Schulbegleitung, die auch als Integrationshilfe, Teilhabeassistenz oder schulische Assistenz bekannt ist, gewinnt im Horizont inklusiver Bildung zunehmend an Bedeutung. Sie wird als unterstützende sozialrechtlich geregelte Leistung zur Teilhabe an Bildung erbracht (§ 75 SGB IX). Die Begleitung von Kindern und Jugendlichen durch erwachsene Assistenzpersonen bezieht sich nicht allein auf den Unterricht, sondern auf das gesamte Schulgeschehen und kann beispielsweise auch die Begleitung auf dem Schulweg umfassen.

Inklusive Schulen verfügen der Grundidee nach über die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen und stellen mit angemessenen Vorkehrungen (Art. 2 UN-BRK) den diskriminierungsfreien Zugang und das gemeinsame Lernen ihrer gesamten Schülerschaft sicher. Das bedeutet, dass „zusätzliche individuelle Hilfen nicht mehr erforderlich bzw. diese in den Rahmenbedingungen der Schulen gewährleistet sind“ (Schwarz 2012, S. 240).

Unter den gegenwärtigen institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen ist Schulbegleitung hingegen als zusätzliche individuelle Hilfe, die von außen in die Schule „hineinkommt“, konzipiert. Die Maßnahme steht damit geradezu exemplarisch für eine Inklusion voller Widersprüche. Einerseits ermöglicht Schulbegleitung Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen den Schulbesuch. Andererseits wird dieser dadurch häufig an die Voraussetzung einer Schulbegleitung geknüpft. Aufgrund der einzelfallbezogenen Zuordnung der Schulbegleitung zu einem Kind sowie der oft hohen zeitlichen Intensität der Hilfe – Begleitung auf dem Schulweg, während des gesamten Unterrichts, in den Pausen und auf Schulausflügen, Klassenfahrten etc. – birgt Schulbegleitung erhebliche Risiken der Behinderung von Teilhabe. Sie gilt als „wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem“ (Freie Wohlfahrtspflege NRW 2014), und droht gleichzeitig bestehende Strukturen eher noch zu verfestigen (vgl. Rohrmann und Weinbach 2017).

Schulbegleitung als schulexterne Akteursgruppe

Das Spektrum möglicher Aufgaben von Schulbegleitungen ist sehr breit. Vom individuellen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen ebenso wie von der Rahmung, Gestaltung und Dynamik des Schul- und Unterrichtsgeschehens hängt ab, was Schulbegleiter_innen praktisch tun – sowie, ganz wesentlich, von der Zusammenarbeit mit Lehrkräften.

Festhalten lässt sich, dass es sich bei Schulbegleitung um eine personenbezogene soziale Dienstleistung (vgl. Olk et al. 2003) handelt. Sie wird in der Regel durch den jeweils zuständigen Träger der Eingliederungshilfe geleistet. Die organisationale Verfasstheit von Schulbegleitung setzt die sozialrechtliche Feststellung einer Behinderung oder drohenden Behinderung voraus. Für Eingliederungshilfeleistungen für Kinder und Jugendliche, denen amtlich eine „geistige“, „körperliche“ oder „Sinnes-“Behinderung zugeschrieben wird, sind dabei die Träger der Eingliederungshilfe nach SGB IX, für diejenigen, die als „seelisch“ behindert angesehen werden, die Träger der Jugendhilfe nach SGB VIII zuständig. Erbracht wird Schulbegleitung meistens von sozialen Diensten in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege.

Die Hilfeform der Schulbegleitung hat mit der Inklusionsdiskussion eine erhebliche Ausweitung erfahren. Sie hat sich als Integrationshilfe allerdings bereits in den 1980er Jahren im Kontext der politischen Behindertenbewegung und den oftmals von Menschen mit Behinderungen initiierten ambulanten Diensten herausgebildet (vgl. Rohrmann 2020, S. 30 ff.). Als Alternative zu den Anstalten, teilstationären Heimen und Rehabilitationseinrichtungen entwickeln Frauen und Männer mit Körperbehinderung das Modell der selbst bestimmten Organisation der Unterstützung im Arbeitgeber- oder Genossenschaftsmodell und bauen ambulante Dienste auf, die sie bei einem selbstbestimmten Leben „in individuell gewählten und verantworteten Lebensformen“ (Rohrmann et al. 2001, S. 20) unterstützen können (vgl. Weinbach 2016, S. 40).

