Lernziele

Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt auf der Identifizierung und dem Management von Schlafbruxismus (SB) und schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS). Wenn Sie diese Lerneinheit absolviert haben, …

  • kennen Sie die Grundzüge eines gesunden Schlafs und haben einen Einblick in die häufigsten Schlafstörungen,

  • erkennen Sie Patienten mit SB und SBAS anhand der Symptome und der klinischen Zeichen,

  • verstehen Sie, warum Patienten mit diesen komplexen Erkrankungen zur schlafmedizinischen Diagnostik und Therapie einem interdisziplinären Netzwerk zuzuführen sind,

  • haben Sie Therapieverfahren kennen gelernt, um diese Schlafstörungen positiv beeinflussen zu können, wie z. B. mittels Anfertigung von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS).

In der zahnärztlichen Praxis begegnen wir immer häufiger Patienten, die über orofaziale Beschwerden nach einer unruhigen Nacht klagen. Das können abgeplatzte Zahnhöcker oder Zahnschmerzen , Einbisse in die Zunge oder in die Wangenschleimhaut sein. Sie können sich aber auch als Schmerzen der Kaumuskulatur oder Kiefergelenke äußern im Sinne einer kraniomandibulären Dysfunktion (CMD). Manchmal berichten die Patienten, dass sie laut schnarchen und zeitweise nachts mit Atemnot und Panikattacken aufwachen. Spätestens dann ist es erforderlich, sich mit schlafmedizinischen Aspekten zu beschäftigen, wenn man als Zahnarzt versuchen möchte, die Beschwerden nicht nur symptomatisch, sondern auch kausal anzugehen. Nach einer kurzen Einführung in den gesunden Schlaf und die häufigsten Schlafstörungen werden im Folgenden schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) und Schlafbruxismus (SB) sowie deren Überschneidungen beschrieben und klinische Schlussfolgerungen für die zahnärztliche Praxis dargestellt.

Der gesunde Schlaf

Etwa 6–8 h Schlaf benötigt der Mensch, um gesund zu bleiben, wobei es individuelle Unterschiede gibt. Nachts findet eine körperliche Regeneration statt, die sowohl die Stoffwechselprozesse als auch das Immunsystem betrifft. Gleichzeitig führt ein erholsamer Schlaf zu einer Konsolidierung des Gedächtnisses und sorgt für gute Laune am nächsten Tag.

Anhand charakteristischer Veränderungen der Gehirnaktivität, der Abnahme des Muskeltonus und der Registrierung der Augenbewegungen lässt sich die Nacht in 4 verschiedene Schlafstadien unterteilen (Abb. 1). Stadium „wach“ beschreibt den Wachzustand , Stadium 1 den Übergang zum Schlaf, d. h. eine Art Leichtschlaf, bei dem man vor sich hin döst und auf diskrete Weckreize erwacht. Schlafstadium 2 bezeichnet den stabilen Schlaf, in dem allerdings die meisten muskulären Aktivitäten, sowohl nächtliche Beinbewegungen als auch der SB, stattfinden. Im Tiefschlaf, dem Stadium 3, findet sich eine ausgeprägte muskuläre Erschlaffung, einhergehend mit einer physischen Erholung unseres Körpers. Im REM-Schlaf (REM: „rapid eye movement“) ist das Gehirn sehr aktiv und der Mensch träumt viel. In diesem Traumschlaf ist man körperlich fast vollständig gelähmt, damit man seine Traumbilder nicht physisch auslebt und sich und anderen damit nicht schadet. Je fester man schläft, umso mehr erschlafft die Muskulatur. Die meisten SBAS, sowohl Hypopnoen als auch Apnoen, finden sich aufgrund der damit einhergehenden Weckreaktionen (Arousals) in Schlafstadium 2, einige auch im REM-Schlaf.

