Einleitung

Sowohl im Kindes- wie auch im Erwachsenenalter ist das nephrotische Syndrom (NS) durch die Kombination aus großer Proteinurie (>1 g/m2 Körperoberfläche [KOF] × Tag bzw. >40 mg/m2/h und Hypalbuminämie [<2,5 g/dl]) definiert. Die Diagnose wird primär klinisch unter Zuhilfenahme laborbiochemischer Befunde gestellt. Die klassische Trias aus Proteinurie, Ödemen und Nierenkrankheit wurde bereits 1830 von Richard Bright beschrieben.

Das primäre NS im Kindesalter zählt mit ca. 250–300 Neuerkrankungen/Jahr (Inzidenz 2–3:105, Prävalenz ca. 16:105) in Deutschland zwar zu den seltenen Erkrankungen, stellt aber eine relevante Gruppe pädiatrischer Nierenerkrankungen dar. Den größten Anteil an dieser heterogenen Gruppe machen mit ca. 80 % die primär idiopathischen Formen des NS aus. Hier liegt der Erkrankungsgipfel zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr, und die Patienten zeigen oft einen plötzlichen Erkrankungsbeginn mit Assoziation zu Infekten. Bei diesen Patienten besteht in aller Regel ein steroid-sensitives nephrotisches Syndrom (SSNS). Das NS kann einmalig auftreten oder es können im Erkrankungsverlauf mehrere bis häufige (>4/Jahr) Rezidive des NS auftreten. In der Nierenbiopsie zeigen diese Patienten i. d. R. glomeruläre Minimalläsionen (MCD). Mit den seltenen Ausnahmen von EMP2, KANK1 und KANK2 sind bisher keine Gene für das SSNS beschrieben [1, 2]. Weniger als 20 % der Fälle stellen Patienten mit einem SRNS dar, bei denen in der Nierenbiopsie häufig als histopathologisches Korrelat eine fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) nachgewiesen werden kann. Diese Erkrankungsgruppe zeigt eine altersabhängige, mitunter sehr ausgeprägte genetische Heterogenität, auf die weiter im Hauptteil des Manuskripts eingegangen werden soll.

Im Unterschied zu Kindern tritt das NS (Gesamtinzidenz ca. 3–5:105) bei erwachsenen Patienten häufig sekundär infolge anderer Begleiterkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus Typ II, Amyloidose, arterielle Hypertonie, Malignome, Infektionen oder nach Einnahme von Medikamenten auf [3,4,5,6,7,8,9,10]. Primär idiopathische Verlaufsformen ohne begleitende Komorbiditäten sind hier eher selten (Inzidenz ca. 3:106 in Deutschland) [11], die Zahl primär genetischer Formen ist vermutlich geringer als in der pädiatrischen Vergleichsgruppe, aber systematische genetische Studien zu SRNS/FSGS bei Erwachsenen fehlen, sodass genetische Formen hier möglicherweise untererfasst sind. Im Gegensatz zu Kindern erhalten erwachsene Patienten aufgrund der vielfältigen sekundären Ursachen i. d. R. schon bei Erstmanifestation eine Nierenbiopsie. Die glomerulären Minimalläsionen (engl. „minimal change disease“, MCD), die membranöse Glomerulonephritis (MGN), die mesangioproliferative GN (MPGN) und die FSGS stellen führende histopathologische Befunde eines primären NS dar und gehen mit relevanten Risiken für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz und eines terminalen Nierenversagens einher. Die Verteilung unterliegt ethnischen Unterschieden, bei Erwachsenen in Deutschland reicht sie von ca. 3,2 (MCD) über 11,2 (FSGS) bis 20,9 pro 1 Mio. Einwohner für die MPGN [11]. Auf die MGN und die MPGN soll hier nicht weiter eingegangen werden, da für diese bis auf die extrem seltene Ausnahme der kongenitalen membranösen Nephropathie (MIM #614692) derzeit keine klar monogenen Formen bekannt sind. Mit Identifikation der G1- (p.Ser342Gly und p.Ile384Met) und G2-Allele („in-frame“ Deletion p.388_89delNY) im APOL1-Gen konnte erstmals ein genetischer Risikofaktor für die höhere FSGS-Rate unter afroamerikanischen Patienten gefunden werden [12].

