In dieser Ausgabe beschäftigt sich die Zeitschrift medizinischegenetik erneut mit der Pränataldiagnostik. Dieses Thema hat für die Humangenetik eine ungebrochen hohe Relevanz, was allein schon in der Anzahl der Neugeborenen belegt wird, die im Jahr 2018 in Deutschland bei 787.523 (Statistisches Bundesamt) und in Österreich bei 85.085 (Statistik Austria) lag. Für Paare, die eine Schwangerschaft planen und präkonzeptionelle Untersuchungsverfahren in Betracht ziehen, und für Schwangere, die während des Schwangerschaftsverlaufs Informationen über mögliche kindliche Erkrankungen oder Fehlbildungen erfahren wollen, gibt es ein umfangreiches Angebot an Untersuchungsmöglichkeiten, das sich in den letzten Jahren zum Teil grundlegend geändert hat. In dieser Ausgabe beschreiben Kolleginnen und Kollegen den aktuellen Stand einiger dieser neuen Entwicklungen.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnet die genetische Untersuchung des Embryos nach einer künstlichen Befruchtung und vor der Implantation in die Gebärmutter der Frau. Sie ist in den deutschsprachigen Ländern jeweils gesetzlich streng reguliert. In Deutschland basiert die Zustimmung zur PID auf Einzelfallentscheidungen und darf nur mit verbindlicher Zustimmung einer Ethikkommission durchgeführt werden. In Österreich wird die PID durch das Fortpflanzungsmedizingesetz geregelt und Einrichtungen, in denen im Rahmen der PID genetische Analysen durchgeführt werden, bedürfen für die Untersuchungsmethoden, den Untersuchungsinhalt und den Untersuchungsumfang eine spezielle Zulassung. Sowohl in Deutschland wie auch in Österreich darf eine PID nur bei einem hohen Risiko für eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindes in Betracht gezogen werden. Dies können beispielsweise Chromosomenstörungen sein, wenn einer der beiden Partner Träger einer balancierten Translokation ist, oder mit einer infausten Prognose assoziierte Gendefekte. Mittels PID kann dann ein Embryo ausgewählt werden, der den entsprechenden Gendefekt nicht aufweist. Von der PID muss die Polkörperdiagnostik (PKD) differenziert werden, welche weniger streng gesetzlich reguliert ist, mit deren Hilfe aber nur maternal vererbte Gen- und Chromosomenveränderungen diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden können. Die PID und auch die PKD stellen technische Herausforderungen dar, da bei Polkörper- bzw. Trophektodermbiopsie naturgemäß nur ein oder zwei Zellen für die Diagnostik zur Verfügung stehen, sodass diese Untersuchungen nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden können. Hehr und Mitarbeiter fassen ihre Erfahrungen zur PID aus ihrem Zentrum zusammen, insbesondere mit Hinblick auf Diagnoseeffizienz für strukturelle oder numerische Chromosomen-Fehlverteilungen und der Diagnose von genetischen Erkrankungen, der erzielten Schwangerschaftsraten und der benötigten Hormonstimulationen.

Die Pränataldiagnostik wird in invasive und nichtinvasive Verfahren eingeteilt. Die invasiven Verfahren stellen seit vielen Jahrzehnten die Amniozentese, Chorionzottenbiopsie und die Nabelschnurpunktion dar. Mit allen drei Methoden ist eine klassische Zytogenetik und bei Bedarf Molekulargenetik, wie Array-CGH oder Analyse von einem oder mehreren Genen möglich. Die Inanspruchnahme insbesondere der Amniozentese aber auch von Chorionzottenbiopsien hat in den vergangenen Jahren merklich abgenommen, was auf eine deutliche Verbesserung der nichtinvasiven Diagnostik, sowohl im Bereich des Ultraschalls als auch der zellfreien DNA Analyse aus dem mütterlichen Blut zurückgeführt werden kann. Nichtsdestotrotz gehört die klassische genetische Analytik nach Amniozentese und Chorionzottenbiopsien zum festen Bestandteil der Pränataldiagnostik und hat einen besonderen Stellenwert, insbesondere wenn es um Abklärung fetaler Fehlbildungen und Anomalien sowie fetaler Wachstumsrestriktionen geht. Duba und Arzt reflektieren die pränatale klassische Analytik und relevante Aspekte aus dem Bereich der invasiven Pränataldiagnostik.

Zu den nicht-invasiven Verfahren gehören Ultraschalluntersuchungen, gegebenenfalls Magnetresonanztomografien und die Analyse von mütterlichem Blut auf fetoplazentare, zellfreie DNA, was gängig als nichtinvasiver Pränataltest (NIPT) bezeichnet wird. Ultraschalluntersuchungen haben einen breiten medizinischen Fokus, der die Berechnung des Geburtstermins, den Ausschluss von Schwangerschaftskomplikationen, die Feststellung von Einlings- oder Mehrlingsschwangerschaften sowie das Bewegungsbild, Lage der Plazenta, die Lage und die Organentwicklung des Fetus beinhaltet. Insbesondere Fehlbildungsdiagnostiken nach der 12. und um die 20. Schwangerschaftswoche gehören zum festen Überwachungsprogramm während einer Schwangerschaft. Werden bei der Ultraschalluntersuchung bestimmte Parameter wie Nackentransparenz, Nasenbeindarstellung, Herzveränderungen oder das Vorhandensein von Fehlbildungen mit der Konzentration von zwei Plazentahormonen (βHCG, PAPP-A) im mütterlichen Blut kombiniert, spricht man vom Ersttrimesterscreening oder Combined Test, was eine individuelle Risikoabschätzung insbesondere für eine Trisomie 21 erlaubt.

