Zusammenfassung
Der Begriff CAKUT (Congenital Anomalies of the Kidney and Urinary Tract) bezeichnet diverse angeborene Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege. Da alle CAKUT-Phänotypen zusammengenommen etwa 15–30 % aller pränatal diagnostizierten Fehlbildungen ausmachen und etwa 40 % der Fälle mit terminalem Nierenversagen bei Kindern und Jugendlichen verursachen, sind diese Anomalien epidemiologisch hochrelevant. Die Diagnosestellung erfolgt mit radiologischen Verfahren, insbesondere mit Ultraschall, wobei bei vielen Patienten eine Kombination verschiedener CAKUT-Phänotypen nachgewiesen wird. CAKUT tritt zu etwa 85 % sporadisch auf, zu etwa 15 % familiär. Das Vererbungsmuster ist häufig dominant, kann aber auch rezessiv sein. CAKUT kann isoliert auftreten, aber auch als Teil einer syndromalen Erkrankung. Variable Expressivität und inkomplette Penetranz sind bei CAKUT häufig. CAKUT ist genetisch sehr heterogen. Im Mausmodell wurden bislang über 180 CAKUT-assoziierte Gene beschrieben. Da Mutationen in den etwa 50 bisher bekannten humanen CAKUT-Genen nur ca. 20 % der CAKUT-Fälle erklären und sich verschiedene chromosomale Aberrationen wie Mikrodeletionen in weiteren ca. 15 % der Patienten insbesondere mit syndromalen CAKUT finden, sind exom-/genomweite Screeningverfahren für die Aufklärung genetischer CAKUT-Ursachen besonders geeignet. Bei sporadischen Fällen ist eine Trio-basierte Analyse der Exome/Genome von Patienten-Eltern-Trios zur Identifizierung von De-novo-Aberrationen und biallelischen Varianten vielversprechend. Eine Abklärung der genetischen Ursache ist für die Präzisierung von Wiederholungsrisiken sowie eine gezielte Untersuchung von CAKUT-Patienten im Hinblick auf extrarenale Phänotypen von klinischer Bedeutung.
Abstract
The term CAKUT comprises various congenital anomalies of the kidney and urinary tract. Taken together, CAKUT phenotypes account for approximately 15–30% of all prenatally detected congenital malformations, and cause around 40% of cases with end-stage kidney disease in children and adolescents; thus, these anomalies are of great epidemiological relevance. Diagnosis is made using radiological techniques, in particular ultrasound, which establishes a combination of various CAKUT phenotypes in many patients. CAKUT occur sporadically in around 85% of patients, whereas around 15% of cases are familial. The inheritance pattern is frequently dominant, but it can also be recessive. CAKUT can occur as an isolated malformation or as part of a syndromic disorder. Variable expressivity and incomplete penetrance are frequent in CAKUT. CAKUT are genetically highly heterogeneous. Using mouse models, more than 180 CAKUT-associated genes have been described to date. As mutations in the approximately 50 human CAKUT genes known so far account for only around 20% of cases, and various chromosomal aberrations such as microdeletions are causative in another approximately 15% of patients, particularly in those with syndromic CAKUT, exome- and genome-wide screening methods are especially suitable for identifying the genetic causes of CAKUT. In sporadic cases, trio-based analysis of exomes/genomes of patient-parent trios to detect de novo aberrations and biallelic genomic variants seems particularly promising. It is of clinical significance to resolve the genetic causes of CAKUT to predict the risk of recurrence and to guide evaluation of CAKUT patients with regard to extrarenal phenotypes.
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Die Entwicklung der Nieren und ableitenden Harnwege ist ein hochkomplexer Prozess, der bei Störungen zu einem Spektrum von Fehlbildungen führt, das als Congenital Anomalies of the Kidney and Urinary Tract (CAKUT) bezeichnet wird. Dementsprechend verwundert es nicht, dass es eine große Anzahl von Nierenentwicklungsgenen gibt, deren Veränderungen zu CAKUT führen können. Die Anwendung von exom- und genomweiten Screeningverfahren hat in den letzten Jahren beträchtlich dazu beigetragen, die genetischen CAKUT-Ursachen weiter aufzuklären. Dennoch stehen wir erst am Anfang dieses Erkenntnisprozesses.
