Trans*-Jugendliche erleben in ihrer Kindheit und Jugend häufig Diskriminierungen und Gewalt, auch in der Schule. Zudem haben viele einen besonderen Unterstützungsbedarf in der Aneignung ihrer sexuellen Identität. Wie kann die Schulsozialarbeit diese Jugendlichen unterstützen?

Vor dem Hintergrund der Heteronormativität der Gesellschaft bzw. den Normen der Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit sind Kinder- und Jugendliche, die nicht den geschlechtlichen Normen entsprechen, besonderen Belastungen ausgesetzt (vgl. Kleiner 2020, S. 40 ff.). Diese Normen, als auch die resultierenden Belastungen, wie zum Beispiel Diskriminierungen, werden auch in der Schule (re)-produziert, zumal die Schule „einer der wichtigsten Orte der Herstellung und Einübung von Geschlecht und Begehren“ (Kleiner 2020, S. 47) ist.

Da die Unterstützung Heranwachsender, die aufgrund ihrer persönlichen Biografie Benachteiligung und Ausgrenzung erfahren, im schulischen Kontext als Aufgabe der Schulsozialarbeit gilt (Spies und Pötter 2011, S. 46f.), geraten diese Jugendlichen als Zielgruppe der Schulsozialarbeit in den Blick. Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der qualitativ empirisch angelegten Bachelorthesis von Wiebke Kohl, die Wünsche und Herausforderungen von Trans*Footnote 1-Jugendlichen, als einer nicht den Normen entsprechenden Gruppe, zu eruieren, um Handlungsempfehlungen für die praktische Arbeit der Schulsozialarbeiter_innen ableiten zu können. Zur Datenerhebung wurden drei problemzentrierte Interviews (Witzel 1989), mit einem Jugendlichen, der sich als Trans* versteht, einer Lehrkraft sowie einer Kinder- und Jugendpsychologin geführt. Die entstandenen Interviews wurden vollständig transkribiert und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. Nach einer kurzen Einführung in das Thema werden die Ergebnisse in Ausschnitten präsentiert.

Hintergrund

Die Zuordnung zu einem der gesellschaftlich binär konstruierten Geschlechter, als Mädchen oder Junge, zeichnet den Lebensweg von der Geburt an mit bestimmten Attributen vor. Bei (weitgehender) Übereinstimmung werden die gesellschaftlichen und kulturellen genderspezifischen Vorstellungen und Erwartungen nicht hinterfragt (Rose 2015, S. 63). Einige Menschen identifizieren sich jedoch nicht oder nur zum Teil mit dem ihnen zugeordneten Geschlecht, sie fühlen sich nicht als Mädchen oder Junge, werden jedoch aufgrund ihres äußerlichen biologischen Geschlechts als solche angesprochen. Aus diesem Konflikt zu den gesellschaftlichen Normen ergeben sich für sie individuelle Probleme, wie identitätsbezogene Orientierung, aber auch soziale, wie fehlende Anerkennung oder Gewalt (Kleiner 2020, S. 40 ff.).

Diese Menschen werden häufig als Transsexuelle, Transgender oder Trans* bezeichnet. Allerdings ist diese Begrifflichkeit wissenschaftlich umstritten und auch aus der LGBT*Footnote 2-Community selbst kommen kritische Stimmen – ausgelöst nicht zuletzt durch die negative Konnotation des ICD 10, welches Transsexualismus als eine Störung der Geschlechtsidentität subsummiert (Rauchfleisch 2021, S. 21). Vor diesem Hintergrund sei darauf hingewiesen, dass der Begriff hier nicht in einem pathologischen Sinne verwendet wird, sondern als Beschreibung eines schwierig zu greifenden, subjektiv sehr unterschiedlich empfundenen Phänomens.

Die zunächst biografische Relevanz für Betroffene wird gesellschaftlich und pädagogisch virulent, wenn damit Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen verbunden sind. Vielfältige Studien belegen, dass Jugendliche mit abweichenden sexuellen Identitäten und/oder Orientierungen Gewalt und Diskriminierungen ausgesetzt sind – auch in der Schule (vgl. Kleiner 2020, S. 40 ff. und Baer und Fischer 2021, S. 13ff.).

