Der Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse geht davon aus, dass Absolvent_innen von Masterstudiengängen ein wissenschaftliches Selbstverständnis entwickelt haben, das sich an Zielen und Standards professionellen Handelns sowohl in der Wissenschaft als auch den Berufsfeldern außerhalb der Wissenschaft orientiert. In der Idee der drei Stufen akademischer Bildung, wie sie in der Bologna-Hochschulbildungsreform angelegt ist, bietet der Masterabschluss ausdrücklich die Anschlussmöglichkeit zur Promotion. Dieser Qualifikationsschritt ist auch und gerade für die Fachwissenschaft Soziale Arbeit von nachhaltiger Bedeutung.

Die Anforderungen an Promovierende werden hier wie folgt formuliert: sie „identifizieren selbstständig wissenschaftliche Fragestellungen; entwickeln und synthetisieren neue, komplexe Ideen im Rahmen einer kritischen Analyse; entwickeln Forschungsmethoden weiter und leisten öffentlich Beiträge zum gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und/oder kulturellen Fortschritt einer Wissensgesellschaft im akademischen Berufsfeld“ (ebd., S. 11). Wir gehen zunächst den Fragen nach, warum die Fachwissenschaft Soziale Arbeit auch und gerade diesen Qualifikationsschritt braucht, um nachhaltig als eigenständiges Fachgebiet auf die gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen reagieren zu können, welche Möglichkeiten zur Promotion in Sozialer Arbeit in Deutschland bestehen und erläutern dann am Beispiel des hessischen Promotionszentrums Soziale Arbeit Herausforderungen der Förderung und Begleitung von Promotionen Sozialer Arbeit.

Warum in Sozialer Arbeit promovieren?

Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist erst seit dem Jahr 2001 in Deutschland durch die Hochschulrektorenkonferenz offiziell als solche anerkannt. Dabei ist die Verantwortung groß, die die International Federation of Social Workers der Sozialen Arbeit zuschreibt, soll sie doch „als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen“ (FBTS/DBSH 2016) fördern.

Entsprechend ist es für die Soziale Arbeit wesentlich, „die eigene Fach- und Sachkunde“ (KMK 2017, S. 11) nicht nur einzusetzen, sondern unter Nutzung „von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheiten autonom“ (ebd.) weiterzuentwickeln. Für die gesellschaftlichen Gestaltungsaufgaben Sozialer Arbeit (als Profession) ist es unabdingbar, entsprechendes „theoretisches und methodisches Wissen als Grundlagen beruflichen Handelns forschungsbasiert“ (ebd.) weiterzuentwickeln. Dazu haben sich in der Sozialen Arbeit Ansätze relationaler Adressat_innen-Forschung, von (Nicht‑)Nutzungs- und Professionsforschung entwickelt. Auch wurden Ansätze von Praxis- und Evaluations- sowie Organisations‑, Netzwerk- und Sozialraumforschung spezifisch im Hinblick auf Soziale Arbeit weiterentwickelt. Diese Forschungen voranzutreiben, erfordert Kompetenzen, die von Sozialarbeiter_innen erst nach dem Master durch aktives Erproben erlangt werden (können).

Anwendungs- und/oder Grundlagenforschung?

Forschung dient immer der Generierung neuen Wissens. Im Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit zur Förderung von Forschung heißt es, „Grundlagenorientierte Forschung dient der Theorieentwicklung, die in einer jungen Disziplin wie der Wissenschaft Soziale Arbeit besonders bedeutsam ist. Anwendungsorientierte Forschung steht dagegen in engerem Bezug zur Praxis und ist insofern in der Lage, Problem- und Fragestellungen der Profession aufzugreifen, in Forschungsfragen zu transformieren und Wissen zu generieren, das dann wiederum der Praxis zur Verfügung gestellt werden kann“ (DGSA 2020, S. 3). Mit dieser Unterteilung folgt die Soziale Arbeit wohl aus eher pragmatischen Gründen der bisher etablierten Logik der deutschen Forschungsförderlandschaft, die in Ausschreibungen implizit und explizit zwischen Grundlagenforschung (in der Regel an Universitäten) und anwendungsorientierter Forschung der „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ unterscheidet. Zunehmend lässt sich jedoch beobachten, dass insbesondere in internationalen Forschungsausschreibungen der Bezug zur Praxis und die Zusammenarbeit mit entsprechenden Partnern nachgewiesen werden muss.