Während beim gesunden Schlaf ausreichend Tief- und REM-Schlaf vorkommen, werden diese Anteile bei einer Fragmentierung der Schlafarchitektur durch Weckreaktionen, z. B. bei einer Schlafapnoe, stark reduziert. Dadurch können sich sowohl körperliche als auch seelische Beschwerden einstellen, je nach Vulnerabilität des Patienten (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Gesundes und gestörtes Schlafprofil. Erläuterung s. Text. REM „rapid eye movement“

Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen

Gemäß S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) von 2009, aktualisiert 2017, sind nicht erholsamer Schlaf bzw. Schlafstörungen verbunden mit Einschränkungen der Gesundheit, der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Teilhabe am beruflichen und sozialen Leben[1, 2]. Dieser Text ist eine inhaltsreiche frei verfügbare Quelle im Internet und wird Zahnärzten zur Lektüre empfohlen, insbesondere das Kapitel über zahnmedizinische Aspekte (5.20.4). Ärzte und Psychologen mit schlafmedizinischen Fachkenntnissen sind in der Lage, etwa 90 verschiedenen Schlafstörungen zu differenzieren und angemessene Therapien anzubieten. Am häufigsten treten mit etwa 10 % die Insomnien auf, d. h. die Ein- und Durchschlafstörungen , die meistens die Folge von körperlichen Erkrankungen oder seelischen Problemen sind [3, 4]. Eine zweite große Gruppe von Schlaferkrankungen sind die SBAS, die mehr oder weniger die Erholungsfunktion der Nachtruhe reduzieren – aufgrund der damit einhergehenden Weckreaktionen. Eine dritte Gruppe sind die schlafbezogenen Bewegungsstörungen, wie z. B. das Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom), aber auch der schlafbezogene Bruxismus (SB). Viele dieser Störungen führen aufgrund der häufigen Weckreaktionen zu einer Fragmentierung des Schlafs mit der hieraus resultierenden Schlafdeprivation , was auf die Dauer zu erheblichen Symptomen führen kann, wie z. B. Tagesmüdigkeit, Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung oder depressive Herabstimmungen, aber auch zu Ganzkörperschmerzen (Abb. 1; [5]).

Schlafbezogene Atmungsstörungen

SBAS treten im Schlaf auf, wirken beeinträchtigend auf seine Erholungsfunktion und haben vielfältige Erscheinungsformen (Tab. 1). Die Übergänge vom harmlosen Schnarchen (Rhonchopathie) zu leichten Atmungseinschränkungen (Hypopnoen) und ausgeprägten Atemaussetzern (Apnoen) sind fließend (Abb. 2). Eine Unterform ist das Widerstandssyndrom der oberen Atemwege oder Upper-Airway-Resistance-Syndrom (UARS), bei dem vermehrte Atemanstrengungen ohne nennenswerten Sauerstoffabfall oder Atemflusslimitationen zu Weckreaktionen und damit auch zu einer verstärkten Tagesschläfrigkeit führen [1]. Am häufigsten entstehen diese Einschränkungen der nächtlichen Atmung durch eine Verlegung der oberen Atemwege wie bei einem obstruktiven Schafapnoesyndrom (OSAS). Seltener liegt eine Störung der Atmungsregulation bei zerebralen Erkrankungen vor, wie z. B. der zentralen Schlafapnoe oder der schlafbezogenen Hypoventilation . Die Patienten berichten bei einer SBAS häufig über eine erhebliche Tagesschläfrigkeit, nächtliches Schnarchen, Aufschrecken mit Atemnot, Herzrasen oder Nachtschweiß. Risikofaktoren bei der Entstehung einer Schlafapnoe sind das Übergewicht, höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, ein enger Mundraum aber auch Nikotin- und Alkoholkonsum oder eine Schwangerschaft [6, 7].

Tab. 1 Kleines Einmaleins der schlafbezogenen Atmungsstörungen
Abb. 2
figure 2

Kollapsibilität der Atemwege im Laufe des Lebens. Erläuterung s. Text

Wie Abb. 2 zu entnehmen ist, nimmt die Kollapsibilität der Atemwege im Laufe des Lebens zu, begünstigt durch Risikofaktoren. Die Übergänge vom leichten Schnarchen zum schweren Schlafapnoesyndrom sind fließend. Zahnärzte können durch eine Identifizierung von klinischen Zeichen und Symptomen eine SBAS frühzeitig erkennen und einer schlafmedizinischen Diagnostik zuführen.

