Digitale Medien und die Lebenswelten von Jugendlichen sind aufs Engste miteinander verwoben, wobei die fortgeschrittene Ausstattung von digitalen Medien und deren zeitlich entgrenzte Nutzung eine große Rolle spielen. Das Wissen um die Einbindung von Heranwachsenden in die digitale Kultur wirft unter anderem Fragen nach der Notwendigkeit und den Möglichkeiten des Einbezugs digitaler Medien in Bildungsangebote auf. Insbesondere die an den Lebenswelten und Bedürfnissen der Adressat_innen ausgerichteten Settings der außerschulischen Kulturellen Jugendbildung geraten hierbei in den Blick.

Medien- und kulturwissenschaftlich lässt sich Digitalität als umfassender gesellschaftlicher und kultureller Wandel beschreiben (z. B. Stalder 2017a; Krotz 2001). Diesen hat seit dem neuen Jahrtausend zwar das Internet, die schnellere Verbreitung und einfachere Zugänglichkeit von digitalen Medien maßgeblich geprägt, jedoch trafen „die neuen Technologien […] auf bereits laufende gesellschaftliche Transformationsprozesse“ (Stalder 2017a, S. 21). Somit ist die „wachsende Bedeutung des Internets […] nicht die Ursache dieses Wandels, sondern wirkte eher wie ein Katalysator“ (Stalder 2017b, S. 25), sodass die Anfänge bereits im 19. Jahrhundert verortet werden (Nassehi 2019). Die allmählich entstandene „neue kulturelle Konstellation“ (Stalder 2017a, S. 11) der digitalen Kultur ist heute „alltäglich und dominant geworden“ (ebd., S. 94). Sowohl bestimmt und formt sie den Alltag und alle Lebensbereiche als auch zeichnet sie sich durch eine „enorme Vielfältigkeit der kulturellen Möglichkeiten“ (ebd., S. 10) aus. Heute kann jede_r zu jeder Zeit etwas veröffentlichen, was zuvor nur wenigen vorbehalten war. Digitalität ist demnach nicht als modernes Phänomen, sondern als genuiner Bestandteil von Gesellschaft und Kultur zu beschreiben.

Wird angenommen, dass Digitalität schon längst keine Innovation mehr, sondern einen selbstverständlichen Teil der Kultur darstellt, ist zu schlussfolgern, dass auch das Aufwachsen junger Menschen heute in starker Weise von den Gegebenheiten dessen geprägt ist. Diese Annahme ist keinesfalls neu – sie wird durch zahlreiche Studien belegt, die neben dem digitalen Nutzungsverhalten von Heranwachsenden auch die jugendkulturelle Bedeutung digitaler Medien in den Blick nehmen (z. B. mpfs 2020; Grgic und Züchner 2016; Shell Deutschland Holding 2019). So hält der 15. Kinder- und Jugendbericht fest, dass „immer mehr Orte sowie Formen der Kommunikation von digitalen Medien durchdrungen [sind]“ und die Nutzung digitaler Medien „für Jugendliche aller Altersklassen heute eine Selbstverständlichkeit“ (BMFSFJ 2017, S. 273, S. 276) darstellt. Mit Blick auf Mediennutzungspraktiken Heranwachsender ist zu konstatieren, dass in der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen die Nutzung des Smartphones und des Internets mit einer täglichen bzw. mehrmals wöchentlichen Nutzung zu rund 100 % bereits mehr als selbstverständlich zu ihrem Alltag dazugehört. 2020 besitzen 94 % der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Smartphone und finden zu rund 100 % Zugang zu einem solchen Medium in dem Haushalt vor, in dem sie leben. Sowohl in diesem Fall als auch mit Blick auf den Zugang zu einem Laptop bzw. Computer oder den Internetzugang im Haushalt kann somit von einer vollständigen Abdeckung gesprochen werden. Beliebte digitale Aktivitäten sind Musikstreaming, Online-Videos oder Digitale Spiele. Zu den liebsten Internetangeboten zählt allen voran die Plattform YouTube, auf welcher sich die Jugendlichen Musikvideos, unterhaltsame Clips, Let’s Plays oder Vlogs sowie auch Tutorials oder Wissensvideos ansehen. Mit zunehmendem Alter gewinnen auch die kommunikativen Funktionen digitaler Medien an Bedeutung: 86 % der Jugendlichen kommuniziert täglich über WhatsApp mit Freund_innen und der Familie, was den Messenger zur wichtigsten Smartphone-App macht (mpfs 2020). Nutzen nur 12 % der in der KIM-Studie (mpfs 2021) befragten 6‑ bis 13-Jährigen mindestens einmal wöchentlich Instagram, nimmt die Nutzung mit 72 % mindestens mehrmaliger wöchentlicher Nutzung im Jugendalter deutlich zu (mpfs 2020).

