Die „altdeutsch“ programmierten Funktionssysteme unserer Gesellschaft im Bereich der kommunalen Daseinsfürsorge sind zunehmend mit einem Klientel konfrontiert, das die deutsche Sprache (noch) nicht oder nicht im ausreichenden Maße beherrscht, um gleiche Chancen gesellschaftlicher Teilhabe zu haben: Eine verstärkte Migration, aber auch der steigende Anteil von Senioren aus der sog. „Gastarbeitergeneration“ und vor allem deren hier in großer Zahl zu integrierende Kinder und Enkel irritieren auch die Soziale Arbeit als Reparaturinstanz für andernorts nicht erfolgte Inklusion. Dies erfordert ihre „migrationsgesellschaftliche Öffnung“ (Mecheril u.a. 2010).

Doch diese Öffnungsstrategie innerhalb der traditionellen „Komm-Struktur“ erreicht häufig gar nicht die neuen Zielgruppen in ihrem jeweiligen sprachlich-kulturellen Milieu. Oder trotz oberflächlich erfolgreicher Kommunikation ist die notwendige Koproduktion der Dienstleistung mit dem Klientel gar nicht mÖglich, weil das bislang überwiegend monokulturell orientierte Personal gar keine vertrauensvolle Beziehung zu diesen „Fremden“ aufbauen kann. So wird eine Vermittlung zwischen Institution und der unverstandenen, ggf widerständigen migrantischen Lebenswelt durch mehrsprachige, interkulturell-kommunikativ kompetente Personen erforderlich. Diese „TürÖffner“ oder „Brückenbauer“ sollen über das bloße Dolmetschen hinaus mit einer mehr oder weniger qualifizierten Vorbereitung als sog. „Integrationslotsen“, „Stadtteilmütter“, „Elternbegleiter“ oder auch „Sprach- und Integrationsmittler“ das notwendige Minimum an vertrauensvoller Kommunikation ermÖglichen, solange das „fremdsprachige“ Klientel die deutsche Amts- und Bildungssprache nicht ausreichend versteht und die Funktionslogik der jeweiligen Einrichtung noch nicht kennt oder akzeptiert.

Diese TürÖffner-Konzepte weisen unterschiedliche Grade an Professionalisierung, finanzieller Absicherung und Nachhaltigkeit auf. Die Tätigkeit mehrsprachiger interkultureller VermittlerInnen erfolgt je nach Anforderungsprofil und Vorgaben des FÖrderprogramms meist auf ehrenamtlicher Basis mit oder ohne Aufwandsentschädigung, manchmal durch Honorarkräfte oder über befristete Projektstellen (selten mit festangestelltem hauptamtlichem Personal).

Das bürgerschaftliche Engagement von sog. „Integrationslotsen“ ist oft der einzige Ausdruck einer ansonsten in Deutschland noch wenig ausgeprägten Willkommenskultur gegenüber Migranten. Der einleitende Artikel von Alp Otman zeigt die Grenzen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit auf und begründet daraus die Notwendigkeit eines neuen Berufsbilds „Sprach- und IntegrationsmitterIn (SprInt)“ für die professionelle Arbeit im Gesundheits-, Erziehungs-, Bildungs- und Sozialbereich. Der Bericht von Maren Wilmes über die Evaluation des niedersächsischen Integrationslotsenprogramms in Kommunen wird durch Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedskommunen im bundesweiten Qualitätszirkel Integration (Werner Hülsman und Ralf Sabelhaus) und die von Andreas Kapphan und Kai Leptien dargestellte Berliner Lotsenlandschaft mit ihren aktuellen Verwerfungen und problematischen Qualitätsstandards auf der Grundlage kaum nachhaltiger Finanzierungskonstruktionen („Projektitis“) bestätigt: Der vielfältige Einsatz von ehrenamtlichen (überwiegend weiblichen) Integrationslotsen mit und ohne „Migrationshintergrund“ bei der Begleitung von Neueinwanderern und Flüchtlingen, aber auch bereits hier länger lebenden Migranten zu BehÖrdengängen, bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Freizeitangeboten oder etwa als DeutschkurslehrerIn für englisch- oder franzÖsischsprachige Flüchtlinge, ist häufig nicht Ergänzung, sondern unzureichender Ersatz für ein nicht im Regelsystem finanziertes professionelles Dienstleistungsangebot der Migrationsgesellschaft.

Der Beitrag über die Entwicklungsstufen einer sprachlich-kulturellen Vermittlung in der Stadt Essen (Barbara Paaßen und Helmuth Schweitzer) zeigt, wie es gelingen kann, statt überfordertem Ehrenamt professionelle Standards und Nachhaltigkeit dieser Dienstleistung in einer kommunalen Gesamtstrategie zu verankern und als Querschnittsinstrument zur migrationsgesellschaftlichen Öffnung des Regelsystems zu nutzen. Abschließend stellen Fabian Junge und Antje Schwarze das Konzept und die praktischen Erfahrungen beim Einsatz professioneller Sprach- und Integrationsmittler als Wegbereiter einer strukturell abgesicherten Öffnung vor, wie sie inzwischen auch in der Politik zunehmend unterstützt wird (Landtag NRW 2014).