Nach gut zwei Jahren intensiver Zusammenarbeit mit der ambulanten Fachkraft schaute sich A. (zehneinhalb Jahre alt) eine Einrichtung der stationären Kinder- und Jugendhilfe an, die ihr vom Jugendamt aufgrund von „Erziehungsdefiziten“ der Kindesmutter (KM) und Suizidandrohungen von A. empfohlen worden war. Am Tag der ersten Besichtigung wurde bereits der Vertrag zu einer Aufnahme unterzeichnet. Am Tag darauf zog A. in die Einrichtung. Am folgenden Tag rief A. die KM trotz vorheriger schwerwiegender Differenzen an und bat, sie wieder nach Hause zu holen. Die KM besuchte A. und verbrachte den ganzen Tag mit ihr.

Montags fuhr A. nach der Schule nicht in die Einrichtung, sondern zur Wohnung der KM. Es kam zu einer Übernachtung bei der KM. Der Ablauf am Dienstag war vergleichbar. Allerdings ließ die KM A. aus Ratlosigkeit mehrere Stunden vor der Wohnungstür sitzen und dort verzweifelt weinen. Am frühen Abend wurde A. dann in die Wohnung gelassen. Die restliche Woche verlief ähnlich. Kurz darauf wurde die stationäre Maßnahme beendet.

Betrachtet man dieses Beispiel, eine eigene Erfahrung aus der Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe, so wird deutlich, dass der Übergang von der Herkunftsfamilie in eine stationäre Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ein sehr sensibler Moment ist. 2016 wurden 61.764 junge Menschen nach §34 SGB VIII untergebracht (Statistisches Bundesamt 2017). Die damit einhergehende Trennung von den Eltern ist im schlimmsten Fall mit einer Traumatisierung der Kinder verbunden. Die ICD 10 definiert als Ausgangspunkt eines Traumas eine außergewöhnliche Bedrohung (Drilling et al. 2014, S. 174). Freud 1978 (S. 78), beschreibt ein Trauma ebenfalls als Erfahrung der Hilflosigkeit und Gefahr. Fischer und Riedesser (2009, S. 89) wiederum sehen die Entstehung dieser Hilflosigkeit in einer Diskrepanz zwischen der Situation und den persönlichen Ressourcen diese zu bewältigen.

Unter Beziehungsgesichtspunkten beschreiben Wöller et al. (2013, S. 39) als für Kinder besonders traumatisch:

  • physisches Alleinlassen: „Alleingelassen werden ist für Kinder das gravierendste Trauma“

  • psychisches Alleinlassen: „(…) wenn die Not des Kindes von seinen wichtigsten Bezugspersonen nicht wahrgenommen oder ignoriert wird.“

Besonders in der stationären Kinder- und Jugendhilfe scheinen diese beiden Punkte wichtig zu sein: die jungen Menschen finden sich innerhalb von wenigen Stunden in einer vollkommen neuen Einrichtung ohne Unterstützung durch ihre Bindungs- und Beziehungspersonen, weder psychisch noch physisch, wieder. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sollte weiteren Traumatisierungen von Kindern vorgebeugt werden. Hier soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, nach einer ambulanten Hilfe, die mögliche Gefahr einer weiteren Traumatisierung zu verringern.

Bevor die Mitarbeiter_innen des Jugendamtes eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung erwägen, wird in der Mehrzahl der Fälle versucht, den jungen Menschen in der Familie zu belassen. Aus diesem Grund werden vorrangig Hilfen nach §§ 30, 31 SGB VIII initiiert. Bei diesen beiden Hilfeformen werden die jungen Menschen und ihre Familien ambulant von Fachkräften in ihrer Lebenswelt betreut. Angelegt sind diese Hilfen über viele Monate bis Jahre. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Arbeit der ambulanten Fachkräfte umso erfolgreicher ist, je besser es ihnen gelingt, eine positive Beziehung zu der Familie aufzubauen. Das Ziel der ambulanten Hilfe besteht unter anderem darin, die Erziehungskompetenz der Eltern zu verbessern und die soziale Integration der Kinder zu steigern (Schellhorn et al. 2017, S. 256 ff.).

