Einleitung

Frakturen treten gehäuft im Kindes- und Jugendalter – meist traumatisch – sowie im höheren Lebensalter – dann meist atraumatisch – im Rahmen eines systemischen Knochenmasse- und Strukturverlustes der (Alters‑) Osteoporose auf. Ihre Ursachen sind multifaktoriell und reichen vom Verhalten und Aspekten der neurologischen und muskulären Funktion über die Form und Architektur der Knochen bis hin zu deren Mikrostruktur. Im Folgenden soll auf genetische Faktoren eingegangen werden, die das Frakturrisiko beeinflussen und daher von diagnostischer und in der Zukunft möglicherweise auch direkter therapeutischer Konsequenz sind.

Modeling und Remodeling des Knochengewebes

Von Frakturen betroffen sind in der Regel Röhrenknochen und Wirbelkörper, die sich im Rahmen der enchondralen Ossifikation aus mesenchymalen Kondensationen und zunächst knorpeligen Vorläuferstrukturen bilden [13]. Diese verknöchern im Weiteren durch die Invasion von Gefäßen mithilfe der knochenbildenden Osteoblasten sowie der resorbierenden Osteoklasten. Im Zuge der fortschreitenden Knochenbildung wird ein Teil der Osteoblasten in die extrazelluläre Matrix eingemauert und zu Osteozyten. Osteoblasten, Osteoklasten und Osteozyten bilden die sog. „basic multicellular unit“ (BMU), deren Zusammenspiel sowohl während des Wachstums (Modeling) als auch während des zeitlebens stattfindenden Knochenumbaus nach Abschluss des Wachstums (Remodeling) die meisten Aspekte der Form und Mikrostruktur der Knochen bestimmt [27]. Die Aktivität der BMU wird durch ein komplexes Geflecht von Signaltransduktionswegen und entsprechenden Botenstoffen reguliert, die wiederum unter der zentralen Kontrolle diverser Hormone und des vegetativen Nervensystems stehen. Außergewöhnlich ist die große Rolle mechanischer Einflüsse in der Regulation der BMU, die vor allem durch die Osteozyten vermittelt wird. Seit der Identifikation von Mutationen in LRP5 als Ursache des Osteoporose-Pseudogliom-Syndroms wurde die zentrale Rolle des Wnt-Pathways für die Differenzierung von Osteoblasten und damit für die Knochenbildung vielfältig bestätigt [1]. Entscheidend für die Differenzierung der Osteoklasten ist hingegen vor allem der RANKL/RANK/OPG-Pathway [31].

Während das Längenwachstum mit dem Schluss der Wachstumsfugen in der Adoleszenz sichtbar endet, nimmt die Gesamtmenge des Knochengewebes, die sog. Knochenmasse, ca. bis zum 30. Lebensjahr weiter zu (Abb. 1). Die maximale individuell erreichte Knochenmasse wird als sog. „peak bone mass“ (PBM) bezeichnet. Je höher diese ausfällt, desto länger kann die Knochenmasse im Alter trotz des jährlichen Verlustes im physiologischen Referenzbereich gehalten werden. Man geht davon aus, dass durch das Remodeling jährlich ca. 10 % des erwachsenen Knochengewebes erneuert werden. Gründe für den Knochenmasseverlust im Alter sind geschlechterübergreifend zelluläre Alterungsprozesse, zunehmende inflammatorische Signale sowie eine generell zunehmend katabole Stoffwechsellage [8]. Da die hormonellen Umstellungen bei Frauen im Klimakterium schneller und ausgeprägter ablaufen als bei Männern, kann bei Frauen in dieser Phase mitunter ein rapider Verlust an Knochenmasse innerhalb weniger Jahre beobachtet werden, der bei Männern erst mit entsprechender Verzögerung nachweisbar ist.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Entwicklung der Knochenmineraldichte im Laufe des Lebens (blau Männer, pink Frauen) unter physiologischen (durchgezogene Linien) und pathologischen (gestrichelte Linien) Bedingungen. Zwei verschiedene pathologische Szenarien sind gezeigt: 1. ein verlangsamter Aufbau der Knochenmasse (bordeauxrot), 2. ein beschleunigter Abbau (grün). PBM peak bone mass.