So operiert auch der Europäische Forschungsrat seit seiner Gründung im Jahre 2007 jenseits einer binären Unterscheidung in Grundlagen und Anwendungsbezug mit dem Begriff der frontier research. Diese „grundlegende Forschung an den Grenzen des Wissens“ (WR 2020, S. 11) soll einerseits „der Autonomie und dem bottom-up-Charakter von Forschungsanstrengungen“ (ebd.) folgen, zugleich aber in seiner Pionierfunktion „zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beitragen“ (ebd., S. 12).

Vor dem Hintergrund, dass Studien im Kontext der Sozialen Arbeit häufig darauf ausgerichtet seien, „sowohl anwendungs- als auch grundlagenbezogenes Wissen zu generieren“ (DGSA 2020, S. 3), ist auch aus der Perspektive der DGSA eine „institutionelle Trennung der Forschungsförderung in grundlagenbezogene einerseits und anwendungs- und transferorientierte Forschung andererseits […] grundsätzlich kritisch zu hinterfragen“ (ebd.).

Selbst der Wissenschaftsrat (WR) rückt nun in seinem im Januar 2020 verabschiedeten Positionspapier zur Anwendungsorientierung in der Forschung „das Kontinuum zwischen beiden Polen von Grundlagen- und angewandter Forschung in den Vordergrund […], um […] Rahmenbedingungen für eine souveräne Offenheit des Wissenschaftssystems gegenüber der Gesellschaft zu schaffen“ (WR 2020, S. 5). Damit aber können – wie er explizit betont – diese „Forschungskategorien nicht länger exklusiv einzelnen Typen von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen zugeordnet werden“ (ebd.). Ebenso unterliegt aus diesem Grund „jeder Forschungsprozess denselben Qualitätsansprüchen“ (ebd., S. 13). Verknüpft sieht er mit diesem Konzept „ein prozessorientiertes Verständnis von Forschung, die weder auf kurzfristigen Nutzen noch auf enge Zielstellungen konkreter Nutzerinnen und Nutzer beschränkt ist“ (ebd.).

Der WR sieht im Hinblick auf die dafür notwendige „weitere Entwicklung eines offenen und leistungsfähigen Wissenschaftssystems […] die Herausforderung […], den eigenen Nachwuchs so auszubilden, dass er sich für Fragen aus der Praxis, für Anwendungspotenziale in den eigenen Arbeiten und für Kooperationen mit Partnern außerhalb des Wissenschaftssystems offen zeigt, hier Erfahrungen sammelt und Kompetenzen aufbaut, ohne dass dadurch die Karrieremöglichkeiten im Wissenschaftssystem, insbesondere an Universitäten und einigen außeruniversitären Einrichtungen, eingeengt, sondern vielmehr befördert werden“ (ebd., S. 17).

Wie promovieren in Sozialer Arbeit?

Das Studienfach Soziale Arbeit wird in Deutschland überwiegend an Fachhochschulen (FH) bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) gelehrt. Zu den Berufungsvoraussetzungen für Professuren gehört dort bis auf wenige Ausnahmen im Bereich Theorie und Forschung eine mindestens dreijährige Berufserfahrung außerhalb der Hochschule. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die vom WR benannte Herausforderung, eine stärkere Praxisorientierung des wissenschaftlichen Nachwuchses sicherzustellen, für die Soziale Arbeit nicht in der Weise gilt. Ebenso ist auch die damit verbundene Anregung, dass „Promotionsarbeiten gesellschaftliche Fragestellungen adressieren oder in Kooperation mit Partnern aus anderen Forschungsfeldern und anderen gesellschaftlichen Bereichen erarbeitet werden“ (ebd., S. 31), in der Sozialen Arbeit eine weit verbreitete Praxis.

Die Schwierigkeit in der Sozialen Arbeit liegt hingegen eher im zweiten Teil der vom WR benannten Herausforderung, „den Karrieremöglichkeiten im Wissenschaftssystem, insbesondere an Universitäten“ (ebd., S. 17). So ist es in Deutschland für Absolvierende von FH-Studiengängen Sozialer Arbeit kaum möglich, in genuiner Sozialer Arbeit zu promovieren. Meistens wurden (und werden) Promotionen dann in den sogenannten Bezugswissenschaften Sozialer Arbeit an Universitäten verfasst. In Deutschland passiert das aufgrund der Nähe zur Sozialpädagogik häufig in den Erziehungswissenschaften. Dagegen gibt es z. B. in Österreich eine starke Sektion Soziale Arbeit in der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie, in der sich ausdrückt, dass dort die Soziologie als Bezugswissenschaft von höherer Bedeutung ist.

