„Haltung zeigen!“ – das wird auch im Kontext menschenverachtender und diskriminierender Äußerungen in der Sozialen Arbeit gefordert. Doch was ist eigentlich Haltung? Eine Praxisforschung aus dem Bereich der Beratung gegen rechte Gewalt und Diskriminierung ging dieser Frage nach. Dieser Beitrag gibt einen kleinen Ausschnitt wieder.

Rechtspopulistische Stimmungen, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung – Sozialarbeitende sind in ihren Arbeitsbereichen mit der Frage konfrontiert: Was sagen, wie reagieren? „Man müsste Haltung zeigen“, sagen einige. Doch was ist eigentlich Haltung, was braucht es dafür und wo kann sie erlernt lernen? Diesen Fragen ging das Demokratiezentrum Hessen im Rahmen einer Praxisforschung und zwölf qualitativen Interviews mit Sozialarbeiter_innen und Lehrer_innen nach.Footnote 1 Dieser Beitrag gibt einen kleinen Ausschnitt aus den Ergebnissen wieder und möchte zum Nachdenken anregen – darüber, wie sich Haltung in den Interviews der Forschung darstellt, was Haltung bedeutet, sowie hinsichtlich der (Her-)ausbildung von Haltung im Studium der Sozialen Arbeit. Letztlich kann die Frage aufgeworfen werden, ob nicht eine Diskussion um Wissen und Kompetenz im Umgang mit Diskriminierung viel eher in den Fokus der Aufmerksamkeit und damit der Ausbildung von Sozialarbeitenden rücken sollte.

Die „Haltung“ von Sozialarbeitenden wird als unverzichtbarer Bestandteil von professionellem Handeln beschrieben (vgl. von Spiegel 2018). Theoretisch und empirisch ist der Begriff der Haltung tatsächlich jedoch kaum definiert. Haltung ist eher als ein Containerbegriff zu betrachten, der, je nach Perspektive, unterschiedlich gefüllt werden kann. Der aktuelle online-Duden beschreibt Haltung als eine „innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“. Diese Definition konterkarieren die Schulpädagoginnen Fiegert und Solzbacher bereits im Jahr 2014 zu Recht: Haltung wird so weiterhin „unverbindlich und weit“ als eine Art „Verhaltenskonstellation“ bezeichnet (2014, S. 25).

Haltung wird sichtbar durch Handlung

In den Interviews wurden die Fachkräfte, sofern sie es nicht von sich aus schilderten, gefragt, woran man nun ihre Haltung zum Thema Diskriminierung und Rechtsextremismus erkennen könne – sie nannten allesamt: Handlungen. Aus seiner Wahrnehmung, am Beispiel eines Sozialarbeiters, dass es marginalisierte Gruppen gibt, folge eine Handlung, nämlich sich für diese marginalisierten Gruppen und gegen die Anfeindungen einzusetzen (3/SoA/55). Eine andere Person macht deutlich, dass ihre Haltung sich im Sprachgebrauch ausdrücke, der „nie“ abwertend sein dürfe (4/SoA/55). Eine weitere Sozialarbeiterin schildert, dass man ihre Haltung „spätestens in dem Moment, wenn jemand Aussagen trifft oder jemanden angreift auf Grund von rassistischen oder sexistischen Ressentiments“ (7/SoA/39) bemerken würde – daran nämlich, dass sie etwas dagegen sagen würde. Eine Haltung bedeutet, solche Aussagen „zum Thema zu machen“ (2/Lb/74). Insgesamt zeigt sich Haltung – so die befragten Fachkräfte – also daran, „einzuschreiten“, in Situationen, wo diskriminierende Äußerungen gemacht werden, wo Menschen abgewertet werden. „Einschreiten“ bedeutet, Aussagen anzusprechen und darauf zu reagieren:

„Eine Haltung ist, dass man auf solche Dinge reagiert. […], dass, wenn irgendwelche Vorkommnisse sind, […] dass wir da als Lehrer ganz klar Haltung oder Flagge zeigen. Also ganz klar sagen: ‚Das ist hier eine Grenze, die überschritten wird, das wollen wir hier nicht.‘“ (2/Lc/53).

Wo lernt man Haltung bzw. die genannten Handlungen?