Als Folge der definitiorischen, wissenschaftlichen Uneinigkeit, der phänomenologischen Breite des Phänomens und der stark differenten Selbstdeutungen von „Betroffenen“ wird es unmöglich zu bestimmen, wie viele Trans* Jugendliche in Deutschland leben. Allerdings wird das Thema in der Praxis (Specht et al. 2020, S. 6f.) und auch im wissenschaftlichen, pädagogischen Diskurs (u. a. Timmermanns und Böhm 2020) zunehmend sichtbarer und stärker wahrgenommen. Diese zunehmende Sichtbarkeit verweist auf die bislang unzureichende Auseinandersetzung mit dem Thema im Kontext der Schulsozialarbeit, die Wiebke Kohl zum Anlass genommen hat, hier forschend aktiv zu werden. Kernthemen der im folgenden dargestellten Ergebnisse sind das innere und das äußere Coming-out der Jugendlichen, Diskriminierungserfahrungen sowie die Thematisierung bzw. Tabuisierung des Themas im Kontext Schule.

Inneres Coming-out

Das innere Coming-out, als individueller Prozess des Sich-bewusst-Werdens (Baer und Fischer 2021, S. 71f.), ist für viele Betroffene ein wichtiger, aber schwieriger und langwieriger Schritt zu gleich. Der befragte Jugendliche merkte bereits im Kindergartenalter, dass „irgendetwas nicht so ganz gepasst hat“. Zu dieser Zeit fehlte ihm jedoch das Wissen über Trans*, um seine Empfindungen einordnen zu können. Mit Beginn der Pubertät verstärkte sich sein Gefühl. Als er bemerkte, dass sein Empfinden nicht „normal“ war, befasste er sich mithilfe des Internets mit dem Thema und kam zu einer für ihn passenden Selbstdeutung als Trans*.

Dass Trans*-Jugendliche bereits in früher Kindheit ein Unbehagen mit ihrem biologischen Geschlecht empfinden, das sich in der Pubertät weiter verstärkt, bestätigen verschiedene Studien (Krell und Oldemeier 2017, S. 141f; Schumann und Linde-Kleine 2014, S. 237). Für viele junge Trans* ist das innere Coming-out in der Rücksicht eine belastende und lange Zeit der Ungewissheit. Sie haben zu wenige Informationen und sind häufig mit ihren Gefühlen allein, da sie sich niemandem anvertrauen können. Hier werden drei Unterstützungsmöglichkeiten durch die Schulsozialarbeit ersichtlich, die auch durch die im Rahmen der Bachelorarbeit befragten Expert_innen zum Ausdruck gebracht werden:

  • Aufklärung und Information: Schulsozialarbeit kann ergänzend zum Sexualkundeunterricht (der das Thema Trans* bzw. den weiteren Rahmen der LGBT*-Themen häufig ausklammert; Pohl 2015, S. 27) frühzeitig und altersgerecht Angebote Sexueller Bildung bereitstellen, etwa in Form sexualpädagogischer Projekte oder ausliegenden Informationsmaterials. Das könnte den betroffenen Personen dabei helfen, ihr Empfinden an greifbaren Inhalten auszumachen.

  • Persönliche und vertrauliche Unterstützung: Schulsozialarbeiter_innen könnten sich als vertrauliche Ansprechpartner_innen zu den Themen von LGBT*-Jugendlichen präsentieren und bei Interesse Beratung anbieten. Voraussetzung für die Annahme solcher Angebote sind u. a. deutliche Signale der Anerkennung durch die Fachkräfte gegenüber LGBT*-Personen (wie ein Posteraushang oder eine Projektdurchführung zum Thema), da die Jugendlichen sonst Angst haben, verurteilt zu werden (Dodd 2020, S. 16ff.).

