe genutzt. Das deutet daraufhin, dass die befragten Fachkräfte nicht nur jeden Tag mit Kindern unterschiedlicher ethnischer Herkunft und/oder Hautfarbe interagieren, sondern diese Unterschiede auch aktiv wahrnehmen. Eine weitere Erkenntnis der Erstbefragung ist, dass sich 75 % der Fachkräfte als kompetent im Umgang mit Kindern unterschiedlicher Hautfarbe wahrnehmen und über 87 % der Fachkräfte keine Anspannung in Bezug auf Kinder mit unterschiedlicher Hautfarbe empfinden.

Natürlich ist denkbar, dass die als hoch wahrgenommene Selbstkompetenz der Fachkräfte im Umgang mit ethnischer Diversität auf einer reflexiven Auseinandersetzung mit dem Thema basiert und dazu führt, dass sie sich sicher in der Interaktion mit Kindern fühlen, die eine andere ethnische Herkunft und/oder Hautfarbe haben, und daher keine Anspannung empfinden. In den Gruppendiskussionen, die im Frühjahr 2021 mit den Projektteilnehmenden geführt wurden, deutet sich diesbezüglich aber ein gewisser Widerspruch an: Äußerungen zu Hautfarbe und ethnischer Herkunft gingen auffallend häufig mit Pausen, besonderen Betonungen, umschreibenden Begriffen oder der Verwendung von Füllwörtern einher. In der folgenden Aussage kam dies besonders deutlich zum Ausdruck:

„Und also wir haben auch, also wir haben nicht äh, momentan nicht viele, äh äh ausländische Kinder äh, aber die, die wir haben momentan, die sind/die ähm leben aber auch im Heim. (.) Die sprechen Deutsch äh so gut wie jedes andere deutsche Kind und die die fühlen sich auch nicht anders, auch wenn sie die Haut(.)farbe dunkler ist und so was und da kommt die Fragen gar nicht auf.“ (GD 1, Z. 102–107)

An anderen Stellen wurde infrage gestellt, ob Rassismuserfahrungen in der Kita überhaupt vorkommen. Eine beispielhafte Aussage dazu war:

„Wenn man WÜSSTE, ähm, das Kind wurde vielleicht schon mal DISKRIMINIERT, oder, ähm, auf die HAUTFARBE angesprochen, JA, dann kann man das NATÜRLICH zum Thema machen, auch in der Gruppe.“ (GD 5, Z. 386–390)

Hier deutet sich an, dass die gefühlte Sicherheit auch in einer Nicht-Beschäftigung mit dem Thema begründet sein könnte. In einer Gruppendiskussion kommt diese Problematik dann auch deutlich in der folgenden Aussage zur Sprache:

„Also das höre ich ganz oft, auch in der Praxis: ‚Na Mensch, das war für mich noch kein Problem oder für mich noch nie Thema‘. Und ich finde, genau DAS ist ja das Problem. Weil gerade WEIL es für mich noch kein Problem war, entsteht ja ein Privileg meinerseits. Und ich finde, genau darum geht es ja, das aufzumachen. Also vorurteilsbewusst zu denken, zu handeln. Warum bin ich denn in meiner Rolle so wie ich bin und warum geht es mir vermeintlich besser oder privilegierter als anderen? Und das merke ich immer, dass das oft im Kita Alltag einfach untergeht.“Footnote 2 (GD 13, Z. 392–399)

Der/die Sprecher_in nimmt Bezug darauf, wie die „Rolle“ der Fachkräfte, die „vermeintlich besser oder privilegierter“ sind, die Wahrnehmung von Problemen und Schwierigkeiten beeinflusst. Auch hier wird deutlich, dass die Arbeit an der eigenen Biographie und Reflexion der eigenen gesellschaftlichen Position in Bezug auf die jeweilige Vielfaltskategorie ein wesentlicher Bestandteil einer diversitätssensiblen, vorurteilsbewussten Pädagogik ist. Denn gerade „weil es für [viele Fachkräfte] noch kein Problem war“, ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, welche Probleme sich für Kinder diverser ethnischer Herkunft und Hautfarbe ergeben, um es zu verstehen und angemessen darauf eingehen zu können. Rassismuserfahrungen von Kindern, Eltern und Kolleg_innen zu negieren, ist ein wesentliches Privileg weißer Menschen, die entscheiden können, ob sie sich mit Rassismus beschäftigen wollen oder nicht (Ogette 2021, S. 69).

Dethematisierung von ethnischer Herkunft und Hautfarbe

Auf Basis der Gruppendiskussionen lässt sich festhalten, dass der offene und vorurteilsbewusste Austausch über ethnische Herkunft und Hautfarbe eine besondere Herausforderung für Pädagog_innen darstellt. Hierbei könnte die Gefahr, ungewollt durch Wissenslücken oder fehlende Sensibilisierung Ausgrenzungen zu (re-)produzieren, ein entscheidender Faktor für die Fachkräfte sein, einen rassismuskritischen Dialog zu vermeiden. Wenn ethnische Herkunft und Hautfarbe als pädagogische Themen kategorisch ausgespart werden, dann besteht auch nicht die Gefahr, im Besprechen in Unsicherheit und Bedrängnis zu geraten – worunter Kinder mit diversen ethnischen Herkünften und Hautfarben in der Konsequenz jedoch oft leiden müssen, weil ihre Ausgrenzung durch Fachkräfte nicht angemessen wahrgenommen und bearbeitet wird (Bundschuh und Müller 2019, S. 94–95; Aikins et al. 2021, S. 176).