Knochenmineraldichte und Frakturrisiko

Um das Frakturrisiko einzuschätzen, haben sich im klinischen Alltag eine Anzahl von Parametern durchgesetzt, unter denen die Knochenmineraldichte („bone mineral density“; BMD) eine führende Rolle einnimmt. Die BMD wird durch Röntgenabsorptiometrie (DEXA) an definierten Stellen der lumbalen Wirbelsäule (L1–4) und des proximalen Femurs bestimmt. Die Resultate werden zur Abschätzung des individuellen Frakturrisikos genutzt und als Standardabweichungen von der durchschnittlichen PBM als T‑Score angegeben. Ein T‑Score von −1,0 bis −2,5 definiert eine Osteopenie, unter −2,5 liegt eine Knochendichte im Bereich der Osteoporose vor. Es muss jedoch betont werden, dass ein großer Teil der (osteoporotischen) Frakturen im Alter (56 % bei Frauen, 79 % bei Männern) nach inadäquatem Trauma bei einem T‑Score über −2,5, also im Bereich der Osteopenie, auftritt [29]. Dies verdeutlicht, dass die gemessene Knochenmasse (BMD) nur ein wichtiger Teilaspekt ist, um das Frakturrisiko vorherzusagen. Andere wichtige Aspekte wie Knochenstrukturstörungen oder Mineralisationsdefizite können mit der DEXA nicht direkt erfasst werden.

Die basale Diagnostik wird ergänzt durch laborchemische Untersuchungen, die insbesondere das Vorliegen sekundärer Osteoporoseformen (z. B. bei Hyper- oder Hypothyreose, chronischen Nierenerkrankungen oder Plasmozytom) ausschließen sollen (Tab. 1). Erweiterte Analysen können Auskunft über den Knochenstoffwechsel (Formations- und Resorptionsparameter) bzw. über dessen hormonelle Regulation geben.

Tab. 1 Auswahl sekundärer Ursachen einer frühmanifestierenden Osteoporose (EOOP).

Genetische Einflüsse auf die Knochenmineraldichte/„peak bone mass“

Die Knochenmineraldichte (BMD) ist ein klassisches quantitatives Merkmal mit Normalverteilung in der Bevölkerung für das jeweilige Geschlecht. Auch wenn die BMD nur Auskunft über die Masse an mineralisiertem Knochengewebe und nicht über dessen „Klasse“ (Mikrostruktur, biomechanische Eigenschaften der Knochenmatrix etc.) gibt, wurde sie in reduktionistischer Weise dankbar als Grundlage für genomweite Assoziationsstudien (GWAS) genutzt [26]. Als wichtige Voraussetzung für Studien zu genetischen Einflussfaktoren konnte für die BMD eine recht hohe Heritabilität von 60–80 % nachgewiesen werden [24]. Für eine generelle Übersicht über das Zusammenspiel seltener und häufiger Varianten in der Entstehung häufiger Erkrankungen und das Thema der „missing heritability“ verweisen wir auf einen kürzlich in dieser Zeitschrift erschienenen exzellenten Artikel [16].