  • Netzwerkarbeit und Bereitstellung von Ressourcen: Wo Fachkräfte von den Jugendlichen nicht als Unterstützung gesehen bzw. gewählt werden oder Ergänzungen hilfreich sind, können Infos zu anderen Institutionen oder Medien ausgegeben oder ausgelegt werden. Wie das Interview mit dem Jugendlichen belegt, spielt gerade für Jugendliche mit LGBT*-bezogenen Fragestellungen das Internet eine große Rolle (Döring 2020, S. 11).

Äußeres Coming-out

Für das äußere Coming-out, als Prozess der Herstellung von Öffentlichkeit in Bezug auf die eigene sexuelle Identität oder sexuelle Orientierung (Baer und Fischer 2021, S. 72), ist zunächst einmal festzuhalten, dass ein Großteil der LGBT*-Schüler_innen in der Schule nicht offen über ihre Sexualität spricht (Pohl 2015, S. 27). Wer sich im Rahmen der Schule öffentlich outet, macht sehr unterschiedliche Erfahrungen: Die meisten Teilnehmenden der Studie von Sauer und Meyer (2016, S. 24) erleben ihr öffentliches Outing positiv und berichten z. B. von der Akzeptanz ihres geänderten Namens. Dagegen empfindet die Hälfte der Interviewten bei Krell und Oldemeier (2017) das Coming-out in der Schule als negativ (S. 169). Die von Wiebke Kohl durchgeführte Befragung zeigt eher ein positives Bild des äußeren Coming-outs: Der Jugendliche und die befragte Psychologin berichten z. B. von Akzeptanz in allen Schulbereichen. Hier stellt sich die Frage, welche Faktoren diesen positiven Verlauf beeinflusst haben könnten. Folgende Hypothesen und zugleich Handlungsempfehlungen lassen sich aus den geführten Interviews entwickeln:

  • Vorbildfunktion: Die befragte Lehrkraft hat die Erfahrung gemacht, dass eine anerkennende, respektvolle Haltung durch die beteiligte Fachkräfte und Lehrer_innen zu einer positiven Wirkung auf die Erfahrung Betroffener wie auch auf das Verhalten der Mitschüler_innen zu haben scheint. Die beteiligten Fachkräfte sollten also ihr eigenes Verhalten reflektieren und anerkennend gestalten, etwa indem eine Vornamensänderung auf allen Klassenlisten unmittelbar vollzogen wird.

  • Vorbereitung: Wichtig scheint aus Sicht der Lehrkraft auch eine gute Vorbereitung im Team der Beteiligten. Eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten zur Vorbereitung des Coming-outs gibt allen Akteur_innen Handlungssicherheit.

  • Fortführende Begleitung: Aus Sicht des Jugendlichen haben kontinuierliche Kommunikationsprozesse vor-, während und nach dem eigentlichen Coming-out zu seiner Zufriedenheit beigetragen.

Diskriminierungen und Gewalt

Unterschiedliche Studien zeugen von Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen Trans*-Jugendlicher in pädagogischen Kontexten (u. a. Sauer und Meyer 2016, S. 31; Krell und Oldemeier 2017, S. 169). Beispiele sind die absichtliche Nennung des falschen Namens oder Pronomens, die Verweigerung der Toilette oder Beleidigungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Solche Erfahrungen sind in der vorliegenden Studie nur indirekt präsent, da der befragte Jugendliche in der Schule selbst noch keine Beleidigungen oder Angriffe erfahren hat. Alle Befragten beschäftigen sich gedanklich jedoch mit dieser Problematik und thematisieren sie.

Die vorliegende Studie zeigt jedoch exemplarisch positiv, was in anderen Studien als negative Ausprägung sichtbar wird: Das Verhalten der Lehrer_innen und Fachkräfte korreliert mit dem der Schüler_innen (Müller et al. 2014, S. 201, Krell und Oldemeier 2017, S. 172). An Schulen mit Lehrer_innen und Fachkräften, die engagiert im Sinne der betroffenen Jugendlichen handeln, kommt es seltener zu Gewalt und Diskriminierung durch die Schüler_innen, umgekehrt entsteht mehr Gewalt und Diskriminierung, wo Lehr- und Fachkräfte selbst beteiligt sind. Es wird deutlich, dass Schule als Ganzes gestaltet werden muss, um Gewalt und Diskriminierung zu verhindern (Attar-Schwartz 2009). Folgende Handlungsempfehlungen lassen sich ableiten:

