1 Einleitung

In Deutschland wird zurzeit ein gesellschaftlicher Diskurs über Feinstaubbelastung und ihre Folgen für Mensch und Umwelt geführt. Akteure der Umwelt- und Wirtschaftspolitik beteiligen sich daran ebenso wie Personen aus den Natur‑, Umwelt- und Lebenswissenschaften einschließlich der Medizin. Darüber hinaus haben Feinstaubemissionen und Feinstaubimmissionen – wie auch alle anderen Umweltbelastungen – ökonomische Effekte. Die Produktion, der Vertrieb und Transport, ebenso wie der Konsum von Gütern und Dienstleistungen sind ohne Umweltbelastungen nicht möglich. Aus ökonomischer Sicht ist Umwelt daher – unter anderem – sowohl ein Produktionsfaktor als auch ein Konsumgut. Allerdings wird der Umwelteinsatz und -verbrauch als negativer externer Effekt bisher nicht oder nicht im erforderlichen Umfang in den entsprechenden Wirtschaftsrechnungen internalisiert.

Umweltbelastungen haben nicht nur negative Wirkungen auf Gesundheit und subjektives Wohlbefinden, sondern auch auf die Produktivität der Beschäftigten (siehe z. B. Graff Zivin und Neidell, 2012, 2013; Chang et al., 2016; Ebenstein, Lavy und Roth, 2016; Lichter, Pestel und Sommer, 2017; Archsmith, Heyes und Saberian, 2018; Chang et al., 2019; He, Liu und Salvo, 2019). Luftverschmutzung ist des Weiteren korreliert mit der Qualität politischer Reden (Heyes, Rivers und Schaufele, 2019), mit Kriminalität und unethischem Verhalten (Lu et al., 2018; Herrnstadt et al., 2018; Burkhardt et al., 2019; Roth, Bondy und Sager, 2019) und Schlaflosigkeit (Heyes und Zhu, 2019), um nur einige weitere Effekte zu nennen.

In diesem Beitrag wird der Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung in Deutschland empirisch-deskriptiv untersucht. Der Beitrag wird als Grundlagenarbeit verstanden. Dabei stehen zwei Fragen im Mittelpunkt. Zum einen wird geprüft, ob höhere Feinstaubbelastungsniveaus auf Kreisebene unter ansonsten möglichst ähnlichen Bedingungen mit niedrigerer Lebenserwartung der Bevölkerung einhergehen. Darüber hinaus wird untersucht, ob eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Veränderung von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung besteht. Es handelt sich hier also um eine so genannte ökologische Studie. Ob die Feinstaubbelastung für die Veränderung der Lebenserwartung kausal ist, kann damit nicht gesagt werde. Da es aber keine Kausalität ohne Korrelation gibt, ist letztere ein erster, wenn auch kleiner, Baustein bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung.

Einschränkend ist zu erwähnen, dass lediglich Feinstaubbelastungen außerhalb von Gebäuden (outdoor) berücksichtigt werden können, da für Deutschland keine Daten zur Belastung innerhalb von Gebäuden (indoor) vorliegen. Dass auch Indoor-Belastungen negative Effekte haben, zeigt die empirische Studie von Künn, Palacios und Pestel (2019), die statistisch signifikant mehr Fehlzüge bei Schachspielern in Abhängigkeit von der Feinstaubkonzentration PM\({}_{2,5}\) finden.Footnote 1 Nach einer australischen Studie (Morawska et al., 2001) beträgt die Relation von Außen- zu Innenbelastung unabhängig vom Lüftungsverhalten etwa eins zu eins. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Bevölkerung in hochentwickelten Volkswirtschaften mehr als 90 % des Tages innerhalb von Gebäuden verbringt (Fromme, 2012). Des Weiteren wäre eine Differenzierung der biologischen Effekte des Feinstaubs von den verhaltensbedingten Effekten erforderlich (Graff Zivi und Neidell, 2013). In diesem Beitrag können nur die regionalen Unterschiede hinsichtlich der Feinstaubkonzentrationen unterschieden werden.

Um diese deskriptiven Studie zu verfeinern, werden einige weitere Faktoren berücksichtigt, die die regionalen Differenzen in den Feinstaubbelastungen einerseits wie auch die Lebenserwartung andererseits beeinflussen können. Der zentrale Faktor ist dabei das verfügbare Einkommen, wozu auf Kreisebene Daten der amtlichen Statistik vorliegen. Daneben wird für das Bildungsniveau, städtisch geprägte Kreise sowie für Ostdeutschland kontrolliert. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine höhere Feinstaubkonzentration signifikant negativ mit der Lebenserwartung korreliert ist. Allerdings ist unklar, wie sich die Zuwächse an Lebenserwartung bei weiterer Senkung der Feinstaubbelastung verändern (siehe für unterschiedliche Ergebnisse z. B. Pope et al., 2020, Figure. 6. A, S. 7; Kim et al., 2020, Fig. 2. C, S. 553; Fantke et al., 2019, Fig. 4.(a), S. 6863; Yang et al., 2020, Fig. 1, S. 5).

Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Nach einem Einblick in die einschlägige Literatur und der Darstellung der für die Analyse zur Verfügung stehenden Datengrundlage werden die verwendeten Methoden beschrieben und anschließend die gewonnenen Ergebnisse diskutiert. Die Resultate des Beitrags werden in einem Fazit zusammengefasst.

2 Selektive Ergebnisse der Literatur

In der Einleitung wurde bereits auf die Literatur zu den diversen Effekten der Luftverschmutzung, insbesondere durch Feinstaub, hingewiesen. In diesem Abschnitt werden nur solche Beiträge berücksichtigt, die explizit Aussagen zum quantitativen Zusammenhang von Luftverschmutzung und Sterblichkeit bzw. Lebenserwartung enthalten.

Ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 100 nm (Nanometer) sind insbesondere in der Luft von Städten enthalten. Sie stammen überwiegend aus dem Straßenverkehr (Kumar et al., 2014). Insbesondere Feinstaubpartikel der Größe PM\({}_{2,5}\) sind mit verschiedenen Krankheiten wie u. a. Herz- und Atemwegserkrankungen (Stockfelt et al., 2017; Hamanaka und Mutlu, 2018; Falcon-Rodriguez et al., 2016; Losacco und Perillo, 2018), Lungenkrebs (Hamra et al., 2014), Diabetes Typ 2 (Liu et al., 2019), Bluthochdruck (Yang et al., 2018) sowie chronischen Nierenerkrankungen (Bragg-Gresham et al., 2018) korreliert.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt in ihrer neuesten Einschätzung von Gesundheitsrisiken weltweit, der so genannten „Global Burden of Disease“, dass die Umweltverschmutzung durch Feinstaub mit zu den am stärksten angestiegenen Risiken (im Zeitraum 1990 bis 2019 und 2010 bis 2019) gehört (GBD, 2019, 1228). Bei den Gesundheitsrisiken liegt die Feinstaubbelastung, gemessen an der Zahl der dadurch verursachten vorzeitigen Todesfälle, global an siebter Stelle (GBD, 2019, S. 1236, Panel A: All Ages). Das Health Effects Institute (2020) gibt an, dass von 2010 bis 2019 die Belastung mit PM\({}_{2,5}\) in den USA um 1,6 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) und in Deutschland im gleichen Zeitraum um 4,3 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) gesunken ist. Demgegenüber stieg diese Belastung insbesondere in Indien (6,5 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\)), Bangladesh (7,0 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\)) und Nigeria (7,5 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\)). Dies verweist darauf, dass Feinstaub in weniger entwickelten Ländern ein größeres Problem darstellt und mit dafür verantwortlich ist, dass die Feinstaubbelastung global einen hohen Stellenwert bei den Todesursachen darstellt. In den USA, Deutschland und den anderen Ländern, deren Feinstaubwerte zurückgegangen sind – sofern sich die epidemiologischen Gegebenheiten und die Übertragung des Risikos auf Erkrankungen und Todesfälle nicht geändert haben –, müsste die damit in Zusammenhang stehende Zahl der Todesfälle zurückgegangen sein.