Die CAKUT-Phänotypen: Entstehung, Häufigkeit, Diagnostik, Therapie, Verlauf
Die verschiedenen CAKUT-Phänotypen entstehen in unterschiedlichen Stadien der Nierenentwicklung. Die Entwicklungsstadien der endgültigen Niere (Metanephros) sind (i) die Induktion der Ureterknospe aus dem Wolff’schen Gang und dessen Interaktion mit dem metanephrogenen Mesenchym, (ii) das Wachstum dieser Strukturen, (iii) die Nephrogenese an den Spitzen der sich verzweigenden Ureterknospe sowie (iv) die Nephronstrukturierung in Glomerulus und unterschiedliche Tubulussegmente [73]. Durch eine Störung der Ureterknospeninduktion kann es zu einer fehlenden Niere (Nierenagenesie) oder zu einer Dopplungsfehlbildung von Niere und Ureter kommen. Ist das Wachstum von Ureter und metanephrogenem Mesenchym gestört, kann sich eine Nierenhypoplasie (verkleinerte Niere mit verminderter Anzahl an normalen Nephronen) entwickeln. Eine Nierendysplasie, bei der die Niere abnormale Strukturen wie undifferenziertes Gewebe und/oder Zysten enthält, resultiert aus einer Störung bei der Nephrogenese, wobei die multizystisch-dysplastische Niere (MCDK, funktionslose Niere mit großzystischer Malformation) eine besonders ausgeprägte Form und die Nierenhypodysplasie eine häufige Mischform darstellt. Weitere CAKUT-Phänotypen umfassen Verschmelzungs- und Lageanomalien der Nieren, wie die Hufeisenniere und Nierenektopie, sowie obstruktive Uropathien, wie die ureteropelvine Stenose (UPJO), Uretermündungsstenose (UVJO) mit primärem Megaureter und Harnröhrenklappen (PUV) mit sekundären Megaureteren, und den vesikoureteralen Reflux (VUR), die mit einer Hydronephrose einhergehen können (Abb. 1; [26, 73, 80]).
Alle CAKUT Anomalien zusammen haben eine Prävalenz in der Größenordnung von 3–9 pro 1000 Lebendgeburten [60, 61, 81] und machen etwa 15–30 % aller pränatal diagnostizierten Fehlbildungen aus [17, 61, 73, 86]. Dabei sind schwerwiegende beidseitige CAKUT-Phänotypen bei Neugeborenen seltener, weil betroffene Feten (z. B. mit bilateraler Nierenagenesie oder MCDK) intrauterin versterben können. Phänotypen hingegen, die die intrauterine Entwicklung nicht wesentlich beeinflussen, weil sie asymptomatisch bleiben (z. B. Doppelanlage, Hufeisenniere, unilaterale CAKUT-Formen), kommen bei Neugeborenen häufiger vor (Abb. 1; [26, 80]). Oftmals treten bei CAKUT-Patienten verschiedene Phänotypen kombiniert auf. So beschrieben Cascio et al. bei etwa der Hälfte der Patienten mit einseitiger Nierenagenesie weitere Fehlbildungen aus dem CAKUT-Spektrum, meist obstruktive Uropathien oder VUR [10]. Eine typische klinische Präsentation von CAKUT sind rezidivierende Harnwegsinfekte.