Die Therapie erfolgt im deutschsprachigen Raum standardisiert nach den Empfehlungen der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN) [13] bzw. der KDIGO-Guidelines (https://kdigo.org). Dieses standardisierte Vorgehen dient u. a. der weiteren Einteilung der Erkrankung und der Planung fortführender Therapien. Während ungefähr 80–90 % der pädiatrischen Patienten bei der Erstmanifestation primär auf eine Glukokortikoidgabe ansprechen, zeigen sich bei Erwachsenen deutlich schlechtere Ansprechraten, und bereits eine partielle Remission gilt als Therapieerfolg [14,15,16,17]. Auch erwachsene Patienten mit einer MCD sprechen in der Regel gut auf Glukokortikoide an, während FSGS-Patienten häufig eine Steroidresistenz aufweisen.

Nachteilig für die Einteilung der Patienten ist, dass in der Literatur keine einheitliche Definition für das SRNS existiert. Nach der GPN und der American Academy of Pediatrics ist ein Kind mit NS als steroid-resistent einzustufen, wenn nach 4‑wöchiger Therapie mit 60 mg Prednison/m2 KOF × Tag keine Remission erfolgt ist [13, 18]. Jedoch ist gelegentlich ein Ansprechen erst nach längerer oder intensivierter Gabe von Glukokortikoiden möglich. Ähnliches gilt für Erwachsene: Hier zeigt sich in der Regel eine Reduktion der Proteinurie innerhalb der ersten 8–12 Wochen nach Therapiebeginn. Patienten, die während der Reduktion der Glukokortikoide bzw. innerhalb von 2 Monaten nach Absetzen der Glukokortikoidtherapie erneut erkranken, gelten als steroid-abhängig (SDNS). Patienten, die nur einen minimalen bzw. keinen Rückgang der Proteinurie nach 12- bis16-wöchiger Therapie aufweisen, gelten als steroid-resistent.

Wichtig für Therapie und Prognose des NS ist also die Klassifikation nach Alter bei Erstmanifestation, Ansprechen auf die Therapie mit Glukokortikoiden (steroid-sensitiv versus steroid-resistent), histologischen Befunden und letztendlich (molekulare) Ätiologie der Erkrankung (Tab. 1 und 2).

Tab. 1 Klassifikation des nephrotischen Syndroms im Kindesalter (aus [21])
Tab. 2 Auswahl an Genen ursächlich für das steroid-resistente nephrotische Syndrom

Symptomatik des SRNS im Kindes- und Erwachsenenalter

Grundsätzlich unterscheidet sich die klinische Symptomatik bei Erstmanifestation des SRNS nicht von der des SSNS – weder im Kindes- noch im Erwachsenenalter. Klinisch führend sind die ggf. sehr rasch auftretenden Ödeme, die sich insbesondere als „renale“ Ödeme an den Augenlidern (Abb. 1a), aber auch an den abhängigen Körperpartien (Abb. 1d, e) oder bei schweren Verläufen als Aszites (siehe Abb. 1c) zeigen. Der Nachweis einer nephrotischen Proteinurie bestätigt die Verdachtsdiagnose. Insbesondere Lidschwellungen werden zu Erkrankungsbeginn nicht selten als allergische Reaktion fehlgedeutet.

Abb. 1
figure 1

Kind mit nephrotischem Syndrom. a vor Therapiebeginn, b 6 Monate nach Beendigung der Glukokortikoidtherapie und ohne Rezidiv, c Aszites beim nephrotischen Syndrom, d Skrotalödem beim nephrotischen Syndrom, e Unterschenkelödem bei nephrotischem Syndrom (aus [21])

Folgende akute Komplikationen in der Phase der nephrotischen Proteinurie sind zu beachten:

  1. 1.

    Thromboembolien: Diese zeigen sich oft als Sinusvenenthrombose. Eine entsprechende zerebrale Bildgebung sollte unverzüglich bei Kopfschmerzen, Vigilanzstörungen bzw. Hirndruckzeichen durchgeführt werden. Die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen wird mit 2–5 % angegeben [19]. Ursächlich ist die Kombination folgender Faktoren: Verlust antithrombotischer Faktoren über den Urin, Hypovolämie und erhöhte Blutviskosität, Immobilisierung, Thrombozytose und erhöhte Plättchenaggregabilität.

  2. 2.

    Infektionen: Ursächlich sind eine Verminderung der humoralen und zellulären Immunität sowie die immunsuppressive Therapie und die Ansammlung seröser Flüssigkeiten (Aszites, Pleuraergüsse). Obgleich bakterielle Infektionen in der Akutphase nicht sehr häufig sind, können sie sehr schwerwiegend sein: Pneumonie, Meningitis, Sepsis, Phlegmonen, Empyeme, Peritonitiden. Häufige Erreger sind Staphylokokken und Streptococcus pneumoniae.

  3. 3.

