Zusammenfassung
Die Inzidenz und Prävalenz von Steinerkrankungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es ist von entscheidender Bedeutung, möglichst frühzeitig eine richtige Diagnose der zugrunde liegenden Erkrankung zu stellen, um die richtige Therapie einzuleiten und damit möglicherweise schwerwiegende Folgen, wie terminales Nierenversagen, zu verhindern. Bei Kindern lassen sich in ca. 75 % der Fälle genetische oder anatomische Ursachen identifizieren. Die verschiedenen zugrunde liegenden Erkrankungen für die jeweiligen lithogenen Risikofaktoren werden hier präsentiert und die entsprechenden Therapieoptionen, sofern vorhanden, erläutert.
Abstract
The incidence and prevalence of stone diseases have significantly increased over the last few years. It is crucial to correctly diagnose the underlying condition to initiate proper treatment as early as possible and thus prevent devastating consequences such as end-stage renal failure. In up to 75% of pediatric patients genetic or anatomical causes can be identified. The various underlying conditions are presented here according to each lithogenic risk factor and, if available, the appropriate therapeutic approaches are elucidated.
Einleitung
Im letzten Jahrzehnt wurde ein deutlicher Anstieg von Inzidenz und Prävalenz von Urolithiasis/Nephrocalcinose bei Erwachsenen beobachtet. Auch bei Kindern findet sich ein Anstieg der Urolithiasishäufigkeit, gemessen an den Kindern, die wegen einer Steinerkrankung stationär aufgenommen oder ambulant vorgestellt werden [1, 2]. Bei pädiatrischen Patienten stellen genetische und anatomische Ursachen die Hauptfaktoren (~75 %) für die Entwicklung von Nierensteinen dar [3]. Steine sind dabei in der Regel nur das erste oder ein Symptom der zugrunde liegenden Erkrankung und stellen nicht die Diagnose dar [1, 4]. Allerdings finden sich auch bei Kindern, wie bei den Erwachsenen umweltbedingte Faktoren wie Ernährungsgewohnheiten, z. B. exzessiver Genuss von tierischem Protein, oder im Rahmen eines metabolischen Syndroms. Urolithiasis (UL) beschreibt Steine, die in den Nieren und ableitenden Harnwegen gefunden werden, unter Nephrolithiasis (NL) versteht man die in den Nieren lokalisierten Steine, Nephrocalcinose (NC) meint Kalziumsalzablagerungen in den Tubuli, dem Tubulusepithel und/oder dem Interstitium [5]. Die NC wird auch durch die anatomische Region der Ablagerung beschrieben: eine medulläre, in drei Schweregrade eingeteilte Echogenitätserhöhung wird von einer kortikalen (z. B. bei akuter kortikaler Nekrose) und einer diffusen, generalisierten Nephrocalcinose unterschieden [6]. Die Pathologen beschreiben Kalziumphosphat-Ablagerungen als Nephrocalcinose und Kalziumoxalat(CaOx)-Ablagerungen als Oxalose.
Steine und Nephrocalcinose können jeweils alleine, gemeinsam oder aber nacheinander folgend auftreten [7]. Differentialdiagnostisch sollten bei Verdacht auf Nephrocalcinose im Ultraschall per Computertomographie kleinere Steine von <2 mm Durchmesser ausgeschlossen werden [8].
Urolithiasis und/oder Nephrocalcinose finden sich bei Kindern jeden Alters. In den letzten Jahren stieg vor allem die Prävalenz beim weiblichen Geschlecht (metabolisches Syndrom, Anstieg von Adipositas im Kindesalter) deutlich an, damit gibt es keinen signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschied mehr [9]. Die Nephrocalcinose beginnt meist in den ersten Lebensmonaten, sie ist häufiger bei Tubulopathien oder bei angeborenen Stoffwechselerkrankungen zu finden und kann wie Konkremente auch einseitig auftreten (Tab. 1). Jüngere Kinder haben einen höheren Anteil an Steinen, die in den Nieren lokalisiert sind, während ältere Patienten oft mit obstruktiven Konkrementen im Harnleiter (Ureterolithiasis) klinisch symptomatisch werden [10, 11].