Diese Praxis der Nicht-Behandlung von Themen nennt man Dethematisierung. Melter (2021) trifft hierzu die Unterscheidung in rassismusUNkritische, nicht-rassismuskritische und rassismuskritische Praktiken und Perspektiven. Dethematisierung, also das Nicht-Sprechen über ethnische Herkunft und Hautfarbe, lässt sich als nicht-rassismuskritische Praktik einordnen, durch die sich nicht positioniert werden muss. Diese Dethematisierung von ethnischer Herkunft und Hautfarbe in Deutschland entspringt laut Mecheril und Melter (2011) einer gewachsenen Kultur der Rechtfertigung unserer Kolonialgeschichte, die immer noch schwerwiegende Nachwirkungen auf die Gesellschaft hat. Im Nachgang des Nationalsozialismus wurde Rassismus als unmoralisch und das wahre Böse deklariert und daraufhin als Thema bis Anfang der 1990er-Jahre konsequent als Tabu ausgespart (Mecheril und Melter 2011, S. 13). Weil ethnische Herkunft und Hautfarbe Vielfaltsmerkmale sind, die potenziell im Zusammenhang mit Rassismus stehen können, wurden auch diese dethematisiert, um nicht mehr in die Lage kommen zu müssen, darüber zu sprechen.

Die Praktik der Dethematisierung war auch in den Gruppendiskussionen unter den Fachkräften zu beobachten, wie die gezeigten Auszüge gut veranschaulichen. Mehrfach wurde betont, dass Unterschiede in Hautfarbe und ethnischer Herkunft in der Kita keine Rolle spielen und gar nicht mehr wahrgenommen werden. Obwohl dahinter oft die gute Intention steht, Kinder nicht verAndern zu wollen, ergibt sich daraus doch die Problematik, dass diesen Kindern suggeriert wird, Fachkräfte sähen keine Hautfarben oder nähmen Unterschiede überhaupt nicht wahr. Diese Praktik wird als farbignoranter Rassismus bezeichnet, da hier von dem Privileg Gebrauch gemacht wird, gesellschaftlich gemachte Unterschiede nicht wahrnehmen zu müssen (Ogette 2022, S. 140). Dass dies jedoch nicht der Fall ist, zeigt sich an jenen dargestellten Stellen im Material, an denen die Pädagog_innen mit Worten ringen, wenn es um den Umgang mit ethnischer Differenz geht oder um Erfahrungen mit Situationen, in denen die Hautfarbe im Kita-Alltag zum Gegenstand von Besonderung und Ausgrenzung wurde. So stellt auch Wagner fest, dass Unterscheidungen im Verhalten und im Umgang mit Kindern unterschiedlicher Hautfarbe – auch bereits von Kindern ab drei Jahren – wahrgenommen und gemacht werden (Wagner 2017, S. 89).

Perspektivwechsel

Dass Rassismus in Deutschland nicht nur ein Thema ist, das sich in extremen rassistischen Straftaten äußert oder in die Geschichtsbücher zur Aufarbeitung der koloniaIen Vergangenheit gehört, zeigt sich auch in den folgenden Zahlen und bestätigt: Rassismus ist in der Postmigrationsgesellschaft allgegenwärtig und hochaktuell. Im Rahmen einer Onlinebefragung des in Deutschland neu eingeführten Afrozensus (2020) wurden erstmalig repräsentative Daten unter Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen (n = 5973) erhoben (www.afrozensus.de). Dabei gaben 78 % der Befragten an, dass sie fremdverortet werden, indem ihnen gesagt wird: „Geh dahin zurück, wo du herkommst“ (Aikins et al. 2021, S. 213). Über 90 % der Befragten stimmten zu, dass sie Othering und Exotisierung erlebt haben, indem ihnen ungefragt in die Haare gefasst wurde (Aikins et al. 2021, S. 214). Über 70 % der Afrozensus-Befragten stimmten dem Satz zu: „Ich werde für die Service- oder Reinigungskraft gehalten“ (Aikins et al. 2021, S. 219), und über die Hälfte der Befragten gab an, dass ihnen in der Schule von einem höheren Ausbildungsweg abgeraten werde und sie lieber eine Ausbildung machen sollten (Aikins et al. 2021, S. 180).

