Jugendverbandsarbeit findet im Kontext von Selbstorganisation und Mitbestimmung statt. Peer-to-Peer-Kontexte und non-formales soziales Lernen sind wesentliche Bestandteile der Arbeit von Jugendverbänden. Schutzkonzepte stehen folglich in einem Dilemma zwischen Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung junger Menschen auf der einen und der Sicherstellung ihrer persönlichen Rechte und der Herstellung von Schutz auf der anderen Seite. Wie können in Jugendverbänden Schutzkonzepte partizipativ mit jungen Menschen entwickelt werden, die inhaltlich an den Interessen und Lebenswelten junger Menschen anknüpfen?

Eine wesentliche Funktion der Jugendverbandsarbeit besteht darin, Freiräume für non-formales soziales Lernen zu schaffen. Junge Menschen sollen Möglichkeiten erhalten, sich untereinander mit Themen auseinanderzusetzen, die sie selbst als bedeutsam ansehen und sie sollen sich in geschützten Räumen ausprobieren und sich besser kennenlernen können (DBJR 2008). Das Thema Sexualität stellt dabei entwicklungsbedingt ein wichtiges Lern- und Erprobungsfeld der Jugendphase dar. Die Ausdifferenzierung sexueller Verhaltensmuster, die Aneignung und Integration der eigenen sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität sowie die Entwicklung eines selbstbestimmten Sexual- und Beziehungslebens sind zentrale Entwicklungsaufgaben der Lebensphase Jugend (Matthiesen und Dekker 2018, S. 380).

Die Jugendverbandsarbeit, die im Kontext von Offenheit und Freiwilligkeit steht, bietet die Chance, Räume zu schaffen, in denen sich junge Menschen mit Themen wie persönliche Grenzen, Intimität, Sexualität und Grenzverletzungen in einer Art auseinanderzusetzen, die sie selbst ihren Bedürfnissen entsprechend ausgestalten können. Persönliche Grenzen sind dabei individuell und werden kontinuierlich situations- und personenabhängig neu ausgelotet und verhandelt (Rusack 2020, S. 53 f.). Diese Auslotungs- und Findungsprozesse sind somit auch Teil der Jugendverbandsarbeit und es können potenziell Grenzverletzungen damit einhergehen. Dementsprechend müssen Schutzkonzepte in Jugendverbänden auch diese Erfahrungs- und Experimentierräume, Grenzverletzungen, Übergriffe und Gewalt unter jungen Menschen in den Blick nehmen. Diese Perspektive auf Schutzkonzepte im Peer-to-Peer-Kontext ergänzt die Schutzüberlegungen, die bereits 2016 vom Unabhängigen Beauftragten mit dem Deutschen Bundesjugendring auf den Weg gebracht wurden.

Projekt SchutzJu, Teilprojekt Jugendverbandsarbeit

Welche Sichtweisen haben junge Menschen in der Jugendarbeit auf Sexualität, persönliche Grenzen, Gewalt und Schutz und welche Themen sind ihnen diesbezüglich wichtig? Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesen Sicht- und Umgangsweisen junger Menschen für die partizipative Weiterentwicklung von Schutzkonzepten in der Kinder- und Jugendarbeit? Diese und andere Fragen standen im Zentrum des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „SchutzNorm – Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendarbeit – Normalitätskonstruktionen von Sexualität und Gewalt unter Jugendlichen“, das von Juli 2018 bis Juni 2021 umgesetzt wurde. An vier Projektstandorten wurde jeweils ein Feld der Kinder- und Jugendarbeit bearbeitet: An der Fachhochschule Kiel lag der Fokus auf der ausbildungsbezogenen Jugendsozialarbeit, die Universität Kassel arbeitete zum Feld der internationalen Jugendarbeit, die Universität Hildesheim zur Offenen Jugendarbeit. An der Hochschule Landshut wurde das Feld der Jugendverbandsarbeit mit dem Praxispartner Bayerischer Jugendring in den Blick genommen. Von Interesse war hier, wie junge Menschen mit Sexualität und Verletzungen der persönlichen Grenzen innerhalb der Peer-Community umgehen, welche Maßnahmen es bereits in den Jugendverbänden zum Schutz der Rechte junger Menschen gibt und wie junge Menschen an der Entwicklung von Schutzkonzepten beteiligt werden.