Die Diagnose CAKUT wird mit radiologischen Verfahren gestellt. In der Regel wird dazu die Sonographie verwendet, die bereits pränatal Auffälligkeiten nachweisen kann. Dabei werden die Nieren hinsichtlich ihrer Lage, Form, Größe und Morphologie beurteilt; Megaureteren und Harntransportstörungen (HTS) lassen sich ebenfalls nachweisen (Abb. 2). Auch die Magnetresonanz (MR)-Urographie steht für die anatomische und funktionelle Beurteilung von Nieren und Harntrakt zur Verfügung. Die Miktionszystourethrographie (MCU) stellt die Standardmethode zur Abklärung von VUR und PUV dar. Über eine suprapubische Blasenpunktion oder eine transurethrale Katheterisierung wird die Harnblase mit Kontrastmittel gefüllt und während der Füllungs- und Miktionsphase durchleuchtet. Obwohl die Strahlenbelastung der MCU deutlich reduziert werden konnte, gibt es durch die Miktionsurosonographie (MSU) eine neuere Alternative. Letztere wird zunehmend zur Verlaufskontrolle des VUR eingesetzt, erlaubt es jedoch nicht, die Diagnose PUV zu stellen. Die Nierenfunktionsszintigraphie ermöglicht den Nachweis von funktionsfähigem Nierengewebe sowie die seitengetrennte Beurteilung der Nierenfunktion und der Harnabflussverhältnisse (Abb. 2).
Eine frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig, weil Patienten mit einigen CAKUT-Phänotypen (z. B. mit obstruktiven Uropathien) von einer operativen oder prophylaktischen antibakteriellen Therapie profitieren können. Obwohl eine einseitige renale Agenesie oder Hypodysplasie, meist durch Hypertrophie der Gegenseite, kompensiert werden und ein VUR sich in den ersten Lebensjahren zurückbilden kann, verursachen CAKUT 50–60 % der Fälle mit chronischer Niereninsuffizienz und etwa 40 % des terminalen Nierenversagens im Kindes- und Jugendalter [27]. Bei terminalem Nierenversagen kann heutzutage bereits im Säuglingsalter eine Nierenersatztherapie mittels Dialyse (meist als Peritonealdialyse) oder Nierentransplantation (ab einem Körpergewicht von ca. 6 kg) durchgeführt werden. Letztere ermöglicht eine nahezu normale somatische und kognitive Entwicklung, soweit diese nicht durch zusätzliche extrarenale Anomalien eingeschränkt ist. Dennoch haben Kinder, die eine Nierenersatztherapie benötigen, im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Kindern ein 30-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko, hauptsächlich bedingt durch kardiovaskuläre Komplikationen oder Infektionen [25]. Bei syndromalen CAKUT-Patienten können genetisch bedingte zusätzliche extrarenale Fehlbildungen die Prognose mitbeeinflussen.
Genetische Aspekte und bekannte genetische CAKUT-Ursachen
Überwiegend (in etwa 85 % der Fälle) treten CAKUT sporadisch auf. In etwa 15 % der Fälle hingegen wird ein familiäres Auftreten beobachtet, wobei sowohl dominante als auch rezessive Vererbungsmuster vorkommen können [86]. Dabei können CAKUT isoliert auftreten sowie Teil einer milden oder komplexen syndromalen Erkrankung sein, wobei die VACTERL-Assoziation, das Meckel-Gruber- und das Prune-Belly-Syndrom bei CAKUT-Patienten häufiger vorkommen [81]. Da CAKUT bei mehr als 500 Syndromen auftreten können [51], ist es nicht verwunderlich, dass bei etwa einem Drittel der Neugeborenen mit CAKUT zusätzlich extrarenale Veränderungen beobachtet wurden, darunter Fehlbildungen des Skeletts, Verdauungstrakts, Herzens, Nervensystems und Genitaltrakts [81].
Genetische CAKUT-Ursachen können numerische Veränderungen ganzer Chromosomen sein (bei ca. 6 % der Patienten) [81]. So können CAKUT beispielsweise bei den Trisomien 13, 18, 21, dem Ullrich-Turner-Syndrom und bei Triploidie vorkommen [81]. Mikrodeletionen oder Mikroduplikationen finden sich bei 10–15 % der CAKUT-Patienten [70, 94], wobei die chromosomalen Banden 1q21.1, 16p11.2, 17q12 (HNF1B-Lokus) und 22q11.2 (DiGeorge-Syndrom-Lokus, der das CRKL-Gen einschließt) am häufigsten betroffen sind [70]. Bei weiteren etwa 20 % der CAKUT-Fälle finden sich pathogene Veränderungen einzelner CAKUT-assoziierter Gene [31, 86], wobei bislang etwa 50 Gene bekannt sind, die bei der CAKUT-Pathogenese eine Rolle spielen (Tab. 1). Davon sind HNF1B und PAX2 besonders häufig von Mutationen/Deletionen betroffen, jeweils in ca. 5 % der CAKUT-Fälle [31, 92]. Würden also alle bisher bekannten genetischen Ursachen bei CAKUT-Patienten abgeklärt, so blieben dennoch über die Hälfte der Fälle genetisch ungeklärt.