Apte et al. (2015) verwenden Satellitendaten zur Bestimmung der Feinstaubkonzentration und das WHO-Modell zur Modellierung des Zusammenhangs von Feinstaubkonzentration und vorzeitigen Todesfällen. Mit Konzentrationsdaten für PM\({}_{2,5}\) ermitteln sie, dass von den 3,2 Millionen Toten pro Jahr, die der Feinstaubbelastung zugerechnet werden, 23 % (750.000 Personen) weltweit gerettet werden könnten. Das würde allerdings eine aggressive Umsetzung des Interims-Ziels der WHO von 15 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) (WHO, 2006, S. 11, Table 1) erfordern. In den relativ sauberen Regionen Europa und Nordamerika könnten nach dieser Studie bereits mäßige Reduktionen der Feinstaubbelastung die Mortalität stark reduzieren (Apte et al., 2015).

Für etliche Länder liegen Studien vor, die mit unterschiedlichen Methoden den Zusammenhang von Feinstaubbelastung und Todesfällen sowie der Lebenserwartung thematisieren. Mit Daten einer nordchinesischen Region konnte in einem natürlichen Experiment festgestellt werden, dass eine Langzeit-Belastung mit zusätzlichen 100 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) TSP (total suspended particulates) die Lebenserwartung bei Geburt um etwa drei Jahre verkürzt (Chen et al., 2013). Allerdings ist dies eine sehr hohe Belastung durch Luftverschmutzung. In einer Folgestudie für dieselbe Region ergab sich, dass eine 10-\(\upmu\)g/m\({}^{3}\) Erhöhung der Luftverschmutzung (Partikel kleiner oder gleich 10 \(\upmu\)m) die Lebenserwartung um 0,64 Jahre verkürzt (Ebenstein et al., 2017). Die Implikation dieser Studien ergibt für China einen sehr großen Effekt bei Anwendung der WHO-Empfehlungen für diese Partikelgröße. In einer neueren Studie mit Daten von mehr als einer Million Todesfällen in 72 chinesischen Städten von 2013 bis 2016 kommen Qi et al. (2020) zum Ergebnis, dass sowohl kurz- als auch langfristig eine hohe Feinstaubbelastung die Sterblichkeit erhöht und die Lebenserwartung verkürzt. Nach den Ergebnissen der Studie könnten 1 % der insgesamt verlorenen Lebensjahre vermieden und 0,14 Jahre Lebenserwartung für jeden Todesfall gewonnen werden, wenn das WHO-Ziel einer Feinstaubbelastung PM\({}_{2,5}\) von 25 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) erreicht würde (Qi et al., 2020). Für Taiwan kommen Chen et al. (2019) in einer ökologischen Studie auf Kreisebene inklusive sozioökonomischer Kovariate über die Jahre 2010 bis 2017 zum Ergebnis, dass ein Anstieg der Belastung mit PM\({}_{2,5}\) zu einem Rückgang der Lebenserwatung erwachsener Personen um 0,3 Jahre führt. Für Indien wurden im Rahmen der WHO Berechnungen 2017 weit höhere Werte für den Einfluss von Feinstaub auf die Lebenserwartung gefunden, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass in Indien die Verwendung fester Brennstoffe in Privathaushalten zu zusätzlichen Feinstaubbelastungen führt (Indian Air Pollution Collaborators, 2019). In der Folge verkürzt dort Feinstaub die Lebenserwartung um durchschnittlich 1,7 Jahre, im sozial schwächeren Nordindien sogar um 2 Jahre (Indian Air Pollution Collaborators, 2019).

Mittels einer ökologischen Studie kommen Correia et al. (2013) mit jährlichen Daten der USA auf Kreisebene (545 U.S. counties) zur Belastung mit PM\({}_{2,5}\), der Lebenserwartung auf Kreisebene sowie den Kovariaten sozioökonomischer Status, Rauchen und anderen demographischen Angaben über den Zeitraum 2000 bis 2007 zum Ergebnis, dass eine Reduktion der PM\({}_{2,5}\) Belastung um 10 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) die mittlere Lebenserwartung um 0,35 Jahre erhöht. Dabei weichen die Ergebnisse in Städten und auf dem Land voneinander ab, und zwar liegt die Feinstaubbelastung in Städten und dicht besiedelten Gebieten höher. In einer spatiotemporalen statistischen Studie mit Daten für die USA von 1999 bis 2015 auf Kreisebene, in welcher verschiedene andere Determinanten der Sterblichkeit berücksichtigt wurden, wie z. B. das Prokopf-Einkommen, Armut, Highschool-Absolventen, städtische Regionen, mittlere Temperaturen und relative Luftfeuchtigkeit, finden Bennett et al. (2019), dass PM\({}_{2,5}\) Konzentrationen von über 2,8 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) dafür verantwortlich sind, dass die Lebenserwartung insgesamt um 0,15 Jahre für Frauen und 0,13 Jahre für Männer verkürzt wird.

In Tab. 1 sind Schätzungen der WHO und der Europäischen Umweltbehörde EEA (European Environmental Agency) zur Feinstaubkonzentration und den geschätzten verlorenen Lebensjahren infolge von Feinstaub für Deutschland wiedergegeben. Der von der WHO empfohlene Grenzwert für die PM\({}_{2,5}\) Konzentration liegt bei 10 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) (WHO, 2006, S. 11, Table 1).

Tab. 1 Feinstaubkonzentration und verlorene Lebensjahre in Deutschland für 2012 und 2016. Quellen der Daten: WHO (2016), EEA (2015), EEA (2019)

Zum Vergleich und zur Einschätzung der deutschen Daten beliefen sich die verlorenen Lebensjahre pro 100.000 Einwohner in Europa insgesamt bei einer jahresdurchschnittlichen PM\({}_{2,5}\) Konzentration von 14,4 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) für das Jahr 2016 auf 900 Jahre. Für Großbritannien wurden für 2008 insgesamt 29.000 Todesfälle in Folge von PM\({}_{2,5}\) bedingter Luftverschmutzung geschätzt, die einem Verlust von 340.000 Lebensjahren entsprachen (COMEAP 2010, S. 90; zur Verdeutlichung wird in der Studie angemerkt, dass die genauere Angabe zu der Zahl der geschätzten Todesfälle lauten müsste „an effect equivalent to a specific number of deaths at typical ages“, ebd., S. 92).

Mit state-of-the-art Methoden der Epidemiologie, die auf so genannten „exposure-response“-Funktionen beruhen, die mittels individueller Daten weltweit ermittelt werden, kommen Lelieveld et al. (2019) zum Ergebnis, dass in Europa 790.000 Todesfälle auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, gegenüber 412.000, die die EEA (2019) für 2016 errechnet. Für Deutschland berichten Lelieveld et al. (2019) 154 Todesfälle pro 100.000 Einwohner und insgesamt 2,1 Millionen verlorene Lebensjahre. Darüber hinaus kommen Lelieveld et al. (2019) aufgrund der Luftverschmutzung zu einer Verkürzung der Lebenserwartung in Deutschland von 2,4 Jahren (Europa: 2,2 Jahre).

Insgesamt scheint es demnach, dass die Feinstaubbelastung in Deutschland zwar über die Zeit zurückgegangen ist, aber dennoch ein beachtlicher gesundheitsschädigender Effekt mit entsprechend hoher Zahl von Todesfällen und verlorener Lebenszeit nachweisbar ist. Im Folgenden soll anhand von deutschen Daten auf der Kreisebene untersucht werden, ob aufgrund dieser Daten Aussagen über die Korrelation von Feinstaubkonzentration und Lebenserwartung Neugeborener sowie über die Korrelation von deren Veränderungen der beiden Variablen gemacht werden können. Die Methodik ist eine andere als diejenige medizinischer und epidemiologischer Studien. Der Ausgangspunkt ist eine Black Box des Krankheitsgeschehens. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass Feinstaub ein multifaktorielles Gesundheitsrisiko darstellt. Wenn dem so ist, dann zeigt sich das in einer entsprechend negativen Korrelation mit der Lebenserwartung. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es andere, bekannte Faktoren gibt, die einen statistisch und tatsächlich signifikanten Einfluss auf die Lebenserwartung haben.