Die Gesamtprävalenz von OSAS in der Allgemeinbevölkerung liegt klassischerweise zwischen 3 und 7 % mit deutlich höheren Häufigkeiten bei Männern über 50 Jahren (etwa 17 %; [6, 7]). In den letzten 20 Jahren wurde allerdings eine stetige Zunahme der Erkrankung festgestellt, wobei nach den neuen, deutlich sensitiveren ICSD-3-Kriterien bei den über 40-Jährigen Prävalenzen von 79,2 % bei Männern und 54,3 % bei Frauen ermittelt wurden [8, 9]. Die Diagnosestellung beginnt mit der Anamnese (z. B. lautes unregelmäßiges Schnarchen, nächtliche Atemnot, erhöhte Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung, Bluthochdruck) und wird ergänzt durch klinische Zeichen (z. B. großer Hals- oder Bauchumfang, hoher Body Mass Index [BMI], kleine Kiefer, pharyngeale Enge bei Tonsillenhypertrophie, langgezogene Uvula und schlaffes Gaumensegel). Im Sinne einer abgestuften diagnostischen Herangehensweise erfolgt nach Anamnese und klinischer Untersuchung eine apparative Bestätigung im häuslichen Umfeld (6-Kanal-Messung durch Polygraphie) und bei pathologischem Screening im Schlaflabor mittels Polysomnographie (PSG). Goldstandard bei der Therapie der obstruktiven und der zentralen Schlafapnoe ist die nächtliche Überdruckbeatmung. Ein weiteres Therapieverfahren mit Evidenzstufe A bei obstruktiven SBAS ist die Anwendung von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS), mittels derer durch Protrusion des Unterkiefers die Atemwege nachts erweitert werden (Abb. 5). Chirurgische Maßnahmen können beim Erwachsenen (maxillomandibuläres Advancement) und bei Kindern in Form einer Adenotonsillektomie und Gaumennahterweiterung ebenfalls gute Erfolge aufweisen, sind aber im Erwachsenenalter therapierefraktären Fällen vorbehalten [1].

Schlafbruxismus

Nach der aktuellen Definition einer internationalen Konsensuskonferenz in 2012 ist Bruxismus ein Oberbegriff für verschiedene repetitive Aktivitäten der Kiefermuskulatur, gekennzeichnet durch Knirschen oder Pressen der Zähne und/oder Anspannung oder Verschiebung des Unterkiefers [10]. Bruxismus hat 2 unterschiedliche zirkadiane Manifestationen: Zum einen kann er im Schlaf auftreten (SB), zum anderen während der Wachphasen (Wachbruxismus).

Schlafmedizinisch wird SB als schlafbezogene Bewegungsstörung eingeordnet und charakterisiert als rhythmische Kaumuskelaktivität („rhythmic masticatory muscle activity“, RMMA; [2, 11]). Damit steht SB in einer Reihe mit anderen stereotypischen, nichtintentionalen Bewegungen , die den Schlaf stören. Hierzu gehören weitere Erkrankungen, wie das Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom), die periodischen Beinbewegungen („periodic limb movement disorder“, PLMD) und schlafbezogenen Beinkrämpfe, deren Ätiologie weitestgehend ungeklärt ist und eine therapeutische Herausforderung für die Schlafmediziner darstellt.

SB ist ein klinischer Risikofaktor für Zahnattrition, Infraktion, Odontalgie, Implantatverlust, schmerzhafte und nichtschmerzhafte CMD und morgendliche Kopfschmerzen [12].

Die Diagnose SB wird meist anhand anamnestischer und klinischer Befunde erhoben, wobei diese nicht unbedingt mit polysomnographischen Befunden korrelieren, wie Untersuchungen im Schlaflabor belegten. Bei der Polysomnographie wurde auch festgestellt, dass 30 % der in der Elektromyographie (EMG) gemessenen muskulären Aktivität im Mund‑, Kiefer- und Gesichtsbereich nicht spezifisch für SB sind, sondern auch durch andere oromandibuläre Aktivitäten, wie z. B. Grimassieren, Schlucken oder Gähnen, verursacht werden können [11, 13, 14].