Die Entwicklung der Hilfeform ist insofern mit einer scharfen Kritik an Sonderschulen und auch von als paternalistisch kritisierten Formen pädagogischer Hilfe verbunden. An die Stelle der pädagogischen Betreuung tritt das Konzept der Assistenz, bei der die Kompetenzen über die Ausgestaltung der Unterstützung bei den Assistenznehmer_innen liegen. Die Unterstützungsbeziehung wird in erster Linie als Dienstleistungsverhältnis verstanden. In den Diskussionen wird allerdings selten reflektiert, was dies für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen bedeutet. Im Laufe der Zeit hat die Hilfeform durch die Bewilligung von Schulbegleitungen in Förderschulen und die Ausweitung auf Schüler_innen, die nicht nur angeleiteter Assistenzleistungen, sondern auch pädagogischer Begleitung bedürfen, ihren kritischen Impetus und ihren Bezug auf Integration verloren. Sie wird daher nun mit dem offenen Begriff der Schulbegleitung bezeichnet. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass gerade dieser Hilfeform eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems zugeschrieben wird und unterstreicht die Widersprüchlichkeit von Inklusion.

Schulbegleitung und das soziale Miteinander in inklusiven Settings

Aus den USA, Großbritannien und Neuseeland liegen bereits seit längerer Zeit praktische Erfahrungen mit und Studien zu paraprofessioneller Unterstützung in der Schule vor. Sie legen nahe, das alltägliche soziale Miteinander von Kindern und Jugendlichen in inklusiven Settings mit Schulbegleitung in den Blick zu nehmen. Denn die Studien weisen auf unterschiedliche Effekte hin, die mit der Hilfeform einhergehen können. Zum einen wird konstatiert, dass Schulbegleitung einzelnen Kindern und Jugendlichen den Besuch der Schule ermöglicht und für ihre Einbeziehung in die Klassengemeinschaft wichtige Beiträge leistet. Als mögliche positive Folgen werden zudem die Unterstützung beim Lernen sowie die Unterstützung der Lehrkraft und der gesamten Klasse hervorgehoben (Schmidt 2016). Risiken von Schulbegleitung werden – zum anderen – in einer verstärkten Abhängigkeit auf Seiten der begleiteten Kinder und Jugendlichen von der Assistenz und ihrer verminderten Selbständigkeit, einer Betonung von Hilfsbedürftigkeit, der personellen Überfrachtung von Lerngruppen und Verantwortungsrücknahme der Lehrkraft, geminderten Lernfortschritten sowie Ausgrenzungen aus der Klassengemeinschaft gesehen (z. B. Broer et al. 2005; Giangreco 2010). Auf die Gefahr der Desintegration durch das „Rucksack-Prinzip“ – die einzelfallbezogene Assistenz behinderter Kinder und Jugendlicher – weist auch Schöler (2002) hin, die sich als eine der ersten Inklusionsforscherinnen im deutschsprachigen Raum mit der Thematik beschäftigt hat.

Es existieren insgesamt bislang erst vereinzelte empirische Studien, die sich mit Sichtweisen von begleiteten Kindern und Jugendlichen und ihren Peers auf die Thematik befassen. Böing und Köpfer (2017) stellen als ein wichtiges Ergebnis ihrer Forschungen fest, dass „eine latente Instrumentalisierung der Schulassistent/innen zur Beibehaltung einer auf Homogenisierung bedachten Unterrichtsgestaltung“ (a. a. O., S. 135) stattfindet. Schulbegleitungen werden in Analogie zu unterschiedlichen Rollen wahrgenommen, in denen sich professionelle und private Beziehungsmuster überschneiden (Mutter, Freundin, Hilfslehrkraft) (vgl. Broer u. a. 2005). Dies spiegelt sich auch in der Wahrnehmung von Mitschüler_innen wieder. So zitieren Ehrenberg und Lücke (2017) im Titel ihres Aufsatzes zur Perspektive von Mitschüler_innen aus einem Interview: „Der hat immer ’ne zweite Mutter bei sich“.