Häufige genetische Varianten

Nach anfänglicher Untersuchung einzelner Polymorphismen in offensichtlichen Kandidatengenen (Östrogenrezeptor, Kollagen Typ 1 etc.) in kleineren Probandenkohorten Anfang der 2000er-Jahre nahm der Umfang der untersuchten genomweiten Polymorphismen und der Kohorten rasch zu [9, 17]. Wurden 2008 noch ca. 300.000 SNPs in insgesamt 8000 Probanden untersucht, umfasst die aktuell größte Studie mehr als 13 Mio. SNPs und 400.000 Probanden. Mit der niedrigeren Power der 2008er-Studie wurden hauptsächlich zwei Loci identifiziert: LRP5 und TNFRSF11B, die für einen Wnt-Korezeptor bzw. Osteoprotegerin (OPG) kodieren [22]. Die gefundenen SNPs erklärten jedoch nur einen winzigen Bruchteil der BMD-Varianz. Seitdem ist die Zahl der mit BMD und/oder Frakturen assoziierten Loci auf über 500 angestiegen, wodurch nun ca. 20 % der Varianz erklärt werden kann [6, 12, 18, 30, 33]. Die Effektstärken der neu gefundenen Varianten werden erwartungsgemäß immer kleiner. Alle Studien zeigen außerdem eine inverse Korrelation zwischen der Frequenz eines assoziierten SNPs und seiner Effektstärke (Abb. 2; [10, 12]). Um auch SNPs mit niedriger Frequenz zu erfassen, werden in neueren GWAS daher die Ergebnisse der SNP-Genotypisierung mit Daten aus Ganzgenomsequenzierungen ergänzt. Auf diese Weise wurde beispielsweise eine Assoziation von SNPs mit einer Frequenz von ca. 2 % in einer Genwüste upstream des Gens EN1 detektiert [32]. Dieses Gen kodiert für das Genprodukt Engrailed, einen Regulator des Wnt-Signalwegs, in dem auch viele weitere GWAS-Gene funktionell angesiedelt sind. Neben dem bereits erwähnten LRP5 ist hier vor allem das Gen SOST zu nennen, das den von Osteozyten gebildeten Wnt-Inhibitor Sclerostin produziert [4]. Weitere Wnt-assoziierte Gene sind AXIN1, AXIN2, DKK1, FZD7, KREMEN1, LRP4, LRP6, RSPO2, RSPO3, SFRP4, TCF4, WNT1, WNT2B, WNT4, WNT7B und WNT16. Eine Häufung von assoziierten Varianten findet sich auch in Genen mit Rolle im TGF-β‑/BMP-Signalweg: BMP2, BMP4, BMP5, BMPR1B, LTBP3, SMAD3, SMAD7, SMAD9, TGFB2, TGFRB2 und TGFRB3. Die für die Osteoblastendifferenzierung wichtigen Transkriptionsfaktoren RUNX1 und SP7 (Osterix) treten ebenfalls auf, erstaunlicherweise aber nicht der Masterregulator der Osteoblastenbildung RUNX2 [19]. Als Regulatoren der Osteoklastendifferenzierung wurden neben dem erwähnten TNFRSF11B ebenfalls TNFRSF11A (bildet den RANK-Rezeptor) und TNFSF11 (bildet den RANK-Ligand) detektiert [31]. Weitere prominente Osteoklastengene umfassen MMP9, NFATC1 und das Osteopetrose-Gen TCIRG1. Das häufigste Gen für die autosomal-dominante Osteopetrose, CLCN7, ist nach zwischenzeitlicher Aufnahme in den Club der GWAS-Hits aktuell wieder herausgefallen, was die Volatilität von BMD-assoziierten Loci unterstreicht [5]. Osteozytenspezifische Gene sind neben dem oben genannten SOST ebenfalls DMP1 und MEPE. Die Genloci, deren Assoziation mit der BMD am sichersten reproduziert werden konnte, finden sich in Tab. 2.

Abb. 2
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Korrelation zwischen Frequenz von Genvarianten und Stärke des Effekts auf die Knochenmineraldichte. (Nachempfunden und modifiziert nach Kim [12]). Die blauen Punkte repräsentieren alle untersuchten SNPs. Graue Punkte zeigen beispielhaft drei SNPs im Gen LRP5 mit unterschiedlicher Frequenz und Effektstärke (Tab. 1).

Tab. 2 Wichtige häufige Genvarianten/Genloci mit Einfluss auf die Knochenmineraldichte.