  • Gemeinsame Schulentwicklung: Die Lehrkraft geht davon aus, dass Schulen sich insgesamt in Bezug auf das Thema Trans* bzw. LGBT* weiterentwickeln müssen: Bei der Entwicklung einer gemeinsamen Haltung, der (Weiter‑)Bildung der einzelnen Beteiligten sowie der Kooperationsoptimierung der Beteiligten. Ein beispielhaftes Schulentwicklungsprojekt im Bereich von LGBT* ist das Antidiskriminerungsprojekt „Schule der Vielfalt“ (Pohl 2015, S. 27ff.).

  • Weiterbildung der Lehr- und Fachkräfte: Lehrer_innen und Schulsozialarbeiter_innen müssen sich Wissen aneignen, um im Kontext dieses Themas handlungsfähig zu sein.

  • Sexuelle Bildung: Um die Schüler_innen für das Thema zu sensibilisieren sind Projekte Sexueller Bildung hilfreich. Diese können von der Schulsozialarbeit durchgeführt oder in Zusammenarbeit mit externen Institutionen oder Initiativen, wie z. B. „SCHLAU“ oder „pro familia“ organisiert werden.

  • Eingreifen: Finden Diskriminierung und Gewalt statt, sollten Lehr- und Fachkräfte konsequent eingreifen und problematische Verhaltensweisen thematisieren.

  • Unterstützung bei Gewalterfahrungen: Bei Erleben von Diskriminierung und Gewalt sollte betroffenen Jugendliche Unterstützung angeboten werden.

Thematisierung Trans*

Eine grundsätzliche Problematik stellt aus Sicht der Befragten die umfassende Nicht-Thematisierung bzw. Tabuisierung der Thematik Trans* dar, im Sexualkundeunterricht wie auch im übrigen Schulalltag. Hierin bestätigt sich die Studie von Schumann und Linde-Kleiner (2014, S. 236). Die interviewte Lehrkraft geht davon aus, dass die so geschürte Unwissenheit und Überforderung der Schüler_innen im Umgang mit dem Thema zur Folge haben könne, dass sie mit Diskriminierung und Zuschreibungen reagierten. Als eine Ursache für die Nicht-Thematisierung im Schulunterricht betrachtet sie die diesbezüglich mangelhafte Lehrer_innenausbildung. Zunehmend entwickelt sich jedoch diese Ausbildungslandschaft, wie z. B. die Entwicklung in NRW zeigt (Pohl 2015, S. 32).

Der Schulsozialarbeit sind hier Grenzen gesetzt, da sie weder für die Lehrer_innenausbildung noch für Unterrichtsinhalte verantwortlich ist. Deutlich wird jedoch, dass Schulsozialarbeitsprojekte für die Auflösung des Tabus sehr wichtig und gemeinsame Projekte von Sozialarbeit und Lehrkräften ertragreich sein könnten. Dies unterstreicht, dass sich Schule als Ganzes entwickeln muss. Zentrale Handlungsempfehlung in diesem Bereich ist daher die Initiierung und Ermöglichung von Informations- und Bildungsprozessen aller Beteiligten, um das in pädagogischen Kontexten bestehende Tabu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt aktiv aufzulösen. Nötig sind solche Bildungsprozesse auch, weil Themen der sexuellen Vielfalt wie das Thema Trans* komplex sind und allein die unterschiedlichen Begrifflichkeiten die Allgemeinbildung der meisten Menschen übersteigen.