3 Datengrundlage

Die wichtigsten Variablen für die folgende empirische Untersuchung sind die Lebenserwartung Neugeborener und die Feinstaubbelastung mit PM\({}_{10}\).

Die durchschnittliche Lebenserwartung Neugeborener wird statistisch auf Grundlage der beobachtbaren altersspezifischen Mortalitätsraten bestimmt. Dabei wird angenommen, dass sich die Sterblichkeitsverhältnisse zum Zeitpunkt der Geburt im weiteren zeitlichen Verlauf nicht verändern. Veränderungen von Faktoren im zeitlichen Verlauf, die Einfluss auf die Lebenserwartung haben, bleiben dabei folglich unberücksichtigt (Abels, 1993, S. 90 ff.) Somit beschreibt die Lebenserwartung Neugeborener das nicht durch die gesellschaftliche Altersstruktur verzerrte durchschnittliche Alter der Verstorbenen.

Für Deutschland wird die Lebenserwartung Neugeborener auf Kreisebene durch das Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR) für alle 401 KreiseFootnote 2 in gleitenden Dreijahresdurchschnitten veröffentlicht. Beginnend mit der durchschnittlichen Lebenserwartung der Geburtenjahrgänge 1993 bis 1995, schließt daran die durchschnittliche Lebenserwartung der Geburtenjahrgänge 1994 bis 1996 an. Dies wird bis zu den Geburtenjahrgängen 2015 bis 2017 entsprechend fortgesetzt. Erfasst werden sowohl geschlechtsspezifische als auch nicht nach Geschlecht differenzierte Daten. Im zeitlichen Verlauf ist die Lebenserwartung der Neugeborenen gestiegen. Während die nicht nach Geschlecht differenzierte durchschnittliche Lebenserwartung Neugeborener der Jahrgänge 1993 bis 1995 bei rund 76,58 Jahren lag, war für Neugeborene der Jahrgänge 2015 bis 2017 durchschnittlich eine um 5.3 % höhere Lebenserwartung von rund 80,67 Jahren zu verzeichnen. Wie Abb. 1 verdeutlicht, sind bei der zeitlichen Entwicklung der Lebenserwartung abnehmende Grenzraten festzustellen. Zudem variiert die Lebenserwartung zwischen den Kreisen. Lag ihre Standardabweichung für die Geburtenjahrgänge 1993 bis 1995 bei 1,28 Jahren, sank sie für die Jahrgänge 2015 bis 2017 auf 1,0 Jahre (BBSR, 2019a).

Abb. 1
figure 1

Lebenserwartung Neugeborener auf Kreisebene im zeitlichen Verlauf. Quelle der Daten: BBSR (2019a)

Feinstaubemissionen bzw. Feinstaubimmissionen werden über die Messnetze der Umweltämter von Bund und Ländern gemessen. Im Jahr 2018 wurde die Feinstaubpartikelkonzentration mit einem maximalen aerodynamischen Durchmesser der Partikel von 10 \(\upmu\)m (PM\({}_{10}\)) an insgesamt 368 Messstationen erfasst, die sich auf 210 Kreise verteilten (Umweltbundesamt, 2019a). Abhängig vom Standort der installierten Messstationen wird dabei zwischen den Stationsarten Hintergrund, Verkehr und Industrie unterschieden. Von den 368 Messstationen im Jahr 2018 waren 217 der Stationsart Hintergrund, 119 der Stationsart Verkehr und 32 der Stationsart Industrie zuzuordnen. Stationen im Hintergrundbereich befinden sich außerhalb des unmittelbaren Einwirkbereichs von Verkehr und Industrieanlagen. Messdaten der PM\({}_{10}\)-Konzentration stehen für die Jahre 2002 bis 2018 mit den jeweiligen Jahresdurchschnittswerten der einzelnen Messstationen zur Verfügung. Ein Vergleich des Messnetzes im Zeitablauf zeigt, dass weder die Anzahl der Messstationen insgesamt noch deren Standort unverändert geblieben sind. So waren im Jahr 2002 22 Messstationen weniger installiert als im Jahr 2018, die sich zudem auf 215 Kreise verteilten. Lediglich die Hälfte der im Jahr 2018 installierten Messstationen waren bereits im Jahr 2002 Teil des Messnetzes.

Zudem ist im Zeitverlauf zwischen den Jahren 2002 und 2018 ein deutlicher Rückgang der PM\({}_{10}\) Emissionswerte festzustellen. Durchschnittlich betrug der Jahresdurchschnittswert einer Messstation der Stationsart Hintergrund im Jahr 2002 23,95 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\). Im Jahr 2018 lag dieser Wert mit 16,82 \(\mu\)g/m\({}^{3}\) rund 30 % unter dem Wert von 2002. Diese Tendenz ist auch für die Stationsarten Verkehr und Industrie festzustellen (Umweltbundesamt, 2019b).

Daneben unterteilt das BBSR das Bundesgebiet im Kontext der Raumabgrenzung auf Kreisebene in ländliche und städtische Räume. Zum städtischen Raum gehören kreisfreie Großstädte mit mindestens 100.000 Einwohnern und städtische Kreise. Städtische Kreise zeichnen sich dadurch aus, dass mindestens die Hälfte der Einwohner in Groß- und Mittelstädten lebt und die Einwohnerdichte mindestens 150 Einwohner/km\({}^{2}\) beträgt. Sofern ein Kreis keine Groß- und Mittelstädte einschließt, reicht eine Einwohnerdichte von mindestens 150 Einwohnern/km\({}^{2}\) aus, um ihn den städtischen Kreisen zuzuordnen.

Tabelle 2 verdeutlicht die heterogene Verteilung der Feinstaubmessstationen zwischen ländlichen und städtischen Räumen am Beispiel des Messnetzes aus dem Jahr 2018. Während in Deutschland rund 50 % der Kreise und kreisfreien Städte dem ländlichen Raum zuzurechnen sind, liegen lediglich rund 32 % der Messstationen im ländlichen Raum. Gemessen an den Stationen der Stationsart Hintergrund sind es rund 40 %.

Auf Kreisebene liegen ebenso Daten zu Wirtschaftskraft und Einkommenshöhe vor, die von den statistischen Ämtern publiziert werden. Dazu zählt das jährliche verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Erfasst wird dabei das Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, zuzüglich der erhaltenen (Sozial‑) Transfers und abzüglich der Sozialbeiträge und der abgeführten Einkommen- und Vermögensteuer. Die entsprechenden Daten liegen flächendeckend für die Jahre 2000 bis 2016 vor. Im Jahr 2016 lag das durchschnittliche verfügbare Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner bei etwa 21.722 Euro. Während dabei die kreisfreie Stadt Gelsenkirchen mit 16.203 Euro das geringste verfügbare Einkommen je Einwohner aufweist, ist Starnberg mit über 34.987 Euro pro Einwohner der Landkreis mit dem höchsten verfügbaren Einkommen (Statistische Ämter, 2018).

Das Bildungsniveau wird auf Kreisebene in Form von unterschiedlichen Indikatoren erfasst, so auch über den Anteil der Schulabgänger mit Allgemeiner Hochschulreife von der Gesamtanzahl der Schulabgänger. Die jährlich erfassten Werte liegen von 1995 bis 2017 vor. Während im Jahr 1995 durchschnittlich 22,26 % der Schulabgänger ihre Schullaufbahn mit der Allgemeinen Hochschulreife abschlossen, waren es im Jahr 2017 bereits 32,46 % (Statistische Ämter, 2020).

