In den vergangenen Jahrzehnten hat sich im gesellschaftlichen Umgang mit dem Sterben das Lebensende zu einem Teil des institutionalisierten Lebenslaufs entwickelt. Wie kaum ein anderer Begriff steht „Lebensqualität“ in diesem Kontext für den Anspruch, die letzte Lebensphase als Gestaltungsaufgabe zu definieren. Problematisch ist jedoch, dass mit „Lebensqualität“ zwar die Individualität der Patient_innen in den Mittelpunkt gerückt, der alltägliche Lebenszusammenhang aber ausgeblendet wird.

Auch im Bereich palliativer Sterbebegleitung (dem in diesem Beitrag vereinfachend auch die hospizliche Sterbebegleitung zugrechnet wird) spielt Lebensqualität als Zielsetzung, d. h. sie zu erhalten und zu verbessern, eine prominente Rolle. Inhaltlich ist der Begriff nicht näher bestimmt. Allerdings legen die einschlägigen RichtlinienFootnote 1 und eine Reihe von fachlichen Handlungskonzepten im Kontext von Palliative Care eine Interpretation nahe, die Lebensqualität sowohl am körperlichen als auch am psychosozialen Befinden festmacht. Der Begriff steht damit für einen subjektiven Faktor in der Versorgung (Wasner 2012) und zugleich liegt den entsprechenden Ansätzen die Vorstellung zugrunde, dass sich Lebensqualität anhand operationalisierter Kriterien objektivieren und durch gezielte Intervention beeinflussen lässt.

Demgegenüber soll an dieser Stelle ein sozialpädagogisches Profil für die psychosoziale Begleitung Sterbender in der ambulanten Versorgung skizziert werden. Soziale Arbeit ist in diesem Bereich eine sehr begrenzt verfügbare Ressource. Obwohl Palliative Care als multiprofessioneller Ansatz gilt, sieht die Richtlinie für den ambulanten Sektor der Palliativversorgung eine primär medizinisch-pflegerische Ausrichtung vor. Die Expertise ‚dritter‘ Berufsgruppen soll nur bei Bedarf hingezogen werden. Dennoch beschäftigen einige ambulante Palliativteams Sozialarbeiter_innen oder Sozialpädagog_innen v. a. zur Ausübung von Koordinationsaufgaben (gem. § 5 SAPV-RL, vgl. Wasner 2021, S. 68). Neben sozialrechtlichen Fragen gilt im Fachdiskurs auch die psychosoziale Begleitung zur Verbesserung der Lebensqualität als Handlungsbereich Sozialer Arbeit (ebd.).

Lebensqualität zwischen Subjektorientierung und Objektivierung

Palliative Versorgung zielt in erster Linie auf die Linderung (Palliation), also die Reduzierung (oder „Kontrolle“), der durch die Erkrankung verursachten „Symptomlast“. Neben dem Krankheitsbild steht das Schlagwort „psychosozial“ für einen weiteren zentralen Handlungsbereich zur Gestaltung der Versorgung. Hierunter werden die familiären und generationalen Beziehungen der Patient_innen, die Verarbeitung der Krankheit, Trauerarbeit sowie die Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod und „Sinnfragen“ thematisiert (s. Wasner und Pankofer 2021, Kap. 8; Fegg, Gramm und Pestinger2012). Darüber hinaus ist im Umgang mit Sterbenden und ihnen Nahestehenden die Herstellung persönlicher Nähe zur Wahrnehmung und Würdigung ihrer Individualität von zentraler Bedeutung (Pfeffer 2005). Diese für die hospizliche Arbeit charakteristische Form professioneller Nähe ermöglicht Bedürfnisinterpretationen, die die praktischen medizinisch-pflegerisch zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten in Relation zu subjektiven und biografischen Erfahrungen setzt.

Die drei Bereiche, Symptomlinderung, psychosoziale Entlastung und die Individualität der Bedürfnisse, sind somit personenbezogene Gegenstandsbereiche palliativer und hospizlicher Versorgungsarbeit, innerhalb derer das Ziel der positiven Beeinflussung von Lebensqualität verfolgt wird. In der Praxis werden zum Teil Dokumentationsbögen als mobile Patient_innenakten eingesetzt, die diese Bereiche als abfragbare Merkmale (Items) operationalisieren. In den Bögen werden skalierte Angaben zu Veränderungen in der Symptomatik erfasst und erlebte Belastungen und subjektive Einschätzungen der aktuellen Verfassung und Krankheitsverarbeitung in verschiedenen Merkmalsbereichen unter der Rubrik „psychosozial“ subsumiert.Footnote 2 Auf diese Weise wird Lebensqualität praktisch objektiviert und als eine Summe von Eigenschaften und Zuständen definiert.