Die CAKUT-assoziierten Gene kodieren insbesondere für Transkriptionsfaktoren, aber auch für sezernierte Proteine einschließlich Liganden und membranständige Proteine einschließlich Rezeptoren sowie andere Proteine (Abb. 3), die an unterschiedlichen Signalwegen beteiligt sind. Dabei spielt der über den Liganden GDNF („glial cell derived neurotrophic factor“) und die Ko-Rezeptoren RET und GFRA1 („GDNF family receptor alpha 1“) vermittelte Signalweg eine wichtige Rolle bei der Kommunikation zwischen dem metanephrogenen Mesenchym und dem Wolff’schen Gang während der Niereninduktion. Daher verwundert es nicht, dass viele der durch bekannte CAKUT-Gene, z. B. PAX2 und SALL1, kodierten Proteine „upstream“ oder „downstream“ dieses Signalwegs agieren [73]. Weitere an der Morphogenese der Nieren und an der CAKUT-Pathogenese beteiligte Gene und deren Signalwege sind z. B. BMP4 (BMP-), DSTYK (FGF-) und WNT4 (WNT-„signaling“) sowie die für die extrazellulären Matrixproteine kodierenden Gene FRAS1, FREM1 und FREM2 [73, 86]. Wir konnten kürzlich zeigen, dass LIFR-Mutationen bzw. Lifr-Defizienz und damit der Signalweg des zur Interleukin 6-Familie gehörenden Cytokins LIF („LIF, interleukin 6 family cytokine“) mit der Entstehung insbesondere einer obstruktiven Uropathie assoziiert sind [46].
CAKUT ist durch eine ausgeprägte variable Expressivität zwischen Individuen mit der gleichen Mutation (d. h. unterschiedliche Ausprägung der renalen und/oder extrarenalen Phänotypen) und innerhalb eines Individuums (d. h. unterschiedliche Ausprägung links und rechts) sowie durch unvollständige Penetranz gekennzeichnet. Letzteres hat zur Folge, dass es in Familien mit dominantem Erbgang Träger pathogener heterozygoter Mutationen geben kann, die nicht von einem CAKUT-Phänotyp betroffen sind (z. B. [45, 92]). Ein seltenes Beispiel für eine dominante CAKUT-Variante, die in einer Vier-Generationen-Familie zu vollständiger Penetranz führt, ist eine heterozygote „frameshift“ Mutation im TBX18-Gen [89]. Dieser starke genetische Effekt mag dadurch begründet sein, dass diese TBX18 „frameshift“ Mutation dominant negativ wirkt [89], und Tbx18 die Ureterentwicklung entscheidend reguliert, wie in der Tbx18 „knockout“ Maus gezeigt wurde [3]. Ein weiteres kürzlich beschriebenes CAKUT-Gen, dessen Veränderung zu einem starken genetischen Effekt führt, ist GREB1L [8, 14]. In einer Drei-Generationen-Familie war sogar eine heterozygote GREB1L „missense“ Mutation mit einem annähernd voll penetranten CAKUT-Phänotyp, einer Nierenagenesie, verbunden [8]. Dies mag mit einem essenziellen Einfluss von GREB1L auf die Niereninduktion, wie durch das Vorkommen einer beidseitigen Nierenagenesie in der Greb1l „knockout“ Maus gezeigt wurde [14], zusammenhängen. Bei Genen/Varianten mit schwächeren Effekten wird das zusätzliche Vorliegen von (i) weiteren seltenen pathogenen Varianten, z. B. digene Vererbung [45, 74], (ii) häufigen Varianten als „modifier“ der CAKUT-Pathogenese, z. B. RET, c.2071G > A; p. (G691S), rs1799939, „minor allele frequency“ (MAF) = 17 % [11] und (iii) epigenetischen oder Umwelteinflüssen [58] als mögliche Gründe für das Vorhandensein bzw. den Schweregrad des CAKUT-Phänotyps diskutiert.