Risikofaktoren für Urolithiasis und Nephrocalcinose
Die hier im Vordergrund stehenden genetischen bzw. metabolischen Steinerkrankungen führen häufig zu Veränderungen in den Serum- und/oder Urinelektrolyten bzw. der Exkretion von prolithogenen Substanzen im Urin und sind damit biochemisch fassbar ([3, 12]; Tab. 2). Alle Kinder sowie alle Erwachsene mit wiederholten Steinereignissen sollten eine entsprechende Blut- und Urinanalytik erhalten und Konkremente sollten für eine Steinanalyse (mittels Infrarotspektroskopie/Röntgendiffraktion) aufbewahrt werden. Der Urinanalytik kommt dabei eine zentrale Rolle zu (Hämaturie, Proteinurie, Leukozyturie, pH, Sediment, Urinkultur, Kristallurie, Ausscheidung von Elektrolyten und prolithogener/antilithogener Faktoren) [7, 13].
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, Einzelniere, multiplen Steinen, schwerer oder progredienter Nephrocalcinose, auffälliger Familienanamnese, Organbeteiligung außerhalb des Urogenitaltraktes, Malabsorptionssyndromen oder nachgewiesener genetischer Steinerkrankung zählen zur Hochrisikogruppe für weitere Steinereignisse und Progredienz der Nierenfunktionsstörung [3, 7, 8, 12].
Eine Einteilung nach Leitbefunden der biochemischen Urinanalyse hat sich als praktikabel erwiesen und soll auch hier verfolgt werden (Tab. 1, 3, 4, 5 und 6). Sofern möglich, sollten 24 h Sammelurine zur Analytik verwendet werden. Kürzere Sammelphasen sollten nicht auf 24 h extrapoliert werden und Kreatininquotienten (u. a. abhängig von der Muskelmasse) aus Spontanurinproben führen oft zu einer Überschätzung der Ausscheidung. Auffällige Urinparameter sollten bei der Indikationsstellung für eine genetische Abklärung Beachtung finden, da sich so eine große Zahl an Patienten mittels gezielter genetischer Diagnostik abklären lässt. Eine Paneldiagnostik kann insbesondere bei sehr jungen Patienten oder bei Patienten mit bereits deutlicher Einschränkung der Nierenfunktion, die u. U. zu einer Nivellierung der Auffälligkeiten geführt hat, hilfreich sein.
Tab. 1, 3, 4, 5 und 6 stellen jeweils eine Übersicht der Ursachen von Nephrocalcinose und Nephrolithiasis dar, geordnet nach biochemischen Leitbefunden.
Hyperkalziurie
Die Hyperkalziurie ist (einer) der lithogene(n) Hauptrisikofaktor(en) [14]. Die Trennlinie zwischen normaler (<0,1 mmol/kg bzw. <4 mg/kg Körpergewicht und Tag) und erhöhter Kalziumausscheidung verläuft eher unscharf, eine schwere Hyperkalziurie besteht ab einer Kalziumausscheidung von ≥0,2 mmol/kg pro Tag. Die primäre, idiopathische Hyperkalziurie ist der häufigste Grund für kalziumhaltige Nierensteine [7, 15]. Bei einigen Patienten kann man einen renalen von einem absorptiven Subtyp unterscheiden, wobei Erstere ständig, also auch im Nüchternurin, eine Hyperkalziurie aufweisen. Dieser Klassifikationsansatz hat sich für viele Patienten als nicht brauchbar erwiesen, da sie so nicht weiter klassifiziert werden können [10,11,12,13].
Die primäre idiopathische Hyperkalziurie ist vermutlich häufig eine multifaktorielle Erkrankung, bei der durch komplexe Interaktion von umwelt- und individuellen genetischen Faktoren Prozesse der intestinalen Absorption, der renalen Exkretion und Reabsorption sowie Resorption aus dem Knochen in Kombination zur Hyperkalzämie führen [15]. Bis zu 50 % aller Patienten haben eine positive Familienanamnese (siehe Tab. 1).