Die Bedeutung von Lebensqualität in der Praxis der Versorgung hat also zwei ineinander vermittelte Gestalten: zum einen die der Subjektorientierung, die sich durch einen verstehenden, an der Individualität der Patient_innen interessierten Zugang auszeichnet, und zum anderen die eher technologisch-rationale Gestalt der Objektivierung, die sich an der Idee von Messbarkeit und der gezielten Beeinflussung ausgewiesener Parameter orientiert. Mit Blick auf eine sozialpädagogische Begleitung der ambulant-aufsuchenden Versorgung am Lebensende soll an dieser Stelle eine anders gelagerte Perspektive eröffnet und begründet werden. Anstatt auf die Herstellung von Lebensqualität, orientiert an abstrakten Konzepten, richtet sich der Fokus auf die unmittelbaren Eingriffspunkte professioneller Dienstleistungen in den alltäglichen Lebenszusammenhang der Patient_innen und den Folgen für ihre Lebenspraxis. Als „Eingriffspunkte“ werden hier gezielte Maßnahmen der Gestaltung der Versorgung bezeichnet, die, intendiert oder nicht, Veränderungen im Lebenszusammenhang der Patient_innen nach sich ziehen. Im Bereich der ambulant-aufsuchenden Palliativversorgung sind solche Eingriffspunkte der Hausbesuch und die Umgestaltung der Wohnumgebung zu einem „Setting“ der Versorgung (vgl. Müller 2019, Kap. 7). Mit diesem Fokus wird die Ambivalenz professioneller Eingriffe hervorgehoben, die sowohl unterstützend als auch destabilisierend wirken.

Hausbesuche: zentral, aber wenig thematisiert

Programmatisch ist mit der Idee von Lebensqualität im Bereich palliativer Versorgung insbesondere der Anspruch der Aufrechterhaltung von Autonomie am Lebensende verknüpft. Im Allgemeinen geht es in erster Linie um die Gewährleistung einer bedürfnisgerechten und am Willen der Betroffenen ausgerichteten Behandlung, Beratung und Begleitung. Im Speziellen der ambulanten Versorgung ist damit das Ziel verbunden, die Integration der Patient_innen in ihren alltäglichen Lebenszusammenhang so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. In den rechtlichen Grundlagen wird diese Zielsetzung als „Verbleib in der vertrauten Umgebung des häuslichen oder familiären Bereichs“ gefasst. Zu diesem Zweck erfolgt die Versorgung aufsuchend, also in der Wohnumgebung der Patient_innen, wo Maßnahmen der Symptomkontrolle sowie psychosozialer Entlastung getroffen werden.

Der Hausbesuch wird damit zur wichtigsten Praxisform des Kontakts zwischen Fachkräften, Patient_innen und in die Versorgung einbezogener Nahestehender. Er sollte daher als zentraler Gestaltungsfaktor einer bedürfnisgerechten und an Selbstbestimmung orientierten Versorgung Beachtung finden. Allerdings wird diese Tatsache ebenso wie jene, dass Hausbesuche in einem sehr spezifischen Umfeld stattfinden, nämlich in der Wohnumgebung der Patient_innen, in den einschlägigen Veröffentlichungen kaum systematisch thematisiert. Insofern wird dieser Umstand auch nicht als Handlungs- oder Gestaltungsbereich sichtbar.