Sollten Hilfen nach den §§ 30, 31 SGB VIII (ambulante Hilfen) nicht ausreichen, um den Hilfebedarf der Familie zu erfüllen, werden die jungen Menschen mitunter nach §34 SGB VIII stationär untergebracht. Mit der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung wird die Hilfe nach den §§ 30,31 SGB VIII häufig zeitgleich beendet, um eine so genannte Doppelfinanzierung von Seiten des Jugendamtes zu vermeiden. Zwar sind Doppelfinanzierungen vom Gesetzgeber durchaus vorgesehen, finden in der Praxis jedoch nicht flächendeckend Anwendung. Es bestehen große kommunale Unterschiede. Bei einigen kommunalen Trägern werden Doppelfinanzierungen gewährt, um Übergänge zwischen verschiedenen Hilfen zu gestalten. In anderen Kommunen kann die ambulante Fachkraft, also die den Kindern durch die bisherige Hilfe vertraute Person, des Hilfesystems, die Kinder gerade in der schwierigen Zeit der Aufnahme, des Übergangs und des Anfangs in einer stationären Einrichtung nicht mehr unterstützend zur Seite stehen.

Dabei ist die Aufnahme in eine stationäre Einrichtung für die jungen Menschen ein einschneidendes Ereignis, das gekennzeichnet ist durch einen kompletten Wechsel aus der vertrauten Lebenswelt in eine fremde Umgebung und zu unbekannten Menschen. Nicht selten kommt es vor der Aufnahme in der Einrichtung nur zu einem oder zwei Kennlernbesuchen. In der Regel werden solche Übergänge der Kinder und Jugendlichen nicht begleitet – weder durch die Eltern noch durch Fachkräfte. Zusätzlich müssen die jungen Menschen wichtige Freunde zurücklassen. In Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe gibt es i. d. R. keine Eingewöhnungsphase, wie diese bspw. in der Kita zunehmend üblich wurde. Die jungen Menschen sind bei dem Einzug in die Einrichtung zumeist auf sich allein gestellt. Das bedeutet, Abschied von den primären Beziehungs- und Bindungspersonen nehmen zu müssen. Welche Traumatisierungen dieses Erleben in den Kindern auslösen kann, hat Bowlby ausführlich dargestellt: „Katie, 18 Monate alt, wachte in den frühen Morgenstunden des 2. Trennungstages auf und schrie und brüllte nach ihrer Mutter. Sie schlief nicht mehr ein, weinte und schrie bis mittags. (…) Nach der 1. Woche hörte Katie auf, nach der Mutter zu jammern und saß zufrieden auf dem Schoß der Schwester vor dem Fenster. Aber von Zeit zu Zeit wollte sie mit ihr die Treppe hinaufgehen. Auf die Frage, was sie zu finden hoffe, kam ohne Zögern die Antwort ‚meine Mami‘.“ (Bowlby 2006, S. 23). Ein Abschied geht mit Phasen der Trauer einher, die Kindern und Jugendlichen zumeist nicht zugestanden wird.

Trauer und Trost

Während es normal zu sein scheint, nach dem Tod einer Bindungs- und Beziehungsperson Trauer zu empfinden und eine entsprechende Begleitung zu bekommen, ist dies bei der Unterbringung in einer stationären Einrichtung nicht die Regel. Dabei ist es durchaus naheliegend, dass junge Menschen auch dann Trauer empfinden, wenn sie aus ihrer vertrauten Umgebung genommen werden (Natho 2007, S. 86).

Natho beschreibt weiter, dass die Ursache für diesen Mangel an Verständnis für die Trauer der Kinder darin zu finden ist, dass die Hilfe in der stationären Einrichtung vor Schmerzen und Kummer schützen soll, diese aber mit der Trennung selbst hervorruft und damit nicht in das Selbstverständnis der Einrichtung passt. Oft wird der Blick lediglich auf die positiven Seiten der Trennung gerichtet. Besonders bei jungen Menschen, die aufgrund einer Kindeswohlgefährdung in eine stationäre Einrichtung gekommen sind, ist die Trauer um die Bindungs- und Beziehungsperson schwer nachzuvollziehen (ebd.).

Bowlby (2014, S. 67) beschreibt drei Phasen von Trauer bei Kindern:

  1. 1.

