Die Künstler_innengruppe WochenKlausur errichtet auf dem Lutherplatz in Kassel ein rotes Häuschen zur „mobilen Sozialarbeit mit Schlichtungsfunktion“ (2013). Der Künstler Rirkrit Tiravanija kocht mitten im Ausstellungsraum einer Galerie und verteilt das Essen kostenlos an die Besucher_innen (1992). Mit Gangway Beatz legen Straßensozialarbeiter_innen in Berlin gemeinsam mit benachteiligten Jugendlichen ein Plattenlabel auf (2007).

Seit den 1990er-Jahren boomen in der zeitgenössischen Kunst die relationalen und aktivistischen Formate (Jackson 2011; Bishop 2006), und in der Sozialen Arbeit werden ressourcen- und community-orientierte sowie demokratiestärkende Ansätze immer bedeutsamer. Kulturelle Praxis ist hier willkommen, da sie Verbindungen schaffen, Vergemeinschaftung stärken, zu reflektieren ermöglichen sowie individuelle Fähigkeiten fördern und Kritik sichtbar machen kann.

Kulturarbeit als Aufgabenbereich Sozialer Arbeit

1976 hat die UNESCO die „Empfehlung über die Teilnahme und Mitwirkung aller Bevölkerungsschichten am kulturellen Leben“ (UNESCO 1976) herausgegeben. Mindestens seit den 1970er-Jahren hat sich auch die Soziale Arbeit mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Teilnahme aller am kulturellen Leben umgesetzt werden kann; „Kulturarbeit“ entwickelte sich als breit angelegter Aufgabenbereich mit wachsender Bedeutung in vielen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Für den Aufgabenbereich Kulturarbeit innerhalb der Sozialen Arbeit gibt es nicht den einen „klar umrissenen konzeptionellen Ansatz“ (Fromme 2013, S. 283), sondern ihre vielfältigen Konzeptionen und praktischen Umsetzungen sind im Fachdiskurs unter zahlreichen, unterschiedlichen Begrifflichkeiten im Umlauf, wie z. B. „Ästhetische Praxis, Kulturpädagogik, Gestaltungspädagogik, Angebote und Aktivitäten aus dem Bereich Kunst-Ästhetik-Medien, Verfahren aus den Künsten, Ästhetik und Kommunikation, Ästhetische Erziehung, Ästhetische und Kulturelle Bildung […] – besonders in der Praxis [wird] auch von Medienpädagogik gesprochen (heute jedoch verstärkt auf digitale Medien bezogen). Auch die Begriffe Soziale Kulturarbeit und Kulturelle Sozialarbeit sind zu finden“ (Meis und Mies 2018, S. 9, Hervorhebung i. O.).

Einig ist man sich in der Sozialen Arbeit nicht immer über die Relevanz der Kulturarbeit. Eine Konfrontationsstellung zwischen Kultur und Sozialem – wie im politischen Diskurs – ist hin und wieder auch in der Sozialen Arbeit anzutreffen; und diese wird als Gegensatz zwischen (Hoch‑)Kultur und gesellschaftlichem Engagement aufgemacht. Sicherlich ist in Frage zu stellen, warum die Politik bestimmte Einrichtungen, z. B. der sogenannten „Hochkultur“, stärker fördert als beispielsweise soziale und kulturelle Einrichtungen für Kinder und Jugendliche.

Doch der aufgemachte Gegensatz ist in vielerlei Hinsicht falsch: Er stellt Kultur und Soziales als zwei getrennte, konkurrierende Felder dar – die aber doch tatsächlich auf sehr vielen Ebenen verwoben sind. Er setzt Kultur – in einem normativen Verständnis – mit „Hochkultur“ gleich – dabei beinhaltet Kultur doch so unterschiedliche Praxen, künstlerisch-ästhetische und alltags-, jugend- bzw. medienkulturelle Formen, hegemoniale ebenso wie gegen-hegemoniale Projekte. Und zuletzt verkennt diese Gegenüberstellung ganz grundsätzlich das gesellschaftspolitische Potenzial von Kultur, nämlich Gesellschaftskritik ästhetisch-künstlerisch zu artikulieren und zum Hinterfragen bspw. auch bürgerlicher Kulturverständnisse beizutragen. Ein tiefergehender Blick in den Fachdiskurs Sozialer Arbeit offenbart durchaus eine Vielfalt unterschiedlicher Begründungen und Ansatzpunkte für Kulturarbeit, die jedoch nicht wie oben erwähnt in Konfrontation zueinander gestellt werden.