Wenn hier Bezug genommen wird auf das Positionspapier des WR geht es nicht darum, stärkere Karrieremöglichkeiten von aus der Sozialen Arbeit stammenden Promovierenden in den universitären Bezugswissenschaften einzuklagen: Vielmehr geht es den Promovierenden selbst zumeist um eine auf die Soziale Arbeit bezogene Wissenschaftsentwicklung. Der Skandal ist demgegenüber, dass sie auf diese Weise gezwungen werden, die aus den praxisorientieren Anteilen ihres Studiums, Anerkennungsjahres oder ihrer Berufspraxis in der Sozialen Arbeit entwickelten wissenschaftlichen Fragen und Problemstellungen in die Logiken und Konzepte der jeweiligen Bezugswissenschaften zu übersetzen. Darüber hinaus werden ihre im Rahmen kritisch reflektierter Praxiserfahrung erworbenen Kompetenzen und Erkenntnisse in diesen universitären Bezugsdisziplinen häufig entwertet. Nicht selten sind dann noch spezielle auf die jeweilige Bezugswissenschaft bezogene und stark disziplinär gebundene Module und/oder Ergänzungsprüfungen abzuleisten und im Hinblick auf das Dissertationsvorhaben ein entsprechender disziplinärer Fokus herauszuarbeiten.

Damit wird vernachlässigt, dass sich Problemstellungen Sozialer Arbeit zumeist „dem Zugriff einer einzelnen Disziplin entziehen“ (Mittelstraß 2005). Weil die Entwicklung wissenschaftlicher Disziplinen von einer zunehmenden Spezialisierung bestimmt wird (vgl. ebd.), ist gerade für die Soziale Arbeit von einer „Asymmetrie von Problementwicklungen und disziplinären Entwicklungen“ (ebd.) in ihren Bezugswissenschaften auszugehen. Soziale Arbeit umfasst gegenüber der in die universitären Erziehungswissenschaften integrierten Sozialpädagogik darüber hinaus in starkem Maße sozialpolitische, sozialrechtliche, sozialadministrative und sozialplanerische Aspekte und braucht daher eine transdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung und Forschung, um ihren sozialen Gestaltungsaufgaben gerecht werden zu können. Dazu muss sie nicht nur die Grenzen zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen überwinden, wozu Mittelstraß (2005) eine theoretische Transdisziplinarität erforderlich hält. Da sie nur in Ko-Produktion mit unterschiedlichen Klientensystemen (Müller 2012, S. 966) zu realisieren ist, muss sie darüber hinaus in Weiterführung des skizzierten WR-Konzeptes von Anwendungsorientierung auch die Grenze zwischen wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Zugängen zur Welt und ihren Menschen (May 2018; May und Schäfer 2018) im Rahmen einer praktischen Transdiziplinarität, wie Mittelstraß sie nennt, überwinden. Dem suchen z. B. auch Konzepte von Lebensweltorientierung und Lebensbewältigung (Füssenhäuser 2018) Rechnung zu tragen.

Zwar sind damit auch Ansprüche an eine Promotion in Sozialer Arbeit formuliert. Das schließt jedoch keineswegs aus, wenn es dem gewählten Gegenstand angemessen erscheint, ein Dissertationsvorhaben in der Fachwissenschaft Sozialer Arbeit stärker an einer bestimmten Disziplin auszurichten. So könnte für die Untersuchung von im Kontext Sozialer Arbeit relevanten sozialpolitischen Fragestellungen eine Orientierung an den Politikwissenschaften durchaus sinnvoll sein, während bei eher sozialpädagogischen Fragen eine Orientierung an den Erziehungswissenschaften angemessen wäre.

Beispiel „Hessisches Promotionszentrum Soziale Arbeit“

Strukturell schlägt sich diese Sichtweise auf Promotionen in der Sozialen Arbeit in der Forderung nach einem eigenen Promotionsrecht nieder, wie es 2017 die DGSA gefordert und in einer Stellungnahme des Vorstandes zum „Promotionsrecht für Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen“ im Januar 2019 untermauert hat. Es geht dabei also nicht allein um ein Recht auf die Qualifizierung des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses, sondern um die Einforderung dieses Rechts für HAW/FH. Von universitärer Seite wird hingegen häufig das Promotionsrecht als ihr Alleinstellungsmerkmal behauptet. So hat der erziehungswissenschaftliche Fakultätentag, der auch die universitäre Sozialpädagogik vertritt, sich klar in diese Richtung positioniert und verweist auf die „‚Vielfalt der Möglichkeiten‘, die durch das kooperative Promovieren gegeben seien“ (Bauer et al. 2013, S. 198). Und auch in der Kommission Sozialpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGFE) gibt es solche Stimmen (vgl. ebd.).

