1 Einleitung

Die deutsche Statistische Gesellschaft ehrt mit Heinz Grohmann einen Wissenschaftler, dem es ein Anliegen war, „dass in Wirtschaft und Gesellschaft politikrelevante wissenschaftliche Befunde stets auch die Beschäftigung mit den jeweiligen historischen Hintergründen und den institutionellen Rahmenbedingungen sowie den die Akteure lenkenden Zielsetzungen, Werten und Normen voraussetzt.“Footnote 1 Im Rahmen der Grohmann-Vorlesung 2023 spreche ich über geringfügig entlohnten Beschäftigung, oder wie diese Art der Beschäftigung seit 2003 heißt, Minijobs. Dies ist ein Thema, mit dem ich mich in verschiedenen Forschungsprojekten gemeinsam mit Koautorinnen und Koautoren auseinandergesetzt habe. Ganz im Sinne Grohmanns beginne ich mit den historischen Hintergründen und lege dann die institutionellen Rahmenbedingungen dar. Anschließend berichte ich über die wissenschaftlichen Befunde in unseren Studien und ziehe ein politikrelevantes Fazit.

2 Hintergrund

Zur Definition der „kleinen Jobs“ kann § 8 des SGB IV herangezogen werden. Dort wird geringfügige Beschäftigung in zwei Ausprägungen definiert, zum einen als geringfügig entlohnte Beschäftigung mit einem Arbeitsentgelt unterhalb einer Geringfügigkeitsgrenze. Zum anderen als kurzfristige Beschäftigung mit einer maximalen Dauer von 70 Arbeitstagen. Die Bezeichnung „Minijob“ wurde mit der Hartz-Reform 2002/2003 eingeführt.Footnote 2 Das zentrale Merkmal geringfügiger Beschäftigung ist, dass Beschäftigte auf Einkommen aus diesen Tätigkeiten weder Einkommenssteuer noch Sozialabgaben zu entrichten haben.

Historisch gibt es sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse bereits seit den Ursprüngen der deutschen Sozialversicherung, laut BMAS (2019) seit 1893. Diese Beschäftigungsverhältnisse fanden ebenfalls in der Reichsversicherungsordnung (RVO) von 1911 und im 1977 neu geschaffenen Sozialgesetzbuch (SGB) IV Berücksichtigung. Der Regelungszweck kann in der Vermeidung von Bürokratiekosten bei der Bearbeitung von Bagatellfällen durch die Sozialversicherungen gesehen werden.

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse erfreuen sich großer Beliebtheit. Tab. 1 beschreibt die Anzahl und Art dieser Beschäftigungsverhältnisse zum 31.12.2022. Von den insgesamt 7,6 Mio. geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse waren lediglich 0,15 Mio. kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, der Rest (7,5 Mio.) war geringfügig entlohnt. Ein erheblicher Anteil dieser Beschäftigungen wurden im Rahmen einer Nebentätigkeit wahrgenommen (3,28 Mio. oder 44 %); die Vergünstigungen der Steuer- und Abgabenfreiheit für Beschäftigte gelten auch in diesem Fall. Ende 2022 gab es in Deutschland ca. 45,6 Mio. Erwerbstätige, davon waren 34,7 Mio. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Mit 7,6 Mio. Personen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen war somit grob jede 6. erwerbstätige Person (16 % der Erwerbstätigen) in Deutschland in einem Minijob beschäftigt.