    Lungenödem: Insbesondere bei Patienten mit einem oligurischen Nierenversagen und schweren, therapierefraktären Ödemen besteht das Risiko für die Entstehung eines Lungenödems. Cave: In dieser Situation können Albumininfusionen bei unzureichender Ausscheidung zu einer Flüssigkeitsumverteilung in die Lungenstrombahn führen.

  4. 4.

    Hypothyreose: Diese ist passager und durch den Verlust von thyroxinbindendem Globulin zu erklären. T4- und T3-Spiegel sind erniedrigt, aber FT4 und TSH sind normalerweise normal, sodass diese Patienten als euthyreot angesehen werden. Eine Indikation zur Substitutionstherapie liegt in den meisten Fällen nicht vor, kann aber bei Patienten mit lang andauernder Proteinurie und ausgeprägter Hypothyreose gegeben sein.

  5. 5.

    Dyslipidämie: Gesteigerte hepatische Synthese und veränderter Metabolismus führen zu dieser passageren Störung, die sich nach Erlangen der Remission zurückbildet. Eine Therapieindikation ergibt sich allenfalls bei Persistenz im Rahmen eines Fortbestehens der großen Proteinurie bei Steroidresistenz oder nur partiellem Therapieansprechen wegen des langfristig erhöhten kardiovaskulären Risikos. Dennoch empfiehlt die American Academy of Pediatrics bei Kindern mit idiopathischem NS eine Low-fat-Diät.

Eine Einschränkung der Nierenfunktion ist in der akuten Phase des idiopathischen NS eher selten zu beobachten, gelegentlich wird aber durch eine intravasale Hypovolämie ein prärenales Nierenversagen ausgelöst. Bei den sekundären NS finden sich Nierenfunktionseinschränkungen im Rahmen der Grunderkrankung wesentlich häufiger.

Im Gegensatz zum SSNS weisen 50–80 % der Patienten mit SRNS eine Mikrohämaturie (nephritisch/nephrotisches Syndrom) auf, eine Makrohämaturie hingegen ist selten und sollte weiterführende Diagnostik zum Ausschluss anderer Ursachen nach sich ziehen. Anders als für das SSNS dargestellt, entwickelt ein Großteil der SRNS-Patienten eine progrediente chronische Niereninsuffizienz. Dies gilt insbesondere für Patienten mit kongenitaler oder früher Manifestation einer hereditären Form der Erkrankung, hier können je nach Studie und Zusammensetzung der Kohorte die Patienten in bis zu 83 % der Fälle eine terminale Niereninsuffizienz entwickeln [20]. Im Rahmen des Fortschreitens der Niereninsuffizienz sowie bedingt durch eine Überwässerung weisen viele Patienten einen arteriellen Hypertonus auf. Gelegentlich steht auch der massive arterielle Hypertonus direkt im Vordergrund (z. B. WT1-assoziierte Formen).

SRNS-Patienten ohne Nachweis einer hereditären Form der Erkrankung hingegen haben, wenn sie auf eine Therapie mit Cyclosporin A ansprechen, eine deutlich bessere Prognose (bis zu 98 % 10-Jahres-Nierenüberleben) [21].

Genetische Ursachen für das SRNS

Beim SRNS kann je nach Studie und Zahl der untersuchten Gene in 30 bis ca. 50 % der Fälle eine hereditäre Ursache nachgewiesen werden, bei Patienten mit einer kongenitalen Form (CNS) sogar bei bis zu 97 % [20, 22,23,24]. Studien bzgl. molekulargenetischer Ursachen bei erwachsenen Patienten sind zwar bisher nur eingeschränkt verfügbar, weisen jedoch auch in dieser Patientenkohorte auf eine nicht unerhebliche Prävalenz hereditärer Ursachen hin [22, 24]. Auch wenn in diesem Patientenkollektiv der Anteil sekundärer Formen höher und aufgrund von Begleiterkrankungen eine klinische Charakterisierung häufig erschwert ist, so sollte dennoch in Abwesenheit einer klaren Erkrankungsursache auch hier immer eine hereditäre Genese erwogen werden.