Während in der Allgemeinbevölkerung leichter SB häufig im Laufe des Lebens vorkommt (etwa 60–90 %), tritt schwerer SB mit 14–20 % der Fälle besonders bei Kindern auf. Die Prävalenz sinkt in der erwachsenen Bevölkerung auf etwa 8 %. Im Alter sind dann nur noch etwa 3 % der Menschen betroffen[15, 16, 17, 18, 19].

Es werden bei den RMMA-Ereignissen 3 Typen von SB-Episoden unterschieden (Abb. 3). Die phasischen sind kurze, repetitive Kiefermuskelkontraktionen mit 3 oder mehr Salven zwischen 0,25 und 2 s. Die tonischen SB-Episoden entstehen durch eine andauernde Muskelaktivität über mindestens 2 s. Die gemischten SB-Episoden bestehen aus phasischen und tonischen Anteilen [11]. Der Grenzwert für schweren SB wurde auf 4 oder mehr Episoden/h festgelegt oder 25 oder mehr Salven/h [11, 20].

Abb. 3
figure 3

Schlafbruxismusepisoden. Phasische, tonische oder gemischte Form

Vor der SB-Episode findet eine vegetative Erregung statt, die einem festgelegten Ablauf folgt (Abb. 4). Zunächst steigt die Herzaktivität für etwa 4 min an, dann wird für etwa 4 s erhöhte EEG-Aktivität (Elektroenzephalographie) im Gehirn gemessen. Dann steigen der Herzrhythmus und der allgemeine Muskeltonus an und nach 2 tiefen Einatmungen entstehen die RMMA-Episoden (Abb. 4; [21, 22]). Die sympathische Aktivierung führt zur SB-Episode. Zahlreiche Risikofaktoren können im Schlaf das vegetative Nervensystem aktivieren und damit einen sekundären SB auslösen, wie in Abb. 4 dargestellt. Die Identifizierung und Reduzierung dieser Faktoren kann helfen, SB kausal zu behandeln.

Abb. 4
figure 4

Physiologische Ereignisse im Schlaf. Vegetative Erregung vor der Schlafbruxismusepisode . Erläuterung s. Text

Die eindeutige Ätiologie von SB ist immer noch ungeklärt. Eine Vielzahl von Risikofaktoren konnte aber identifiziert werden, wobei genetische, physiologische, neurologische und psychosoziale Aspekte eine Rolle spielen können (Abb. 4; [5]). Beim idiopathischen oder primären SB ist keine eindeutige Ätiologie festzustellen. Der sekundäre SB kennt allerdings eine Vielzahl von Komorbiditäten, die begünstigende Faktoren sein können, wie z. B. diverse Schlafstörungen, gastroösophagealer Reflux , Medikamente, Genussmittel, Drogen oder neurologische Erkrankungen . SBAS sind ein wichtiger Risikofaktor beim SB, deshalb wird im Folgenden auf diese Zusammenhänge eingegangen [23, 24, 25].

Gemeinsamkeiten der Erkrankungen

Eindeutige Korrelationen zwischen SB und SBAS konnten nicht nachgewiesen werden, allerdings finden sich gemeinsame physiologische Parameter sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Auffällig waren diese Gemeinsamkeiten bei folgenden Aspekten: Schlafposition , oropharyngeale Muskelaktivität, Weckreaktionen, gastroösophagealer Reflux, Zahnverschleiß , CMD und morgendlicher Kopfschmerz [26].

Bei Kindern und Jugendlichen, die nachts schnarchen, durch den Mund atmen und eine erhöhte Tagesschläfrigkeit aufweisen, berichten die Eltern deutlich häufiger über nächtliches Zähneknirschen [27, 28]. Im Schlaflabor konnte dies bestätigt werden, da zwei Drittelder schnarchenden Kinder und alle mit schwerer Schlafapnoe eine erhöhte SB-Aktivität aufwiesen [29, 30].

Eine Telefonumfrage bei 13.057 Erwachsenen hat ebenfalls deutliche Assoziationen von Schnarchen, nächtlichen Atempausen und Schlafapnoe mit SB belegen können [25]. Im Schlaflabor konnte bei etwa der Hälfte der Patienten mit leichter und mittelschwerer Schlafapnoe erhöhte SB-Aktivitäten nachgewiesen werden [24, 31].