Strategien zum Nachweis neuer CAKUT-Gene und deren Erfolge
Die Identifizierung neuer CAKUT-Gene oder -Genloci erfolgte in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen mittels Kandidatengenstrategie (überwiegend wurden wichtige Nierenentwicklungsgene gezielt sequenziert, z. B. [71, 93]), Kopplungsanalyse (z. B. [67]) oder genomischer Mikroarrayanalyse (z. B. [7, 48, 94]). Nach Einführung von „next generation sequencing“ Technologien konnten durch Panelsequenzierungen zunächst Dutzende, dann Hunderte humane und murine CAKUT-(Kandidaten)Gene gleichzeitig in größeren Patientenkohorten untersucht werden. Obwohl die Aufklärungsrate mit der Anzahl untersuchter Gene sowie dem Schweregrad des Phänotyps anstieg (17 Gene bei Patienten mit nicht syndromalen CAKUT: Aufklärungsrate 6 % [35] versus 330 Gene bei CAKUT-Patienten, die zu 45 % schwerwiegende fetale Fälle waren: Aufklärungsrate 18 % [31]), zeigte sich hier die große genetische Heterogenität von CAKUT, die eine Identifizierung kausativer Varianten mit einem begrenzten Genpanel erschwert [59].
Getrieben durch diese Erkenntnis und durch die Technologie, wurden die nächsten CAKUT-Familien mittels Gesamtexomsequenzierung („whole exome sequencing“, WES) untersucht. Dabei wurden beispielsweise folgende Strategien bei der Datenanalyse angewandt:
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1.
Kopplungsstrategie: Durch WES an drei entfernt verwandten Betroffenen einer großen Vier-Generationen-Familie mit dominant vererbten CAKUT gelang die Identifizierung der kausativen heterozygoten Variante in einem neuen humanen CAKUT-Gen (TBX18) [89],
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2.
Zwei-Hit- und Homozygotiestrategie: WES an mehreren betroffenen Kindern aus teilweise konsanguinen Familien, bei denen ein rezessiver Erbgang vermutet wurde, ergab biallelische (bei der konsanguinen Familie homozygote) Varianten im neuen humanen CAKUT-Gen ITGA8 [34],
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3.
Überlappungsstrategie: WES an einer Kohorte von 183 nicht verwandten CAKUT-Patienten mit ähnlichem Phänotyp ergab häufige Mutationen im neuen CAKUT-Gen GREB1L [14],
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4.
De-novo-Strategie: Um die epidemiologisch relevanten sporadischen CAKUT-Patienten abzuklären, wandten wir diese bei dominant erblichen Phänotypen Erfolg versprechende Strategie an und identifizierten die neuen CAKUT-Gene TBC1D1 und LIFR [45, 46]. Bei der Trio-basierten De-novo-Analyse der WES-Daten des Patienten und seiner gesunden Eltern werden potenziell pathogene De-novo-Varianten des Patienten durch Ausschluss der elterlichen Varianten identifiziert (Abb. 4).
Wie schon bei der Panelsequenzierung zeigt sich auch bei der exomweiten Analyse, dass die Wahrscheinlichkeit des Nachweises einer genetischen CAKUT-Ursache bei schwer Betroffenen, die intrauterin versterben (dann steht u. U. fetales Material zur Verfügung) oder bereits in der ersten Lebensdekade ein terminales Nierenversagen entwickeln, höher ist als bei leichter, z. B. einseitig, Betroffenen. Auch die Untersuchung großer Familien mit vielen CAKUT-Patienten ist häufig erfolgreich [8, 89]. Würde man sich bei der Suche nach neuen CAKUT-Genen jedoch auf die Untersuchung von Familien mit mehreren CAKUT-Patienten beschränken, so könnten Varianten, die die Fertilität stark beeinträchtigen, unentdeckt blieben. Da ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Nieren und Harntrakt und des Genitalsystems besteht, können CAKUT-Gene, z. B. LIFR [46] und GREB1L [14], auch mit Fehlbildungen des Genitaltrakts assoziiert sein und damit einen Einfluss auf die Fertilität der Patienten haben. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollte die Suche nach neuen kausativen Varianten bei sporadischen CAKUT nicht vernachlässigt werden.