In der Tat haben eine ganze Reihe von HAW/FH und Universitäten Verträge zu kooperativen Promotionen abgeschlossen. Und mittlerweile wurden auch auf Landesebene (Nordrhein-Westfalen, Bayern) entsprechende Verbundkollegs eingerichtet. Als Vorreiter hat Hessen im Jahr 2016 dann beschlossen, forschungsstarken Fachgebieten an HAW (mindestens 12 Professor_innen, die eine bestimmte Quote an Forschungsdrittmitteln und Publikationen aufweisen) für zunächst fünf Jahre ein eigenständiges Promotionsrecht zu verleihen. Wenngleich diese Kriterien inhaltlich kritisch diskutiert werden, mehren sich mittlerweile sogar in der Kommission Sozialpädagogik der DGFE Stimmen, die dieses Experiment durchaus mit Interesse und Offenheit verfolgen.

2017 wurde von den drei staatlichen Hochschulen in Wiesbaden, Fulda und Frankfurt a.M. mit einer explizit transdisziplinären Orientierung im skizzierten Sinne das hochschulübergreifende Promotionszentrum Soziale Arbeit gegründet, dem 2019 auch die Hochschule Darmstadt beigetreten ist. Derzeit gehören 26 Professor_innen und 38 Doktorand_innen dem Promotionszentrum an. Durch die große Anzahl an Professor_innen kann das Promotionszentrum eine breite Vielfalt von Handlungsfeldern, Adressat_innengruppen, theoretischen Traditionen und methodischen Forschungszugängen der Sozialen Arbeit abdecken, die es Promotionsinteressierten ermöglicht, eine passende Betreuung für das eigene Dissertationsprojekt zu finden. Im Unterschied zu den deutschen Universitäten gibt es eine Trennung von Betreuung und Begutachtung der Dissertationen, von denen sich das Ministerium und der WR eine Qualitätssteigerung, gewerkschaftlich orientierte Promovierende eine größere Unabhängigkeit versprechen. Zur Absicherung der Promovierenden haben diese am Promotionszentrum ein Vorschlagsrecht für ihre Gutachter_innen. Gemeinsam mit ihren Betreuer_innen schließen sie schon im Zuge der Erstellung der Exposés zu ihren Dissertationsvorhaben eine Betreuungsvereinbarung ab, die neben den bilateral getroffenen Vereinbarungen für den Prozess der Promotion auch die Verpflichtung auf die forschungsethischen Grundsätze der DGSA beinhaltet.

Das Promotionszentrum bietet kein strukturiertes Pflichtprogramm für die Promovierenden, wohl aber regelmäßige Workshops zu Fragen von Theorie und Empirie an (jeweils ca. vier pro Jahr), wobei es sich stark an den Interessen der Promovierenden orientiert. Dazu werden auch Referierende bzw. Diskutant_innen von außerhalb eingeladen. Auch schafft es so Foren, um wissenschaftliche Kontroversen in solidarischer Form auszutragen. Darüber hinaus gibt es an den Partnerhochschulen weitere Angebote, wie Doktorand_innen-Kollegs, Interpretationswerkstätten oder wissenschaftliche Austauschforen.

Über den Struktur- und Innovationsfonds des Landes Hessen konnten an einzelnen Partnerhochschulen auch Stellen für Promovierende in der Sozialen Arbeit zusätzlich zu Stellen in dort akquirierten Drittmittelprojekten geschaffen werden. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Personen, die – nicht auf solchen Stellen oder über Stipendien finanziert – neben ihrer beruflichen Tätigkeit an ihrer Promotion arbeiten. Dies stellt sie vor besonders hohe Anforderungen. Auch müssen sie sehr gut abwägen, ob die Workshop- und Unterstützungsangebote des Promotionszentrums und der Partnerhochschulen einen unmittelbaren Gebrauchswert für ihre Dissertation haben oder ob sie ihre kostbare Zeit nicht besser auf ihre eigene Forschung und das Schreiben der Dissertation verwenden. Damit ist das Promotionszentrum mit einer Form bildungsbezogener und sozialer Ungleichheit konfrontiert, die es selbst nicht aufheben kann. Das betrifft auch die Einsozialisation der Promovierenden in die vielfältigen Austauschformen des wissenschaftlichen Diskurses, wie – unterstützt durch die Betreuung – sich mit ersten Zwischenergebnissen für Tagungs- und Zeitschriften- bzw. Sammelbandbeiträge zu bewerben und bei Erfolg dann auch zu erproben.