Neben dem Ultraschall bzw. Ersttrimesterscreening hat sich in den letzten Jahren NIPT zur Erfassung bestimmter chromosomaler Anomalien etabliert. Die Tests können mit hoher Wahrscheinlichkeit das Down-Syndrom (Trisomie 21), die Trisomien 13 und 18 und das fetale Geschlecht erkennen. Sie gelten aber nicht als diagnostisch, sondern dienen einer Wahrscheinlichkeitsbestimmung, die bei einem auffälligen Befund durch andere, meist invasive Verfahren überprüft werden sollte. Die Arbeitsgruppe um Anne Rummer und Wiebke Sieben vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fasst hier von 22 Studien die Sensitivität und Spezifität der Trisomie 21 Diagnostik durch NIPT zusammen und hat untersucht, inwieweit NIPT die Zahl der invasiven Tests und damit der testbedingten Fehlgeburten verringern könnte. Dieser Beitrag ist durch die derzeit in Deutschland geführten Diskussion zur Zulassung der NIPT als Kassenleistung hochaktuell. Während die Schweiz als erstes europäisches Land NIPT in die Regelversorgung Schwangerer aufgenommen hat und Schwangeren NIPT zuzahlungsfrei ab einer ermittelten Wahrscheinlichkeit von 1:1000 für das Vorliegen einer Trisomie 21 anbietet, hat in Deutschland erst der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschieden, dass eventuell ab Herbst 2020 NIPT von den Krankenkassen bezahlt und in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen werden soll.

In diesem Zusammenhang hat die GfH zusammen mit anderen Fachgesellschaften ein Konsenspapier zur NIPT herausgegeben, in der relevante Aspekte vor einer Überführung der NIPT in die Patientenversorgung, insbesondere auch unter Einbeziehung einer ausgewogenen und ergebnisoffenen Beratung, genannt werden (https://www.gfhev.de/de/startseite_news/2019_09_19_Konsens%20NIPT.pdf). In diesem Konsenspapier wird bereits darauf aufmerksam gemacht, dass sich für die nahe Zukunft eine sehr viel breitere Anwendung des NIPT für genetische Untersuchungen abzeichnet. Tatsächlich wird bereits jetzt von kommerziellen NIPT Anbietern neben den autosomalen Trisomien 13, 18 und 21 und Fehlverteilungen der Geschlechtschromosomen auch die Untersuchung auf Mikrodeletionssyndrome und einzelne monogene Erkrankungen angeboten. Dabei allein wird es voraussichtlich nicht bleiben, weil schon vor einigen Jahren gezeigt werden konnte, dass mit entsprechendem Aufwand aus dem mütterlichen Blut eine Komplettsequenzierung des fetalen Genoms durchgeführt werden kann [1, 2]. Deshalb ist die künftige weitere Entwicklung der NIPT für die Pränataldiagnostik von außerordentlicher Bedeutung und dieses Thema wird von Nicolaides und Mar Gil in dieser Ausgabe beleuchtet.

Die beschriebenen Entwicklungen gerade im Bereich der NIPT werden voraussichtlich zu einer starken Ausweitung pränataldiagnostischer Untersuchungen führen, wodurch sich die Frage stellt, welche Konsequenzen sich für Schwangerschaftsabbrüche ergeben. In Deutschland werden im europäischen Vergleich zurzeit insgesamt wenige Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden im Rahmen der sogenannten Fristenlösung, also nach Beratung und innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate durchgeführt. Nur ein kleiner Teil der insgesamt 101.209 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017 – ca. 3900 oder 3,9 % – findet nach einer medizinischen Indikation statt (Alma Kolleck und Arnold Sauter: Aktueller Stand und Entwicklungen der Pränataldiagnostik; Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim deutschen Bundestag). Die zunehmende Vorverlegung der pränatalen Diagnostik durch NIPT, Ersttrimesterscreening und Chorionzottenbiopsie wirft aber die Frage auf, inwiefern Ergebnisse der genetischen Pränataldiagnostik Einfluss auf die Entscheidungsfindung zu einem Schwangerschaftsabbruch noch während oder erst nach der Fristenlösung nehmen. Deshalb gewinnen durch die neuen Möglichkeiten viele bereits in der Vergangenheit diskutierte Fragen zur Pränataldiagnostik an Aktualität, wie u. a. welches Wissen werdende Eltern über das entstehende Kind erlangen sollten und welche Folgen dieses Wissen haben kann oder inwieweit Behinderungen und Fehlbildungen vermeidbar seien. Deshalb sollte diese Entwicklung in der Pränataldiagnostik von bioethischen Diskussionen begleitet werden, die Aspekte der Menschen- und Personenwürde einbeziehen sollten. In dieser Ausgabe beschreibt diesbezüglich Peter Schallenberg von der Theologischen Fakultät Paderborn die Sicht der katholisch-theologischen Bioethik.

Zusammenfassend spannen wir in dieser Ausgabe der Zeitschrift medizinischegenetik einen Bogen von präkonzeptionellen Untersuchungsverfahren, über klassische pränatale Untersuchungen zu NIPT inklusive zukünftigen Entwicklungen und deren gesellschaftlichen und ethischen Bedeutung. Mit der Geschwindigkeit mit der sich das Feld der Pränataldiagnostik zurzeit entwickelt ist es jedoch absehbar, dass sich in naher Zukunft wieder eine Ausgabe der Zeitschrift medizinischegenetik mit dieser Thematik erneut wird beschäftigen müssen.