Aus dieser Gruppe der ehemals idiopathischen Hyperkalziurie sind die drei autosomal-rezessiv erblichen Formen der CYP24A1, SLC34A1 und SLC34A3 assoziierten Nephrocalcinose/Steinerkrankungen hervorzuheben, die mit erhöhten 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3(Calcitriol)-Spiegeln einhergehen. Der Funktionsverlust der 24 Hydroxylase führt über den verminderten Abbau von aktivem Vitamin D (1,25 Dihydroxy-Vitamin D3 und 25 Hydroxy-Vitamin D3) zur Hyperkalzämie mit konsekutiver Hyperkalziurie. Hierbei kann es bereits unter einer geringen Vitamin-Supplementation zu Intoxikationssymptomen mit Hyperkalzämie induziertem Nierenversagen kommen [16,17,18,19]. Auch später im Erwachsenenalter können Stressoren (Infektionen, Operationen, Schwangerschaft, Vitamin-D-Gabe etc.) zu einer Manifestation führen. Ein Funktionsverlust der Natrium-Phosphat-Cotransporter (SLC34A1 [NaPi 2a] und SLC34A3 [NaPi 2c]) führt über die Hypophosphatämie (wie alimentärer Phosphatmangel oder phosphatbindende Antazida) zur erhöhten Produktion von 1,25 (OH)2 VitD3. Im Gegensatz zur CYP24A1 assoziierten Form ist hier eine Phosphat-Substitution erforderlich, um die Symptomatik zu durchbrechen. Irritierenderweise besteht der Begriff idiopathisch in der OMIM-Bezeichnung fort. Vermutlich können auch heterozygote Sequenzveränderungen in diesen Genen (in Kombination) zu (milderen) mit Hyperkalziurie assoziierten Phänotypen führen, die Datenlage ist für eine abschließende Bewertung momentan nicht ausreichend.
Besondere Erwähnung sollten auch Mutationen im „calcium-sensing receptor“ (CASR) finden, die je nachdem, ob es sich um aktivierende oder inaktivierende Mutationen handelt, zu den gegenläufigen Phänotypen der hypokalzämischen Hyperkalziurie oder der hyperkalzämischen Hypokalziurie führen können [20]. Mit ständig zunehmender Zahl an genetischen Untersuchungen werden sich vermutlich neue monogene Erkrankungen aus dem Spektrum der idiopathischen Hyperkalziurie herauskristallisieren.
Viele verschiedene Krankheitsbilder führen sekundär über eine Hyperkalzämie zur Hyperkalziurie. Der primäre Hyperparathyreoidismus (pHPT), die häufigste Form der hyperkalzämischen Hyperkalziurie beim Erwachsenen, ist im Kindesalter (z. B. neonataler HPT, ausgelöst durch CASR-Muationen) nur selten zu finden [21]. Auch für den isolierten pHPT sind vereinzelt bereits genetische Ursachen (CDC73, GCM2 und CASR) beschrieben [22, 23], für die Mehrzahl der Patienten mit isoliertem pHPT kann aber derzeit keine genetische Ursache gefunden werden.
Neben einer Hypervitaminosis D führen auch eine exzessive Zufuhr von Vitamin A sowie eine chronische Kaliumdefizienz zur Hyperkalziurie.
Andere sekundäre Gründe für die Entwicklung einer Hyperkalziurie sind die Behandlung mit Schleifendiuretika, Dexamethason oder adrenocorticotropes Hormon (ACTH). Eine Hyperkalziurie findet sich auch bei diversen Syndromen, ausgelöst durch die Pathogenese der Grunderkrankung (Tab. 1). Dazu zählen Hyper- und Hypothyreoidismus, Cushing-Syndrom, Nebennierenrindeninsuffizienz, Malignome und Knochenmetastasen, Langzeitbeatmung, anhaltende Immobilisation, persistierende metabolische Azidose (und reduzierte Knochendichte) sowie dauerhafte parenterale Ernährung. Weitere wichtige Entitäten mit einer Hyperkalziurie (ohne Gewähr auf Vollständigkeit) finden sich aus Platzgründen in Tab. 1 [7, 10, 13].