Besondere Herausforderungen häuslicher Palliativversorgung

Dabei schließen sich an den Umstand, dass die Versorgung im häuslichen Umfeld stattfindet, vielfältige Herausforderungen an. Dies gilt umso mehr im Umgang mit einer fortschreitend zum Tode führenden Erkrankung, die zumeist einer komplexen Dynamik unterliegt. Da die Versorgung mit einem dynamischen Krankheitsverlauf Schritt halten muss, besteht kontinuierlich Bedarf an der Anpassung der Maßnahmen. Dabei besteht eine Herausforderung in der Verteilung der häuslichen Versorgung auf die Schultern verschiedener professioneller und nicht-professioneller Akteur_innen. Sie erfolgt zumeist in einem kooperativen Netzwerk aus verschiedenen Diensten (Pflegedienste, Hauswirtschaftsdienste, bürgerschaftlich Engagierte), niedergelassenen Mediziner_innen und Beteiligten aus dem privaten Umfeld der zu Versorgenden. Aufgrund dieser Netzwerkstruktur, die nach der Logik des Case Managements vorhandene Ressourcen der institutionellen wie lebensweltlichen Umwelt einzelfallbezogen aktiviert und bündelt (vgl. Wissert 2020), beinhaltet die ambulante Versorgung Sterbender mitunter einen hohen Aufwand an Koordinations- und Organisationsarbeit sowie an Abstimmung zwischen den Beteiligten.

Zusätzliche Herausforderungen beziehen sich darauf, dass die Umgebung, in der die_der Patient_in sich befindet, ganz wesentlich die Voraussetzungen für die Überwachung und Beeinflussung des Krankheitsverlaufs bildet. Die Wohnumgebung der Patient_innen ist nicht von Vornherein auf die medizinisch-pflegerische Versorgung ausgerichtet. Damit kommt zu den Ebenen der Krankheitsversorgung und der Abstimmung zwischen den Beteiligten noch eine weitere hinzu, nämlich die Arbeit an den lokalen Voraussetzungen. Diese sind hinsichtlich Ziel und Zweck erst herzustellen und im Verlauf anzupassen. Zum einen müssen die speziellen „Relevanzrahmen“ (Hayek 2006, S. 184), die die Versorgungssituation als „palliativ“ auszeichnen, den Beteiligten unabhängig von der Präsenz der Fachleute kognitiv verfügbar sein, um nach dieser Maßgabe Situationen und Entwicklungen einschätzen und deuten zu können. Zum anderen ist dies auch an materielle Gegebenheiten gebunden. Die Versorgung „zu Hause“ geht in der Regel mit praktischen Eingriffen in das Alltagsleben und in die Intimsphäre der sterbenden Menschen und der ggf. mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Nahestehenden einher (Müller 2019). Das fängt bei der Tatsache an, von nun an regelmäßig Hausbesuche zu „empfangen“, und zwar häufig gleich von mehreren beteiligten Diensten und ebenso häufig in fluktuierenden Personalkonstellationen. Des Weiteren greift die Versorgung in die Tagesstruktur ein. Besuchstermine, die eher selten pünktlich eingehalten werden, sind in den Tagesablauf zu integrieren, die Medikamenteneinnahme gibt ihrerseits im verordneten Takt einen Rhythmus vor. Wirkstoffe haben mitunter Folgen, die die Bewegungsfreiheit und die Planbarkeit von Unternehmungen beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass die Hilfsmittel, die in der Versorgung eingesetzt werden, wie Pflegebetten, Sauerstoffkompressoren, Perfusoren und andere Gerätschaften, Platz und kompetente Handhabe benötigen. Sie erfordern zuweilen auch massive Eingriffe in die Raumstruktur der ‚häuslichen Umgebung‘, etwa wenn das Pflegebett neben dem Doppelbett im Schlafzimmer keinen Platz hat und in die Wohnstube ausgelagert werden muss.

Die vernachlässigte Bedeutung des Haushalts

Damit deutet sich an, dass der Haushalt ein wesentlicher Bezugspunkt der aufsuchenden Versorgungspraxis ist. Theoretisch lässt sich Haushalt als Infrastruktur begreifen, über die die alltägliche Lebenspraxis seiner Mitglieder produziert und reproduziert wird. Er ist ein Organisierungsprinzip, das den individuellen und kollektiven Arbeits- und Lebenszusammenhang der Mitglieder zusammenhält (Bareis und Cremer-Schäfer 2013, S. 164). Folgt man dieser Betrachtungsweise, kommt in den Blick, dass der Haushalt als Ort des Hausbesuchs nicht einfach ‚da‘ ist. Es wird vielmehr deutlich, dass er eine komplexe Herstellungsleistung der Haushaltsmitglieder darstellt, die durch alltägliche Arbeit aufrechterhalten wird.