Jugendliche Alltagspraktiken sind heute nicht nur umfassend von Digitalität geprägt, sondern zeichnen sich auch durch eine grundsätzliche Selbstverständlichkeit in der Verschränkung von Digitalität und Lebenswelt aus: „On- und Offline-Leben ist für Jugendliche nicht mehr voneinander zu trennen“ (BMFSFJ 2017, S. 276). Diese Trennung ist schlichtweg irrelevant: für Heranwachsende stellen digitale Welten heute eine Selbstverständlichkeit dar (Tillmann 2018, S. 135). Digitale Medien können Räume zum Austausch (Hugger 2014) oder zur Erprobung des Umgangs mit Themen wie Sexualität und Partnerschaft eröffnen (Bode und Heßling 2015) oder mit Blick auf den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Peer-Beziehungen eine Brückenfunktion entfalten (Matthiesen 2013). Auch können sie als Möglichkeitsraum zur Selbst- (Lüders 2007) sowie zur Zugehörigkeitsdarstellung bzw. Einholung von Anerkennung (Hugger 2014) dienen. Die Tatsache, dass Jugendliche heute selbstverständlich mit digitalen Medien aufwachsen, macht es ihnen möglich, sich auf digitale Innovationen schnell und flexibel einstellen zu können.

Digitale Medien und kulturelle Bildungsangebote

Kulturelle Bildung „hat sich […] als pragmatische Sammelbezeichnung für ein gesellschaftspolitisches Konzept von Jugendkulturarbeit mit vielfältigen ästhetisch-künstlerischen Ausdrucksformen, Angeboten, Einrichtungen und Orten durchgesetzt“ (Bockhorst 2018, S. 715). Die in diesem Feld offerierten Bildungsangebote zeichnen sich durch ein subjektorientiertes Bildungsverständnis sowie durch Handlungsprinzipien wie Freiwilligkeit, Partizipation und Lebensweltorientierung aus (Braun und Schorn 2012).

Allerdings präsentiert sich die Forschungslandschaft zu Digitalität in der Kulturellen Jugendbildung recht überschaubar. Eine Ausnahme bildet zum einen die Studie „Bibliotheken/Digitalisierung/Kulturelle Bildung“ des Rats für Kulturelle Bildung (2018), deren Ergebnisse zeigen, dass sich ca. ein Viertel der untersuchten Bibliotheken bzgl. der Herausforderungen des digitalen Wandels besonders engagiert. Zum anderen kann auf die Studie „Postdigitale Kulturelle Jugendwelten“ verwiesen werden, in der Jörissen et al. (2020) sowie Keuchel und Riske (2020) der Frage nach (post-)digitalen Praktiken und Aktivitäten Jugendlicher nachgingen. Herausgearbeitet werden konnten „Praktiken digitaler und postdigitaler Kreativität“ (Jörissen et al. 2020, S. 63). Keuchel und Riske (2020) konnten einen Anstieg die künstlerisch-kreativer Aktivitäten bei Jugendlichen durch digitale Formate sowie durch Digitalität entstandene neue künstlerisch-ästhetische Ausdrucksformen identifizieren. Der Frage von Digitalität und Kultureller Bildung wurde konkret in dem Forschungsvorhaben „Angebote in Handlungsräumen der kulturellen Jugendbildung im Prozess der Digitalisierung“ (AKJDI) zwischen 2017 und 2021 nachgegangenFootnote 1. Gefragt wurde danach, ob und in welcher Weise digitale Medien bereits Einzug sowohl in die Gestaltung und Durchführung von Angeboten der Kulturellen Bildung als auch in kreativ-künstlerische Praktiken von Jugendlichen fanden sowie ob bzw. welche Bedeutung Angebots- und Trägerverantwortliche sowie Teilnehmende ihnen beimessen (Rohde et al. 2019; Thole et al. 2019).