Tab. 1 Häufigkeit geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse am 31.12.2022

Allein die Intensität ihrer Nutzung kann also eine vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen „Minijob“ legitimieren. Darüber hinaus ist es auch von fiskalischer Relevanz, wenn Beschäftigte auf ca. 31,5 Mrd. € Arbeitsentgelt pro Jahr keine Abgaben zu entrichten haben.Footnote 3 Es gibt aber auch weitere Aspekte, die Minijobs zu einem interessanten Thema für die Forschung machen. So wissen wir, dass die Rahmenbedingungen für geringfügige Beschäftigung Anreize für Arbeitgeber setzen und deren Arbeitsnachfrage beeinflussen (Tazhitdinova 2020 und Gudgeon und Trenkle 2023). Auch das Phänomen der Minijobfalle ist weithin bekannt und von erheblichem Interesse. Es beschreibt, dass eine sehr hohe Anzahl von Personen exakt an der oberen Verdienstgrenze von Minijobs beschäftigt sind. Der Hintergrund dafür ist, dass es unattraktiv ist, auch nur einen Euro mehr zu verdienen, da damit der Gesamtverdienst einkommenssteuer- und sozialabgabenpflichtig wird. Der Anreiz über die Minijobverdienstgrenze hinaus zu verdienen ist umso geringer, je höher die einsetzende Abgabenbelastung ist.

Bei ihrer Einführung wurden Minijobs als möglicher Weg aus der Beschäftigungslosigkeit gesehen. Studien haben allerdings inzwischen gezeigt, dass Minijobs kein gut funktionierendes Sprungbrett aus Arbeitslosigkeit sind (Caliendo et al. 2016; Lietzmann et al. 2017). Minijobs haben auch noch weitere Schwächen. In der Corona-Pandemie wurde virulent, dass Minijobber in Krisen nicht durch Kurzarbeitergeld abgesichert sind. Als weiterer Nachteil der Minijobs gilt, dass es den Beteiligten oft nicht bekannt ist, dass auch diese Tätigkeiten den allgemeinen Schutzvorschriften des Arbeitsrechts unterliegen, mit Ansprüchen auf Urlaubs- und Krankengeld ebenso wie Mutterschutz. Attraktiv sind Minijobs hingegen erstens, da sie für Betriebe einen relativ flexiblen Zugang zu Arbeitskräften erlauben. Zweitens bieten sie für Beschäftigte unbürokratische Möglichkeiten für abgabenfreie Zuverdienst, und drittens kann mit den flexiblen Regelungen Schwarzarbeit begrenzt werden. Das Thema der kleinen Jobs bietet vor diesem Hintergrund ihrer Stärken und Schwächen ein interessantes Forschungsfeld. In den folgenden Abschnitten stelle ich drei Beispielstudien zu diesem Themenbereich vor.

3 Sind Minijobs Substitute für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?

Collischon et al. (2021) untersuchen die Frage, wie Arbeitgeber auf die Änderungen in der Attraktivität von Minijobs in Bezug auf die Auswahl und Zusammensetzung der Beschäftigungsformen in ihrem Betrieb reagieren. Prinzipiell wäre es denkbar, dass Minijobs und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in einem Substitutions- oder einem Komplementaritätsverhältnis stehen. Im ersten Fall sinkt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Betrieb, wenn Minijobs attraktiver und vom Arbeitgeber stärker eingebunden werden. Im zweiten Fall entwickelt sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Betrieb parallel mit der von Minijobs, etwa wenn Minijobs attraktiver und vom Arbeitgeber stärker nachgefragt werden. Wenn man das Ausmaß der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Betrieb auf das Ausmaß der Minijobbeschäftigung regressiert, klärt der Koeffizient der Minijobbeschäftigung ob es einen positiven Komplementaritäts- oder einen negativen Substitutionszusammenhang gibt. Diese direkte Schätzung kann allerdings durch eine mögliche Endogenität der Minijobbeschäftigung verzerrt werden, wenn es beispielsweise unbeobachtete betriebliche Faktoren gibt, die beide Beschäftigungsformen beeinflussen.