    Phase der Auflehnung: Das Kind verlangt wütend und weinend nach der Bindungs- und Beziehungsperson. Es hofft mehrere Tage auf deren Rückkehr.

  2. 2.

    Phase der Verzweiflung: Das Kind wird ruhiger, sucht aber immer noch nach der Bindungs- und Beziehungsperson, die Hoffnung auf deren Wiederkehr schwindet.

  3. 3.

    Phase der Loslösung: Das Kind hat die Bindungs- und Beziehungsperson scheinbar vergessen.

In allen drei Phasen kann es zu aggressivem und destruktivem Verhalten kommen. Außerdem können Phase 1 und 2 wechselweise auftreten (ebd. S. 67). Um die Trauer zu begleiten, empfiehlt Natho (2007, S. 88) das Unterbreiten von einfühlsamen Angeboten und Abschiedsritualen im Alltag. Ein stufenloser Übergang von der Herkunftsfamilie hin zu einer stationären Unterbringung mit dem Aufbau entsprechender Bindungen in der Einrichtung kann jedoch auch einen wichtigen Beitrag zur Trauerarbeit leisten.

Umgang mit Trennung in der Kita

Kita-Einrichtungen haben begonnen, Eingewöhnungskonzepte in die Aufnahme von Kindern zu integrieren, um solcher Trauer zu begegnen. Oft ist die erste Trennung, die die Kinder erfahren, jene im Übergang von der Vollzeitversorgung durch die Eltern zur Betreuung in der Kita. In diesem Übergang kann es zu Überforderungen der Kinder kommen, besonders, wenn dieser Übergang nicht richtig begleitet wird (Brisch 2015, S. 50).

Mit dem Wissen, dass diese erste Trennung die Kinder durchaus überfordern kann, wurde in vielen Kita-Einrichtungen der Übergang fließend gestaltet. Einer Studie von Laewen (1989) zufolge waren Kinder, die eine begleitete Eingewöhnung hatten, im ersten halben Jahr weniger krank als jene, die nicht eingewöhnt wurden. Auch zeigten sich bei nicht eingewöhnten Kindern deutliche Entwicklungsdefizite. Aus dem Wissen um diese Studie resultieren mittlerweile zwei Modelle zur Eingewöhnung. Zum einen das Berliner Eingewöhnungsmodell. Dieses ist das ältere und am Weitesten verbreitete Modell. Nach einem Vorgespräch können sich Eltern und Kind gemeinsam die Einrichtung anschauen. Nachdem sich für eine Einrichtung entschieden wurde, verbringen Eltern und Kind die erste Zeit gemeinsam in der Kita. So können die Kinder bei sie verunsichernden Situationen die Eltern aufsuchen und bei ihnen Schutz finden. Im Laufe der Eingewöhnung sollte das Kind beginnen, die pädagogische Fachkraft als sekundäre Bindungsperson wahrzunehmen. Im selben Maße, wie diese Verbindung wächst und das Kind Zutrauen in die Kita- Einrichtung gewinnt, ziehen sich die Eltern aus der Eingewöhnung zurück. Die Dauer der Eingewöhnung ist dabei von dem Bindungsmuster von Kindern und Eltern abhängig (Dreyer 2017, S. 79 ff.).

Weiterhin ist das Münchner Eingewöhnungsmodell etabliert. Es beruht auf Erkenntnissen der Transitionsforschung. Hier steht das kompetente Kind im Vordergrund, das mit Unterstützung die Übergänge selbst gestalten kann. Dieses Modell bezieht die Kindergruppe stärker mit ein, als es das Berliner Modell tut (ebd. S. 89). Brisch (2015, S. 47 ff.) beschreibt, dass die Dauer und der Erfolg der Eingewöhnung stark von der Eltern-Kind-Bindung abhängig ist: „Eine Trennung nach dem Muster: ‚Wir machen das kurz und schmerzlos, Sie gehen jetzt und kommen nicht wieder, das Kind wird weinen, aber ich werde es trösten – wir werden das ein paar Mal praktizieren, dann ist alles gut!‘ ist im Sinne der Bindungsentwicklung nicht hilfreich. Das Kind wird die Trennung im schlimmsten Fall als traumatisch erleben, als Abbruch der Beziehung und Verlassenwerden, was für es Ohnmacht und Hilflosigkeit bedeutet.“ (Brisch 2015, S. 50).