In Ergänzung zu diesen in den Interviews umfangreich angesprochenen Kernthemen äußerten sich die Befragten zu „kleineren“ Herausforderungen:

  • Verstärkung von Zuschreibungen: Die Lehrkraft und der befragte Jugendliche befürchten einen negativen „Sonderstatus“ von Trans*-Jugendlichen bzw. verstärkte Zuschreibungen durch eine Sonderbehandlung. Es dürfe nicht der Eindruck geweckt werden, dass diese Facette nicht zur Normalität gehöre, so die befragte Lehrkraft. Auch der Jugendliche wünscht sich zwar, dass das Thema in der Schule angesprochen wird, aber nicht in einem zu großen Ausmaß. Diese Problematik wird generell im Rahmen der Sozialen Arbeit mit LGBT*-Personen diskutiert und das Risiko gesehen, einen neuen binären Mechanismus zu etablieren, der Aspekte sexueller Vielfalt wie Trans* zwar thematisiert, aber weiterhin als „unnormal“ vom Rest trennt (Baer und Fischer 2021, S. 25). Hieraus ergibt sich der schmale Grat für die Schulsozialarbeit zwischen der Reduzierung und Reproduktion der Probleme. Es lassen sich die Handlungsempfehlungen ableiten, einerseits das Thema Trans* in generelle und breiter angelegte Antidiskriminierungsprojekte einzubinden und andererseits eine breite sexuelle Vielfalt von Menschen systematisch als Normalität zu thematisieren, etwa im Rahmen des Sexualkundeunterrichts oder in sexualitätsbezogenen Projekten der Schulsozialarbeit. Trans* oder andere Aspekte sexueller Vielfalt sollten nicht erst dann als Sonderfälle besprochen werden, wenn sich ein_e Schüler_in outet.

  • Fremddiagnosen und Generalisierungen: Aus Sicht der hier Befragten dürfe die Aufmerksamkeit für Aspekte sexueller Vielfalt nicht zur „Hexenjagd“ oder zu generalisierenden Diagnosen führen, dass z. B. Mädchen, die mit Autos oder Fußball spielen, Trans*-Kinder sein könnten. Als Handlungsempfehlung lässt sich formulieren, dass etwa die Aufnahme von Unterstützungsprozessen oder das Outing im schulischen Kontext im Sinne von Partizipation durch die betroffenen Jugendlichen gesteuert werden sollten. Wann junge Menschen sich als Trans* empfinden und/oder Hilfe möchten, ist schließlich sehr individuell.

  • Partizipation: Als Herausforderung wird von den Befragten auch die Realisierung von Selbstbestimmung betrachtet. Entscheidungen im Rahmen von Unterstützungsprozessen dürften nicht ohne die Jugendlichen getroffen werden, sondern müssten maßgeblich durch sie getroffen werden. Dies betrifft bspw. das Outing oder verwendete Begrifflichkeiten. Damit ergibt sich für die Schulsozialarbeit als möglichen Knotenpunkt die Schwierigkeit, die unterschiedlichen Ausgangspunkte und Interessen aller Beteiligten im Begleitungsprozess zu berücksichtigen, aber v. a. für die jungen Menschen, einen passenden Lösungsweg zu gestalten.

  • Eltern: Als zentral sehen die Befragten die Familien der Betroffenen. Ihnen fällt es häufig schwer, einen angemessenen Umgang mit der Veränderung zu finden (vgl. Sauer und Meyer 2016, S. 32). Eltern bzw. erziehungsberechtigte Personen bringen unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Verständnisse und Ziele ein, die durch die Schulsozialarbeit berücksichtigt werden müssten.

  • Sozialraum: Eine weitere Schwierigkeit wird von der Lehrerin, aber auch vom Jugendlichen im gesellschaftlichen Umfeld der Schule gesehen. Dies entspricht den Erkenntnissen von Schumann und Linde-Kleiner (2014, S. 237): Die Schule hat zwar einen Einfluss auf Diskriminierung und Gewalt vor Ort, aber das Ausmaß ist auch vom Sozialraum abhängig. Die Thematik Trans* wird in vielen Sozialstrukturen mehr oder minder tabuisiert bzw. negativ behaftet, sodass entsprechende Bilder oder Normen durch die Schüler*innen in den Raum Schule hineingetragen werden. Für die Schulsozialarbeit lassen sich zwei Handlungsaufträge ableiten, die grundsätzlich in der Sozialen Arbeit angelegt sind, aber in der Praxis nicht regelhaft als Aufgabe der Schulsozialarbeit verstanden werden: Der Sozialraum sollte mit einbezogen werden, und auch politische Aktivitäten könnten unterstützend wirken.