Die Rückenlage im Schlaf verstärkt sowohl SB als auch die Atemstörungen. Patienten mit SB und mit SBAS verbringen 58 % bzw. 50 % ihrer Schlafzeit in Rückenlage [32, 33]. In dieser Position finden bei SB-Patienten allerdings auch deutlich mehr RMMA-Episoden und Schluckbewegungen statt als in Seitenlage (74 % bzw. 23 %; [34, 35]). Dabei spielt das Zurückfallen der Zunge eine geringere Rolle als der Kollaps durch den Pharynx oder die Epiglottis [36]. Besonders bei Männern findet beim Liegen zusätzlich durch Flüssigkeitsverschiebungen in den Oberkörper eine Einengung im Halsbereich mit einem Ansteigen des Halsumfangs statt [37].

Die Zungenaktivität und der Muskeltonus im oropharyngealen Bereich werden als wichtige Risikofaktoren bei SBAS beurteilt [38, 39, 40]. Während einer obstruktiven Atmungsstörung findet zunächst eine Reduzierung der Muskelspannung von M. masseter, M. genioglossus und M. pterygoideus lateralis statt [41]. Die darauf folgende vegetative Weckreaktion aktiviert unspezifisch alle Muskeln und spezifisch die oropharyngeale Muskulatur mit einer Öffnung der Atemwege. Die dabei entstehenden Zahnkontakte werden in der PSG als RMMA-Aktivitäten bewertet, sind aber vielleicht nur zufällige Zahnkontakte [42, 43, 44, 45].

Weckreaktionen („Arousals“) sind Veränderungen in der Schlaftiefe, die sich anhand plötzlicher kortikaler EEG-Aktivierungen nachweisen lassen und durch äußere oder innere Faktoren ausgelöst werden (Abb. 1). Es wurde vielfach belegt, dass Weckreaktionen sowohl bei SBAS als auch bei SB auftreten [21, 22, 46]. Dabei fällt auf, dass je länger die Hypoxie infolge einer Apnoe andauert, desto ausgeprägter die Weckreaktion und damit verbunden die Wahrscheinlichkeit einer SB-Episode ist [47, 48, 49, 50].

Eine andere Gemeinsamkeit von SB und SBAS ist der gastroösophageale Reflux. Die vermehrten Atemanstrengungen bei einer Verlegung der Atemwege führen zu einem Unterdruck im Brustraum und zu einem Hochsaugen von Magenflüssigkeit in die oberen Atemwege [51, 52, 53, 54]. Dies verstärkt die Weckreaktion, und der Patient empfindet morgens gehäuft Halsschmerzen oder Druck in der Brust. Es wird vermutet, dass der SB und das Schlucken eine protektive Funktion auf die Schleimhäute im Rachenschleimhäute durch eine Verdünnung der Magensäure haben und zur Vermeidung der Aspiration in die Lunge beitragen [55, 56, 57].

Ein verstärkter Verschleiß der Zahnsubstanz tritt ebenfalls gehäuft bei Bruxismuspatienten und bei SBAS auf [58]. Mechanische und chemische Faktoren führen in der Allgemeinbevölkerung zu einem kontinuierlichen Abrieb der Zähne, und die Prävalenz von schwerem Verschleiß steigt von 3 % bei 20-Jährigen auf 17 % bei 70-Jährigen [59]. An 30 Patienten mit verstärktem Zahnverschleiß wurde eine 3‑mal höhere Prävalenz von SBAS als in der Allgemeinbevölkerung identifiziert [60]. Außerdem korreliert der Anstieg des Schweregrads der SBAS proportional mit der Zerstörung der Zahnsubstanz. Dafür werden ursächlich sowohl der vermehrte SB als auch der vermehrte Reflux, ausgelöst durch die SBAS, verantwortlich gemacht [61].

Kraniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) treten ebenfalls bei Patienten mit SB und SBAS gehäuft auf. Niederfrequenter SB mit 2 oder mehr Episoden pro Stunde ist assoziiert mit Myalgien der Kaumuskulatur [62, 63]. In einer großen prospektiven Kohortenstudie wurden SBAS ebenfalls als wichtiger Risikofaktor für das erste Auftreten einer CMD sowie den Beginn einer chronischen CMD identifiziert [64]. Eine Verdoppelung von respiratorisch bedingten Weckreaktionen mit einer Zunahme der Schlaffragmentation bei CMD-Patientinnen wurde nachgewiesen [65].