Eingewöhnung in der Kinder- und Jugendhilfe

Während viele Kita-Einrichtungen zu einem der Eingewöhnungsmodelle übergegangen sind, gab es eine solche Entwicklung in der stationären Kinder- und Jugendhilfe bisher nicht in ausreichendem Maß. Für viele junge Menschen erfolgt die Aufnahme in stationäre Einrichtungen ähnlich wie bei A. Für die Kinder bedeutet das häufig, morgens in einer vertrauten Umgebung aufzuwachen und am Abend in einem fremden, in vielen Fällen noch nicht einmal vollkommen eingerichteten Zimmer, einschlafen zu müssen. Es ist aber nicht nur das Zimmer, das unbekannt ist, auch Geräusche, Gerüche und Abläufe sind es. Die Person, die ab jetzt auf das Kind aufpassen und als sicherer Hafen dienen soll, ist vollkommen fremd und in ihren Reaktionen nicht berechenbar. All dies und die Gewissheit, die Bindungs- und Beziehungsperson nicht in erreichbarer Nähe zu haben, aktiviert das Bindungsverhalten des Kindes.

In der Zeit des Kennenlernens von Fachkraft und jungem Menschen existiert zunächst eine gewisse Distanz, die sich erst im Laufe der Zeit verringert. Damit ist es unmöglich, die Fachkraft zur Regulation zu nutzen. Der Aufnahme in einer stationären Einrichtung sollte demnach ebenfalls eine Eingewöhnungsphase vorausgehen. Dabei kann die Eingewöhnung, wie sie in vielen Kitas bereits angewandt wird, in abgewandelter Form auch in der Kinder- und Jugendhilfe hilfreich sein. In Kitas verbringen die Kinder nur wenige Stunden am Tag, dennoch spielt die Eingewöhnung dort eine zentrale Rolle. In Einrichtungen der stationären Jugendhilfe verbringen die jungen Menschen oft viele Monate bis Jahre, ohne dabei am Abend zu ihren primären Bindungs- und Beziehungspersonen zurückzukönnen. Es ist nicht einmal sichergestellt, dass es jeden Abend zu einem Kontakt zwischen Kindern und Eltern kommt. In einigen Einrichtungen gibt es feste Tage, an denen die Kinder Kontakt zu ihren Eltern aufnehmen dürfen. Die Kinder müssen also ihr Bedürfnis die Eltern zu sprechen den Regeln der Einrichtung unterordnen.

Daher ist eine weitere grundlegende Voraussetzung zum Gelingen der Eingewöhnung, die Möglichkeit zu schaffen, dass junge Menschen jederzeit Kontakt zu Bindungs- und Beziehungspersonen außerhalb der Einrichtung aufnehmen können. Für die Entscheidung für oder gegen eine stationäre Einrichtung werden in der Regel nur ein bis zwei Besichtigungstermine angesetzt. Danach erfolgt bereits der Einzug des jungen Menschen. Dabei lernen die Familien nur einen Bruchteil der Fachkräfte kennen. Der Aufbau von Beziehungen, die über die Ängste beim Einzug hinweghelfen, ist in diesen Treffen unmöglich. Überträgt man die Eingewöhnung von Kitas auf stationäre Einrichtungen, würden die Eltern gemeinsam mit dem Kind diese über mehrere Tage oder Wochen besuchen.

Wie in der Kita müsste auch in der stationären Hilfe der Übergang fließend erfolgen. Nur so haben die Kinder die Möglichkeit sich nicht nur mit der Einrichtung, sondern auch mit dem Fachpersonal und den anderen jungen Menschen vertraut zu machen, die neuen Rituale und Regeln kennenzulernen und erste Bindungen einzugehen. Gleichzeitig haben sie damit aber auch die Möglichkeit, sich bei den Bindungs- und Beziehungspersonen eine Rückversicherung zu holen, wenn sie diese benötigen. Auch wenn es triftige Gründe gibt, dass die jungen Menschen in einer stationären Einrichtung untergebracht werden, sollte vermieden werden, den Übergang mit einem zu harten Abbruch von der Herkunftsfamilie zu gestalten. Die durch die Eingewöhnung entstandene Beziehung zu einer Fachkraft kann von den jungen Menschen als Ressource genutzt werden, um die Situation des Alleinseins in der Einrichtung zu bewältigen. Die Gefahr, sich in dieser Situation hilflos zu fühlen, kann damit gemindert werden. Es ist auch unwahrscheinlicher, dass sich die jungen Menschen physisch wie psychisch alleingelassen fühlen, wenn eine Beziehung zum Fachpersonal und anderen Bewohnern_innen besteht.