4 Untersuchungsansatz und Datenbeschreibung

4.1 Niveaudaten

Die Erhebungsmethode für die Lebenserwartung Neugeborener bietet die Grundlage, aus der der methodische Ansatz für die weiteren Untersuchungen entwickelt wird. Wie im vorangegangenen Abschnitt skizziert, ist ein Unterschied in der Lebenserwartung bei Geburt zwischen den Kreisen und im zeitlichen Verlauf auf Unterschiede der altersspezifischen Mortalitäten zurückzuführen. Diese wiederum werden durch diejenigen Faktoren bestimmt, die das Sterbealter beeinflussen. Im Folgenden werden medizinische Zusammenhänge zu diesen Faktoren, wie bereits beschrieben, als Black Box behandelt. Die Analyse erhebt nicht den Anspruch, den Zusammenhang von Feinstaubbelastung und Lebenserwartung zu erklären. Der Anspruch beschränkt sich vielmehr darauf, deskriptive Aussagen dazu auf Grundlage von OLS-Regressionsmodellen zu erzielen.

Für die Bestimmung des Feinstaubniveaus der einzelnen Kreise wird auf die PM\({}_{10}\)-Daten der Messstationen von Bund und Ländern zurückgegriffen. Wie oben angegeben, bildet die Allokation der Messstationen das Verhältnis von städtischen gegenüber ländlichen Kreisen nicht repräsentativ ab. Dies gilt ebenso für die Stationsarten. So waren etwa im Jahr 2018 rund 79 % der Stationen aus dem Verkehrsbereich im städtischen Raum installiert.Footnote 3 Da im Verkehrsbereich die Feinstaubkonzentration im Durchschnitt über der des Hintergrundbereichs liegt (Umweltbundesamt, 2019b), ist bei der Bestimmung eines aggregierten Feinstaubniveaus auf Kreisebene eine Differenzierung nach Stationsarten vorzunehmen. So kann eine Verzerrung des Feinstaubniveaus zwischen ländlichem und städtischem Raum vermindert werden. Die Feinstaubniveaus werden entsprechend separat für die Stationsarten Hintergrund und Verkehr auf Kreisebene bestimmt. Die Stationsart Industrie bleibt aufgrund der geringen Anzahl von Messstationen, insbesondere im ländlichen Raum, unberücksichtigt. Für die Stationsarten Hintergrund und Verkehr werden entsprechend jährliche Feinstaubniveaus auf Kreisebene bestimmt. Dazu stehen, wie bereits angegeben, Daten von 2002 bis 2018 zur Verfügung. Inhaltlicher Schwerpunkt des Beitrags liegt auf den Feinstaubmesswerten im Hintergrundbereich, da diese das grundlegende Feinstaubniveau eines Kreises, das Einfluss auf die Lebenserwartung haben könnte, repräsentativer abbilden. In verkehrsbestimmten Stadtkreisen kann dies allerdings anders sein.

Tab. 2 Messstationen und Stationsarten des Jahres 2018 im Bundesgebiet. Quelle der Daten: BBSR (2019b), Umweltbundesamt (2019b)

Für jeden Kreis wird zunächst der Mittelwert aus den Feinstaubjahresdurchschnitten der einzelnen Messstationen gebildet, sofern in einem Kreis mehr als eine Messstation steht. Sofern lediglich eine Messstation in dem jeweiligen Kreis aufgestellt ist, gilt entsprechend der Jahresdurchschnittswert dieser Station als Kreisjahreswert.

Da die Messstationen nicht homogen auf die Kreise aufgeteilt sind und sich die Standorte im Zeitablauf verändert haben, basieren die Mittelwerte auf den Daten unterschiedlich vieler Messstationen.

Die Tab. 3 und 4 geben einen Überblick über die Anzahl der Messstationen, die den Jahresfeinstaubniveaus der Kreise zugrunde liegen.

Tab. 3 PM\({}_{10}\)-Feinstaub Kreisjahreswerte und Anzahl der Messstationen. Quelle der Daten: Umweltbundesamt (2019b)
Tab. 4 Aggregierte PM\({}_{10}\)-Feinstaub Kreisjahreswerte und Anzahl der Messstationen. Quelle der Daten: Umweltbundesamt (2019a)

Tab. 3 ist zu entnehmen, dass für den Hintergrundbereich auf Grundlage des Feinstaubmessstationen 3063 Kreisjahreswerte bestimmt werden können, die 232 unterschiedlichen Kreisen zuzurechnen sind. Ca. 80 % der Feinstaubniveauwerte, 2474 Kreisjahreswerte, sind dabei auf Grundlage lediglich einer verfügbaren Messstation in dem jeweiligen Landkreis berechnet. In 589 Kreisjahreswerte aus 64 unterschiedlichen Kreisen gehen dagegen für die Bestimmung des Feinstaubniveaus mehr als eine Messstation je Landkreis ein. Für den Verkehrsbereich können 1614 Kreisjahreswerte aus 154 unterschiedlichen Kreisen bestimmt werden. Wie bei dem Hintergrundbereich wird die Mehrzahl dieser Werte, 1189, auf Grundlage lediglich einer Messstation in dem jeweiligen Kreis bestimmt. Das entspricht ca. 73 %. Die übrigen Kreisjahreswerte, 425, werden auf Grundlage von mehr als einer Messstation in den jeweiligen Kreisen bestimmt. Wie bereits in Kap. 3 herausgearbeitet werden könnte, lässt sich auch anhand der Tab. 3 feststellen, dass sich die Kreisjahreswerte im Verkehrsbereich vorwiegend auf städtische Kreise beziehen. So sind von den 1614 Kreisjahreswerten mehr als 72 %, 1169 Werte, städtischen Kreisen zuzurechnen. Insgesamt können aus dem Hintergrund- und dem Feinstaubbereich zusammen 4677 Kreisjahreswerte aus 272 unterschiedlichen Kreisen bestimmt werden.

Die Kreisjahreswerte des Feinstaubniveaus, die auf mehr als einer Messstation im jeweiligen Kreis beruhen und somit aggregierte Feinstaubwerte darstellen, werden in Tab. 4 detaillierter dargestellt. Die 589 Kreisjahreswerte im Hintergrundbereich werden auf Grundlage von durchschnittlich 2,4 Messstationen berechnet. Die Spannweite reicht dabei von 2 bis 9 Stationen. Insbesondere zeigt sich, dass sich mehr als 68 % der 589 Kreisjahreswerte im Hintergrundbereich auf städtische Kreise beziehen. Für die 425 Kreisjahreswerte für das Feinstaubniveau im Verkehrsbereich gehen ebenfalls durchschnittlich 2,4 Messstationen in die berechneten Werte ein. Die Spannbreite liegt dabei von 2 bis 6 Stationen und ist somit geringer als die im Hintergrundbereich. Mehr als 92 % der Kreisjahreswerte aus dem Verkehrsbereich sind städtischen Kreisen zuzuordnen.

Um den Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Feinstaubbelastung möglichst isoliert untersuchen zu können, wird im Regressionsmodell für wesentliche, die Lebenserwartung beeinflussende Faktoren kontrolliert. Dazu zählen insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung (siehe z. B. Lampert et al., 2019). Als Indikator dafür wird das reale verfügbare Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner auf Kreisebene zum Basisjahr 2000 verwendet, gemessen in Tausend Euro. Aus den für den Zeitraum 2000 bis 2016 zur Verfügung stehenden Daten werden gleitende Dreijahresmittelwerte gebildet und in der Variablen \(VEK\)\({}_{it}\) erfasst.

Der mögliche Einfluss des Bildungsniveaus auf die Lebenserwartung (Bilas, Franc und Bosnjak 2014) wird über den Anteil der Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife erfasst. Die für die Jahre 1995 bis 2017 zur Verfügung stehenden Daten gehen in gleitenden Dreijahresdurchschnitten in die Analysen ein und werden in der Variable \(Abi\)\({}_{it}\) erfasst.