Das präventive Management bei NC/UL basiert vornehmlich auf der Reduktion der Konzentration lithogener oder der vermehrten Ausscheidung antilithogener Parameter im Urin. Eine möglichst hohe Flüssigkeitszufuhr (>1,5–2 L/1,73 m2 Körperoberfläche über den Tag verteilt) muss unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung unbedingt beachtet werden. Ohne eine solche Flüssigkeitszufuhr macht auch eine medikamentöse Behandlung keinen Sinn! Ernährungsempfehlungen sollten nur ganz vorsichtig ausgesprochen werden, schnell sind Diätfehler gemacht. So führt eine reduzierte Kalziumzufuhr zu einer noch risikoreicheren Erhöhung der Oxalatausscheidung, da weniger Oxalat im Darmtrakt gebunden ist und damit die intestinale Oxalatabsorption ansteigt. Eine Hyperkalziurie wird dann durch die noch problematischere Hyperoxalurie ersetzt. Aber auch eine Ernährung mit niedrigem Oxalatgehalt ist mit Vorsicht zu empfehlen, viele Patienten übertreiben die diätetischen Änderungen [24].
Kristallisationsinhibitoren, meist Citrat- oder Magnesiumpräparate, steigern das Löslichkeitsprodukt des Urins. Das in der Leber zu Bikarbonat metabolisierte Citrat führt zu einem höheren pH-Wert des Urins sowie zu einer verringerten tubulären Citratrückresorption und damit zu einer verbesserten Citratausscheidung [8, 25]. Citrat bindet an Kalzium, somit steht weniger Kalzium zur Bindung mit Oxalat oder Phosphat zur Verfügung! Aber auch die Kalziumausscheidung kann durch Alkalicitrattherapie um etwa 30 % reduziert werden. Auch die Löslichkeit von Cystin und Harnsäure wird verbessert, Harnsäuresteine können sich sogar unter einer solchen Behandlung auflösen. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 0,1–0,2 g/kgKG (0,3–0,6 mmol/kg) als Natrium-Kalium- oder am besten Kaliumcitratpräparat [7]. Bei Patienten mit distale renal tubuläre Azidose (dRTA) wird die Dosis an den Serum-pH-Wert angepasst und als Kaliumcitrat appliziert. Unbedingt sollte der Urin-pH-Wert regelmäßig gemessen werden, um allzu hohe pH-Werte (>7), die das Risiko der Kalzium-Phosphatpräzipitation steigern, zu vermeiden [26]. So erkennt man bei Patienten, die primäre CaOx-Monohydrat-Nierensteine entwickeln (PH I), im Verlauf auch immer einen geringen Anteil an Kalziumphosphat unter Citrattherapie, als Zeichen dafür, dass der Urin-pH-Wert nicht immer adäquat eingestellt war.
Thiazidpräparate werden bei stark erhöhter Kalziumausscheidung (>8 mg/kgKG/d) eingesetzt. Sie reduzieren die Kalziumausscheidung durch eine höhere Kalziumaufnahme im distalen Tubulus und durch Stimulation der Kalziumrückresorption im proximalen Tubulus per Volumenkontrolle [27, 28]. Vor allem bei Kindern mit negativer Kalziumbilanz und reduzierter Knochendichte macht eine Therapie in einer Dosis von 0,5–1 mg/kgKG (Hydrochlorothiazid) Sinn. Um Nebenwirkungen wie Hypokaliämie zu vermeiden, wird Hydrochlorothiazid oft mit einem kaliumsparenden Diuretikum wie z. B. Amilorid kombiniert.