Tiermodelle und CAKUT
Bei der Erforschung der Nierenentwicklung ist die Maus (Mus musculus) schon aufgrund ihrer phylogenetischen Nähe zum Menschen das hauptsächliche Tiermodell. Durch die Untersuchung von Mausmodellen konnten bisher über 180 monogene CAKUT-Ursachen beschrieben werden [86]. Auch bei der Suche nach neuen genetischen Ursachen von humanen CAKUT sind diese Gene vielversprechende Kandidaten. Tatsächlich wurde bei einer Reihe von Genen, z. B. PBX1 und TBX18, eine Beteiligung an der murinen CAKUT-Pathogenese beschrieben [3, 76], Jahre bevor Varianten in diesen Genen als kausativ für humane CAKUT nachgewiesen wurden [31, 89]. Auch viele Signalwege, die bei der CAKUT-Pathogenese eine Rolle spielen, wurden zunächst im Mausmodell identifiziert und genau charakterisiert, z. B. die GDNF-RET-GFRA1- oder BMP-Signalwege [73]. Andersherum dienen heute Mausmodelle zur Validierung und Charakterisierung von „next generation sequencing“ basierten Befunden an CAKUT-Patienten. So trug z. B. die Möglichkeit, auch subtilere Phänotypen wie Veränderungen der Ureterhistologie in der Maus ausführlich zu untersuchen, dazu bei, das durch WES bei CAKUT-Patienten identifizierte Kandidatengen LIFR als CAKUT-Gen zu etablieren [46]. Neue Technologien wie CRISPR/Cas9 „genomic engineering“ ermöglichen es, mit vertretbarem Aufwand bei CAKUT-Patienten nachgewiesene Varianten, insbesondere spezifische „missense“ Varianten, im Mausmodell zu modellieren und ein Auftreten des humanen Phänotyps, z. B. eine Nierenagenesie, zu überprüfen [8].
Beim Krallenfrosch (Xenopus laevis) bietet sich die Möglichkeit, die embryonale Niere (Pronephros) auf einer Seite des Tieres zu manipulieren und deren Entwicklung im Vergleich zur nicht manipulierten Seite direkt durch die transparente Haut zu beobachten. So wurde ein „knockdown“ humaner CAKUT-Gene wie HNF1B, PAX2 und WNT4 im Xenopusmodell durchgeführt, um deren Einfluss auf die Pronephrosentwicklung zu untersuchen [50]. Wenn nach dem „knockdown“, z. B. von nrip1, ein „rescue“ der Pronephrosentwicklung durch eine humane NRIP1-Variante, die mit dem Phänotyp in einer CAKUT-Familie kosegregiert, nicht möglich ist, spricht dies für die Pathogenität der humanen Variante [90]. Auch der Zebrafisch (Danio rerio) eignet sich dafür, die Konsequenz humaner Varianten zu analysieren. So konnte durch einen RNA-Injektionsassay gezeigt werden, dass humane SIX2- und BMP4-Varianten zu einer Beeinträchtigung der Zebrafischentwicklung führen [93].
Bei Kandidatengenen, deren „knockout/knockdown“ im Tiermodell einen schweren CAKUT-Phänotyp hervorruft, ist es nicht unwahrscheinlich, dass deren Varianten beim Menschen zu intrauteriner Letalität führen können. Dann wären pathogene Varianten in solchen Genen bei lebenden CAKUT-Patienten selten, und solche Gene wären für CAKUT bei Kindern und Erwachsenen wenig relevant. Andersherum ist zu erwarten, dass wenn Varianten lebender CAKUT-Patienten im Tiermodell modelliert werden, der resultierende Phänotyp subtil sein kann und eine gründliche Charakterisierung erfordert.