Am Projektstandort Landshut wurde ein Team von elf Peer-Researcher_innen gebildet, die mit Hilfe eines partizipativen Forschungszugangs in Jugendverbänden zu den o. g. Fragen forschten (Riedl und Wolff 2021a). Die Peer-Researcher_innen entwickelten einen Fragebogen, mit dem sie mehr als fünfzig ein- bis anderthalbstündige Interviews in Jugendverbänden in ganz Bayern durchführten. Die Ergebnisse der Peer-Researcher_innen wurden coronabedingt in sechs digitalen Auswertungsworkshops partizipativ mit den Peer-Researcher_innen erarbeitet und bei mehreren Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert: gemeinsam mit dem Bayerischen Jugendring wurden mehrere Webseminare durchgeführt, unter anderem im Rahmen des Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit 2021, des Deutschen Jugendhilfetags 2021 und des digitalen Jugendfestivals „Was ist normal?“ im Mai 2021.

Deutlich wurde in allen Veranstaltungen, dass Schutzkonzepte, deren Entstehung für professionelle Organisationen und Fachkräfte in langfristigen Entwicklungsprozessen bereits vielfältig beschrieben wurden (Oppermann et al. 2018), für die Jugendverbandsarbeit operationalisiert und handhabbar gemacht werden müssen. Da junge Menschen in der Jugendverbandsarbeit selbst Gruppenleiter_innen sind, Verbände selbstorganisiert arbeiten und die jungen Menschen selbst über Aktivitäten gemeinschaftlich entscheiden, müssen Schutzkonzepte anders gerahmt werden. Die Schlüsselprozesse eines Schutzkonzepts, bestehend aus Gefährdungsanalyse, Prävention, Intervention und Aufarbeitung müssen für die Jugendverbandarbeit (und die gesamte Kinder- und Jugendarbeit) übersetzt werden. Unser Beitrag fasst die wesentlichen Empfehlungen zusammen, die sich aus der Diskussion der partizipativen Forschungsergebnisse am Standort Landshut in Kooperation mit dem Bayerischen Jugendring ergeben haben.

Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen ermöglichen

Das Thema Sexualität und damit verbundene Themen haben entwicklungsbedingt eine große Bedeutung für junge Menschen. Dementsprechend wichtig ist es für junge Menschen, über sexualitätsbezogene Themen zu sprechen, sich auszutauschen, Themen zu verhandeln und Informationen zu bekommen. Die Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut zeigen, dass dies auch im Kontext von Jugendverbänden gilt. Die Auseinandersetzung mit Sexualität und damit in Verbindung stehenden Themen hat für junge Menschen im Kontext ihres Jugendverbandes einen hohen Stellenwert und ein Großteil von ihnen spricht bereits aktiv im Jugendverband über sexualitätsbezogenen Themen wie Liebe, Sexualität und Partner_innenschaft. Nach Einschätzung der jungen Menschen trägt die Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen konkret zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung in diesem Bereich bei. Dennoch kennen nur wenige junge Menschen konkrete Möglichkeiten, sich in ihrem Verband mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände knüpfen an den Interessen, Bedarfen und Lebensrealitäten junger Menschen an, indem sie Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen für junge Menschen bieten. Dafür werden aber Strukturen benötigt, die zu einer Kultur der Offenheit beitragen, die das Sprechen über und die Auseinandersetzung mit Sexualität und damit in Verbindung stehenden Themen ermöglichen.

Soziales Lernen im Peer-to-Peer-Format als Ressource nutzen

Nur wenige der von den Peer-Researcher_innen am Projektstandort Landshut interviewten Menschen kennen in ihrem Jugendverband konkrete Möglichkeiten, sich mit sexualitätsbezogenen Themen auseinanderzusetzen. Dennoch spricht ein Großteil von ihnen in ihrem Jugendverband über Themen wie Sexualität, Liebe und Partner_innenschaft und erlebt diese Auseinandersetzung im Kontext des Jugendverbandes als konkret förderlich für ihre persönliche Entwicklung in diesem Bereich. Dies zeigt die hohe Relevanz von Peer-Education und informellen Formaten für die Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen und persönliche Weiterentwicklung im Kontext von Jugendverbänden. Demnach sind die Jugendverbände, in ihrer Funktion als Kommunikations- und Experimentierräume für soziales Lernen, in Zukunft gefordert, Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, die es jungen Menschen ermöglichen, sich selbst Räume und Formate für die Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen und Aushandlungen innerhalb der Peer-Community zu erschließen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände knüpfen an den Interessen, Bedarfen und Lebensrealitäten junger Menschen an, indem sie Peer-Education und soziales Lernen in der Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen als Ressource in den selbstorganisierten Strukturen der Jugendverbandsarbeit etablieren und nutzen. Jugendverbänden stehen zudem Strukturen und Rahmenbedingungen zur Verfügung, die es jungen Menschen ermöglichen, sich selbst Räume und Formate für die Diskussion und Aushandlung innerhalb der Peer-Community zu erschließen. Räume für Peer-Education und Austausch unter jungen Menschen jenseits von geleiteten sexualpädagogischen Angeboten sollten konzeptionell vorgesehen werden und Möglichkeiten der partizipativen Gestaltung eröffnen.