Leider konnten für die professoralen Mitglieder des Promotionszentrums an den Partnerhochschulen keine einheitlichen Entlastungsregelungen vereinbart werden, sodass auch die Bereitschaft sehr stark schwankt, sich in der Betreuung und darüber hinaus im Promotionszentrum zu engagieren – z. B. durch die aktive Gestaltung von Workshops, die bisher nicht als Lehrdeputat abgerechnet werden können. Als fachlich gesehen wenig sinnvoll erweisen sich auch die nicht nur im Hessischen Promotionszentrum Soziale Arbeit, sondern auch den Graduiertenkollegs in NRW und Bayern zugrunde gelegten Kriterien für Forschungsstärke, die sich an der Höhe eingeworbener Drittmittel und vor allem peer reviewten Zeitschriftenbeiträgen festmachen und damit weder andere für die Soziale Arbeit bedeutsamen wissenschaftlichen Leistungen, vor allem aber keine auf die Dissertationsbetreuung selbst bezogenen Qualifikationen berücksichtigen. So hat der WR empfohlen, „sich in der Qualitäts- und Leistungsbewertung von Forschung auf das weite und prozessorientierte Verständnis von Anwendungsorientierung in der Forschung zu beziehen“ (WR 2020, S. 36), wobei er diverse solcher Kriterien benennt und dafür plädiert, etablierte Bewertungskriterien, wie „die Zahl und Rezeption von Publikationen in Zeitschriften mit einer hohen Reputation sowie die Höhe wettbewerblich eingeworbener Drittmittel“ (ebd., S. 39) zu „kontextualisieren“ (ebd.). Ebenso hat die DGSA in ihrer schon erwähnten Stellungnahme des Vorstandes zum Promotionsrecht entsprechende Qualitätskriterien präzisiert und selbstverständlich sowohl für die Promotionsbetreuung an HAW/FH als auch an Universitäten eingefordert.

Fazit

In Sozialer Arbeit zu promovieren ist in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes: Zum einen ist Soziale Arbeit als Fachwissenschaft erst relativ kurze Zeit anerkannt und hat sich als solche bis heute mit der Abgrenzung zu ihren Bezugswissenschaften auseinanderzusetzen, muss ihren eigenständigen Weg der Weiterentwicklung der eigenen theoretischen wie methodischen Wissensbestände finden und muss sich entsprechend behaupten. Zum anderen ist Soziale Arbeit in Deutschland inzwischen fast ausschließlich nur dort zu studieren, wo die Promotion als eigenständiger Qualifikationsschritt bisher nicht vorgesehen war. In unserem Beitrag haben wir deshalb dafür argumentiert, dass die eigenständige Entwicklung von Forschung die Voraussetzung dafür ist, dass Soziale Arbeit als Profession nachhaltig auf die gesellschaftlichen Problemlagen und Herausforderungen angemessen reagieren kann. Mit der Perspektive auf eine transdisziplinäre Forschungsweise konnte gezeigt werden, dass Forschung in der Sozialen Arbeit gegenüber den sich weiter spezialisierenden Bezugswissenschaften wesentlich zu einer dem Handeln in der Sozialen Arbeit entsprechenden Wissensgenerierung beizutragen vermag.

Ein eigenständiges Promotionsrecht zur Förderung solcher Forschungen für die Fachwissenschaft Sozialer Arbeit stellt somit einen wichtigen Schritt da, der perspektivisch zur Selbstverständlichkeit werden muss – unabhängig davon, an welcher Hochschulform sie als wissenschaftliches Studienfach angeboten wird. Diese Unterscheidung erscheint angesichts der internationalen Entwicklungen zur wissenschaftlichen Qualifikation und Forschung Sozialer Arbeit ohnehin langfristig überholt. Kurzfristig sind die Strukturen, in denen gelehrt, geforscht und Promotionen betreut werden, noch immer höchst ungleich, so dass die Forderung nach mehr Unterstützung für Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen, die Sozialarbeiter_innen qualifizieren, seine Bedeutung behält.