Digitalität aus Sicht der Anbieter_innen Kultureller Bildung

Über Interviews und eine Fragebogenbefragung konnte zunächst eine Annäherung an die Perspektiven auf und den Umgang mit der Digitalisierung von Angebots- und Trägerverantwortlichen Kultureller Bildung erfolgen. Diese geben im Fragebogen mehrheitlich an, Veränderungen der Angebotsinhalte Kultureller Bildung durch die Digitalisierung wahrzunehmen (Pfeifer et al. 2022a), und rahmen Digitalität in den Interviews als sehr relevante Thematik. Dass nur knapp 30 % der Verantwortlichen über den Fragebogen mitteilen, tatsächlich Angebote zu offerieren, die explizit an digitalen Inhalten ausgerichtet sind, überrascht. Als Gründe, dies nicht zu tun, geben sie eine fehlende Relevanz, fehlenden Bedarf oder mangelnde personelle bzw. finanzielle Ressourcen an (Pfeifer et al. 2022a).

Eine im Forschungsprojekt ebenfalls durchgeführte Programmanalyse von rund 400 Anbieter_innen und Trägern Kultureller Bildung konnte nur rund 30 Programme einbeziehen, da nur diese explizit an digitalen Medien ausgerichtete Angebote auswiesen (Peyerl 2022). Die Interviews mit Expert_innen aus dem Kreis von Angebots- und Trägerverantwortlichen geben Aufschluss darüber, dass Wege, Motive und Zielsetzungen der Implementation digitaler Medien sehr unterschiedlich ausfallen bzw. ausgestaltet werden. Sie folgen zumeist dem Deutungsmuster der Lebensweltorientierung und scheinen insgesamt zusammenzuhängen mit der jeweiligen Perspektive auf und dem Verständnis von Digitalität, die bzw. das die Verantwortlichen an die Planung und Gestaltung ihrer Kurse und Projekte anlegen (Rohde 2022a).

Eine stärkere Nutzung digitaler Medien in kulturellen Bildungsangeboten scheint allerdings vorzuliegen, wenn Angebots- und Trägerverantwortliche nach einer impliziteren Nutzung digitaler Medien gefragt werden. Rund 75 % der Befragten geben an, dies zu tun, wobei Computer, Laptops oder Tablet-PCs die meistgenutzten Medien, gefolgt von Smartphones, sind. Der Einsatz geschieht in den meisten Fällen geplant (68 %) zu inhaltlich-thematischen Zwecken, zur Vermittlung von Inhalten oder Techniken oder als Werkzeug bzw. Arbeitsmaterial (Pfeifer et al. 2022a). Laut den Angaben von jugendlichen Teilnehmenden in einer separaten Befragung der Studie werden digitale Medien in rund 50 % der von ihnen besuchten Angebote genutzt (Pfeifer et al. 2022b). Insgesamt scheinen digitale Medien, weder explizit (als Gegenstand) noch implizit (z. B. als methodischer Zugang), zum Zeitpunkt der Erhebungen noch sehr wenig inhaltlich von Angeboten einbezogen zu werden. Etabliert zu haben scheint sich hingegen eine Nutzung auf der organisatorischen Ebene, z. B. in der Angebotsvorbereitung am Computer oder der Nutzung eines Laptops als technischem Hilfsmittel.