Um die Frage nach Substitut oder Komplement verlässlich zu beantworten, nutzt die Studie ein Instrumentvariablenschätzverfahren. Dabei dienen die pauschalen Abgaben, die Betriebe auf Minijobverdienste zu bezahlen haben als Instrument. Die Abgaben betrugen seit dem 01.04.1999 22 %, stiegen am 01.04.2003 auf 25 % und am 01.07.2006 auf 30 %. Diese exogenen Änderungen determinieren auf der ersten Stufe des Instrumentvariablenschätzers als Instrumente das Ausmaß von geringfügiger Beschäftigung in Betrieben (first stage). In der zweiten Stufe wird das Ausmaß sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (gemessen in Personenzahl und Arbeitsstunden sowie deren logarithmierten Werten) neben anderen Kontrollvariablen auf die betriebliche Minijobbeschäftigung regressiert: Hierbei würde ein negativer Koeffizient der Minijobbeschäftigung auf eine Substitutionsbeziehung zwischen den beiden Beschäftigungsformen hinweisen.

Die Untersuchung verwendet die Daten des Betriebshistorikpanels. Die Daten werden vom Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bereitgestellt. Genutzt werden Beobachtungen aus den Jahren 1999–2014. Der Fokus liegt auf der Untersuchung kleiner Betriebe (0–9 Beschäftigte), die relativ häufig geringfügige Beschäftigung nutzen. Im Datensatz machen die kleinen Betriebe knapp 80 % aller Betriebe aus. In diesen kleinen Betrieben sind im Durchschnitt circa 40 % der Beschäftigten geringfügig beschäftigt.

Die Ergebnisse der Schätzung zeigen, dass es zwischen Minijob und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung tatsächlich eine Substitutionsbeziehung gibt: wenn Minijobs unattraktiver werden, steigt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und umgekehrt. Dieses Ergebnis zeigt sich unabhängig davon, wie die Beschäftigung gemessen wird (Personenzahl oder Arbeitsstunden, mit und ohne Logarithmierung). Dieser Befund bedeutet, dass es dazu kommen kann, dass Minijobs reguläre Beschäftigung verdrängen.

4 Tragen Minijobs zur „motherhood penalty“ bei?

Collischon et al. (2023) leisten einen Beitrag zur Literatur um die sogenannte „motherhood penalty“. Das Konzept der „motherhood penalty“ beschreibt das Ausmaß der langfristigen Arbeitsmarkteinbußen für Mütter in den ersten Jahren nach einer Geburt. In einer bekannten Studie haben Kleven et al. (2019) gezeigt, dass die mütterlichen Verdienstreduktionen 10 Jahre nach einer Geburt im Durchschnitt z. B. in Dänemark 21 % betragen, in den USA 31 % und in Deutschland 61 %. Die Studie von Collischon et al. (2023) wendet sich der Frage zu, ob institutionelle Regelungen und Anreize, die von der Politik gesetzt werden, die vergleichsweise extreme Lage in Deutschland erklären können. Dazu wird untersucht, welche Auswirkungen es auf den Arbeitsmarkterfolg von Müttern hat, wenn sie nach einer ersten Geburt mit einem Minijob wieder in den Arbeitsmarkt einstiegen. Der Hintergrund dieser Überlegung ist, dass der Einstieg in Minijobs aufgrund der „Minijobfalle“ langfristige Konsequenzen für das mütterliche Arbeitsangebot (und spätere Rentenansprüche) haben kann. Denn sobald Mütter das Arbeitsangebot über den Minijobverdienst hinaus ausweiten, werden Einkommenssteuern und Sozialversicherungsabgaben fällig. Dies mag für alleinstehende Personen noch in den Freibetrag der Steuerklasse I fallen. Allerdings nutzen Mütter oftmals Steuerklasse V, was zu hohen Grenzsteuersätzen führt. Dadurch erscheint eine Verdienstausweitung über die Minijobverdienstgrenze hinaus als sehr unattraktiv: sofern sich aus dem Verdienst des Ehepartners eine Durchschnittssteuerbelastung von beispielsweise 30 % ergibt, muss sich jenseits des Minijobverdienstes das Bruttoeinkommen verdoppeln, um nach Steuern und Sozialversicherungsabgabe das gleiche Nettoentgelt wie an der Minijobverdienstgrenze zu erzielen. Dies setzt starke Anreize gegen eine Rückkehr in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Die Studie nutzt einen sogenannten Event-Study-Ansatz für gematchte Daten: sie vergleicht die langfristige Entwicklung der Wahrscheinlichkeit, sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein sowie die Bruttoverdienste für Mütter, die nach der Geburt einen Minijob aufnehmen relativ zu Müttern die nach der Geburt in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückkehren. Hierbei werden mittels eines Propensity Score Matching-Ansatzes nur solche Mütter aus beiden Gruppen verglichen, die die gleiche ex ante Wahrscheinlichkeit haben, einen Minijob aufzunehmen.