Nicht nur für die Kinder wäre es so möglich, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Fachkräften aufzubauen. Auch die Zusammenarbeit von Fachkraft und Eltern könnte so eine tiefe Vertrauensbasis erhalten. Dies würde § 37 SGB VIII entsprechen. Es kann jedoch auch mit einer Eingewöhnung nicht sichergestellt werden, dass die Zusammenarbeit zwischen Fachkraft und Eltern fruchtbarer ist. In Situationen, die aus diversen Gründen dies nicht hergeben, sollte es der aus der §§ 30, 31 SGB VIII bekannten Fachkraft ermöglicht werden, eine vermittelnde Rolle zwischen Eltern und der Einrichtungsfachkraft einzunehmen, um auf diese Weise die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie zu verbessern.

Der Ablauf einer solchen Eingewöhnung könnte wie folgt aussehen: Das erste Treffen könnte dem Kennenlernen und Bewerten der Einrichtung dienen. Weiterhin kann die Vorgehensweise der Eingewöhnung besprochen werden. Der junge Mensch beginnt mit wenigen Stunden in der Einrichtung, die von den Bindungs- und Beziehungspersonen begleitet werden. Die Eltern halten sich dabei mehr im Hintergrund und beobachten das Geschehen, während die Fachkraft beginnt, eine Beziehung aufzubauen. In den kommenden Treffen wird dies verfestigt, bis sich der junge Mensch sicher fühlt. Sollte es sich als notwendig erweisen, dass ein Elternteil mit in der Einrichtung übernachtet, sollten dazu die Möglichkeiten geschaffen werden. Besonders in der Nacht kommt es schnell zu einem Bindungsbedürfnis (Brisch 2016, S. 81 ff). Die Fachkraft mit der sichersten Beziehung zu dem jungen Menschen sollte die erste Nacht in der Einrichtung verbringen, um eventuell auftretende Bindungsbedürfnisse des jungen Menschen adäquat beantworten zu können. Die Eingewöhnungsphase sollte dazu genutzt werden, Bindungen zu möglichst vielen Betreuern aufzubauen, damit ein sicherer Hafen zur Überwindung schwieriger Zeiten für das Kind vorhanden ist.

Fazit

Die Unterbringung in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe kann für die Kinder, aufgrund der nicht vorhandenen Bindungs- und Beziehungsperson, traumatische Folgen haben. Ein durch die Eltern und/oder bekannte Fachkraft begleiteter, stufenloser Übergang würde dem Bindungsbedürfnis des Kindes oder Jugendlichen deutlich gerechter. Gerade unter der Berücksichtigung der Bindung des jungen Menschen bedarf es einer adäquaten Eingewöhnung in die Einrichtung. Wie diese erfolgen kann, wird in Kitas seit einigen Jahren erfolgreich demonstriert. Es ist daher dringend erforderlich, auch für die stationäre Aufnahme, ein solches Verfahren zu installieren. Gesetzliche Veränderungen müssten für ein solches bindungsorientiertes Vorgehen nicht vorgenommen werden.

Dass die Integration der Eltern-Kind-Bindung und Beziehung in die stationäre Kinder- und Jugendhilfe gelingen kann, zeigen bereits vereinzelte Projekte, in denen die Eltern die Möglichkeit haben „… als Gast rund um die Uhr im Projekt anwesend zu sein …“ (Kinderhaus Berlin-Mark Brandenburg o.J.). Eine Eingewöhnung zu Beginn der stationären Unterbringung könnte einen wichtigen Teil dazu beitragen, den gesamten Verlauf positiv zu beeinflussen.