Digitalität scheint aus Perspektive der befragten Akteur_innen, so ein weiteres Ergebnis der Studie, eher als Chance, denn als ein Problem wahrgenommen zu werden. Die Aussage „Digitale Medien ermöglichen Jugendlichen neue Zugangswege zu kulturell-ästhetischer Bildung“ erfährt eine hohe Zustimmung (Pfeifer et al. 2022a). Nennenswert sind diesbezüglich auch die in den Interviews herausgearbeiteten Thematisierungs- und Deutungsweisen von Kultur und Digitalität der interviewten Expert_innen. Diese Aussagen changieren zwischen einer gänzlichen Entkopplung von Digitalität und Kultur und einer von Kultur nicht trennbaren Digitalität. Die Art und Weise und der Umfang des Einbezugs digitaler Medien in die Angebotsinhalte Kultureller Bildung scheint dabei auch mit diesem subjektiven Verständnis von Digitalität in Verbindung zu stehen (Rohde 2022a).

Sicht der Jugendlichen

Den Perspektiven und Umgangsweisen der Verantwortlichen kultureller Bildung stehen diejenigen der an Angeboten teilnehmenden Jugendlichen gegenüber. Die Ergebnisse können die vorliegenden Erkenntnisse zur Verwobenheit und lebensweltlichen Bedeutung digitaler Medien (s. oben) untermauern: Erneut zeigt sich eine weit verbreitete und höchst bedeutsame Nutzung digitaler Medien, allen voran des Smartphones. Rund 75 % der Jugendlichen geben in der Befragung an, digitale Medien in ihrer Freizeit für kreativ-künstlerische Zwecke zu nutzen und ca. 50 % artikulieren ein aktives kreativ-künstlerisches Medienhandeln außerhalb von kulturellen Bildungsangeboten. Vielfach genutzt werden Apps zur Fotobearbeitung oder Videoproduktion, am häufigsten werden jedoch Fotos und Videos über Instagram, WhatsApp oder Snapchat mit anderen geteilt (Pfeifer et al. 2022b). Mit Blick auf jugendkulturelle, digital geprägte Praktiken innerhalb der außerschulischen Bildungssettings konnten zahlreiche Anschlüsse der Jugendlichen an ihre alltäglichen Praktiken beobachtet und rekonstruiert werden (Rohde 2020, 2022b). Digitale Medien scheinen jugendkulturelle Praktiken dabei nicht bloß zu prägen, sondern sie maßgeblich zu konstituieren. Die zentralste Rolle kommt dem Smartphone zu, aber auch verschiedene Gaming- und Social-Media-Praktiken, die dem ‚Chillen‘, der Vergemeinschaftung oder der Selbstdarstellung dienen, entfalten eine Bedeutung. Jugendkulturelle Alltagspraktiken scheinen für Heranwachsende dabei so selbstverständlich und bedeutsam, dass entsprechende Anschlüsse in Settings der Kulturellen Bildung durchgehend vollzogen werden. Über eine spezifische ‚jugendkulturelle Digitalität‘ grenzen sie sich zudem gegenüber den Erwachsenen (z. B. Fachkräften) ab, die an dieser nicht partizipieren (Rohde 2022b).

Zwischenfazit

Für Jugendliche scheinen digitale Medien in den Alltag integriert zu sein. Für die Anbieter_innen Kultureller Bildung hingegen scheinen digitale Medien keineswegs veralltäglicht. Zu resümieren ist somit: Nicht nur leiteten Angebots- und Trägerverantwortliche aus der eigens postulierten Relevanz digitaler Medien (noch) nicht durchgehend entsprechende Veränderungen ihrer Praktiken der Angebotsplanung, -gestaltung und -durchführung ab, sondern konnten sie somit auch (noch) nicht durchgängig der von ihnen ebenfalls eigens postulierten lebensweltlichen Bedeutsamkeit digitaler Medien gerecht werden.