Fazit

Es wurde deutlich, dass von sexuellen und geschlechtlichen Normen abweichende Jugendliche im Schulalltag häufig Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund wurde ein Handlungsauftrag an die Schulsozialarbeit abgeleitet, und auf der Basis von drei Interviews wurden Handlungsmöglichkeiten der Schulsozialarbeitenden abgeleitet. Auch wenn die Handlungsmöglichkeiten der Schulsozialarbeit begrenzt sind – einerseits aufgrund ihrer Stellung in der Schule und andererseits aufgrund der Ohnmacht gegenüber der machtvollen Reproduktion gesellschaftlicher Vorstellungen von Geschlecht und Begehren in der Schule (Kleiner 2020, S. 47 ff.) – kann sie einen aus der subjektiven Sicht der „Betroffenen“ wertvollen Beitrag leisten:

  • Um Trans*-Jugendliche ideal zu unterstützen sowie Diskriminierung und Gewalt zu verhindern, müssen sich jedoch Schulen als Gesamtsystem weiterentwickeln. Nicht nur die Schulsozialarbeit ist gefragt, sondern auch der Lehrkörper sowie die Schüler_innen vor Ort. Um diese Prozesse zu unterstützen, kann die Schulsozialarbeit zum Beispiel Bildungsmöglichkeiten für alle Beteiligten bereithalten, etwa in Projektangeboten oder durch die Bereitstellung von Materialien. Bildungsangebote sollten idealerweise in generelle Antidiskriminerungsarbeit oder in das Thema Sexualität allgemein eingebettet sein, um stigmatisierende Sonderbehandlungen zu vermeiden.

  • Des Weiteren kann die Schulsozialarbeit für Betroffene vertrauliche Unterstützungsangebote bereithalten sowie ihnen Zugänge zu anderen Institutionen eröffnen (Netzwerkarbeit). Im Rahmen von Unterstützungsprozessen könnte die Schulsozialarbeit die Prozesssteuerung übernehmen und kooperativ sowie partizipativ ausgestalten. Die Jugendlichen sollten in alle Schritte maßgeblich miteinbezogen werden.

  • Im Schulalltag sollten Schulsozialarbeitende wie auch Lehrer_innen im Sinne einer Vorbildfunktion anerkennend gegenüber den Wünschen der Trans*-Jugendlichen agieren, sie respektieren und zugleich konsequent gegen beobachtete Gewalt oder Diskriminierung vorgehen.

  • Ergänzend erscheint es sinnvoll, auch die Eltern, z. B. mit Info-Abenden oder Elterngesprächen, sowie den übrigen Sozialraum, z. B. mit Öffentlichkeitsarbeit, miteinzubeziehen, da viele Herausforderungen für Trans*-Jugendliche aus dem Umfeld entstehen.

Die Interviews zeigen aber auch weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarf:

  1. 1.

    Der quantitative und qualitative Unterstützungsbedarf wäre näher zu beforschen. Zu klären ist u. a., ob sich betroffene Schüler_innen eine Unterstützung durch die Schulsozialarbeit wünschen und in welchem Alter sich welche Unterstützung konkret anbietet, um die Angebote altersangemessen gestalten zu können.

  2. 2.

    Zu klären wäre, welche Kompetenzen Schulsozialarbeitende für die Unterstützung von Trans*-Jugendlichen benötigen. Vergleichbar der Entwicklung des Curriculums zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und sexueller Vielfalt für Lehrer_innen im Forschungsprojekt SeBile (https://sebile.de/) könnte ein Lehrprogramm für Sozialarbeitende hilfreich sein.

  3. 3.

    Die beschriebenen unterschiedlichen Ebenen notwendiger Unterstützungsarbeit wären näher zu beforschen, z. B. dazu, wie die Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeitenden und den weiteren Beteiligen an der Schule gelingen kann, um das System als Ganzes weiter zu entwickeln. Von Interesse wäre auch, wie der Zugang zu den Jugendlichen, aber auch die Elternarbeit, gelingen kann.