Individuum und Gesellschaft: Ansatzpunkte der Kulturarbeit in der Sozialen Arbeit

Um die Teilnahme „aller“ am kulturellen Leben zu ermöglichen, wie es die UNESCO-Empfehlung vorgibt, können in der Zusammenschau des Fachdiskurses tendenziell zwei Ansatzpunkte identifiziert werden: das Individuum und die Gesellschaft. Sie markieren das Spektrum, innerhalb dessen sich Ansätze der Kulturarbeit bewegen. Kulturarbeit kann sowohl auf die Förderung individueller Fähigkeiten setzen als auch auf ihre politische Wirkung in die Gesellschaft hinein. Am Subjekt orientiert will sie die Wahrnehmungs‑, Ausdrucks‑, Kreativitäts- und Kritik-Fähigkeit von Individuen fördern. Einen starken Gesellschaftsbezug hat die Kulturarbeit hingegen, wenn sie zur Repräsentation von marginalisierten Lebenswelten beiträgt und Gegenöffentlichkeiten schafft. In der Praxis mischen sich diese Ansätze. In der theoretischen Auseinandersetzung in Grundlagentexten zur Kulturarbeit in der Sozialen Arbeit werden die beiden Pole jedoch unterschiedlich gewichtet.

Meis und Mies (2018) heben vor allem subjektorientierte Leitvorstellungen für die Kulturarbeit hervor, nämlich die Förderung von Resilienz, Kreativität und Kompetenzen, Selbstbildung und Aktivierung von Ressourcen. Jäger und Kuckhermann (2004, S. 49) benennen neben „[s]ubjektorientierte[n] und intersubjektiv-soziale[n] Aspekte[n auch] de[n] Bezug auf gesellschaftlich-strukturelle Ebenen“. Ein deutlicheres (gesellschafts-)politisches Engagement fordert allerdings der Diskurs um die „Soziale Kulturarbeit“, die sich in der Tradition der neuen sozialen Bewegungen seit den 1960er-Jahren sieht (Josties et al. 2020). Ihre Stärke liege in der „Artikulation, [dem] Aufmerksamkeits-Erzeugen, [dem] Audio-Visualisieren“ (Treptow 2010, S. 46) und darin, „Erfahrungen von Benachteiligung und Diskriminierung auf künstlerisch-symbolische Weise zum Ausdruck bringen, kritisch thematisieren und öffentlich machen“ zu können (Josties 2013, S. 356). Auch ein „Kulturelles Mandat der Sozialen Arbeit“ wurde diskutiert, nämlich die „Anwaltschaft für den Eigensinn kultureller Ausdrucksformen von Adressatinnen“ (Treptow 2001 [1988], S. 193) zu übernehmen; heute gehört ein „kulturpolitisch[es] Engagement“ selbstverständlich zu den Aufgaben „professioneller Akteur*innen“ der Sozialen Kulturarbeit (Josties et al. 2020, S. 152).

Kulturelle Bildung – Praxisfeld und Rahmenbedingungen

Die Praxis der Kulturarbeit ist seit den 2000er Jahren durch starke Vernetzung mit Kunst- und Kulturschaffenden, Kultureinrichtungen und Bildungsinstitutionen geprägt. Es gab bereits in den 1980er-Jahren Kunstschaffende und Pädagog_innen, die sich von den Schulen ab- und dem außerschulischen Feld zuwandten und die die gemeinsame Disziplin „Kulturpädagogik“ (Zacharias 2001) und den Begriff „Kulturelle Bildung“ – in Abgrenzung zur vorherigen Bezeichnung „Musische Erziehung“ – in Deutschland etablierten (Zacharias 2015, S. 44). Das Praxisfeld „Kulturelle Bildung“ zwischen Sozialer Arbeit, Kunst, Kultur und Bildung bekam aber erst seit den 2000er Jahren durch politische Förderung besonderen Aufschwung: Nach dem sogenannten „Pisa-Schock“ wurde die Aufwertung von Ganztagsschulen und ganzheitlicher (und damit auch ästhetisch-kultureller) Bildung auch mit Förderung untersetzt wurde. Bald wurde Kulturelle Bildung politisch von der einsetzenden „Integrationsdebatte“ vereinnahmt, wo sie als Mittel propagiert wurde, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2007; vgl. Menrath 2018a).