Schutz innerhalb der Peer-Community herstellen

Informelle Ermöglichungsräume für soziales Lernen und Peer-Education müssen in Schutzkonzepten der Jugendverbände mitgedacht werden. Die Auseinandersetzung mit sexualitätsbezogenen Themen in informellen Peer-to-Peer-Settings findet in Jugendverbänden bereits statt und soll künftig stärker gefördert und angeregt werden. Das bedeutet, informelle Peer-to-Peer-Settings und Dynamiken müssen in den Blick genommen und partizipativ weiterentwickelt werden, damit hier geschützte Freiräume für junge Menschen aus deren Perspektive entstehen können. Notwendig hierfür sind partizipativ entwickelte und im Verbandsalltag gelebte grenzachtende und diskriminierungsarme Umgangs- und Gesprächskultur mit entsprechenden Regeln im Jugendverband. Durch die partizipative Erarbeitung dieser Regeln und der daraus entstehenden im Jugendverband konsequent umgesetzt und gelebten Kultur erfolgt eine Sensibilisierung aller Beteiligten. Die jungen Menschen werden so zu Multiplikator_innen und tragen diese Regeln und Kultur auch in ihre informellen Formate innerhalb der Peer-Community. Ein zusätzlicher Ansatzpunkt könnte die gezielte Schulung von jungen Menschen in diesem Bereich sein.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände knüpfen an den Interessen, Bedarfen und Lebensrealitäten junger Menschen an, indem sie informelle Diskurs- und Experimentierräume für junge Menschen innerhalb der Peer-Community als geschützte Freiräume gestalten. Voraussetzung dafür ist jedoch die Sensibilisierung junger Menschen durch die partizipative Erarbeitung von Regeln für eine grenzachtende und diskriminierungssensible Umgangs- und Gesprächskultur und deren konsequente Umsetzung im Jugendverbandsalltag. Damit diese gelingen kann, ist die gezielte Schulung junger Menschen, gemeinschaftlich in selbstorganisierten Kontexten Regeln zu entwickeln, ein wichtiger Ansatzpunkt.

Peer-Support als Ressource stärken

Junge Menschen vertrauen sich häufig anderen jungen Menschen an. Die Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut zeigen, dass dies auch im Kontext der Jugendverbandsarbeit zutrifft. Jede_r fünfte der interviewten jungen Menschen hat bereits einmal die Erfahrung gemacht, das sich ihr/ihm ein anderer junger Mensch nach dem Erleben sexualisierter Gewalt anvertraut hat. Dies muss in Schutzkonzepten von Jugendverbänden mitgedacht werden. Es ist notwendig, dass junge Menschen wissen, was sie tun und an wen sie sich wenden können, wenn sie Adressat_in von Disclosure werden. Ebenfalls mitgedacht werden muss, dass junge Menschen, denen sich andere junge Menschen anvertraut haben, ggf. Unterstützung bei der Bewältigung der anvertrauten Inhalte brauchen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände knüpfen an den Interessen, Bedarfen und Lebensrealitäten junger Menschen an, indem sie Handlungssicherheit und Handlungsfähigkeit für junge Menschen im Umgang mit Disclosure Situationen herstellen. Das bedeutet, dass Anlaufstellen für die Adressat_innen von Disclosure, ggf. auch zur Bewältigung der Anvertrauten Inhalte, zur Verfügung gestellt werden müssen.

Diversitätssensible Gestaltung von Schutzkonzepten

Schutzkonzepte in Jugendverbänden müssen alle jungen Menschen mitdenken und erreichen. Die Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut haben gezeigt, dass insbesondere junge Männer bislang zu wenig erreicht werden. Es gibt deutliche Hinweise, dass es für junge Männer erheblich schwieriger ist, innerhalb der Peer-Community in informellen Formaten über sexualitätsbezogene Themen ins Gespräch zu kommen. Zudem kennen junge Männer im Vergleich zu den jungen Frauen deutlich seltener Regelungen zur Vermeidung sexualisierter Peer-Gewalt oder offizielle Beschwerdemöglichkeiten in ihrem Jugendverband.