Medienkompetenz und Teilhabe

Jugendlichen wird zugesprochen, sich digitale Innovationen äußerst schnell und flexibel anzueignen (z. B. Aufenanger 2011). Die hierauf basierende Adressierung als ‚Digital Natives‘ schreibt ihnen zwar zweifelsohne Fähigkeiten und Möglichkeiten zu, doch konfrontiert sie andersherum auch mit einer Reihe von Erwartungen, welche insbesondere die Anforderungen der Wissensgesellschaft betreffen. In dieser kann der souveräne Umgang mit digitalen Medien als zukünftige Grundvoraussetzung der gesellschaftlichen Integration von Menschen angesehen werden: „Gesellschaftliche Teilhabe ist insbesondere für junge Menschen heute eng mit digitaler Teilhabe verknüpft“ (Tillmann 2018, S. 136).

Den Erwartungen und Anforderungen der digitalen Gesellschaft können und sollen sich Jugendliche, so die mit der Adressierung als Digital Natives implizit verknüpfte Annahme, selbstständig aneignen. Zu bedenken ist jedoch, dass ihnen das Internet zwar einerseits eine Fülle an Möglichkeiten für die mit zunehmendem Alter bedeutsamer werdenden Aspekte wie Beziehungspflege, Identitätsarbeit oder Autonomie- und Zugehörigkeitserfahrungen eröffnet, dass aber andererseits strukturelle Ungleichheiten in den Zugängen zu und der Nutzung von digitalen Medien bei Heranwachsenden bestehen (BMFSFJ 2017). Diese Ungleichheiten betreffen somit auch die Möglichkeiten zur erfolgreichen Bearbeitung der Kernherausforderungen der Jugendphase in virtuellen Räumen (Tillmann 2018). Da der Unübersichtlichkeit als zentralem Merkmal der digitalen Kultur folgt, „dass sich jede[_]r selbst in der chaotischen Informationssphäre zurechtfinden muss“ (Stalder 2017b, S. 26), stehen Jugendliche darüber hinaus vor der Herausforderung, aus der Vielzahl digitaler Angebote nicht nur diejenigen auszuwählen, die zu ihren individuellen Bedürfnissen passen, sondern die bspw. auch die Sicherheit ihrer persönlichen Daten oder ihren Schutz vor Gewalt oder Mobbing im virtuellen Raum garantieren. Bleibt eine pädagogische Begleitung von Heranwachsenden in den Zugängen und der Nutzung digitaler Medien sowie mit Blick auf Medienkompetenzen gänzlich aus, besteht letztlich die Gefahr, dass „bestehende soziale Ungleichheiten […] online reproduziert“ (Tillmann 2018, S. 136) werden.

Mit Blick auf das hier betrachtete Feld ist dies insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass die Ermöglichung und Verbesserung von Teilhabe für Heranwachsende als eines der vordersten Ziele außerschulischer kultureller Bildungsangebote gilt (z. B. Liebau 2015). Wird diese Positionierung ernst genommen, „junge Menschen […] zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt und sozial verantwortlich zu führen“ (Bockhorst 2018, S. 713), so kommt Akteur_innen im Feld der Kulturellen Bildung hinsichtlich der Förderung digitaler Teilhabe eine zentrale Verantwortung zu.

Potenziale einer „digitalen“ Kulturellen Bildung

Zweifelsohne stellt die digitale Kultur „etablierte Institutionen in Kultur, Politik und Wirtschaft vor enorme Herausforderungen“ (Stalder 2017b, S. 28). Dass diese Herausforderungen von Akteur_innen Kultureller Bildung wahrgenommen und weitestgehend bearbeitet werden, konnten die vorgestellten Forschungsergebnisse zeigen. Gezeigt werden konnte jedoch ebenso, dass digitale Medien bis 2019 nicht durchgängig Teil kultureller Bildungsangebote waren, jedenfalls nicht im Sinne eines aktiven, pädagogisch geplanten Einbezugs durch die Angebotsverantwortlichen. Da die „Thematisierung des Internets als ein der Alltagskultur irgendwie entgegengesetztes Gebilde“ (Jörissen und Unterberg 2019, S. 11) heute nicht mehr haltbar ist, wäre eine stärkere Einbindung digitaler Medien in Angebotsinhalte Kultureller Bildung gerade mit Blick auf ihren Alltags- und Lebensweltbezug, die Zugänge zu und Teilhabe an digitaler Kultur sowie die Förderung von Medienkompetenz wünschenswert.