Neben politischen Erwartungen ging damit immerhin auch eine finanzielle Förderung einher, und so konnte sich das Praxisfeld entwickeln. Für die Soziale Arbeit bedeutet das einen möglichen Zugriff auf neue Fördertöpfe, – neben dem Bereich Jugend/Soziales, auch Bildung und Kultur (über Kooperationsprojekte). Über Projektförderungen konnten Kooperationen mit Schule im Nachmittagsbereich und im Rahmen von Ganztagsschule aufgebaut und gemeinsame Projekte mit Kultureinrichtungen entwickelt werden. Die „Zuordnung der Kulturellen Bildung zu unterschiedlichen politischen Handlungsfeldern mit von Bundesland zu Bundesland anders entschiedenen Ressortzuständigkeiten“, vereinfacht es allerdings auch, „staatliche Verantwortlichkeiten für die Querschnittsaufgabe Kulturelle Bildung [zwischen] Jugend‑, Kultur- und Bildungspolitik“ (Bockhorst 2012/2013) hin und her zu schieben. So bleibt die strukturelle Situation in der Kulturellen Bildung fragil, da Projektförderung der Regelfall ist und Infrastruktur kaum nachhaltig gefördert wird.

In der Praxis der Kulturellen Bildung verbinden sich die Tätigkeiten von Sozialarbeitenden, Pädagog_innen und Kunst- und Kulturschaffenden. Hier gibt es „ähnliche Praxisformen“ (Kuschel und Reinwand-Weiss 2016) und „gemeinsame Möglichkeiten“ (Treptow 2016). Aus den unterschiedlichen fachlichen Hintergründe der Beteiligten können aber auch „unterschiedliche Ziele“ (Kuschel und Reinwand-Weiss 2016) und „unterschiedliche Aufgaben“ (Treptow 2016) resultieren, bzw. sich ganz neue transdisziplinäre Selbstverständnisse ausbilden (vgl. Pringle 2002; Mörsch 2005; Josties 2015; Menrath 2018b).

Kulturtheoretische Bezüge von Kulturarbeit und Kultureller Bildung

Nicht nur die Praxis der Kulturarbeit, sondern auch ihr fachlicher Diskurs bzw. ihre wissenschaftliche Erforschung findet heute in der Sozialen Arbeit vielfach unter der Bezeichnung „Kulturelle Bildung“ statt. Das Element „Kultur“ innerhalb dieses Containerbegriffs steht in der theoretischen Auseinandersetzung dabei seltener im Fokus. Mit einem Verweis auf Kulturtheorien lässt sich jedoch gerade (aber auch nicht nur) der Gesellschaftsbezug der Kulturarbeit/Kulturellen Bildung konzeptionell gut fassen. Dazu müsste jedoch der Blick auf Kultur etwas geweitet werden. In Deutschland ist im Alltagsverständnis ein eher normativ aufgeladener Kulturbegriff im Gebrauch, der laut empirischen Studien mit internationalem Vergleich „enger ist als in vielen anderen Ländern. […] [D]er deutschen Kulturpolitik [liegt] tendenziell ein Kulturbegriff zu Grunde, der vorwiegend an den Künsten und den Institutionen der klassischen Kultur orientiert ist und der auch in der Bevölkerung vorherrscht“ (Mandel 2016/2017). Ein normativ aufgeladener Kulturbegriff kommt etwa „dort zur Anwendung, wo eine ‚Hochkultur‘ von einer Alltags- oder populären Kultur unterschieden“ (Fuchs 2012) und auch zum Synonym für einen bürgerlichen Lebensstil wird. Dieser Kulturbegriff ist erstaunlicherweise auch im Diskurs bei Jugendlichen anzutreffen. Empirische Studien zur Kulturnutzung durch Jugendliche haben gezeigt, dass „die 14- bis 24-Jährigen eigene künstlerische und kulturelle Ausdruckformen, wie Grafitti sprayen, Streetdance oder Poetry-Slam gar nicht mehr unter ‚Kultur‘ fassen […] – sondern diese eher dem allgemeinen Freizeitbereich zuordnen“ (Keuchel 2014). Einem solch problematischen (normativen) Kulturbegriff in der Alltagssprache kann die Kulturarbeit jedoch andere Begriffe aus der Kulturwissenschaft und den Cultural Studies entgegenstellen. Dazu wird man sowohl im deutschen wie im angloamerikanischen bzw. postkolonialen Diskurs fündig.