Haltung zeigen, das wird in diesen Beispielen beschrieben als die Fähigkeit, Diskriminierung und Menschenverachtung überhaupt als solche wahrzunehmen und einzuordnen. Haltung – als Respekt gegenüber anderen Menschen, auf der Basis einer Orientierung an Menschenrechten und Menschenwürde und Haltung – als ein „Einschreiten“, wenn diese Rechte verletzt werden, ebenso wie sich selbst als Vertreter_in dieser Perspektive zu zeigen und mit dieser Position sichtbar zu werden. Doch wo bildet sich eine solche Haltung heraus? Ist sie lernbar bzw. lehrbar? Wurde sie im Rahmen einer Ausbildung bzw. Studium erworben? Interessant ist zunächst ein Blick darauf, wo sie sich laut den hier interviewten Personen offenbar nicht bildet:

„So wie ich Lehrerausbildung in meinem Studium mitbekommen habe, da gab es genau eine Vorlesung und genau ein Seminar in Bereich Pädagogik. Der Rest war alles fachlich und fachdidaktisch. Da geht es einfach nicht um so was. Da kommen solche Themen nicht zur Sprache. Es geht nicht darum: ‚Wie nehme ich Haltung ein in so einem Fall? Was sind denn aktuelle Themen, die Schülerschaft herumtreiben?‘ Klar ist das ein sehr weites Feld. Da gehört stellenweise auch viel popkulturelles Wissen dazu. Da gehört glaube ich auch viel politisches Wissen dazu. Da gehört auch politisches Wissen dazu, im Sinne von ‚Was passiert denn außerhalb der Mainstream-Politik – also in gewissen Szenen: Wer ist denn die Identitäre Bewegung? Was wollen die? Wo sind die vertreten? Was machen die für Aktionen?‘ Ich glaube, so was muss man zumindest oberflächlich schon mal gehört haben. In der Ausbildung fehlt das, so wie ich das kenne“ (3/SoA/77).

Im Studium der befragten Fachkräfte für Soziale Arbeit scheint weder eine Auseinandersetzung mit Haltung noch mit Handlungsstrategien für den Umgang mit Diskriminierung vorzukommen:

„Wir hatten ein Modul, nein, zwei Module, wo es um Flucht und Migration und sowas ging, aber über Diskriminierung hat man da auch nicht gesprochen, das wird irgendwie totgeschwiegen. Das gibt’s ja nicht. Man hört tatsächlich häufiger dieses: ‚Ist ja nicht so schlimm.‘ Oder: ‚Man soll sich nicht so anstellen.‘ Aber wenn sowas kommt, da antworte ich dann: ‚Nein, das ist einfach falsch, das kommt drauf an, wie die Person, die es hört das wahrnimmt und nicht wie du das jetzt, selbst wenn du das nicht so meinst, gesagt hast‘“ (7/SoA/58).

Wenn es um die Frage nach der Herausbildung der Haltung geht, werden vielmehr Erfahrungen aus der eigenen Lebensgeschichte außerhalb von fachlicher Ausbildung thematisiert und betont. Oft sind es persönliche Erfahrungen, meist im Rahmen der eigenen Schullaufbahn, in Jugendräumen oder im Freundeskreis außerhalb der Schule. Es sind Erfahrungen, bei denen die Interviewten Zeug_innen von Diskriminierung und Menschenverachtung waren, die Freund_innen von ihnen erleben mussten, oder Situationen, in denen sie erlebt haben, wie andere Menschen sich gegen Menschenverachtung und Diskriminierung aussprachen.

Ein Sozialarbeiter berichtet von seinen Erfahrungen im Kindergarten:

„Ich glaube, das ist schon echt alt. Ich erinnere mich an eine Situation in der ersten Schulklasse, also ich war vorher in einem internationalen Kindergarten […], offensichtlich wurde uns beigebracht, dass man niemanden alleine lässt, vielleicht ein Grundverständnis von Solidarität irgendwie. Und dann kam ich in die erste Klasse. Und da wurde ein Schüler vor die Klassentür gesetzt und ich habe mich gemeldet und habe gesagt: ‚Ich möchte da jetzt auch mit raus!‘ Und bin dann mit diesem anderen Jungen vor die Tür gegangen. Ich hatte überhaupt gar keine Beziehung zu ihm, aber offensichtlich wurde mir das im Kindergarten mitgegeben, dass man das nicht macht, einzelne auszuschließen“ (5/SoA/25).