Um für Effekte mit Einfluss auf die Lebenserwartung zu kontrollieren, die aus einem möglichen Einfluss der Bevölkerungsdichte einerseits und aus einem möglichen strukturellen Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Siedlungsraum andererseits resultieren, wird eine entsprechende Kontrollvariable als Dummy-Variable in das Regressionsmodell integriert (Bilas, Franc und Bosnjak 2014). In Kap. 3 wurde bereits die Definition des BBSR für städtischen in Abgrenzung zum ländlichen Raum vorgestellt. Dabei werden sowohl die Bevölkerungsdichte als auch die Binnensiedlungsstruktur innerhalb eines Kreises berücksichtigt. Die Dummy-Variable, \(Stadt\)\({}_{i}\), die für städtischen Raum den Wert 1 annimmt, wird entsprechend der Definition des BBSR in das Modell aufgenommen.

Strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, die von den bisher genannten Kontrollvariablen nicht berücksichtigt sind, werden in der Dummy-Variable \(Ost\)\({}_{i}\) erfasst. Sie nimmt für Kreise der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Wert 1 an. Für einen zeitlichen Trend in der Lebenserwartung Neugeborener wird eine entsprechende Trendvariable, \(Zeittrend\)\({{}_{t}}\), verwendet. Sie nimmt für den Dreijahreszeitraum 1993–1995 den Wert 1 an. In Korrespondenz zu Abb. 1 wird der Zeittrend als Polynom zweiten Grades in das Regressionsmodell integriert. Zudem wird das Modell durch eine Konstante \(\alpha\) und den Störterm \(\varepsilon_{it}\) ergänzt. Das Regressionsmodell für die Untersuchung des Zusammenhangs von Lebenserwartung und Feinstaubniveau lautet somit:

$$LE_{it}=\alpha+\beta_{1}\cdot\mathrm{PM}_{it}+\beta_{2}\cdot VEK_{it}+\beta_{3}\cdot Abi_{it}+\beta_{4}\cdot Stadt_{i}+\beta_{5}\cdot Ost_{i}+\beta_{6}\cdot Zeittrend_{t}+\beta_{7}\cdot Zeittrend_{t}^{2}+\varepsilon_{it}.$$
(1)

Die deskriptive Statistik der verwendeten Variablen ist in Tab. 5 differenziert nach Stationen im Hintergrundbereich und im Verkehrsbereich wiedergegeben.

Tab. 5 Quantitative Beschreibung der Variablen. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)

Nach Elimination der jährlichen Beobachtungspunkte auf Kreisebene, die in mindestens einer Variablen Datenlücken aufweisen, verbleiben für den Hintergrundbereich 2222 und für den Verkehrsbereich 1093 Datenpunkte, wie die Tab. 6 und 7 zeigen. Den Feinstaubniveaus liegen im Hintergrundbereich 3415 einzelne Jahresmessstationsergebnisse zugrunde, die von 365 unterschiedlichen Messstationen in 208 Kreisen erhoben wurden. Somit beruhen die Feinstaubniveaus je einbezogenen Kreis auf durchschnittlich 1,7548 unterschiedlichen Messstationen bzw. durchschnittlich 16,4183 Jahresmessstationsergebnissen. Dem Verkehrsbereich dagegen liegen 1904 einzelne Jahresmessstationsergebnisse zugrunde. Sie verteilen sich auf 113 Kreise und wurden von 287 unterschiedlichen Messstationen erhoben. Das ergibt durchschnittlich 2,5398 unterschiedliche Messstationen bzw. durchschnittlich 16,8496 Jahresmessstationsergebnisse je einbezogenen Kreis.

Tab. 6 Quantitative Beschreibung der Variablen für Messstationen im Hintergrundbereich nach Elimination von Datenlücken. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)
Tab. 7 Quantitative Beschreibung der Variablen für Messstationen im Verkehrsbereich nach Elimination von Datenlücken. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)

Wie den Tab. 8 und 9 zu entnehmen ist, weisen die Korrelationskoeffizienten nach Pearson zwischen den Variablen \(LE_{it}\) und \(VEK_{it}\) mit 0,562 bzw. 0,474 erhöhte Werte auf. Innerhalb der erklärenden Variablen ist mit -0,502 bzw. -0,544 eine erhöhte Korrelation zwischen dem Zeittrend und der Feinstaubbelastung festzustellen. Gleiches gilt mit -0,579 bzw. -0,636 auch für die Korrelation zwischen den Variablen \(Ost_{i}\) und \(VEK_{it}\). Von Multikollinearität, die der Verwendung der ausgewählten erklärenden Variablen entgegenstünde, ist somit auf Grundlage der Korrelationswerte nicht auszugehen.

Tab. 8 Korrelationskoeffizienten nach Pearson für Messstationen im Hintergrundbereich
Tab. 9 Korrelationskoeffizienten nach Pearson für Messstationen im Verkehrsbereich

4.2 Veränderungen

Als alternatives Modell zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der Veränderung der Lebenserwartung über die Zeit und der damit gleichzeitig einhergehenden Veränderung des Feinstaubniveaus wird in diesem Abschnitt ein Modell vorgestellt, das die Veränderungen der Lebenserwartung von Periode zu Periode den in dieser Zeit erfolgten Änderungen der Feinstaubbelastung gegenüberstellt. Die Veränderungen erfolgen dabei zwischen zwei aufeinander folgenden Dreijahreszeiträumen. So bedeutet etwa eine positive Veränderung der Feinstaubbelastung, dass das Feinstaubniveau im Vergleich zu der Vorperiode gestiegen ist. Entsprechende bedeutet eine negative Veränderung ein Sinken des Feistaubniveaus im Vergleich zur Vorperiode.

Im Regressionsmodell wird als zu erklärende Variable die Differenz der geschlechtsunspezifischen Lebenserwartung Neugeborener zwischen angrenzenden gleitenden Dreijahreszeiträumen verwendet. Auf Grundlage der beschriebenen Datenlage können somit für jeden Landkreis für den Zeitraum 1993 bis 2017 22 Veränderungen bestimmt werden. Analog dazu werden die entsprechenden Veränderungen für das Feinstaubniveau, für das verfügbare Einkommen je Einwohner und für die Abiturientenquote ermittelt. Integriert in das Regressionsmodell werden zudem wiederum die Variablen \(Stadt\)\({}_{i}\) und \(Ost\)\({{}_{i}}\) sowie ein \(Zeittrend\)\({{}_{t}}\) als Polynom zweiten Grades. Die Trendvariable nimmt für die Veränderung zwischen den Dreijahreszeiträumen 1993–1995 und 1994–1996 den Wert 1 an.

Das Regressionsmodell lautet entsprechend:

$$Delta.LE_{it}=\alpha+\beta_{1}\cdot Delta.\mathrm{PM}_{it}+\beta_{2}\cdot Delta.VEK_{it}+\beta_{3}\cdot Delta.Abi_{it}+\beta_{4}\cdot Stadt_{i}+\beta_{5}\cdot Ost_{i}+\beta_{6}\cdot Zeittrend_{t}+\beta_{7}\cdot Zeittrend_{t}^{2}+\varepsilon_{it}.$$
(2)

Die entsprechende deskriptive Statistik ist in Tab. 10 abgebildet. Da dabei nicht Niveaudaten, sondern Veränderungen für die Variablen \(Delta.LE\)\({}_{it}\), \(Delta\).PM\({}_{it}\), \(Delta.VEK\)\({}_{it}\) und \(Delta.Abi\)\({}_{it}\) berücksichtigt werden, liegt für diese Variablen für jeden der 401 Kreise ein Beobachtungspunkt weniger vor. Nach Eliminierung der Beobachtungen, die Datenlücken aufweisen, verbleiben für den Hintergrundbereich 2007 und für den Verkehrsbereich 968 Datenpunkte, wie die Tab. 11 und 12 zeigen. Den Tab. 13 und 14 kann entnommen werden, dass kein Hinweis auf Multikollinearität vorliegt, die der gemeinsamen Berücksichtigung der Regressoren entgegenstehen könnte.