Translationale Relevanz der CAKUT-Genetik: Fallbeispiele
Während das empirische Wiederholungsrisiko z. B. für Nierenagenesie für Geschwister mit 3,5 % bei nicht betroffenen Eltern beziffert wird, und mit 20 %, wenn ein Elternteil auch betroffen ist [60], ermöglicht die Aufklärung der genetischen CAKUT-Ursache die Präzisierung dieses Wiederholungsrisikos und ist daher für die genetische Beratung von großem Nutzen. Für die klinische Versorgung des renalen Phänotyps hingegen ist derzeit ein Nachweis der zugrunde liegenden genetischen Veränderung in der Regel nicht erforderlich. Jedoch kann der Patient erheblich davon profitieren, dass die genetische Diagnostik auf mögliche assoziierte extrarenale Manifestationen hinweist, die dann gezielt abgeklärt werden können und deren Auftreten möglicherweise verhindert oder hinausgezögert werden kann. Das vielleicht eindrücklichste Beispiel ist das erhöhte Risiko für Diabetes im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (MODY-Syndrom Typ 5) bei CAKUT-Patienten mit heterozygoten Varianten oder Mikrodeletionen, die das HNF1B-Gen betreffen (Abb. 5a; [12]). Bei solchen Patienten ist eine frühzeitige Diagnose des Diabetes entscheidend, um Spätschäden zu reduzieren. Auch in anderen Fällen kann eine genetische Abklärung wichtig sein, wie zwei unserer eigenen Patienten belegen.
Fallbeispiel 1.
Bei einem Patienten mit sporadischer beidseitiger Nierendysplasie, der im Alter von 5 Jahren eine Nierentransplantation benötigte, stand der renale Phänotyp im Vordergrund, sodass eine isolierte CAKUT vermutet wurde. WES ergab eine heterozygote PAX2 „frameshift“ Variante, die bei Patienten mit Renales-Kolobom-Syndrom (RCS) bereits beschrieben war [75] und laut Segregationsanalyse mittels Sanger-Sequenzierung bei unserem CAKUT-Patienten de novo vorlag. Daher konnte bei unserem Patienten ein RCS, das neben CAKUT häufig mit Augenanomalien (u. a. Sehnerv-, Netzhaut- und Iriskolobomen, Myopie unterschiedlicher Ausprägung) und selten mit Hörstörungen assoziiert ist (Abb. 5b; [75]), diagnostiziert werden. Augen- und HNO-ärztliche Untersuchungen ergaben eine ausgeprägte Myopie beim Patienten, die frühzeitig korrigiert werden konnte. Aufgrund des Nachweises einer De-novo-Variante ist das Wiederholungsrisiko für weitere Nachkommen der gesunden Eltern nur geringfügig erhöht, während das Risiko für die Nachkommen des Betroffenen bei 50 % liegt, von einem RCS betroffen zu sein, da die nachgewiesene PAX2-Mutation hoch penetrant ist.
Fallbeispiel 2.