Ein anderer Sozialarbeiter berichtet von seiner Erfahrung in der eigenen Schulzeit, wo sich seine Schule deutlich gegen Rechtsextremismus positioniert hatte:

„Schule hat bei mir einen ganz großen Teil dazu beigetragen, weil die Schule, auf der ich war, im Umland gab es Nazis […] ich kann mich noch genau daran erinnern, wir hatten einen Schüler, der war ein oder zwei Jahrgänge über mir, der ganz eindeutig mit entsprechenden Personen in Kontakt stand und da auch aktiv war und so. Die Schulleitung hat deutlich gemacht: ‚Du bist ein Schüler wie jeder andere, aber das, was du vertrittst, geht einfach nicht!‘ Und ich glaube echt, das war ein großer, großer Teil, der mich geprägt hat“ (3/SoA/61).

Wer ihm eine Handlungsweise im Umgang mit (hier: rassistischen) Äußerungen vermittelt habe, so erinnert sich ein weiterer Sozialarbeiter, sei ein älterer Kollege gewesen, ein Vorbild:

„Ich war auf einer Freizeit im vergangenen Jahr mit einem älteren Kollegen […], da habe ich das einmal mitbekommen, dass er sehr scharf und sehr direkt darauf reagiert hat, als Jugendliche sich solche ‚Memes‘ reingezogen haben, die rassistisch waren und diese dann in ihrer Sprache reproduziert haben. Er ist da sofort relativ klar rein gegangen. Er hat das zu einem Gruppenthema gemacht und hat das aufgeklärt und auch eine Linie gezogen, dass das nicht geht hier. Das war eine Situation, aus der ich ein Verständnis bekommen habe: ‚Ah, ja ok, da kann man rein gehen und es macht Sinn da zu intervenieren und da hellhörig zu sein.‘ Das war für mich so eine Lernsituation, die dazu geführt hat, dass ich dann wusste: ‚Ok, so kann ich das machen‘“ (5/SoA/23).

Einerseits wird deutlich, dass die „Arbeit an der Haltung“ offenbar in anderen Kontexten als der fachlichen Ausbildung passiert. Andererseits, dass innerhalb von Institutionen (Kindergarten, Schule, Jugendraum) prägende Erfahrungen gemacht werden. Da ist die Schulleitung, die sich deutlich gegen Rechtsextremismus ausspricht, da ist der Sozialarbeiter, der sieht, wie ein Kollege sich gegenüber Jugendlichen positioniert hat. Die hier beschriebenen Kinder und Jugendlichen befinden sich in einem institutionellen Kontext – der Schule oder einer Einrichtung der außerschulischen Jugendarbeit. Es sind sozialarbeiterische Fachkräfte in ihrer jeweiligen Rolle in den Institutionen, die eine Position gegen Menschenverachtung bezogen haben, die jeweils wegweisend für die (damaligen) Kinder und Jugendlichen waren.

Perspektiven auf den Begriff „Haltung“

Der Philosoph Thomas Wild (2016) machte sich die Mühe, den Begriff der Haltung in den Wörterbüchern und Lexika über die vergangenen Jahrhunderte nachzuverfolgen. Interessante Entdeckungen dabei: Im Etymologischen Wörterbuch findet sich weder in früheren noch in aktuellen Auflagen ein Eintrag zu Haltung. Das Etymologische Wörterbuch des Deutschen führt unter Haltung immerhin auf: „Körperhaltung, Pose, innere Einstellung, Beherrschtheit“ (nach Wild 2016, S. 91). Im Universal Lexicon, geführt ab 1774, gibt es keinen eigenen Eintrag zu Haltung. Unter dem Begriff Adelung findet sich jedoch: „Haltung als Handlung des Haltens, als die Festigkeit eines Dings, und als die Halterung im Sinne von Aufhängung eines Gegenstands“ (ebd., S. 92).

Interessant ist, dass damit der Begriff bis zum Ende des 18. Jahrhunderts offenbar nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch gezählt hat. 1860 wird im Wörterbuch der Deutschen Sprache zwischen einer körperlichen und einer geistigen Haltung unterschieden, wobei die geistige Haltung als „sittliche Haltung“ im Sinne von Moral beschrieben wird (ebd.). Bis Mitte des 19. Jahrhunderts verzeichnen die großen Lexika wie Brockhaus unter Haltung eine „Strecke zwischen zwei Staustufen“ (ebd., S. 93). Wikipedia, die digitale Variante der ehemals dicken Wörterbücher, verweist 2020 statt einer Definition auf eine Vielzahl von Begriffen wie Grundhaltung oder Denkweise einer Person, Einstellung, Tierhaltung, Körperhaltung, Haltung als Abschnitt zwischen zwei Kanalschächten in der Kanalisation sowie Zurückhaltung von WasserFootnote 2.