Tab. 10 Quantitative Beschreibung der Variablen. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)
Tab. 11 Quantitative Beschreibung der Variablen für Messstationen im Hintergrundbereich. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)
Tab. 12 Quantitative Beschreibung der Variablen für Messstationen im Verkehrsbereich. Quelle der Daten: BBSR (2019a, b), Statistische Ämter (2018, 2020), Umweltbundesamt (2019b)
Tab. 13 Korrelationskoeffizienten nach Pearson für Messstationen im Hintergrundbereich
Tab. 14 Korrelationskoeffizienten nach Pearson für Messstationen im Hintergrundbereich

5 Empirische Ergebnisse

5.1 Niveaudaten

Das entwickelte Regressionsmodell (1) wird als Pooled-OLS Modell geschätzt. Dabei werden auf Kreisebene geclusterte Standardfehler verwendet, um die Parameter robust gegenüber einer möglichen Heteroskedastizität zu schätzen (Petersen, 2009, S. 440). Tab. 15 zeigt die entsprechenden Regressionsergebnisse.

Tab. 15 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung (Niveaudaten, Pooled-OLS Schätzung)

Für den Hintergrundbereich sind mit Ausnahme der Variablen \(Abi_{it}\) alle in das Modell integrierten Variablen auf einem Niveau von mindestens 5 % statistisch signifikant. Das gilt insbesondere für den Schätzkoeffizienten \(\beta_{1}\) = -0,037. Eine um 10 \(\upmu\)g/\(m^{3}\) geringere PM\({}_{10}\)-Feinstaubkonzentration auf Kreisebene geht entsprechend mit einer 0,37 Jahre (4,44 Monate) höheren Lebenserwartung einher. Die Schätzer für die Variablen \(VEK_{it}\), \(Stadt_{i}\) und \(Ost_{i}\) sind ebenso wie die Konstante positiv und signifikant. Auch signifikant ist der (nichtlineare) Zeittrend. Im zeitlichen Verlauf nimmt demnach die Lebenserwartung mit abnehmenden Grenzraten zu. Das angepasste R\({}^{2}\) beträgt 0,568 und die F‑Statistik ist auf einem Niveau von 1 % statistisch signifikant. Für den Verkehrsbereich kann ein analoges Ergebnis mit Ausnahme der Koeffizienten \(\beta_{1}\) und \(\beta_{5}\) festgestellt werden. Der geschätzte Parameter \(\beta_{5}\) ist bei einem p‑Wert von 11,3 % statistisch nicht signifikant. Somit lässt sich kein signifikanter Zusammenhang von Lebenserwartung und der Differenzierung von Ost- und Westdeutschland feststellen. Der geschätzte Parameter \(\beta_{1}\) nimmt auch für den Verkehrsbereich einen negativen Wert von -0,010 an, der allerdings bei einem p‑Wert von über 57 % statistisch insignifikant ist. Die F‑Statistik ist dagegen auf einem Niveau von 1 % statistisch signifikant. Das angepasste R\({}^{2}\) beträgt 0,504.

5.2 Veränderungen

Das vorgestellte Regressionsmodell (2) wird ebenfalls als Pooled-OLS Modell geschätzt. Dabei werden erneut geclusterte Standardfehler verwendet, um die Schätzer robust gegenüber Heteroskedastizität zu bestimmen. Tab. 16 zeigt die entsprechenden Regressionsergebnisse.

Tab. 16 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung (Veränderungen, Pooled-OLS Schätzung)

Für den Hintergrundbereich ergibt sich, dass die geschätzten Parameter für die Variablen \(Ost_{i}\), die Konstante sowie den Zeittrend signifikant von null verschieden sind. Im zeitlichen Verlauf sinken demnach entsprechend die Veränderungen der Lebenserwartung mit zunehmenden Grenzraten. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den periodischen Differenzen von Lebenserwartung und Feinstaubniveau lässt sich nicht feststellen. Das angepasste R\({}^{2}\) ist mit 0,199 deutlich geringer als bei den Schätzergebnissen der Niveaudaten. Die F‑Statistik ist auf einem Niveau von 1 % signifikant.

Im Verkehrsbereich ergibt sich dagegen ein signifikanter Zusammenhang zwischen den periodischen Differenzen von Lebenserwartung einerseits und Feinstaubbelastung andererseits. Der Schätzer für den entsprechenden Koeffizienten nimmt den Wert \(-\)0,016 an und ist auf einem Niveau von 1 % statistisch signifikant. Die Interpretation dieses Schätzers ist etwas schwieriger, da er die Veränderung zwischen Perioden angibt. Der negative Schätzer sagt aus, dass eine periodische Abnahme der Feinstaubbelastung um 10 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) mit einer Zunahme der periodischen Lebenserwartung um 0,16 Jahre korreliert ist. Signifikant im Verkehrsbereich sind daneben die Schätzer für den Zeittrend und die Konstante. Das angepasste R\({}^{2}\) beträgt 0,180 und ist damit deutlich geringer als das Vergleichsmodell mit Niveaudaten. Die F‑Statistik ist auf einem Niveau von 1 % signifikant. Die statistisch insignifikante Korrelation der periodischen Veränderung des verfügbaren Einkommens und der periodischen Veränderung Lebenserwartung liegt vermutlich daran, dass die Veränderung der Lebenserwartung einen negativen Zeittrend hat, demnach über die Zeit sinkt, und demgegenüber das verfügbare Einkommen mit der Zeit steigt, also einen positiven Zeittrend hat. Bemerkenswert ist allerdings, dass die statistisch signifikanten Werte im Niveaudaten-Modell bei der Feinstaubbelastung im Hintergrundbereich liegen, während sie bei der Fokussierung auf periodische Änderungen, also im Differenzenmodell, im Verkehrsbereich zu finden sind. Eine mögliche Folgerung daraus könnte sein, dass je nach zeitlicher Differenzierung die Ergebnisse zwar unterschiedlich sind, sich aber ergänzen. Im Endeffekt könnten damit beide Bereiche mit der Verlängerung der Lebenserwartung korreliert sein.

6 Prüfung auf Robustheit

6.1 Niveaudaten

Die präsentierten Ergebnisse weisen bei den Niveaudaten für den Hintergrundbereich auf einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung hin. Um die strukturelle Heterogenität der Feinstaubbelastung innerhalb Deutschlands möglichst repräsentativ abzubilden, wurde die maximale Anzahl der Feinstaubmesswerte berücksichtigt, die von den staatlichen Umweltämtern erhoben wurden (Stand Juni 2019). Die Abb. 2 und 3 im Anhang illustrieren, welchen Kreisen die Beobachtungspunkte, die den präsentierten Schätzergebnissen zugrunde liegen, zuzurechnen sind. Deutlich zu erkennen ist die vergleichsweise hohe Abdeckung des ostdeutschen Raumes mit Feinstaubmesswerten im Hintergrundbereich. Wie durch Einbeziehung einer Dummy-Variable in das Regressionsmodell (1) gezeigt werden konnte, besteht ein signifikanter Unterschied in der Lebenserwartung zwischen west- und ostdeutschen Kreisen, der nicht auf die weiteren berücksichtigten (Kontroll‑) Variablen zurückgeführt werden kann. In Bezug auf den direkten Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung wurde im Modell (1) dagegen nicht nach West- und Ostdeutschland differenziert. Die Ausgangsniveaus nach der Wiedervereinigung 1990 etwa in Bezug auf die Lebenserwartung haben sich in den beiden Landesteilen deutlich voneinander unterschieden. Wie etwa die Abb. 4 im Anhang exemplarisch zeigt, haben sich die Lebenserwartungen Anfang der 1990er Jahre strukturell voneinander unterschieden. Während für den Dreijahreszeitraum 1993 bis 1995 die durchschnittliche Lebenserwartung in Westdeutschland bei 77,05 Jahren lag, war sie mit 74,59 Jahren in Ostdeutschland um 1,89 % geringer. Dieser Unterschied ist auch im weiteren zeitlichen Verlauf mit abnehmenden relativen Unterschieden festzustellen. Noch im Dreijahreszeitraum 2015 bis 2017 etwa war die Lebenserwartung Neugeborener in Ostdeutschland um 0,93 % geringer als in Westdeutschland (BBSR, 2019a).