Soziokultur

Für ein Kulturverständnis mit starkem Gesellschaftsbezug hat sich in der BRD in den 1970er-Jahren der Begriff „Soziokultur“ etabliert. Diese Wortneuschöpfung entstand im Zuge der Neuen Kulturpolitik der 1970er-Jahre (siehe Glaser und Stahl 1974, zit. nach Wagner 2010Footnote 1). Mit den Soziokulturkonzepten verbunden war eine kulturpolitische sowie praktische Reformprogrammatik „mit den zentralen Zielsetzungen, zum einen zu einer breiteren gesellschaftlichen Teilhabe an Kunst und Kultur durch niedrigschwellige Angebote auch für Zielgruppen, die bis dahin kaum im Blickpunkt von Kulturinstitutionen und Kulturpolitik standen, und zum anderen zur Aktivierung der Menschen zu kulturell-kreativer Eigentätigkeit beizutragen. Zudem sollte kulturpolitisches Handeln in allgemeine gesellschaftliche Reformprozesse eingebunden werden“ (Wagner 2010, S. 54). Von den klassischen Kunst- und Kulturinstitutionen wurde eine solche soziokulturelle Orientierung jedoch zunächst in den 1980/90er-Jahren kaum aufgegriffen; und bald schon kam es zu einer Engführung des Begriffs Soziokultur auf das Praxisfeld der freien, nicht-institutionellen Kulturarbeit bzw. in den ostdeutschen Bundesländern nach 1990 auf die Kulturaktivitäten in der Breitenkulturarbeit und früherer Kulturhäuser und Jugendklubs (Wagner 2010). Der Begriff „Soziokultur“ ist zwar ursprünglich im Sinne einer basisorientierten und gesellschaftlich transformativen Programmatik entstanden, wird im heutigen Diskurs aber weitestgehend mit den Aktivitäten von „soziokulturellen Zentren“ gleichgesetzt (Wagner 2010, S. 44 f.).

Community Arts

In Großbritannien hatten sich ungefähr zeitgleich die „Community Arts“ etabliert. Nachdem diese Bewegung der Community Arts jedoch in den 1980er-Jahren fester Bestandteil der institutionellen Förderung des British Arts Councils geworden war, gilt sie als immer mehr depolitisiert (Ottmann 2018). Im englischsprachigen Raum hat sich aber auch die Bezeichnung „Socio-Culture“ mit sozial-transformativer Programmatik eingefunden, so dass im angloamerikanischen Diskurs heute „Socio-Culture“ manchem sogar als Gegenbegriff zu den – eher depolitisierten – „Community Arts“ erscheint (siehe Ottmann 2018). Interessanterweise wandert die Begrifflichkeit der Community Arts jedoch, u. a. auch als „Community Music“ (Hill und Banffy-Hall 2017) oder „Community Dance“ (Chyle-Silvestri und Chyle 2020) seit einigen Jahren auch in den deutschsprachigen Diskurs ein – und übernimmt hier wiederum immer mehr die Konnotationen einer basisorientierten und sozial-transformativen Programmatik, die der Begriff „Soziokultur“ verloren hat.

Cultural Studies und Postcolonial Studies

Der angloamerikanische kulturtheoretische und der postkoloniale Diskurs bieten noch weitere Konzeptionen für Kulturarbeit/Kulturelle Bildung, die den Eigenwert (selbst-)kritischer Kulturproduktion betonen. Mitte der 1960er-Jahre hat sich in Großbritannien das interdisziplinäre Arbeiter- und Erwachsenenbildungsprojekt der Cultural Studies entwickelt. „Culture is ordinary“ war hier die programmatische Definition von Kultur. Statt hegemonialer kultureller Praxis kamen damit eine alltagskulturelle und minoritäre kulturelle Praxis bzw. Kulturen im Plural in den Blick. „Kultur“ gilt den Cultural Studies nicht als inhärent gut oder wertvoll, wie bei einem normativen Kulturbegriff. Vielmehr gelten symbolische Kreativität und kulturelle Praxis als Teil des alltäglichen Handelns aller Menschen. Diese allgegenwärtige Praxis der kulturellen Produktion ist damit aber auch immer eingebunden in gesellschaftliche Machtverhältnisse. Denn zu kultureller Praxis gehören sowohl die Prozesse der Entstehung bestimmter Werke und Produkte, als auch die Prozesse der Bewertung ihrer Produkte als Kunst oder Alltagsgegenstand. „Kultur ist geprägt von konfliktären Interessen und unterschiedlichen Ansprüchen“ (Klaus und Zobl 2020) – sie gilt als eine dynamische, konflikthafte und unabgeschlossene Praxis.