Seltene genetische Varianten

Viele der o. g. Gene wurden durch GWAS „wiederentdeckt“, da ihnen schon zuvor im Rahmen der Entstehung seltener monogener Knochenerkrankungen eine Rolle bei der Regulation der BMU nachgewiesen worden war [8]. Hierzu zählen v. a. die bereits erwähnten Gene LRP5 und SOST, die autosomal-rezessive Erkrankungen mit erhöhter oder erniedrigter BMD verursachen können. Diese Phänotypen (Osteoporose-Pseudogliom-Syndrom und Sklerosteose) sind extrem und beginnen im frühen Kindesalter. Jedoch stellte sich heraus, dass bestimmte heterozygote Mutationen in LRP5 eine spätmanifeste Hyperostose erzeugen [1]. Noch eindrücklicher konnte die abgestufte Wirkung bi- und monoallelischer Mutationen im WNT1-Gen dargestellt werden. Während biallelische Mutationen eine schwere frühkindliche Frakturkrankheit verursachen, die als Osteogenesis imperfecta Typ XV bezeichnet wird, sind heterozygote Mutationen lediglich mit einer erniedrigten BMD, gehäuften Frakturen und einer verzögerten Frakturheilung assoziiert, die meist erst im jungen Erwachsenenalter auftritt [11, 15]. Dies ließ vermuten, dass auch in Individuen mit isolierter Osteoporose in einzelnen Genen ursächliche Varianten mit starkem Effekt zu finden sein könnten. Durch Next-Generation Sequencing (NGS) war außerdem eine parallele Untersuchung einer großen Zahl von Kandidatengenen möglich geworden, sodass eine Suche nach monogenen Formen der frühmanifesten Osteoporose einsetzte. Unter dem Dach des National Bone Boards formierte sich hierzu das Konsortium Detection and Individualized Management of Early-Onset Osteoporosis (DIMEOs), das eine Förderung durch das BMBF erhalten konnte.

Klinik der frühmanifesten Osteoporose

Für prämenopausale Frauen und Männer vor dem 60. Lebensjahr liegen wenige Daten zur Ursache, Diagnostik und Therapie einer Osteoporose vor, sodass auch vorhandene Osteoporose-Leitlinien für diese Patientengruppe nicht gelten bzw. nur sehr eingeschränkt angewendet werden können (z. B. Osteoporose-Leitlinie des Dachverbands Osteologie; DVO, 2017). Ebenso wenig existiert eine einheitliche Definition der frühmanifesten/Early-Onset-Osteoporose (EOOP). Auch in dieser Patientengruppe wird die Diagnose häufig über die in der DEXA ermittelte BMD gestellt. Bei Patientinnen und Patienten (deutlich) vor dem 50. Lebensjahr sollte allerdings nicht der Vergleich zur PBM (T-Score), sondern zur Altersreferenz herangezogen und entsprechend der Z‑Score ermittelt werden. Anders als bei der WHO-Definition der Osteoporose (T-Score schlechter −2,5) wird zum Beispiel von der International Society for Clinical Densitometry (ISCD) für Kinder und Jugendliche bereits ein Z‑Score schlechter −2,0 als Grenzwert für eine EOOP angesehen [21]. Neben der BMD kommt aber der Klinik eine bzw. die entscheidende Rolle zu. So müssen zum Beispiel multiple niedrigenergetische Frakturen, unklare Frakturheilungsstörungen (v. a. atrophe Pseudarthrosen), das Vorliegen skelettaler Dysmorphien etc. an eine EOOP denken lassen. Entscheidend für die Diagnose einer EOOP ist dabei stets der Symptombeginn und nicht das Alter zum Zeitpunkt der Vorstellung. Sekundäre Osteoporoseformen müssen selbstredend zunächst immer ausgeschlossen werden (Tab. 1).