Aufgrund der skizzierten strukturellen Unterschiede ist eine nach Landesteilen differenzierte Analyse des Zusammenhangs zwischen Lebenserwartung und Feinstaubbelastung erforderlich. Tab. 17 zeigt die Ergebnisse für das Modell (1) als Pooled-OLS Schätzung mit geclusterten Standardfehlern differenziert nach West- und Ostdeutschland. Für den Verkehrsbereich entsprechen die Ergebnisse in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung den Ergebnissen des nicht nach West- und Ostdeutschland differenzierten Modells. Es ist kein signifikant unterschiedlicher Zusammenhang festzustellen. Für den Hintergrundbereich zeigen die nach Landesteilen differenzierten Ergebnisse, dass sich der signifikant negative Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung lediglich für Westdeutschland konstatieren lässt. Demzufolge geht eine um 10 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) geringere Feinstaubkonzentration mit einer 0,52 Jahre (6,24 Monate) höheren Lebenserwartung einher. Die Kontrollvariablen weisen für Westdeutschland keine strukturellen Veränderungen zu den Ergebnissen aus Kap. 5.1 auf.

Tab. 17 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung in Ost- und Westdeutschland (Niveaudaten, Pooled-OLS Schätzung)

Werden bei der nach West- und Ostdeutschland differenzierten Analyse lediglich solche Kreise berücksichtigt, die in den vorangegangenen Regressionen sowohl zu Feinstaubdaten aus dem Hintergrund- als auch aus dem Verkehrsbereich beigetragen haben, kann der Zusammenhang von Lebenserwartung und Feinstaubniveau für den westdeutschen Hintergrundbereich bestätigt werden. Entsprechende Ergebnisse sind in der vorliegenden Arbeit nicht abgebildet.

Wie beschrieben, basieren die Schätzergebnisse der Tab. 15 für den Hintergrundbereich auf 2222 und für den Verkehrsbereich auf 1093 Beobachtungspunkten. Ihnen liegen Daten aus dem Zeitraum 2002 bis 2016 zugrunde. Somit werden maximal dreizehn gleitende Dreijahreszeiträume je Kreis abgedeckt. Für den Hintergrundbereich beziehen sich die Daten auf 208 und für den Verkehrsbereich auf 113 Kreise. Dabei gehen aufgrund von Stilllegungen und Neuinstallationen von Messstationen unterschiedlich viele Dreijahreszeiträume für die einzelnen Kreise in das Panel ein. Die Abb. 2 und 3 im Anhang zeigen die einzelnen Kreise mit der Anzahl der jeweils beobachtbaren Dreijahreszeiträume. Tab. 18 dokumentiert diesen Zusammenhang numerisch. Für 118 der 208 für den Hintergrundbereich einbezogenen Kreise liegen Daten für alle dreizehn möglichen gleitenden Dreijahreszeiträume im Zeitraum 2002 bis 2016 vor. Das entspricht einem relativen Anteil von 56,37 % an den berücksichtigten Kreisen und von 29,43 % an der Gesamtanzahl der Kreise in Deutschland. Für den Verkehrsbereich liegen für 42,48 % der 113 berücksichtigten Kreise Daten für dreizehn Dreijahreszeiträume vor. Bezogen auf die Gesamtzahl der Kreise in Deutschland entspricht dies einem Anteil von 11,97 %.

Tab. 18 Anzahl von Dreijahreszeiträumen je Kreis. Quelle der Daten: Umweltbundesamt (2019b)

Die Berücksichtigung von Kreisen mit weniger als dreizehn Dreijahreszeiträumen kann potentiell, ebenso wie ein Ausschluss der betroffenen Kreise, eine Verzerrung der Schätzergebnisse bewirken. Um die Robustheit der Ergebnisse zu prüfen, wird das Regressionsmodell (1) erneut getestet, indem dabei ausschließlich diejenigen Kreise mit den dreizehn möglichen Dreijahreszeiträumen berücksichtigt werden. Tab. 19 zeigt, dass sich für den Hintergrundbereich in Westdeutschland erneut ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung nachweisen lässt. Für Ostdeutschland und den westdeutschen Verkehrsbereich ist dagegen kein signifikanter Zusammenhang festzustellen. Die Ergebnisse entsprechen somit strukturell denen der Tab. 17.

Tab. 19 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung (Niveaudaten für Kreise ohne Datenlücken; Pooled-OLS Schätzung)

Wie im Kap. 2 beschrieben, werden in zahlreichen Studien, die die Auswirkungen von Feinstaub auf den Menschen untersuchen, PM\({}_{2,5}\)-Werte verwendet. Die in dem vorliegenden Beitrag durchgeführten Analysen basieren dagegen auf PM\({}_{10}\)-Werten. Um die so gewonnenen Ergebnisse auf Konsistenz mit den Ergebnissen vergleichbarer Studien zu überprüfen, sollte die Analyse zudem auf Grundlage von PM\({}_{2,5}\)-Werten durchgeführt werden. Im Gegensatz zu PM\({}_{10}\)-Werten werden PM\({}_{2,5}\)-Werte in Deutschland allerdings erst ab dem Jahr 2010 von den Umweltämtern erfasst. Somit liegen für PM\({}_{2,5}\)-Messungen deutlich weniger Beobachtungspunkte vor. Den Ergebnissen aus Tab. 15 liegen 2222 bzw. 1093 auf Kreisebene PM\({}_{10}\)-Dreijahresdurchschnitte zugrunde, die sich aus Messwerten der Jahre 2002 bis 2016 ergeben. Von den dabei berücksichtigten Messstationen erfassen einige ab dem Jahr 2010 ebenfalls PM\({}_{2,5}\)-Werte. Für den Zeitraum 2010 bis 2016 können daher auf Kreisebene 161 aggregierte Dreijahresdurchschnitte von PM\({}_{2,5}\)-Werten für den Hintergrundbereich und 95 für den Verkehrsbereich bestimmt werden. Dabei werden für den Hintergrundbereich 468 und für den Verkehrsbereich 277 einzelne Jahresmessstationswerte berücksichtigt.

Tab. 20 zeigt die Regressionsergebnisse des Modells (1) auf Grundlage von PM\({}_{2,5}\)-Werten. Für den Hintergrundbereich lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und PM\({}_{2,5}\)-Feinstaubbelastung feststellen, für den Verkehrsbereich dagegen nicht. Das Ergebnis ist damit mit demjenigen auf der Basis von PM\({}_{10}\)-Werten kompatibel. Der beschriebene Ansatz liefert keine Hinweise darauf, die Übertragbarkeit des negativen Zusammenhangs zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung im Hintergrundbereich auf die PM\({}_{2,5}\)-Feinstaubbelastung abzulehnen.

Tab. 20 PM\({}_{2,5}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung (Niveaudaten; Pooled-OLS Schätzung)

Die bisher präsentierten Ergebnisse beruhen auf Regressionsmodellen ohne zeitliche Verzögerungseffekte (Time Lags) bei den erklärenden Variablen. Das betrifft insbesondere die Variablen für die Feinstaubbelastung, das verfügbare Einkommen und das Bildungsniveau. Tab. 21 zeigt exemplarisch die entsprechenden Regressionsergebnisse unter Einbeziehung von zeitlichen Verzögerungseffekten für die Variablen der Feinstaubbelastung, der Wirtschaftskraft und des Bildungsniveaus. Dabei wurde ein Time Lag von fünf Dreijahreszeiträumen berücksichtigt. So stehen etwa der Lebenserwartung im Zeitraum 2009 bis 2011 als zu erklärender Variable die erklärenden Variablen der Feinstaubbelastung und Wirtschaftskraft im Zeitraum 2004 bis 2006 gegenüber. Für den Hintergrundbereich lässt sich unter Einbeziehung des Time Lags ein signifikant negativer Zusammenhang von Feinstaubbelastung und Lebenserwartung feststellen. Für den Verkehrsbereich trifft das nicht zu. Damit entsprechen die Ergebnisse strukturell den in Abschn. 5.1 herausgearbeiteten Zusammenhängen. Das gilt mit mit Einschränkungen ebenso für die integrierten Kontrollvariablen.

