Im Austausch mit Kommiliton_innen und Kolleg_innen wird sichtbar, dass die begleitenden Veranstaltungen der Hochschule während des Anerkennungsjahres als positiv wahrgenommen werden. Das Gespräch mit den Kommiliton_innen und Kolleg_innen wird als bereichernd empfunden; daraus kann neue Motivation gezogen werden. Zugleich wurde deutlich: das Dilemma, die Unsicherheit der Zugehörigkeit, ist zu erkennen. Die Vagheit lässt sich auch sprachlich wiedererkennen: Kommiliton_in oder Kolleg_in? Ein Zustand der Ungewissheit und Irritation, der stärker thematisiert, langfristig jedoch minimiert werden muss. Eine klar definierbare Rollenzugehörigkeit ist sowohl für die Identifikation als auch das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter_innen bedeutsam. Gleichzeitig ist anzuführen, dass ein Austausch mit Gleichgesinnten, mit anderen Berufsanfänger_innen, als wertvoll betrachtet wird. Hieraus lassen sich mögliche Handlungsoptionen für die Zukunft der Sozialen Arbeit entwickeln: kollegiale Beratung und Supervision als zentrales Element des Berufseinstieg innerhalb der verschiedenen Praxisfelder. Die Verantwortung hierfür muss nicht ausschließlich bei den Hochschulen liegen. Eine Vernetzung der Träger, ein Austausch, der ein hohes Potenzial und Lernchancen eröffnet. So wird die fachlich hohe Kompetenz und Nähe durch den erst kürzlichen Hochschulabschluss ideal verbunden und genutzt mit den Bedarfen der Reflexion in der Fachpraxis.
Eine fortlaufende Anbindung an die ausbildende Hochschule lassen jedoch die Vermutung zu, dass es im Vergleich zu anderen Bereichen Differenzen geben muss, die über die ausführliche Anleitung hinausgehen. Reitemeier und Frey sagen, „Soziale Arbeit soll als Handlungspraxis eingeübt, um nicht zu sagen: trainiert werden“ (Reitemeier und Frey 2013, S. 85). Während des Berufsanerkennungsjahres werden praktische Handwerke erlernt, die über die theoretischen Grundlagen des generalistischen Studiums hinausgehen. Die Profession der Sozialen Arbeit ist „nicht in erster Linie ein Wissenssystem, sondern ein Handlungssystem; ihr Verhältnis zum Wissen definiert sich als Anwendung von Wissen unter Handlungszwang“ (vgl. Spiegel 2018, zitiert nach Kreft und Müller 2019, S. 53). Die Kritik gilt an dieser Stelle somit nicht den Inhalten der wissenschaftlichen Ausbildung, vielmehr ist die Art der Durchführung des Anerkennungsjahrs als solches zu reflektieren und zu überdenken. Die wiederkehrende Frage lautet, inwiefern das Anerkennungsjahr Gegenstand der Ausbildung oder bereits Teil der Berufstätigkeit ist (vgl. Surkemper 2002, S. 10). Im Zuge dessen scheinen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt zu werden, die, anders als in anderen Branchen, eine Legitimation durch einen „Test“ (ebd.) notwendig machen. Hinzu kommt, dass die Art der Überprüfung eine Form innehat, die keinen kontrollierenden Charakter zu haben scheint. Am Ende des Anerkennungsjahres die Möglichkeit zu haben, das Erlebte auch schriftlich zu reflektieren, erscheint sinnvoll. Der Schreibprozess des Praxisberichts sowie das Kolloquium als solches haben das Potenzial, die Räumlichkeit des Anerkennungsjahres zu verlassen und die Transformation zu einem Arbeitsalltag abseits des Anerkennungsjahrs zu gestalten. Nichtsdestotrotz verhält sich die Form einer theoretischen, schriftlichen Auseinandersetzung mit der Praxis ohne jegliche Form der Bewertung als Ursache dafür, dass es von vielen Kommiliton_innen primär als tendenziell eher lästige Pflicht wahrgenommen wird, die neben einer (bis zu) 40-Stunden-Woche erledigt werden muss, statt als bewusst genutzte Möglichkeit der Reflexion.
Erlebtes methodisch aufzuarbeiten und adäquat zu reflektieren, ist gleichwohl eine Kernkompetenz der Sozialen Arbeit. Zumal ist es Aufgabe der tatsächlichen Ausbildungszeit, die Absolvent_innen angemessen auf etwaige Anstellungen vorzubereiten, um die Qualität der Sozialen Arbeit weiterhin gewährleisten zu können. Die Rechtfertigung für eine weitere Instanz der beruflichen Ausbildung in der derzeitigen Form ergibt sich für mich nicht. Zwar werden durch das Eintauchen in die Praxis bereichernde Lernerfahrungen gesammelt, ein geschlossener Aufbau professioneller Kompetenz kann jedoch nie gänzlich erreicht werden. Die Soziale Arbeit ist eine Profession, die quasi unendliche Lernchancen und -erfordernisse bietet, weshalb es den Status „ausgelernt“ nicht gibt. Genau dies ist jedoch ein vielfach geschätzter, wesentlicher Bestandteil der Sozialen Arbeit: Die Vielfalt der thematischen Auseinandersetzungen, die Möglichkeit, mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenzuarbeiten und somit auch eine breite Bandbreite an Anstellungsmöglichkeiten als Grundlage einer lebenslangen, kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen professionellen Sein, was nicht durch die praktische Anleitung innerhalb einer Anstellung gewährleistet werden kann. Wenn das Anerkennungsjahr in seiner derzeitigen Form somit kein Garant für die umfängliche Qualifikation der Sozialarbeiter_innen ist, sind Veränderungen nötig.