Häufigkeit monogener Ursachen der frühmanifesten Osteoporose

Anhand der o. g. Kriterien konnten von 2014 bis 2018 im Rahmen des DIMEOs-Projekts in den vier klinischen Zentren in Berlin, Dresden, Hamburg und Würzburg zusammen 430 EOOP-Patienten rekrutiert werden. Die Kohorte bestand zu 54 % aus Männern und 46 % aus Frauen, das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses betrug 46 ± 13 Jahre. Eine repräsentative Kasuistik findet sich in Abb. 3. Bei einem Teil der eingeschlossenen Frauen erfolgte die Erstmanifestation in Form einer sog. Schwangerschaftsosteoporose [2]. Alle Probanden wurden einer Genpanelsequenzierung unterzogen, die alle bekannten monogenen Ursachen für pathologisch veränderte Knochenmineraldichte und/oder Frakturanfälligkeit abdeckte. Bei 15 % dieser Individuen fanden sich als Klasse V einzustufende pathogene Genvarianten (Abb. 4a). Bei 9 % zeigten sich wahrscheinlich pathogene Varianten der Klasse IV und in 12 % Klasse-III-Varianten unklarer Signifikanz (Oheim et al., Manuskript in Vorbereitung). Alle Varianten lagen dabei in heterozygotem Zustand vor.

Abb. 3
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Fallvignette frühmanifestierende Osteoporose . Es wird eine 45-jährige Patientin mit verzögerter Frakturheilung (atrophe Pseudarthrose) nach operativ versorgter Femurschaftfraktur nach Sturz zu ebener Erde vorgestellt (a). Die operative Versorgung in einer Spezialklinik war schwierig, eine geplante Marknagelung konnte aufgrund der Femurkonfiguration nicht erfolgen. Anamnestisch waren zwei Radiusfrakturen und eine OSG-Fraktur zu eruieren – alle vermeintlich traumatisch. Aufgrund der auffälligen Femurkonfiguration erfolgte das Röntgen der Gegenseite, das einen identischen Befund zeigt (b). In der Röntgenabsorptiometrie wurde lumbal ein T‑Score von −4,2 ermittelt. Die veranlasste molekulargenetische Analyse erbrachte eine COL1A2-Mutation, woraufhin die Segregationsanalyse und osteologische Untersuchung der Kinder erfolgte. Dabei zeigte sich bei beiden Kindern die nachgewiesene COL1A2-Mutation sowie beim 25-jährigen Sohn ein lumbaler T‑Score von −5,3 mit bereits mehreren Wirbelkörperfrakturen (c) und ein lumbaler T‑Score von −3,1 der 22-jährigen Tochter.

Abb. 4
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Seltene genetische Varianten bei frühmanifestierender Osteoporose (EOOP). a Prozentsatz der Patienten in der EOOP-Kohorte (N = >400) mit einer Genvariante der ACMG(American College of Medical Genetics)-Klassen pathogen (V) und wahrscheinlich pathogen (IV). b Verteilung der Genvarianten auf die verschiedenen Krankheitsgene. Die meisten Mutationen finden sich in den Typ-1-Kollagengenen und in Genen des Wnt-Signalwegs.

Über 50 % der Klasse-V-Mutationen befanden sich in den Genen für das Typ-1-Kollagen COL1A1 oder COL1A2 (Abb. 4b). Genetisch gesehen handelte es sich also um eine Osteogenesis imperfecta, die so mild war, dass sie klinisch nicht diagnostiziert wurde, auch wenn sie retrospektiv aufgrund der Anamnese und Klinik (Z. n. kindlichen Frakturen, autosomal-dominanter Erbgang, bläuliche/gräuliche Skleren) häufig unterstellt werden konnte. Bei einigen dieser Personen erfolgte ein „deep phenotyping“ mithilfe der „high-resolution peripheral quantitative computed tomography“ (HR-pQCT). Dabei konnten keine strukturellen Unterschiede zwischen Betroffenen mit Typ-1-Kollagenmutationen und EOOP-Patienten ohne Nachweis genetischer Ursachen identifiziert werden [28]. Die zweitgrößte EOOP-Subgruppe waren Patienten mit Mutationen in LRP5 oder WNT1, gefolgt von unerkannten Fällen von Hypophosphatasie durch ALPL-Mutationen und Mutationen im X‑chromosomalen Gen PLS3. Die große Relevanz von LRP5-Mutationen für EOOP wurde auch von anderen Gruppen bestätigt [3, 14]. Insgesamt kann also davon ausgegangen werden, dass ca. 20 % aller EOOP-Patienten an einer häufig unerkannten dominanten monogenen Knochenkrankheit leiden. Die Schwierigkeit der klinischen Zuordnung aufgrund der oft ungewöhnlichen und milden Ausprägung der Krankheitsbilder macht eine frühe Verankerung der genetischen Untersuchung im diagnostischen Algorithmus essenziell.