Die Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut zeigen zudem, dass sich knapp ein Viertel der Interviewten jungen Menschen nicht einer heterosexuellen Orientierung zuordnet. Schutzkonzepte müssen also diverse sexuelle und geschlechtliche Orientierungen und Identitäten mitdenken. Schutzkonzepte, Maßnahmen und Prozesse dürfen nicht heteronormativ ausgerichtet sein. Neben diversen sexuellen und geschlechtlichen Orientierungen müssen Jugendverbände in ihren Schutzkonzepten auch unterschiedliche kulturelle Prägungen und Umgangsweisen mit Sexualität und damit in Verbindung stehenden Themen berücksichtigen. Grundsätzlich muss es immer auch möglich sein, nicht über sexualitätsbezogene Themen zu sprechen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände knüpfen an den Interessen, Bedarfen und Lebensrealitäten junger Menschen an, indem sie genderspezifische Unterschiede bei der Gestaltung von Schutzkonzepten mitdenken. Insbesondere junge Männer werden bislang zu wenig erreicht. D. h. Schutzkonzepte müssen diversitätssensibel gestaltetet und nicht heteronormativ ausgerichtet werden. Interkulturelle Unterschiede, wie beispielsweise unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Thema Sexualität, müssen diversitätssensibel mitgedacht werden.

Partizipative Organisationsanalyse etablieren

Die Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut ergaben, dass partizipativ gestaltete systematische Reflexionsprozesse zur Bewusstmachung von Gefährdungsorten und Faktoren im Sinne einer Organisationsanalyse im Moment in den Jugendverbänden noch nicht stattfinden. Da diese Prozesse die Basis eines passgenauen Schutzkonzepts bilden, müssen sie dringend in den Jugendverbänden etabliert werden.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände entwickeln Schutzkonzepte gegen Peer-Gewalt partizipativ weiter, indem sie junge Menschen in ihrem Jugendverband systematisch zu Orten und Situationen befragen, die sexualisierte Peer-Gewalt und Grenzüberschreitungen unter jungen Menschen begünstigen könnten. Vor allem muss dem Thema „persönliche Grenzen“ viel Raum gegeben und sichergestellt werden, dass eigene Grenzen zu jeder Zeit wirksam kommuniziert werden können. Räume und Möglichkeiten müssen für die jungen Menschen in ihrem Jugendverband gegeben sein, um unabhängig von konkreten Vorfällen über sexualisierte Peer-Gewalt und Grenzüberschreitungen unter jungen Menschen zu sprechen. Es bedarf demnach eines positiven Zugangs zum Thema Sexualität.

Regelungen zur Vermeidung sexualisierter Peer-Gewalt partizipativ erarbeiten

Die Peer-to-Peer Interviews am Standort Landshut zeigen, dass junge Menschen bislang kaum an der Entwicklung von Regeln zur Vermeidung sexualisierter Peer-Gewalt beteiligt sind. Hier muss künftig sehr viel mehr Beteiligung von jungen Menschen erfolgen um sicherzustellen, dass diese Regeln an die Lebenswelt junger Menschen anschlussfähig sind und dieser auch tatsächlich greifen. Die Beteiligung junger Menschen an der (Weiter‑)Entwicklung von Regeln zur Vermeidung sexualisierter Peer-Gewalt stellt zudem sicher, dass diese die Regeln, kennen, verstehen und als sinnvoll und hilfreich betrachten. Dadurch ist von einer deutlich höheren Akzeptanz und Umsetzung der Regeln im Alltag des jeweiligen Jugendverbandes auszugehen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände entwickeln Schutzkonzepte gegen sexualisierte Peer-Gewalt weiter, indem sie Regeln zu deren Vermeidung partizipativ mit jungen Menschen erarbeiten.

Junge Menschen besser informieren

Aus den Ergebnissen der Peer-to-Peer-Interviews am Standort Landshut ist zudem ersichtlich, dass die jungen Menschen in Jugendverbänden Regelungen zur Vermeidung sexualisierter Peer-Gewalt ebenso wie Beschwerdemöglichkeiten und ihr Recht auf Grenzsetzung bislang zu wenig bekannt sind. Diese Themen müssen daher künftig deutlicher in den Fokus gerückt werden.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände entwickeln Schutzkonzepte gegen Peer-Gewalt partizipativ weiter, indem sie das Wissen um Regeln, Rechte und Beschwerdemöglichkeiten beständig im Alltag des Jugendverbandes aktualisieren. Dafür müssen Informationswege und -formen gefunden werden, die die jungen Menschen effektiv erreichen und die sie verstehen.