Weitere aufschlussreiche Perspektiven finden wir im Begriff der hexis/Haltung: Um von Haltung zu sprechen, so die aristotelische Sicht, reicht es nicht, ein einziges Mal ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Haltung zeichne sich als eine Geschichte wiederholter Handlungen ab. Haltung muss also als „werdend“ verstanden werden und entsprechend diesem Verständnis von hexis/Haltung muss in jeder Situation „die Entscheidung für eine bestimmte Handlung neu getroffen werden, so dass der Haltung ein aktiver, beweglicher, veränderbarer Status zukommt“ (Wild 2016, S. 95).

Haltung heißt auch sich zu zeigen und sich dazu entscheiden

Der Sozialarbeiter berichtet von einer Reaktion der Jugendlichen auf seine Intervention, in der er gezeigt hatte, dass er sich gegen Ausgrenzung positioniert und bei diskriminierendem Verhalten von Jugendlichen untereinander auch einschreitet (5/SoA/23). Haltung bedeutet „sichtbar werden“ mit einem Standpunkt und damit auch mit „sich selbst“. „Haltung zeigen“ kann also auch verstanden werden als „etwas von sich zu zeigen“. Und damit, so ließe sich vermuten, macht man sich potenziell angreifbar. Vielleicht liegt hier eine der Herausforderungen in der Diskussion um Haltung und der Frage, warum es so schwer erscheint, in manchen Situationen „Haltung zu zeigen“ (1/Lb/169). Es reicht nicht, davon zu sprechen oder zu denken, eine Haltung zu „haben“ – sie wird nur an einer Handlung sichtbar, und dafür muss sich immer wieder neu entschieden werden.

Das Thema Haltung in der Ausbildung von Fachkräften

Als Kompetenzen für die sozialarbeiterische Tätigkeit werden von Hiltrud von Spiegel (2018) drei Bereiche beschrieben:

  1. 1.

    Können (umfasst kommunikatives und methodisches Handeln),

  2. 2.

    Wissen (Beobachtungs- und Beschreibungswissen, Erklärungs- und Begründungswissen sowie Wertewissen) und

  3. 3.

    Berufliche Haltungen (womit sie eine „Orientierung an professionellen Wertestandards“, eine stetige reflexive Arbeit sowie einen „reflektierter Einsatz dieser Haltungen“ meint; ebd., S. 88f.).

Wo die Vermittlung von Wissen im Rahmen von Aus- und Fortbildung stattfinde, so von Spiegel, komme es zu der Entwicklung von Können vor allem durch die Verschränkung von Theorie und gelebter Praxis in der pädagogischen Arbeit. Haltung bilde sich, so von Spiegel, in Seminaren der Ausbildung sowie auch durch die Praxiserfahrung im Rahmen der beruflichen Laufbahn.

Es bleibt jedoch die Frage offen, wo und wie es nun eigentlich genau zu der Entwicklung einer Haltung (und: welcher Haltung?) in den Bildungskontexten für Fachkräfte der Sozialen Arbeit kommt. Haltung scheint sich eher implizit als explizit zu vermitteln. Doch jedes Handeln in der Sozialen Arbeit wird auch mit Verweis auf eine eigene Haltung legitimiert. Und Haltung wird dann gefordert, wenn sie (oder etwas) zu fehlen scheint – insbesondere vor dem Hintergrund eines zunehmenden Rechtspopulismus weltweit und menschenverachtenden Angriffen und Äußerungen.

Michael Winkler (o.J.) kritisiert die in vielen Studiengängen, u. a. für Soziale Arbeit, innewohnende Tendenz zur Individualisierung und den Versuch, Kompetenz anhand von vermeintlichen Persönlichkeitsmerkmalen messbar zu machen. Er äußert ein wachsendes Unbehagen darüber, dass (berufs-)ethische Fragen aufgrund eines zunehmend technisch ausgerichteten Studiums kaum noch diskutiert würden. Durch den Fokus auf dem Sammeln von Leistungspunkten im Studium und abprüfbarem Wissen komme es nur selten zu Diskussionen über Fragen von Gerechtigkeit, über Krisen und deren Handhabung oder zu einer Reflexion von Lebens- und Weltanschauungen der Fachkräfte. Winkler konstatiert: „Armut und Gerechtigkeit werden eher statistisch diskutiert, nicht aber in ihrer normativen Dimension“ (ebd., S. 4).