Bezogen auf den Kita-Bereich fasst es ein Zitat der deutschen Antirassismus-Trainerin Tupoka Ogette und Mutter zweier Schwarzer Kinder sehr treffend zusammen:

„Gebe ich mein Kind nun in deine Kita (…) und du sagst mir, ‚Ich behandle alle Kinder gleich, ich mache da keine Unterschiede, mir ist nämlich ganz egal, ob …‘, dann kann es gut sein, dass du eine sehr nette Person bist. Sehr wahrscheinlich sogar. Auch deine Intention kann eine gute sein. Aber ich habe Sorgen. Ich weiß nicht, ob du weißt, dass mein Kind in deiner Institution tagtäglich andere Erfahrungen machen wird als ein weißes Kind. (…) Wirst Du hören, wenn etwas Rassistisches zu meinem Kind gesagt wird? Wirst Du es schützen? Wirst du es wieder aufbauen? Wirst Du mich informieren? All das weiß ich nicht, wenn du mir sagst, du siehst gar nicht, dass mein Kind Schwarz ist.“ (Ogette 2022, S. 142)

Ogette weist darauf hin, dass es keine Lösung darstellen kann, ethnische Herkunft und Hautfarbe als Vielfaltskategorien zu negieren, sondern es wichtig für Fachkräfte ist, sich aktiv mit Rassismuskritik auseinanderzusetzen, auch wenn es Unsicherheit generiert. Denn genau dieser Augenblick der Irritation und Unsicherheit ist wichtig, damit wirkliche Begegnung und Veränderung stattfinden können.

Räume für einen rassismuskritischen Dialog im Kita-Alltag schaffen

Für einen rassismuskritischen Prozess auf institutioneller und individueller Ebene ist es zunächst wesentlich, sich aktiv für einen offensiven Umgang zu entscheiden. Hierfür ist es notwendig, dass sich Träger, Leitung und pädagogische Fachkräfte sowohl professionell als auch persönlich auf den Weg machen, um sich mit rassistischen Wissensbeständen in der eigenen Sozialisation, in Organisationsstrukturen sowie in der täglichen Praxis auseinanderzusetzen. Am Anfang dieses Prozesses steht auch das Bewusstwerden von eigenen verinnerlichten Stereotypen und Vorurteilen. Zur Unterstützung dieser Reflexions- und Organisationsentwicklungsprozesse kann es hilfreich sein, sich mittels Inhouse-Schulungen oder projektbezogenen Weiterbildungen wie beispielsweise durch das Anti Bias Netzwerk, das Institut für den Situationsansatz oder andere lokale Kooperationspartner der rassismuskritischen Bildungsarbeit wichtige Impulse und Anregungen zu holen. Für die Reflexion des Kita-Alltags liefert auch der Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung einen guten methodischen Rahmen (Wagner 2017).

Das 2021 erschienene Buch „Gib mir mal die Hautfarbe“ von Olaolu Fajembola und Tebogo Nimendé-Dundadengar beispielsweise enthält zudem viele wichtige Denkanstöße, Tipps und praktische Checklisten für eine rassismuskritische Lern- und Spielumgebung, von der alle profitieren können (Fajembola und Nimendé-Dundadengar 2021). So können Pädagog_innen lernen, jeden Tag einen Beitrag dazu zu leisten, Kinder in ihrer Identität zu stärken und vor Rassismuserfahrungen zu schützen. Wichtig ist auch, die eigenen Ressourcen in den Einrichtungen zu nutzen und beispielsweise Räume zu schaffen, in denen Kinder ihre Erfahrungen und Ängste zum Ausdruck bringen und ein empowerndes Feedback von den Pädagog_innen bekommen können (Apraku 2021, S. 40 ff).

Auch ein gutes Beschwerdemanagement und offene Gesprächsräume für die von Rassismus betroffenen Familien und Kolleg_innen einzurichten sind wesentliche Schritte. Diese Begegnungsorte können je nach den Gegebenheiten und Bedarfen der Einrichtungen sehr unterschiedlich gestaltet sein, helfen aber sowohl den Pädagog_innen als auch den Familien zu einem offenen und fehlerfreundlichen Umgang miteinander.

So haben in unserem Projekt einige Steuerungsteams (Projektverantwortliche innerhalb der Kindertageseinrichtungen) die Zeit und Mittel genutzt, um beispielsweise ein Familiencafé oder einen gemeinsamen Garten zu gestalten. Andere haben ihren Fundus an diversen Spielmaterialien und Büchern erweitert, um BIPoC mehr zu repräsentieren und Anlässe für gemeinsame Projekte und offenen Dialog zu schaffen. Obwohl diese Begegnungsräume nur ein Anfang für die rassismuskritische Reise sind, die ein Leben lang geht, geben sie den Beteiligten doch Gelegenheit, sich mit schwierigen Thematiken gemeinsam auseinanderzusetzen. Sie unterstützen dadurch Fachkräfte dabei, in den Interaktionen auf Kinder unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Hautfarbe besser eingehen zu können.

Abschließend lässt sich festhalten: Es gibt nicht den einen richtigen Weg oder das Patentrezept gegen Rassismus im Kita-Alltag, sondern nur einen gemeinsamen offenen Lernprozess, um Rassismus wieder zu verlernen und damit für alle neue Perspektiven zu eröffnen.