Eine angemessene Begleitung von Heranwachsenden in den Zugängen zu und der Nutzung von digitalen Medien erfordere „eine Weiterentwicklung des professionellen Selbstverständnisses, der Institutionen und der Träger“ (Tillmann 2018, S. 139). Weiter verlange sie eine interessierte und selbstreflektierte Auseinandersetzung mit den digitalen Praktiken Heranwachsender sowie eigenem Medienhandeln bzw. Deutungsmustern auf Seiten der Fachkräfte. Darauf, dass insbesondere letzterem eine Relevanz zuzusprechen ist, weisen die Ergebnisse der Studie AKJDI deutlich hin – konnten auch hier Thematisierungs- und Deutungsweisen von Digitalität herausgearbeitet werden, die einen Einfluss auf den Umgang mit digitalen Medien in der Praxis zu haben scheinen.

Mit Blick auf die Förderung von Medienkompetenz sind die Potenziale für außerschulische Bildungsangebote insbesondere in deren non-formaler Rahmung zu verorten. Medienkompetenz kann nicht über ein starres Curriculum erworben werden. Sie ist als eine Art Werkzeugkasten anzusehen, der Heranwachsende zu einem eigenständigen, kreativen und reflektierten Umgang mit dem Internet und digitalen Medien befähigt und ihnen gleichsam die Möglichkeit bietet, kulturell-ästhetische Ausdrucksformen kennenzulernen und zu erproben. Wie die referierten Ergebnisse zeigen, scheint eine derartige Nutzung noch nicht grundsätzlich verbreitet, sodass etwaige Möglichkeiten den Jugendlichen ggf. gar nicht bekannt sind. Eine Expertin erläutert hierzu im Interview: „Die sagen immer, sie wussten gar nicht, was man so Tolles eigentlich alles machen kann. […] dann sind sie immer ganz verwundert […] und freuen sich dann eigentlich darüber“ (AKJDI Interview 4, Z. 366 ff.).

Sicherlich spielen in der Bearbeitung dieser Anforderungen Themen wie Kooperation, Qualifizierung, Finanzierung bzw. Förderung und nicht zuletzt die Anerkennung der Heranwachsenden als Expert_innen digitaler Kultur eine entscheidende Rolle. Es ist keinesfalls zu fordern, dass die Kulturelle Bildung zukünftig nur noch ‚digitale Angebote‘ offeriert – schließlich zeichnet sich das Feld gerade durch seine große Vielfalt an Themen, Gegenständen, Zugängen, Methoden und Angebotsformen aus. Abgezielt wird vielmehr auf eine grundsätzliche Anerkennung der digitalen Kultur als nicht nur der Lebensrealität junger Menschen, sondern aller Menschen. Die „Gestaltung digitaler Lebenswelten […] stellt nicht nur eine technische, sondern vor allem eine kulturelle Aufgabe“ (Keuchel 2020) dar. Wie ein Experte im Interview formuliert, liegt „eine große Chance […] für die Kulturelle Bildung […] darin, dass man gar nicht unbedingt mit dem Medienfokus guckt, sondern Dinge miteinander verbindet“ (AKJDI Interview 7, Z. 238 f.). Perspektivisch geht es für das Feld der Kulturellen Bildung also nicht (nur) um die „mediale Erweiterung des Angebots und der individuellen Nutzungsmöglichkeiten“ (Rat für Kulturelle Bildung 2019), sondern auch um eine Veränderung von Deutungsmustern und insbesondere der Strukturen, damit Fachkräfte und Teilnehmende der digitalen Kultur angemessene Rahmungen vorfinden und den kulturellen Wandel gemeinsam mitgestalten und bewältigen können.