Die Praxis der aufsuchenden Versorgung durch hauptamtliche Fachkräfte und freiwillig Engagierte wiederum ist eingebettet in institutionelle, organisatorische und fachliche Rahmenbedingungen, die auf die Begegnung mit den Patient_innen und ihre Versorgung zurückwirken. Somit lässt sich der Hausbesuch als Schnittpunkt zweier Praxen begreifen, die nach unterschiedlichen Logiken strukturiert sind (Müller 2019, S. 186). Der organisierte Alltag des Haushaltes trifft auf die organisierte Praxis institutionalisierter Versorgung, wobei letztere alsbald deutliche Spuren ihrer Eingriffe in Wohnumgebung und Alltag hinterlässt. Dies lässt sich nicht vermeiden, sondern stellt eine Notwendigkeit zur Verstetigung des Versorgungssettings vor Ort dar. Aber es sollte eine Sensibilität dafür geschaffen werden, dass, je aufwändiger die Unterstützung, Behandlung und Begleitung der Patient_innen in ihrer „häuslichen Umgebung“ ausfällt, desto deutlicher das Konfliktpotenzial zu Tage tritt, das im Aufeinandertreffen der beiden Logiken liegt.

Aufgrund der funktionalen Notwendigkeit der Eingriffe liegt dieses Konfliktpotenzial zumeist außerhalb des professionellen Blickfeldes. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass ein vorrangig symptomorientierter Blick in den institutionellen Vorgaben, wie etwa der Verordnungsrichtlinie für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV-RL), verankert ist. Diese begründet den „Bedarf nach einer besonders aufwändigen Versorgung“ (§ 4 SAPV-RL), der als Leistungsvoraussetzung vorliegen muss, allein über die körperlichen Erscheinungen des Krankheitsverlaufes. Die „häusliche oder familiäre Umgebung“ (§ 1 SAPV-RL) wird als Grundlage und Zielperspektive der Versorgung zwar vorausgesetzt – dass sich aber aus dieser Verortung eine weitere, wenn auch anders gelagerte ‚besondere Aufwändigkeit‘ ergibt – nämlich die Arbeit an den Übergängen zwischen den beiden Logiken von Haushalt und organisierter Versorgung –, bleibt hierbei unsichtbar. Ein Vergleich mag den Punkt deutlich machen: Baut die nicht-aufsuchende Krankheitsversorgung auf eine komplexe Organisation und Arbeitsteilung (im stationären Kontext beispielsweise die eines gegliederten Krankenhausbetriebes oder im Bereich der niedergelassenen Versorgung auf den Praxisbetrieb) auf, verlagert sich die Komplexität der Organisationsstrukturen für die aufsuchende Versorgung auf die Prozessebene und greift zur Realisierung der Versorgung zusätzlich in hohem Maß auf Ressourcen der „häuslichen oder familiären Umgebung“ – also des Haushalts – zurück und damit auch in diese Umgebung ein. Ohne diese Ressourcen und ohne die aufwändige Arbeit an den örtlichen und sozialen Voraussetzungen ist die aufsuchende Versorgung nicht zu leisten. Daher sollte sie nicht übersehen werden. Wird diese Form der besonderen Aufwändigkeit erst in Gestalt von Störungen im Ablauf wahrgenommen, die die Stabilität des Versorgungsarrangements beeinträchtigen, besteht die Gefahr, dass eigentlich strukturelle bzw. organisatorische Probleme personalisiert werden und einzelnen Fachkräften („unfähig“), den Patient_innen selbst („schwierig“) oder involvierten Nahestehenden aus dem ‚häuslichen oder familiären Bereich‘ („überfordert“) zugerechnet werden. Besonders problematisch ist dies, wenn es dazu führt, dass Patient_innen unangemessen passiviert werden und/oder die Zielsetzung, den Verbleib in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen, aufgegeben wird und stattdessen auf die „zweitbeste Lösung“, einen Umzug ins stationäre Hospiz, hingewirkt wird.