Hyperoxalurie
Bei der Hyperoxalurie, dem aufgrund der nur geringen Löslichkeit von Kalziumoxalatsalzen im Urin problematischsten lithogenen Parameter, werden primäre von sekundären Ursachen unterschieden:
Alle drei derzeit bekannten Formen der primären Hyperoxalurie (PH) sind seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen des hepatischen Glyoxylatstoffwechsels und führen (bei normaler Nierenfunktion) zu einer deutlich erhöhten Ausscheidung des metabolischen Endproduktes Oxalat (>1 mmol/1,73 m2/Tag, Normwert < 0,5/1,73 m2/Tag) [30]. Der häufigste Subtyp, die primäre Hyperoxalurie Typ I (PH I), wird durch eine niedrige, komplett fehlende oder mislokalisierte Aktivität der leberspezifischen peroxisomalen Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase (AGT) verursacht [31]. Die Prävalenz in Mitteleuropa liegt bei etwa 1–3 Patienten pro 106 Population (Tab. 3; [32]). Genomische, populationsbasierte Untersuchungen lassen aber eine viel höhere Prävalenz (1:58.000) und damit eine deutliche Anzahl nicht diagnostizierter Patienten vermuten [33]. Die extrem erhöhte Urinausscheidung von Oxalat und Glykolat führt zur Bildung von Nierensteinen, einer progredienten medullären, oft auch diffusen NC, oder beidem. Mit fortschreitender Niereninsuffizienz, ausgelöst durch chronische Inflammationsprozesse in der Niere, werden CaOx-Kristalle systemisch in vielen Geweben abgelagert (= systemische Oxalose) mit u. U. letalen Konsequenzen [30, 34]. Das klinische Spektrum der Erkrankung ist sehr heterogen und reicht von der infantilen Oxalose mit Gedeihstörung und frühzeitiger terminaler Niereninsuffizienz bis hin zu asymptomatischen/oligosymptomatischen Verläufen, mitunter bis ins hohe Erwachsenenalter. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine terminale Niereninsuffizienz zu entwickeln, ist sehr hoch, daher sind eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung also unbedingt notwendig [29, 30, 33, 34]. Leider wird die Diagnose oft erst stark verspätet gestellt, aufgrund von Komplikationen einer systemischen Oxalose unter Dialysebehandlung, oder aber bei schnellem Graftverlust nach isolierter Nierentransplantation [34]. Eine „Rekurrenz“ der Oxalose nach isolierter Nierentransplantation in Unkenntnis der Grunderkrankung ist fast unvermeidlich.
In Deutschland macht die primäre Hyperoxalurie Typ II (PH II) weniger als 10 % aller PH-Erkrankungen aus. Die PH II ist durch einen Mangel an Glykolat- und Hydroxypyruvatreduktase (GRHPR), die neben einer erhöhten Urinausscheidung von Oxalat auch zu einer Erhöhung der L‑Glycerinsäureausscheidung führt, charakterisiert [30, 35]. Die klinischen Symptome sind mit der der PH I vergleichbar, der Verlauf ist allgemein aber weniger problematisch trotzdem kommt es bei bis zu 50 % der Patienten zur terminalen Niereninsuffizienz im Erwachsenenalter (OxalEurope database; [34]).
Der primären Hyperoxalurie Typ III (PH III) liegt ein Defekt der mitochondrialen 4‑Hydroxy-2-Oxoglutarataldolase 1 (HOGA1) zugrunde [36, 37]. Sie ist womöglich der zweithäufigste Subtyp und neben einer erhöhten Oxalatexkretion kann oft auch die Kalzium- und manchmal die Harnsäureausscheidung im Urin erhöht sein. Als spezifischer Urinmetabolit lässt sich eine erhöhte 4‑Hydroxy-2-Oxoglutarat(HOG)- oder Glutamatexkretion im Urin nachweisen. Die PH III ist der Subtyp mit der besten Langzeitprognose, eine terminale Niereninsuffizienz wurde noch bei keinem Patienten beschrieben [38]. Die Klinik manifestiert sich meist schon früh im Säuglingsalter mit häufig rezidivierender Urolithiasis. Obwohl Hyperoxalurie wie auch oft die Hyperkalziurie bestehen bleiben können, zeigen fast alle Patienten eine komplette klinische Remission mit Sistieren der Symptome (Steine), meist in der 2. Lebensdekade [37, 38]. Dieses bisher nicht verstandene Phänomen erklärt womöglich die Tatsache, dass außerhalb von Familienuntersuchungen bisher kaum erwachsene Patienten mit PH III identifiziert werden konnten.