Die Untersuchung verwendet die Daten der Stichprobe integrierter Erwerbsbiographien (SIAB), die vom Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bereitgestellt werden. Betrachtet werden westdeutsche Frauen, die vor der Geburt in Vollzeit beschäftigt waren und die in den Jahren 1999–2006 ihre erste Geburt hatten. Ein Jahr nach der Geburt nehmen ca. 15 % der Mütter einen Minijob auf, 21 % kehren in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurück und 64 bleiben nicht erwerbstätig.

Die Ergebnisse der Schätzungen zeigen, dass im Vergleich zu den sofort wieder regulär beschäftigten Müttern jene Mütter, die ursprünglich einen Minijob nutzten, im Mittel auch 10 Jahre nach der Geburt noch seltener sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und langfristig signifikant niedrigere Verdienste haben. Zu den Mechanismen gehört, dass Minijobs im Mittel weniger anspruchsvoll und weniger stabil sind als andere Erwerbstätigkeiten. Im Vergleich zu Müttern, die nach der Geburt nicht in die Erwerbstätigkeit zurückkehren, haben Mütter in Minijobs keine signifikanten langfristigen Arbeitsmarktvorteile. Die Ergebnisse erweisen sich in zahlreichen Robustheitstests als stabil auch wenn methodisch alternative Vorgehensweisen gewählt werden.

Im Ergebnis leisten Minijobs einen Beitrag zur großen „motherhood penalty“ in Deutschland. Makroökonomisch verschärft diese geringfügige Beschäftigung von mehreren Hunderttausend ausgebildeten Müttern den Fachkräftemangel.

5 Helfen Midijobs dabei, die Minijobfalle zu überwinden?

Schon 2003 war das Problem der Minijobfalle bekannt: Der Anreiz, im Minijob zu verbleiben, verhindert, dass Beschäftigte ihr Arbeitsangebot über die Minijobverdienstgrenze hinaus ausdehnen. Daher wurden Midijobs eingeführt, die den Weg aus der Minijobfalle erleichtern sollten. Midijobs sind Beschäftigungsverhältnisse mit Bruttoeinkommen zwischen der Minijobverdienstgrenze (2003: 400 €) und ursprünglich einer Obergrenze von 800 € pro Monat. In diesem Midijobverdienstfenster (400–800 € pro Monat) werden Sozialversicherungsabgaben der Beschäftigten so subventioniert, dass sie bei Übertritt aus Minijobs an der unteren Grenze zunächst deutlich reduziert sind und dann mit steigendem Bruttoverdienst anwachsen. Bei einem Bruttomonatsverdienst von 800 € laufen Midijobs aus und die Sozialversicherungsabgaben entsprechen denen aus unsubventioniertem Einkommen. Midijobs enthalten keine Erleichterung bezüglich der Einkommenssteuer. Die Einkommenssteuerbefreiung entfällt bei Überschreiten der Minijobverdienstgrenze. Abb. 1 stellt den Verlauf der Nettoverdienste mit und ohne Midijobsubvention für eine Situation ohne Einkommenssteuern dar. Ohne Midijobsubvention ergibt sich für den Verlauf der Nettoverdienste die untere rote Linie. Mit Midijobsubvention ist der Sprung an der Minijobverdienstgrenze von 400 € deutlich abgeschwächt.