Schulbegleitungen als externe Ressource im Schulgeschehen

Schulbegleitungen sind schwierig in das Kooperationsgeschehen im schulischen Alltag einzubinden. Ihre Position ist in vielerlei Hinsicht durch ein widersprüchliches „Zwischen“ gekennzeichnet. Sie stehen zwischen der partikularen Logik der sozialrechtlichen Einzelfallhilfe und der durch die allgemeine Schulpflicht begründeten Logik schulischer Bildung. Sie sind an die Regeln der Bewilligung von sozialrechtlichen Leistungen und die Vorgaben der individuellen Hilfeplanung gebunden und in das Team des externen sozialen Dienstes eingebunden, sollen aber zugleich in den schulischen Strukturen tätig werden. Sie stehen zwischen dem durch einen Dienstleistungsvertrag begründeten Loyalitätsverhältnis zu den Schüler_innen bzw. ihren Eltern oder Personensorgeberechtigten und dem Bildungsauftrag der Schule. Was passiert, wenn Schüler_innen mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Assistenz den Schulbesuch vermeiden und mit ihren Freund_innen stattdessen anderen, möglicherweise nicht erlaubten Aktivitäten nachgehen wollen? Es ist strukturell ungeklärt, ob und wie eine Kooperation mit Lehrkräften und anderen Berufsgruppen an der Schule stattfindet. Schulbegleitungen nehmen als bezahlte, erwachsene Personen im Schulgeschehen eine Berufsrolle ein und werden zugleich als Bezugspersonen mit Mustern aus dem privaten Bereich wahrgenommen. Sie sollen die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung ermöglichen, markieren aber zugleich eine Besonderheit der von ihnen unterstützten Schüler_innen im Schulalltag und sind so an der Hervorbringung von Behinderungen durch soziale Praktiken beteiligt.

Möglicherweise werden durch die Widersprüchlichkeiten des Einsatzes von Schulbegleitungen in besonderer Weise die Herausforderungen deutlich, die sich mit Inklusion im Bildungssystem stellen. Es ist nicht grundsätzlich problematisch, dass mit dem Ziel der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe Akteure aus unterschiedlichen Feldern, wie der Eingliederungshilfe und dem Bildungssystem, zusammenarbeiten. Dies ist sogar notwendig, um Übergänge in Bildungsbiografien und Risiken der Ausgrenzung in den Blick zu nehmen. Die beteiligten Akteure brauchen dazu jedoch einen geeigneten Rahmen, in dem sie zusammenwirken können.

Dazu ist es einerseits notwendig, dass die sozialrechtlichen Hilfen zur Teilhabe an Bildung in die einheitliche Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe gegeben werden. Auf der anderen Seite ist es notwendig, dass Schulen den Einsatz von Schulbegleitung nicht als externe Ressource begreifen, mit der ein ansonsten exkludierendes Schulsystem nun als inklusiv bezeichnet wird.

Durch die Einbettung des Einsatzes von Schulbegleiter_innen in die Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und Schule können, ähnlich wie durch die Tätigkeit von Schulsozialarbeiter_innen, dann die vielfältigen Verschränkungen (in)formeller und (non-)formaler Prozesse am Lernort Schule zur Sprache gebracht werden, die Inklusion ermöglichen, jedoch auch verhindern können. Der Träger der Jugendhilfe kann auf problematische Verfahren der Zuschreibung einer Behinderung verzichten und mit den Schulträgern vertragliche Vereinbarungen zur Ermöglichung der Teilhabe an Bildung losgelöst von Einzelfällen treffen. Der individuelle Rechtsanspruch auf darüberhinausgehende Leistungen im Einzelfall darf dabei allerdings nicht ausgehebelt werden. In den Verträgen kann der Auftrag der Schulbegleiter_innen und ihre Einbindung in schulische Kooperationsbeziehungen präzisiert und gleichzeitig ein Zusammenhang zur kommunalen Entwicklung eines inklusiven Bildungssystem hergestellt werden. „Notwendig ist es, Widersprüche und Brüche zwischen den Bildungssystemen so zu nutzen, dass Offenheiten und Freiräume für die Gestaltung von Bildungsgeschichten erhalten bleiben, ebenso nötig aber ist es, dass diese allgemeinen Entwicklungen angetriebenen werden durch die dezidierte Förderung gleichsam voranpreschender Modelle“ (Thiersch 2018, S. 175).

Die Ermöglichung einer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen durch inklusive Gelegenheiten zur Bildung ist ein Auftrag, der Schule und Kinder- und Jugendhilfe verbindet. Die gegenwärtigen Maßnahmen, mit denen versucht wird, die Inklusion im Feld der Bildung erfolgreich zum Scheitern zu bringen, machen es um so notwendiger, Inklusion in Widersprüchen und im Winderstand zur Beharrlichkeit bestehender Strukturen zur Sprache zu bringen.