Übersetzung des Schutzkonzepts in den Jugendverbandsalltag

Die Diskussion mit Akteur_innen der Jugendverbandsarbeit im Rahmen eines Web-Seminars am Standort Landshut ergab, dass sich Jugendverbände auf regionaler Ebene häufig von der „großen“ Aufgabe ein Schutzkonzept zu entwickeln, bzw. auf Bundes- oder Landesebene erarbeitete Konzepte anzupassen und umzusetzen überfordert sehen. Hier ist eine Übersetzung von Schutzkonzepten in den Jugendverbandsalltag notwendig. Es geht um konkrete Kommunikation und Aushandlung von Grenzen, Bedürfnissen und Regeln vor Ort. Diese Prozesse unterstützen die Entwicklung einer grenzachtenden, achtsamen Kultur mit schützender Wirkung im Alltag des Jugendverbandes.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände entwickeln Schutzkonzepte gegen Peer-Gewalt partizipativ weiter, indem sie Grenzen, Bedürfnissen und Regeln bei sämtlichen Aktivitäten und Zusammenkünften des Jugendverbandes kommunizieren und aushandeln.

Konsequente Beteiligung junger Menschen auf struktureller Ebene der Jugendverbände

Die Diskussion mit Akteur_innen der Jugendverbandsarbeit am Standort Landshut zeigte weiterhin, dass Fachkräfte in Jugendverbänden engagiert an der Entwicklung von Schutzkonzepten und Präventionsmaterialien arbeiten. Junge Menschen sind hier aber bislang nur wenig beteiligt. In diesem Kontext muss es künftig darum gehen, junge Menschen stärker auch auf struktureller Verbandsebene einzubeziehen und sie maßgeblich zu beteiligen. Dies gilt im Besonderen für die Prozesse der Organisationsanalyse und für die (Weiter‑)Entwicklung von Präventionskonzepten und Regeln. Die weitreichende Beteiligung junger Menschen ermöglicht es in Jugendverbänden, Konzepte, Maßnahmen und Regeln zu entwickeln, die an den Bedürfnissen junger Menschen ansetzen und die für sie relevanten Themen einbeziehen. Durch wirksame Beteiligungsmöglichkeiten können junge Menschen ihre lebenswelt- und peerspezifischen Wahrnehmungen und Kenntnisse in den Schutzkonzeptentwicklungsprozess einbringen.

Als Trend ergab sich dazu:

  • Jugendverbände entwickeln Schutzkonzepte gegen Peer-Gewalt partizipativ weiter, indem sie junge Menschen, gerade in den selbstorganisierten Strukturen der Jugendverbände konsequent auf allen Ebenen konsequent beteiligen.

Ausblick

Damit Schutzkonzepte in der Jugendverbandsarbeit ankommen und von jungen Menschen als hilfreich und als Mehrwert für ihr Engagement in einem Verband empfunden werden, müssen sie stark von den jungen Menschen selbst geprägt werden (siehe dazu auch die Empfehlungen des Gesamtprojekts Henningsen et al. 2021). Junge Menschen sollten die Motoren sein oder zu solchen werden, damit ihr Schutzkonzept bei jedem Zusammensein im Verband mit Leben gefüllt werden kann. Die einzelnen Schritte, die ein Schutzkonzept ergeben können (siehe Abb. 1), müssen somit von jungen Menschen initiiert und vorgebracht werden (Riedl et al. 7,7,a, b). Nur auf diese Weise machen Schutzkonzepte in einem selbstorganisierten Handlungsfeld Sinn. Dafür bedarf es eines konsequent beteiligungsorientierten Ansatzes in Form von Peer-Education. Daran wird das Transfer-Projekt „SchutzJu“ in der Jugendverbandsarbeit anknüpfen, in dem junge Menschen sich gegenseitig fortbilden und angeleitet werden, wie sie passfähige Schutzkonzepte für ihre Verbände selbst entwickeln können. Das Projekt "SchutzJu" hat im Frühjahr 2022 mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) seine Arbeit aufgenommen.

Abb. 1
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Schutzmaßnahmen vor Ort, Quelle: Sonja Riedl