Patienten mit PH I werden mit supraphysiologischen Dosen von 5–20 mg/kgKG/d Pyridoxalphosphat, dem Ko-Faktor des defekten Enzyms AGT, behandelt [39]. Die Behandlung hilft bei einem Drittel der Patienten, hier meist Patienten mit „mistargeting“ Mutationen, die Urinoxalatausscheidung zu reduzieren, in wenigen Fällen sogar zu normalisieren. Wichtigste Nebenwirkung ist dabei die Polyneuropathie, deswegen muss unter Therapie auch regelmäßig der Serum-B6-Spiegel gemessen werden, um extrem erhöhte Werte zu vermeiden [39]. Bei PH II und PH III bleibt bisher nur die symptomatische Behandlung wie bei anderen Patienten mit rezidivierenden Kalziumoxalatsteinen. Patienten mit PH (I) und terminalem Nierenversagen sollten so schnell wie möglich transplantiert werden, da keine Form von Nierenersatztherapie eine adäquate Oxalatelimination ermöglicht [40]. Abhängig von der jeweiligen systemischen Oxalatablagerung des Patienten wird entweder eine kombinierte Leber‑/Nierentransplantation (wenig systemische Oxalose) oder aber eine zweizeitige Transplantation bei hochgradiger Oxalatablagerung, hier Niere nach Leber, durchgeführt [41]. Bei der PH II ist der Enzymdefekt nicht leberspezifisch, die meisten Patienten werden deswegen auch nur Nieren transplantiert, es sind in der Zwischenzeit aber auch PH II-Patienten beschrieben worden, die eine kombinierte Transplantation benötigten [42, 43]. Nur ein Patient mit PH III ist bisher als niereninsuffizient beschrieben worden, insofern gibt es hier bisher auch keine Transplantationsstrategie [44].
Hypocitraturie
Citrat hat antilithogene Effekte über eine Komplexierung von freiem Kalzium im Urin und vermindert das Wachstum von Kalziumoxalatkristallen sowie die Anlagerung ans Epithel. Die Hypocitraturie ist ein wenig beachteter Risikoparameter für die Entwicklung von kalziumhaltigen Konkrementen und NC [45]. In verschiedenen Regionen der Welt, so z. B. in der Türkei, aber auch bei Risikopopulationen, wie z. B. den Frühgeborenen, ist sie sogar der häufigste Risikofaktor [46]. Sie ist charakteristisch für die d‑RTA, bei milder oder latenter metabolischer Azidose, nach Nierentransplantation, bei Hypokaliämie und bei Patienten mit Malabsorptionssyndromen, oder sekundär durch eine niedrige intestinale Alkaliabsorption zu finden [26].
Risikofaktoren Urolithiasis
Cystinurie
Die autosomal-rezessiv vererbte Cystinurie ist mit einer mittleren Prävalenz von ~1:7000 eine der häufigsten genetischen Steinerkrankungen und ungefähr 10 % aller kindlichen Nierensteine sind Cystinsteine. Es finden sich in etwa gleich häufig biallelische Mutationen im SLC3A1- und SLC7A9-Gen. Seltener führen auch heterozygote Veränderungen im SLC7A9-Gen zur dominanten Form mit unvollständiger Penetranz und moderat gesteigerten Urinausscheidung von Zystin mit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhtem Nephrolithiasis-Risiko [47]. Beide Gene werden im proximalen Tubulus der Niere exprimiert und kodieren für Untereinheiten, die für den transepithelialen Transport der dibasischen Aminosäuren Cystin, Ornithin, Lysin und Arginin (COLA) notwendig sind. Ein Mangel führt zur Anhäufung dieser Aminosäuren im Urin mit nachfolgender Präzipitation und Bildung von Cystinkristallen (typische hexagonale Form) oder -steinen. Allerdings ist nur für Cystin die Löslichkeit so schlecht, dass sich Steine bilden (ab ca. 300 mg/l bei pH 7). Mehr als 50 % der Patienten entwickeln eine bilaterale UL und eine häufig rezidivierende Steinerkrankung [47]. Das Risiko für eine (terminale) Niereninsuffizienz besteht insbesondere nach unilateraler Nephrektomie und häufigen operativen Eingriffen in Unkenntnis der Grunderkrankung.