Der De-Autonomisierung in der verdoppelten Krise entgegenwirken

Der Fokus auf den Haushalt und die Organisierung des alltäglichen Lebenszusammenhangs macht die besondere Problematik der häuslichen Versorgung Sterbender sichtbar. Es kann hier von einer verdoppelten Krise gesprochen werden. Anders als im stationären Bereich, wo die Erkrankung zur Behandlung und/oder Versorgung aus dem alltäglichen Lebenszusammenhang herausgelöst wird, wird im Kontext ambulant-aufsuchender Versorgung eine weitere Krisendimension wirksam, die einen zusätzlichen Gegenstandsbereich professionellen Handelns begründet. Die Erkrankung ist nicht allein eine Krise der Gesundheit und der körperlichen Konstitution, die sich fortschreitend verschlechtert und mit einer psychosozialen Krise, geprägt von Trauer, Abschied und Sinnfragen im Hinblick auf den nahenden Tod einhergeht. Die Krisensituation hat auch eine unmittelbar praktische Dimension, denn auch die Organisierung des alltäglichen Lebenszusammenhangs wird durch die Krankheit beeinträchtigt. Die Arbeitsbelastung in diesem Bereich nimmt zu, die darauf bezogene Arbeitsteilung verändert sich in vielfältiger Weise. Der Alltag muss neu organisiert werden, und zwar so, dass er, so gut es geht, bei allen Einschränkungen in gewohnter Weise aufrechterhalten werden kann. Und hier ist zu betonen, dass gerade auf dieser Ebene der invasive Charakter professionell organisierter Versorgung wirksam wird. Sie verursacht, während sie wertvolle Unterstützung zur Linderung und Entlastung leistet, aufgrund ihrer Eingriffe eine zusätzliche Verschärfung der Krisendimension der alltäglichen Organisierung des Lebenszusammenhangs. Sollen die normativen Anliegen palliativer Begleitung, also Würde, Autonomie und Selbstbestimmung der Patient_innen ernst genommen werden, darf die Ambivalenz professioneller Eingriffe nicht zugunsten ihrer vordergründig positiven Effekte ausgeblendet werden.

Hier wird die sozialpädagogische Dimension der ambulant-aufsuchenden Palliativversorgung sichtbar. Sie besteht darin, den Prozess der Neuorganisierung und fortlaufenden Anpassung des alltäglichen Lebenszusammenhangs zu begleiten. Dies bedeutet nicht, einer mangelnden Akzeptanz der Krankheit oder der Verleugnung und Verdrängung des nahenden Todes Vorschub zu leisten. Vielmehr wird damit die Grundlage der Auseinandersetzung und psychosozialen Bewältigung stabilisiert oder überhaupt geschaffen. An die Frage, was für eine funktionierende Versorgung zuhause benötigt wird, müssen aus sozialpädagogischer Sicht die Fragen anschließen: Welche Folgen hat dies für den alltäglichen Lebenszusammenhang der Patient_innen? Was kann getan werden, um trotz der Veränderungen, Eingriffe und Belastungen die gewohnte und eingespielte Organisationsweise so weit wie möglich aufrechtzuerhalten?

Aus dem meist eher funktionalen Blick auf die häuslichen Umstände der Versorgung ergibt sich die Gefahr einer zusätzlich beschleunigten De-Autonomisierung der Patient_innen. Indem diese (und ihnen Nahestehende) in den Gestaltungsprozess der Versorgung als Expert_innen nicht nur ihrer „Bedürfnisse und Wünsche“ (§ 1 Abs. 5 SAPV-RL), sondern der praktischen Organisierung und Gestaltung ihres alltäglichen Lebenszusammenhangs einbezogen werden, kann dieser Tendenz entgegengewirkt, die Selbstbestimmung der Patient_innen gestärkt und aufrechterhalten werden. Die sich daraus ergebende Aufgabe ist weniger eine der Beratung und psychosozialer Begleitung denn eine des genauen Hinsehens, Zuhörens und Verstehens sowie der Reflexivität, die auf das professionelle Organisieren der Versorgung und ihren Eingriffscharakter zurückgewendet werden muss. Konzeptionell lässt sich hier sehr gut an die Prinzipien sozialpädagogischer Alltags- und Lebensweltorientierung anschließen, wie sie etwa für den Bereich der Sozialen Arbeit mit Menschen mit Behinderungen ausgearbeitet worden sind (Weinbach 2016). Denn auch hier steht die Sensibilisierung für die de-autonomisierenden Nebenfolgen professioneller Eingriffe in den lebensweltlichen Alltag im Vordergrund.