Tab. 21 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung mit Time Lags (Niveaudaten; Pooled-OLS Schätzung)

6.2 Veränderungen

Wie in Abschn. 5.2 dargestellt, weisen die Schätzergebnisse für das Modell (2) im Verkehrsbereich auf einen signifikant negativen Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Feinstaubbelastung und Lebenserwartung hin. Im Hintergrundbereich konnte dieser Zusammenhang dagegen nicht festgestellt werden. Die Untersuchung dieser Ergebnisse auf ihre Robustheit erfolgt analog zu Abschn. 6.1.

Die nach West- und Ostdeutschland differenzierte Schätzung für das Modell (2) zeigt, dass ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung lediglich für den Verkehrsbereich in Westdeutschland festzustellen ist. Die entsprechenden Ergebnisse sind in Tab. 22 enthalten. Der Zusammenhang bleibt strukturell unverändert, wenn lediglich Kreise berücksichtigt werden, die in den vorherigen Analysen sowohl mit Feinstaubmessungen für den Hintergrundbereich als auch für den Verkehrsbereich beigetragen haben. Die entsprechenden Ergebnisse sind in der vorliegenden Arbeit ebenfalls nicht abgebildet.

Tab. 22 PM\({}_{10}\)-Feinstaubbelastung und Lebenserwartung in Ost- und Westdeutschland (Veränderungen, Pooled-OLS Schätzung)

Werden bei der Schätzung lediglich diejenigen Kreise einbezogen, für die jeweils 12 Beobachtungspunkte und damit die maximale Anzahl an jährlichen Beobachtungspunkten vorliegen, zeigt sich in Westdeutschland sowohl für den Hintergrund- als auch für den Verkehrsbereich ein signifikant negativer Zusammenhang. Die entsprechenden Schätzergebnisse sind im vorliegenden Beitrag nicht wiedergegeben.

Wird das Modell (2) auf Grundlage von PM\({}_{2,5}\)-Werten geschätzt, deren Eigenschaften und Einschränkungen in Kap. 6.1 beschrieben wurden, kann für den Hintergrundbereich in Westdeutschland ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung festgestellt werden. Das Ergebnis steht somit im Widerspruch zu den Ergebnissen auf Grundlage von PM\({}_{10}\)-Werten. Die Aussagekraft der Berechnungen mit PM\({}_{2,5}\)-Werten ist jedoch wegen der geringen Anzahl von Beobachtungspunkten, die in Abschn. 6.1 beschrieben wurde, eingeschränkt.

Die zu Kap. 6.1 analoge Einbeziehung von Time Lags von fünf Dreijahreszeiträumen in das Regressionsmodell auf Grundlage von PM\({}_{10}\)-Werten ergibt einen signifikant positiven Zusammenhang der Veränderungen von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung, der sich jedoch in mehreren Time Lags nicht widerspiegelt. Somit ist die Aussagekraft der vorgestellten Ergebnisse unter Einbeziehung von Time Lags nur sehr eingeschränkt und bedarf weiterer Untersuchungen.

7 Fazit

Im vorliegenden Beitrag wurde der Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lebenserwartung in einer ökologischen Studie auf Kreisebene in Deutschland untersucht. Auf Grundlage einer Pooled-OLS Schätzung kann ein statistisch signifikant negativer Zusammenhang zwischen den Niveaus von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung im westdeutschen Hintergrundbereich festgestellt werden. Dabei wurde für wichtige Kovariate auf Kreisebene kontrolliert (Prokopf-Einkommen, Bevölkerungsdichte, Abiturienten und -innen, städtische Gebiete, Ostdeutschland). In Bezug auf die periodischen Veränderungen von Lebenserwartung und Feinstaubbelastung kann dagegen für den Hintergrundbereich kein statistischer Zusammenhang gefunden werden. Für den westdeutschen Verkehrsbereich ergibt sich demgegenüber in diesem Schätzmodell ein signifikant negativer Zusammenhang, der allerdings wegen der schlechteren Datenlage in Zukunft erneut untersucht werden muss.

Inwieweit Feinstaubbelastung tatsächlich kausal für diesen statistischen Zusammenhang ist, kann mittels der hier vorgelegten Berechnungen nicht gesagt werden und ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Die Medizin beschreibt und weist Mechanismen nach, wie es zu Erkrankungen aufgrund von Feinstaubexpositionen kommt. Ohne Individualdaten zu Feinstaubbelastungen auf regionaler Ebene kann kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden. Eine ökologische Analyse, wie sie in diesem Beitrag vorgenommen wurde, kann bestenfalls Indizien für einen möglichen Zusammenhang mittels Korrelationen liefern. Bekanntlich belegen Korrelationen zwischen Variablen keine Kausalität – aber ohne entsprechende Korrelation gibt es keine Kausalität. Es lohnt sich mithin, die hier untersuchten Zusammenhänge mit Individualdaten fortzuführen.

Um das Feinstaubniveau auf Kreisebene zu bestimmen, wurde auf Messungen der Umweltämter von Bund und Ländern zurückgegriffen. Die Daten der Umweltämter dienen auch im umweltpolitischen und gesetzgeberischen Kontext als Entscheidungsgrundlage (Umweltbundesamt, 2019c). Für die auf Grundlage von PM\({}_{10}\)-Feinstaubwerten gewonnenen Schätzergebnisse konnten so 3206 einzelne Messstationsjahreswerte für den Hintergrundbereich und 1850 für den Verkehrsbereich berücksichtigt werden. Die Jahresdurchschnitte der PM\({}_{10}\)-Belastung wurden auf Kreisebene zu einem jährlichen Mittelwert zusammengefasst und nach Messungen im Hintergrund- und Verkehrsbereich differenziert. Das gewählte Verfahren basiert auf der Annahme, dass die Messstationen das Feinstaubniveau repräsentativ für den jeweiligen Kreis abbilden. Nicht berücksichtigt wurden dabei etwa Veränderungen von Wetterlagen, die Einfluss auf den Zusammenhang von Feinstaubbelastung und Lebenserwartung haben könnten. Werden ausschließlich die Kreise berücksichtigt, für die in den Jahren 2002 bis 2016 (einschließlich der Kontrollvariablen) die erforderlichen Daten lückenlos vorliegen, verbleiben für Feinstaubniveaumessungen (Feinstaubimmissionen) im Hintergrundbereich 29,43 % und für Feinstaubniveaumessungen im Verkehrsbereich (Feinstaubemmissionen) 11,97 % der insgesamt 401 Kreise in Deutschland.

Das wichtigste Ergebnis dieser Studie sagt, dass eine Abnahme der PM\({}_{10}\) Belastung um 1 \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) im Hintergrundbereich mit einer Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung um 0,037 Jahre korreliert ist. Dieser Wert ist vergleichbar mit demjenigen, der auf Bezirksebene für die USA ermittelt wurde. Die für China gefundenen Werte liegen demgegenüber deutlich höher; sie betragen beispielsweise nach der Studie von Ebenstein et al. (2017) 0,064 Jahre für den angegebenen Anstieg der PM-Belastung. Allerdings wurden die Werte für die USA und China mittels der Belastung pro \(\upmu\)g/m\({}^{3}\) PM\({}_{2,5}\) gemessen.

Ob mit der gegebenen Anzahl und den Standorten der Messstationen das Niveau sowie die Varianz der Feinstaubbelastung zwischen und innerhalb der Kreise repräsentativ abgebildet werden kann, bedarf eingehenderer Untersuchungen. Zudem kann es zu Fehlklassifikationen der Bereiche Hintergrund und Verkehr innerhalb und zwischen den Landkreisen kommen, da insbesondere der Verkehrsbereich unterschiedliche Feinstaubexpositionen nach sich ziehen kann, die selbst innerhalb kurzer Distanzen erheblich variieren. Um die Feinstaubbelastung präziser zu bestimmen, könnten entsprechende Satellitenbildverfahren verwendet werden, aus denen sich orts- und zeitspezifische Feinstaubkonzentrationen ableiten lassen (siehe dazu van Donkelaar et al., 2016).