Da Cystin bei einem Urin-pH-Wert >8 am besten löslich ist, ist die Urinalkalisierung das Hauptziel der Pharmakotherapie. Des Weiteren werden chelierende Medikamente (D-Penicillamin und alpha-Mercaptopropionylglycin, MPG) verabreicht, die die Disulfidbindung von Cystin spalten und damit zur Umwandlung zu Cystein, einem 50-mal löslicheren Homodimer von Cystin, führen [48]. Das Nebenwirkungsspektrum, immerhin treten bei 20–50 % der Patienten Ausschlag, Arthralgie, Thrombozytopenie, Polymyositis und nephritisches Syndrom auf, limitiert natürlich die Anwendung. Wichtig zu wissen ist, dass D‑Penicillamin die Serumspiegel von Vitamin B6 reduziert, welches demzufolge supplementiert werden muss. Der ACE-Inhibitor Captopril hat einen ähnlichen Effekt wie MPG, aber deutlich weniger Nebenwirkungen [49]. Hoch dosierte Ascorbinsäure reduziert auch Cystin zu Cystein, aber die Effektivität der Behandlung ist nicht klar und es könnte zur gesteigerten endogenen Oxalatproduktion durch den Abbau von Vitamin C und damit zur Hyperoxalurie kommen. Eine Methionin reduzierte Ernährung ist bei Cystinurie wichtig, da es im Körper zu Cystin metabolisiert wird [50, 51].
Defekte im Purinmetabolismus: Hyperurikosurie und Hypourikosurie
Harnsäuresteine werden selten bei Kindern gefunden. Harnsäure ist ebenfalls ein metabolisches Endprodukt (des Purin-Metabolismus). Da Menschen das Enzym Uricase fehlt, können Harnsäuresalze nicht weiter zum besser löslichen Allantoin metabolisiert werden. Eine Hyperurikosurie findet sich bei purinreicher Ernährung, myeloproliferativen Erkrankungen, Tumorlyse-Syndrom oder enzymatischen Defekten. Viele Medikamente, z. B. Probenizid, hohe Dosen von Salizylaten oder Kontrastmittel erhöhen auch die Urinharnsäureausscheidung. Ein saurer Urin-pH-Wert oder ein niedriges Urinvolumen sind dann die stärksten Risikoparameter für die Entstehung von Harnsäuresteinen. Einige seltene angeborene Defekte des Purinstoffwechsels, wie bei der Hypoxanthin-phosphoribosyltransferase (HPRT), führen zu Hyperurikämie und Hyperurikosurie bzw. bei Adenin-Phosphoribosyltransferase-Defizienz (APRT) zur Akkumulation des schwer löslichen Adeninabbauproduktes 2,8 Dihydroxyadenin (rotbräunliche Kristalle) [52]. APRT-Mangel birgt unbehandelt ein hohes Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz, die auch zum Verlust der Transplantatniere führen kann. Eine Therapie mit Allopurinol ist effektiv.
Bei Patienten mit Purinsteinen (Harnsäure, 2,8-Dihydroxyadenin, Xanthin) muss neben einer hohen Flüssigkeitszufuhr eine Urinalkalinisierung mit pH-Werten >6,5 eingehalten werden. Eine hohe Zufuhr von tierischem Eiweiß sollte vermieden werden. Bei fortbestehender Hyperurikosurie werden Inhibitoren der Xanthinoxidase, z. B. Allopurinol, gegeben. Es muss natürlich vorsichtig dosiert werden, da es zu einer sekundären Xanthinurie kommen kann [53]. Xanthin ist im Gegensatz zu Harnsäure im alkalischen Urin nicht gut löslich, eine Alkalicitrattherapie wäre damit nicht nützlich. Bei Patienten mit 2,8-Dihydroxyadeninsteinen sind die Harndilution und die Gabe von Inhibitoren der Xanthinoxidase neben diätetischen Restriktionen (Adenin, Purin) die einzigen Therapiemaßnahmen [52, 53].
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A. Weigert, B.B. Beck und B. Hoppe geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Weigert, A., Beck, B.B. & Hoppe, B. Genetische Nierensteinerkrankungen. medgen 30, 438–447 (2018). https://doi.org/10.1007/s11825-018-0227-x
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