Wenn die Patienten morgens mit Schläfenkopfschmerzen oder Migräneattacken aufwachen, sollte der Zahnarzt nach Schlafstörungen wie Bruxismus oder Atmungsstörungen suchen, weil diese häufig damit assoziiert sind. Die Mechanismen sind nicht eindeutig geklärt, interessanterweise können aber zahnärztliche Interventionen wie z. B. Okklusionsschienen oder Unterkieferprotrusionssschienen einen positiven Effekt auf die Symptome haben [5, 66].

Zahnärztliches Screening

Nur bei etwa 10 % der Patienten mit SBAS werden diese diagnostiziert und einer Behandlung zugeführt [7, 61]. Bis zu 90 % der Bevölkerung gehen aber regelmäßig zur Vorsorge zum Zahnarzt [67], der die Möglichkeit hat, diese Risikopatienten zu identifizieren und eine schlafmedizinische Diagnostik zu veranlassen (Tab. 2; [68, 69, 70, 71, 72]).

Es gibt es eine ganze Reihe von leicht zu erkennenden Risikofaktoren, die in den Anamnesebögen ohne größeren Aufwand erfragt werden können, wie z. B. Schnarchen und fremdanamnestisch beobachtete Atempausen, männliches Geschlecht, das Alter über 50 Jahre, eine erhöhte Tagesschläfrigkeit, fehlende nächtliche Blutdruckabsenkung, Konsum von Genussmitteln oder muskelerschlaffenden Medikamenten . Bei der Behandlung von CMD-Patienten mit persistierenden Schmerzen sollten SB und andere Schlafstörungen besondere Berücksichtigung finden, da dies für den Heilungserfolg sehr relevant sein kann.

Einfache Beobachtungen des Patienten auf dem Behandlungsstuhl lassen ebenfalls wichtige Risikofaktoren sichtbar werden, wie Übergewicht, kräftiger Nacken oder großer Bauchumfang . Auch wenn der Patient bei der zahnärztlichen Behandlung einschläft, ist das relativ ungewöhnlich und sollte den Zahnarzt in dieser Hinsicht sensibilisieren.

Bei der intraoralen Untersuchung fallen besonders Zeichen von Parafunktionen auf, wie z. B. ein verstärkter Zahnverschleiß sowie ausgeprägte Wangen- und Zungenimpressionen, die auf erhöhten aktuellen SB schließen lassen können [61]. Enge Zahnbögen , eine ausgeprägte sagittale Stufe, ein schlaffes Gaumensegel, langgezogenes Zäpfchen oder große Tonsillen sind ebenfalls Risikofaktoren für SBAS.

Wenn der Verdacht auf eine SBAS anhand von klinischen Zeichen und Symptomen vorliegt, helfen spezielle Filterfragebögen , diesen zu bestätigen (Tab. 3 und 4). Der Schweregrad der Tagesschläfrigkeit wird durch die Epworth Sleepiness Scale (ESS) beurteilt [73] und das Risiko für eine Schlafapnoe mit dem STOP-BANG-Fragebogen („snoring, tiredness, observed apnea, high blood pressure – BMI, age, neck circumference, male gender“; [1, 74, 75]).

In der zahnärztlichen Praxis besteht auch die Möglichkeit, mit einfachen ambulanten Verfahren den reinen SB objektiv zu beurteilen [76, 77, 78].

Tab. 2 Zahnärztliches Screening von schlafbezogenen Atmungsstörungen
Tab. 3 Epworth Sleepiness Scale (ESS) zur Erfassung der Tagesschläfrigkeit und des Risikos für Verkehrsunfälle
Tab. 4 STOP-BANG-Fragebogen zur Ermittlung des Risikos für Schlafapnoe

Behandlung

Sowohl SB als auch SBAS können je nach Indikation relativ erfolgreich durch eine ganze Reihe von Verfahren behandelt werden, wie die nächtliche Überdruckbeatmung, UPS, Verhaltensänderungen und verschiedene chirurgische Interventionen.