Abb. 1
figure 1

Nettoverdienstverlauf mit und ohne Midijobsubvention (ohne Einkommenssteuer). Hinweis: Die Abbildung stellt die Situation in den Jahren 2003–2012 dar. In dieser Zeit lag die Minijobverdienstgrenze bei 400 € pro Monat. Quelle: Eigene Darstellung

Herget und Riphahn (2023) untersuchen, ob die Einführung der Midijobsubvention im Jahr 2003 tatsächlich dazu beigetragen hat, die Minijobfalle zu überwinden und die Übergangswahrscheinlichkeit von Minijobs in reguläre Beschäftigung zu erhöhen. Dazu werden zwei getrennte methodische Vorgehensweisen genutzt. Erstens wird geprüft, ob es zum Zeitpunkt der Einführung der Midijobs, am 01.04.2003, einen plötzlichen Anstieg in der Übergangsrate in Minijobbeschäftigung gab (regression discontinuity in time). Zweitens kommt ein Differenz-in-Differenzen-Ansatz zum Einsatz. Dabei werden die Entwicklungen der Übergangsraten aus Minijobs in reguläre Beschäftigung für zwei Gruppen verglichen. Eine Gruppe sollte von der Midijobeinführung profitieren, die anderen nicht. Unterscheiden sich die zeitlichen Entwicklungen der Übergangsraten für die beiden Gruppen, so war die Reform wenigstens teilweise erfolgreich.

Als Gruppe, die von der Midijobeinführung profitieren sollte, werden nichtverheiratete Personen betrachtet. Für diese verschiebt sich im Regelfall die Nettoeinkommenslinie durch die Reform so wie es in Abb. 1 dargestellt ist. Betrachtet man hingegen verheiratete Personen, so sind diese aufgrund des Ehegattensplittings in Deutschland ab der Minijobverdienstgrenze im Normalfall mit relativ hohen Einkommenssteuern belastet. Diese Steuern verschieben beide Nettolinien in Abb. 1 jenseits des Bruttoeinkommens von 400 € pro Monat entsprechend der Steuerbelastung nach unten. In diesem Fall spielt die Midijobeinführung eine deutlich kleinere Rolle also ohne Steuern. Wir erwarten aufgrund der nicht subventionierten Einkommenssteuerlast, die ab einem Bruttoverdienst von 401 € auftritt, einen Fortbestand der Minijobfalle auch nach der Midjobeinführung für verheiratete Beschäftigte.

Die Untersuchungen nutzen für den ersten Teil der Untersuchung die Daten der Stichprobe integrierter Erwerbsbiographien (SIAB), die vom Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bereitgestellt werden. Betrachtet werden Personen in Minijobs im Zeitraum 2002 bis 2004. Die Ergebnisse zeigen hier starke Unterschiede im Transitionsverhalten von Männern und Frauen in Minijobs. Die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs in reguläre Beschäftigung erhöht sich signifikant am 01.04.2003 für Männer (10 % der Minijobber) aber nicht für Frauen (90 % der Minijobber).

Für den zweiten Teil der Untersuchung nutzen wir Daten des Deutschen Sozioökonomischen Panels (SOEP), da der Familienstand in den Verwaltungsdaten nicht verfügbar ist. Die Schätzungen ergeben signifikant stärkere Übergangsraten aus Minijobs in reguläre Beschäftigung für Personen, die nach der Reform unverheiratet waren (10 % der Minijobber), als für verheiratete Personen (90 % der Minijobber). Im Ergebnis zeigt sich im Mittel ein positiver Effekt der Midijobeinführung auf die Übergangswahrscheinlichkeit aus Minijobs in reguläre Beschäftigung für die Gruppe der Nichtverheirateten.

In der Summe zeigen sich die politisch intendierten Verhaltensreaktionen auf die Einführung von Midijobs. Diese Reaktionen sind aber auf kleine Gruppen von Minijobbern konzentriert (männliche und unverheiratete Minijobber), so dass die überwiegende Mehrheit der Zielgruppe der Minijobber von der Reform nicht profitierte.