Ein Patient mit sporadischer beidseitiger Nierendysplasie und ausgeprägtem Kleinwuchs benötigte im zweiten Lebensjahr eine Nierentransplantation. WES, gefolgt von Sanger-Sequenzierung, ergaben beim Patienten eine unbeschriebene heterozygote de novo SALL1 „nonsense“ Variante. Pathogene Varianten in SALL1 liegen dem Townes-Brocks-Syndrom (TBS) zugrunde, dessen Merkmale neben CAKUT (42 %), Hand/Daumen- (89 %), Ohr- (87 %) sowie Analanomalien (84 %) sind, die gemeinsam mit Herzfehlern (12–50 %), Wachstumsstörungen (6–29 %) und diversen weiteren Fehlbildungen auftreten können (Abb. 5c; [44]). Obwohl die hier identifizierte Variante noch nicht beschrieben wurde, konnten wir diese nach den ACMG Guidelines [63] eindeutig als pathogen einstufen. Damit ist die vorher nicht vermutete Diagnose TBS beim Patienten als sehr wahrscheinlich bis gesichert anzusehen mit der klinischen Konsequenz einer intensivierten Diagnostik extrarenaler Fehlbildungen einschließlich eines Hörtests und einer Echokardiographie. Das Vorliegen eines TBS würde auch erklären, warum der Patient trotz optimaler nephrologischer Behandlung einen ausgeprägten Kleinwuchs aufwies. Da sich bei über der Hälfte der TBS-Patienten die anfänglich milden Hörstörungen mit dem Alter verstärken können [44], sollte auch bei erwachsenen Patienten an regelmäßige HNO-ärztliche Kontrollen gedacht werden. Auch hier ist das Wiederholungsrisiko für die gesunden Eltern nur geringfügig erhöht, während 50 % der Nachkommen des Patienten dessen heterozygote SALL1-Variante, wahrscheinlich verbunden mit TBS-Merkmalen, aufweisen würden.
Infobox Weiterführende Informationen
Zentrum für angeborene Nierenerkrankungen am Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) der Medizinischen Hochschule Hannover, https://www.mh-hannover.de/30269.html
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN), https://gpn.de
Fazit für die Praxis
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Da Fehlbildungen aus dem CAKUT-Spektrum insgesamt recht häufig sind und mindestens die Hälfte der Fälle mit chronischer Niereninsuffizienz im Kindes- und Jugendalter verursachen, sind CAKUT ein epidemiologisch hoch relevantes Thema.
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Diagnostisch stehen radiologische, insbesondere sonographische Verfahren im Vordergrund.
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CAKUT sind genetisch sehr heterogen. Bei syndromalen CAKUT können verschiedene numerische oder strukturelle Chromosomenstörungen, einschließlich Mikrodeletionen und Mikroduplikationen insbesondere der chromosomalen Bande 17q12, ursächlich sein. Bei nicht oder geringgradig syndromalen CAKUT finden sich eher Mutationen in den ca. 50 bisher bekannten humanen CAKUT-Genen, besonders häufig in HNF1B und PAX2, die insgesamt allerdings nur ca. 20 % der CAKUT-Fälle erklären. Daher spielen bei CAKUT sowohl die Abklärung von Kopienzahlveränderungen, derzeit z. B. mittels Array-basierter komparativer genomischer Hybridisierung, als auch die gezielte Sequenzanalyse CAKUT-assoziierter Gene oder das Screening des gesamten Exoms eine Rolle. Bei sporadischen Patienten ist WES der Patienten-Eltern-Trios und eine Trio-basierte Analyse im Hinblick auf de novo und biallelische Varianten eine vielversprechende Vorgehensweise. Bei dominantem Erbgang können variable Expressivität und inkomplette Penetranz die Interpretation der genetischen Befunde erschweren.
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Gelingt eine Abklärung der genetischen CAKUT-Ursache, so können Wiederholungsrisiken präzisiert werden und gezielte Untersuchungen im Hinblick auf extrarenale Phänotypen erfolgen.
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Förderung
Diese Arbeit wurde durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (2014_A234) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (KO 5614/2-1) gefördert.
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Interessenkonflikt
A. Kosfeld, H. Martens, I. Hennies, D. Haffner und R.G. Weber geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die vorgestellten Fallbeispiele sind Teil einer Studie, die im Einklang mit der Deklaration von Helsinki in ihrer aktuellen Fassung von 2013 erfolgte. Die Eltern haben für sich und ihre Kinder schriftlich in die Teilnahme eingewilligt.
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Kosfeld, A., Martens, H., Hennies, I. et al. Kongenitale Anomalien der Nieren und ableitenden Harnwege (CAKUT). medgen 30, 448–460 (2018). https://doi.org/10.1007/s11825-018-0226-y
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Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11825-018-0226-y
Schlüsselwörter
- Nephrologie
- Diagnostik
- Genetische Heterogenität
- Exom-/genomweite Screeningverfahren
- Extrarenale Phänotypen