Für diesen erweiterten Kulturbegriff waren neben den Cultural Studies auch die Dekolonisierungsbewegungen und Postcolonial Studies prägend. Aus ihrer Kritik an einem Kulturverständnis, das (europäische) Kultur mit Zivilisation gleichsetzt, höher wertet und gewaltvoll verbreitet, wurde deutlich wie „Kultur“ auch global historisch und gegenwärtig in Autoritäts- und Herrschaftsansprüche verstrickt ist (Said 1981 [1978]). Mit dieser postkolonialen Pointierung wurde die Kritik am Kulturbegriff qualitativ verschärft,Footnote 2 und Kultur als ein Verhandlungsprozess nicht nur inner-gesellschaftlich konfliktärer Interessen, sondern auch globaler Machtverhältnisse verstanden.

Kulturarbeit und Kulturelle Bildung in der Tradition von Cultural und Postcolonial Studies

Mit dem Wissen, dass kulturelle Praxis in gesellschaftliche und sogar globale Verhandlungsprozesse eingewoben ist, kann sie aber auch genutzt werden, um beispielsweise minoritären Selbstrepräsentationen Macht und Ausdruck zu verleihen. Damit rücken bei Kulturarbeit/Kultureller Bildung aus einer Cultural Studies-Perspektive alle Fragen zu kultureller Praxis in den Blick: Wie können kulturelle Produktionen Repräsentationsmöglichkeiten für marginalisierte Gruppen eröffnen? Zu welchen Erfahrungen kann kulturelle Praxis führen – „die nicht einfach positiv oder negativ beziehungsweise bedrückend oder beflügelnd sind, sondern komplex“ (Gaztambide-Fernández 2014, S. 70)? Welche Handlungs‑/Erfahrungsmöglichkeiten bietet auch die Rezeption und der (aktive) Konsum von Kultur? Aber auch: „Wie wird durch Kultur Macht ausgeübt und Ungleichheit hergestellt“ und „wie geschehen kulturelle Ausschlüsse“ (Klaus und Zobl 2020)?

Für Kulturarbeit/Kulturelle Bildung aus dieser Perspektive ist die kritische Auseinandersetzung mit dem sozialen Verhandlungsprozess Kultur die eigentliche Aufgabe. Sie ist keine von außen auferlegte Pflicht oder gar eine Kür, die eben gerade mal gesellschaftlich im Trend läge. Eine diskriminierungskritische Perspektive ist so vielmehr der Kulturellen Bildung/Kulturarbeit inhärent. Eine Auseinandersetzung mit Klassismus und Rassismus etwa oder damit, welche Rolle Macht in der Kultur spielt, ist ihr Kerngeschäft und wird – gerade auch praktisch – verhandelt.

Nicht nur für eine Kulturarbeit, die den Gesellschaftsbezug stark macht, sondern auch bei einem stärker subjektorientierten Ansatz ist diese Konzeption von Kultur als dynamische, in Verhandlung stehende kulturelle Praxis hilfreich. Denn neben Repräsentations- und Machtfragen kommen damit auf der Subjektebene Empowerment und Selbstbildung ins Zentrum. Der dynamische Kulturbegriff selbst ist ja gerade das Ergebnis von Empowerment- und Selbstbildungsbewegungen, nämlich den Cultural Studies und Dekolonisierungsbewegungen, die ihren aktivistisch-kritischen Ansatz in die kulturwissenschaftliche Theoriediskussion einbrachten.

Eine Verortung in diesen Traditionen kritisch-emanzipatorischer Bewegungen kann Kulturarbeit/Kulturelle Bildung auch von einem politischen Legitimationsdiskurs befreien, etwa das deutsche Bildungssystem retten oder „Integration“ schaffen zu müssen. Der kompensatorische Blick aus der Politik auf Kulturarbeit/Kulturelle Bildung wird theoretisch konterkariert, und selbstreflexiv-kritische Kulturproduktion erhält dabei einen Eigenwert. Für die Praxis bedeutet der Bezug auf einen konfliktären, dynamischen Kulturbegriff auch, dass sie nicht nur die immer wieder geforderte Vergemeinschaftung und den Community-Bezug als ihre Aufgabe reklamieren kann, sondern genauso das „Erzeugen von Differenz“ (Treptow 2010, S. 46) und das (selbst-)kritische Befragen von Grenzziehungen.