6 Fazit

Die Studien bestätigen, dass Arbeitgeber reguläre Beschäftigung durch Minijobs ersetzen (und umgekehrt), dass Minijobs zur „motherhood penalty“ in Deutschland beitragen, und, dass Midijobs Übergängen aus Minijobs in reguläre Beschäftigung für die meisten Minijobber nicht erleichtert haben.

In der Summe zeigen diese Befunde ungünstige Folgen der Regulierungen kleiner Jobs. Zu den eingangs benannten Nachteilen der Minijobs kommt nun hinzu, dass sie reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängen könnten, dass sie die Ausweitung des Arbeitsangebots behindern können und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich stark betroffen sind. Der Bundesregierung sind diese Herausforderungen bewusst. Im Koalitionsvertrag von 2021 ist zu lesen: „Bei den Mini- und Midi-Jobs werden wir Verbesserungen vornehmen: Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen. (…) Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden.“ (Koalitionsvertrag 2021, S. 70). Seither wurden die monatlichen Verdienstobergrenzen für Minijobs ausgedehnt (von 450 € 2021 auf 538 € ab 01.01.2024) und die Midijobsubventionen wurden seit dem 01.01.2023 bis zu einer Obergrenze von 2000 € ausgeweitet. Gleichzeitig sind bislang weder die Hürden für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung abgebaut noch eine Reduktion der Teilzeitfalle umgesetzt worden.

Dabei bieten sich zahlreiche (alternative) Reformoptionen für „kleine Jobs“ an. Es könnte erwogen werden, die Minijobsubventionen für Nebentätigkeiten abzuschaffen oder zu reduzieren und die Subvention der Minijobs als ausschließliche Beschäftigung zu reformieren; dabei könnten Schüler und Schülerinnen, Studierende, oder Rentner und Rentnerinnen anders behandelt werden als andere Erwerbstätige, da für sie die Minijobfalle weniger relevant ist. Die umfassendste Reform wäre eine Abschaffung der Minijobs im Haupterwerb; dies erzeugt jedoch das Risiko vermehrter Schwarzarbeit und gibt die Vorteile der flexiblen Beschäftigungsform vollständig auf. Eine mögliche Alternative könnte darin bestehen, die Dauer der Minijobnutzung individuell zu begrenzen (z. B. maximal 60 Monate lebenslang). Allerdings wären in dieser Situation sowohl ein hoher Verwaltungsaufwand als auch Umgehungsaktivitäten zu erwarten. Eine pragmatischere Vorgehensweise könnte hingegen darin liegen, die Minijobverdienstgrenze deutlich zu reduzieren (bspw. auf 250 oder 300 € pro Monat). Dies bewahrt die Flexibilität der Beschäftigungsform und erhöht für die Betroffenen die Anreize, in reguläre Beschäftigung zu wechseln. Eine weitere Alternative wäre es, die Einkommensteuerfreiheit der Minijobs abschaffen. Für Alleinverdienende (Steuerklasse I) wäre dies aufgrund des Grundfreibetrags unerheblich. Für andere wird auf diesem Weg die Teilzeitfalle reduziert; gleichzeitig wäre allerdings eine Reduktion des Arbeitsangebots zu erwarten. Es gibt innovative Vorschläge, die darauf abheben, die degressive Subvention der Sozialversicherungsbeiträge bereits ab dem ersten verdienten Euro statt erst oberhalb der Minijobverdienstgrenze starten zu lassen. Diese Alternative zu Midijobregelung löst allerdings nicht das aus der Einkommenssteuer resultierende Problem der Minijobfalle.

Es bleibt abzuwarten, ob die politischen Entscheidungsgremien sich zu einer Reform durchringen können. Unabhängig davon, wird die empirische Arbeitsmarktforschung die Entwicklungen weiter begleiten, um politischen Entscheidungsgremien auch weiterhin möglichst relevante und informative Evidenz bereit zu stellen.