Relevanz für das klinische Management

Die unmittelbaren Konsequenzen der Aufdeckung einer monogenen Ursache für eine EOOP sind vielfältig. Einerseits endet die mitunter strahlenintensive und auch invasive Suche nach einer sekundären Ursache für die vorliegende EOOP, andererseits wird eine Beratung hinsichtlich der Prognose sowie einer spezifischen Therapie ermöglicht. Außerdem ist eine frühzeitige Identifizierung betroffener Familienmitglieder möglich, was wiederum präventive Maßnahmen im familiären Umfeld ermöglicht. Das Wissen um die vorliegende Mutation wird in Zukunft immer größeren Einfluss auf die Wahl des spezifischen Therapeutikums haben. Hierbei gibt es viele Gemeinsamkeiten mit der pädiatrischen Therapie der Osteogenesis imperfecta oder der hypophosphatämischen Rachitis, auf die in parallelen Artikeln in dieser Ausgabe eingegangen wird [7]. Generell existieren die meisten Erfahrungen für die Therapie von EOOP-Patienten mit Antiresorptiva (z. B. Bisphosphonate), die aber vor allem für Formen mit beschleunigtem Knochenverlust geeignet sind. Bei Pathologien, die überwiegend den Knochenaufbau betreffen, sind diese Substanzen weniger geeignet. Ein Problem ist dabei die fehlende Auswahl knochenanaboler Pharmaka zur Behandlung der Low-turnover-Osteoporose. Derzeit steht hierzulande nur das PTH-Analogon Teriparatid zur Verfügung, das aber nur für 2 Jahre verabreicht werden kann. Für die nicht unerhebliche Gruppe der Patienten mit Mutationen im Wnt-Pathway wäre der Sclerostin-Inhibitor Romosozumab aufgrund des Wirkmechanismus eine sehr gute Option [20]. Leider steht dieses Biological aber weiterhin auf dem europäischen Markt für die Osteoporosebehandlung nicht zur Verfügung. Möglicherweise wäre hier ein Zulassungsverfahren für die Wnt-abhängige EOOP als seltene Erkrankung ein denkbarer Ausweg. Wie bereits von Ludwig et al. diskutiert, rücken neben den monogenen Knochenerkrankungen auch im Bereich der Osteoporose „polygenic risk scores“ aus seltenen und häufigen Varianten in greifbare Nähe, die individualisierte Therapien auf breiter Front auch für die Altersosteoporose möglich machen könnten [16]. Die Chancen einer frühen Abschätzung des genetischen Risikos hinsichtlich einer möglichen Prävention mit dem Ziel, die PBM in der kritischen Entwicklungsphase zu erhöhen, muss hier allerdings sorgfältig mit dem Recht auf Nichtwissen abgewogen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Knochenmineraldichte (BMD) ist eine wichtige Determinante der Knochenstabilität, die ihren Peak (PBM) zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr erreicht.

  • Die BMD zeigt eine Heritabilität von 60–80 %.

  • Häufige Varianten in über 500 Loci erklären derzeit ca. 20 % der Variabilität der BMD.

  • Starke Assoziationen finden sich mit Genen des Wnt- und RANKL-Pathways, die oft auch seltene Knochenerkrankungen verursachen.

  • Die frühmanifeste Osteoporose ist in rund 20 % der Fälle durch eine seltene Genvariante verursacht – im Sinne einer monogenen Knochenerkrankung.

  • Sie stellt milde Formen von seltenen infantilen Knochenerkrankungen dar (z. B. OI).

  • Da eine klinische Diagnose oft schwierig ist, kommt nach Ausschluss sekundärer Ursachen der genetischen Diagnostik eine wichtige Rolle bei der Ursachensuche zu.

  • Das Wissen um die molekulare Krankheitsursache wird perspektivisch zu gezielteren Therapiestrategien beitragen.