Die nächtliche Maskenbeatmung mittels Überdruck ist bei obstruktivem Schnarchen und Schlafapnoe das Verfahren mit der höchsten Wirksamkeit und deshalb Goldstandard [1]. SB scheint bei diesen Patienten zum großen Teil sekundär zu sein, weil nach Behandlung mit dieser Technik der SB stark reduziert wird oder nicht mehr nachweisbar ist [79, 80, 81, 82, 83].

Die UPS für den Schlaf sind hochwirksam bei der Behandlung von SBAS und haben nach der Überdruckbeatmung die höchste Evidenzstufe A ([1]; Abb. 5). Eine ganze Reihe von Studien können belegen, dass sie gleichzeitig auch den SB reduzieren [84, 85, 86]. Die Mechanismen sind hier noch nicht eindeutig geklärt. Diskutierte Faktoren sind die Dimensionen des Geräts in der Mundhöhle, das Vorhandensein von Schmerzen, die Einschränkung der Unterkieferbewegung und auch eine Erweiterung der Atemwege [85]. Bei der Anfertigung durch qualifizierte Zahnärzte ist darauf zu achten, dass sie bimaxillär und stufenlos einstellbar sind. Aufgrund der relativ häufig auftretenden Nebenwirkungen wie Myalgien, Arthralgien und Zahnverschiebungen ist auf eine konsequente zahnärztliche Nachsorge zu achten [87, 88, 89, 90]. Klassische Okklusionsschienen, insbesondere wenn sie eine gewisse Bisshebung verursachen, sind bei SBAS kontraindiziert, weil sie in einigen Fällen die Atmungsstörungen verstärken können [91, 92, 93, 94].

Verhaltensänderungen können auch hilfreich sein. Patienten mit SB und SBAS kann empfohlen werden, die Seitenlage im Schlaf zu trainieren, z. B. mit dazu speziell angefertigten Rückenlage-Verhinderungswesten [34, 35]. Gleichzeitig ist eine Hochlagerung des Oberkörpers sinnvoll, um eine Flüssigkeitsverschiebung in den Hals und den Reflux von Magensäure in den Rachen zu vermeiden [37]. Regelmäßige Bewegung und eine natriumarme Ernährung reduzieren den Lymphstau in den Geweben und helfen ebenso wie eine Gewichtsreduktion [1]. Ganz allgemeine Maßnahmen zur Schlafhygiene, wie z. B. die Vermeidung von Alkohol, Kaffee, Nikotin und Drogen, können sich ebenfalls positiv auf beide Störungen auswirken [95, 96].

Adenotonsillektomie und Gaumennahterweiterung bei Kindern weisen deutliche Erfolge bei der Behandlung von SBAS und SB auf [97, 98, 99, 100, 101, 102, 103]. Dies belegt den kausalen Zusammenhang von SBAS bei Kindern mit dem SB, insbesondere beim Schnarchen und bei Mundatmern.

Abb. 5a,b
figure 5

Wirkungsweise einer Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) mit Erweiterung der oberen Atemwege durch eine Protrusion des Unterkiefers im Schlaf

Fazit für die Praxis

  • Beim primären oder idiopathischen SB können die Zähne nur unspezifisch durch Okklusionsschienen geschützt werden, beim sekundären SB müssen auslösende Faktoren identifiziert werden.

  • SBAS sind ein wichtiger Risikofaktor bei schwerem SB, insbesondere bei längerdauernden atembedingten Sauerstoffabfällen und den damit einhergehenden Weckreaktionen.

  • Besonders bei Kindern, die nachts mit den Zähnen knirschen und schnarchen, ist auf SBAS zu achten. Häufig liegt hier ein sekundärer SB vor, der kausal durch Adenotonsillektomie und/oder kieferorthopädische Verfahren behandelt werden kann.

  • Vor Einsatz klassischer Okklusionsschienen wegen Bruxismus sollten die Patienten nach Symptomen und Zeichen von SBAS gefiltert werden, um diese wesentliche Erkrankung nicht zu übersehen oder sogar zu verstärken.

  • Nach Diagnose- und Indikationsstellung durch Schlafmediziner können Zahnärzte im interdisziplinären Team mit den UPS sowohl die SBAS bessern bzw. beseitigen als auch den SB positiv beeinflussen.