Wissen und Können: Um welche Fragen geht es?

Viele Sozialarbeitende, so auch die interviewten Personen, äußern Unsicherheiten bezüglich einer Intervention im Kontext von Diskriminierung und Rechtspopulismus: „Soll ich eingreifen?“ bzw. „Wie soll ich eingreifen?“ Die Schilderungen hinsichtlich ihrer eigenen Prägung aber legen ein „Ja“ deutlich nahe. „Ja, bitte etwas sagen“! Denn der Einsatz für Menschenrechte und gegen Ausgrenzung prägt die Kinder und Jugendlichen und ermutigt sie selbst, sich für diese Werte auszusprechen und sensibel zu werden. Andererseits wird an diesen Schilderungen auch ein Desiderat deutlich: dass die „Arbeit an der demokratischen Haltung“, die sich gegen Menschenverachtung, Ausgrenzung und Diskriminierung ausspricht, innerhalb der Erzieher_innen-Ausbildung bzw. des Studiums der Sozialen Arbeit oder der Pädagogik zu einem größeren Thema werden muss.

Wo Haltung mehrfach auch definiert wird als eine Wahrnehmungsweise, so kann angenommen werden, dass „Wissen“ hilft. Einige interviewte Personen beschrieben dies sehr deutlich: Notwendig sei es, Diskriminierung, Verachtung, Ausgrenzung, rechtspopulistische Aussagen bis hin zu verfassungsfeindlichen Aktivitäten überhaupt erkennen zu können (4/SoA/43). Es sei (auch) ein „Wissen“ über die Lebenswelt der Jugendlichen nötig – zum Thema Alltagsrassismus, zu Homofeindlichkeit, ein „popkulturelles Wissen und ein politisches Wissen“, z. B. verbunden mit der Frage, „Was passiert in gewissen Szenen: z. B. Wer ist die Identitäre Bewegung? Was wollen die? Wo sind die vertreten? Was machen die für Aktionen?“ (3/SoA/77).

Was als hilfreich erlebt wird, das sind Fortbildungen, d. h. die Aneignung von Wissen und eine Perspektiverweiterung zum Erkennen von diskriminierenden Situationen, um zu einer Beurteilung derselben und in der Folge zu einer Handlung zu kommen. Auch der themenbezogene Kontakt mit Kolleg_innen wird als unterstützend empfunden. Eine Schule gründet eine AG, um sich unter Kolleg_innen besser austauschen und nachhaltiger in diesem Themenbereich aufstellen zu können. Ein Träger aus der Sozialen Arbeit initiiert einen Leitbildprozess im Rahmen einer Teamklausur. Die Mitarbeiter_innen werden dadurch im Austausch gestärkt und können eine Rückendeckung hinsichtlich der Werte und der daraus folgenden Handlungsanleitungen des Trägers erfahren – mit dem Ziel, sich in der Praxis darauf berufen zu können.

Wo eine Auseinandersetzung um Haltung stärker in die Ausbildung von sozialarbeiterischen Fachkräften einfließt, muss die Frage nach der Handlung bei Diskriminierung nicht den jeweiligen persönlichen (Lebens‑)Erfahrungen einer Fachkraft überlassen werden. Es gilt dabei vor allem auch nach den Bedingungen zu fragen, die ein „Sich-Zeigen“ mit demokratischen Haltungen überhaupt erst ermöglichen. Mit einer Setzung dieser Themen im Studium sowie in der Erzieher_innen-Ausbildung, ebenso wie durch eindeutige Handlungsleitlinien eines Trägers in der Sozialen Arbeit, das zeigt die Praxisforschung deutlich, lassen sich dann auch die Fragen nach der „Grenze“ des Sagbaren, der Notwendigkeit einer Intervention und damit auch der Haltung, möglicherweise leichter klären. Es sind Arbeitsbedingungen, es sind Vorbilder, es sind Kolleg_innen sowie institutionelle Kontexte – sozialarbeiterische, haltungsbezogene Fähigkeiten beschränken sich nicht auf Persönlichkeitsmerkmale oder eigene biografische Erfahrungen. Das Wissen um Diskriminierung sowie zugehörige Handlungskompetenzen – also eine Haltung zu diesen Themen – muss heute zur professionellen Ausbildung von Sozialarbeitenden gehören.