Durch Anwendung moderner Hochdurchsatzverfahren wie „next generation sequencing“ (NGS) konnten in den vergangenen Jahren mehr als 50 Gene identifiziert werden, die mit einem SRNS/FSGS assoziiert sind (Tab. 2). Viele dieser Gene kodieren für podozytäre Proteine [25, 26], daher wird das SRNS/FSGS-Spektrum auch zu den sog. Podozytopathien gezählt. Im Jahr 1998 konnten Varianten in NPHS1 mit dem kongenitalen NS vom finnischen Typ assoziiert werden [27]. In den darauffolgenden Jahren wurden weitere zahlreiche podozytäre Proteine sowohl für pädiatrische wie auch für adulte Formen des SRNS identifiziert. Bei der kongenitalen und infantilen Form finden sich bei bis zu 85 % der Fälle kausale Varianten in den Genen NPHS1, NPHS2, LAMB2 und WT1. Bei den später manifesten und/oder langsamer progredienten adulten Fällen werden Varianten in den Genen INF2, TRPC6, ACTN4, PAX2, LMX1B und CD2AP gehäuft beobachtet [22, 28, 29]. Während autosomal-rezessive Formen des SRNS meist bei pädiatrischen Patienten beobachtet werden (Ausnahme hier: spezifische NPHS2-Varianten) [30, 31], sind autosomal-dominante Formen durch einen allgemein sehr viel variableren Erkrankungsbeginn/-verlauf in der Kindheit bis ins Erwachsenenalter gekennzeichnet [25].

Neben der meist isolierten Form des SRNS werden auch syndromale Formen mit extrarenaler Symptomatik beobachtet. Hier seien beispielhaft der Pseudohermaphroditismus masculinus und Wilms-Tumor bei Varianten im WT1-Gen (bei Vollbild des Denys-Drash-Syndroms), die Mikrokorie bei Varianten im LAMB2-Gen (Pierson-Syndrom), die Skelettbeteiligung und Immundefizienz bei immuno-ossärer Dysplasie nach Schimke (SIOD) oder auch die Mikrozephalie und Entwicklungsverzögerung bei Varianten u. a. im WDR73-Gen (Galloway-Mowat-Syndrom und KEOPS-Komplex) genannt [32,33,34,35].

Im Jahr 2011 konnten zudem erstmals Varianten in COQ6 als Ursache für eine mitochondriale Form des SRNS identifiziert werden. Hierdurch kommt es zu Störungen in der Coenzym Q10-Biosynthese mit dem klinischen Bild eines frühmanifesten SRNS mit sensorineuraler Schwerhörigkeit [36, 37]. Inzwischen konnten Varianten in weiteren an die Coenzym Q10-Biosynthese gekoppelten Genen (z. B. COQ2, ADCK4) identifiziert werden. Die Symptomatik dieser Patienten ist durch extrarenale Manifestationen wie z. B. Enzephalopathie, Epilepsie und Kardiomyopathie gekennzeichnet [22, 37,38,39,40]. Durch Supplementierung von Coenzym Q10 wurde bereits bei einigen Patienten zumindest eine Remission der Proteinurie erzielt [41, 42].

Pathogenese des SRNS

Wie bereits oben erwähnt, kodieren die betroffenen Gene überwiegend für Proteine, die wichtig für die Entwicklung und den strukturellen Aufbau der Podozyten in den Glomeruli sind. Es konnte gezeigt werden, dass die veränderten Proteine verschiedenste zelluläre Strukturen und Signalkaskaden der Podozyten und benachbarter Strukturen betreffen (Abb. 2; [43]). Nephrin und Podocin sind hierbei als Hauptbestandteile des Schlitzdiaphragmas an dessen Strukturaufbau und der Weiterleitung intrazellulärer Signale beteiligt [44, 45]. CD2AP und α‑Actinin 4 (ACTN4) dienen der Verlinkung von Schlitzdiaphragma und podozytärem Zytoskelett, CD2AP ist zudem in das intrazelluläre Trafficking involviert [46, 47]. Varianten in INF2, ACTN4 und MYO1E führen zur Destabilisierung des podozytären Zytoskeletts [48, 49], Varianten in KANK2, KANK4, ARHGAP24 und ARHGDIA beeinflussen über den RHO-GTPase-Signalweg den Aktinfilament-Turnover [2, 50, 51]. ITGA3 als Adhäsionsprotein, LAMB2 als Komponente der extrazellulären Matrix sowie weitere Proteine wie z. B. WT1 und LMX1B als Transkriptionsfaktoren sind in die Bindung der podozytären Fußfortsätze an die glomeruläre Basalmembran oder die Podozytendifferenzierung involviert [1, 32, 52,53,54,55,56,57]. Es besteht eine große Überlappung hinsichtlich Phänotyp und Biopsiebefund zu Patienten mit COL4A3, COL4A4 und COL4A5 assoziiertem Alport-Syndrom (siehe Beitrag „Genetische Ursachen und Therapie beim Alport-Syndrom“) [58, 59].

Abb. 2
figure 2

Auswahl an SRNS-assoziierten Proteinen und deren Lokalisation im Podozyten und den angrenzenden Strukturen. EZ Endothelzelle, GBM glomeruläre Basalmembran, MP mitochondriale Proteine, NP +TF nukleäre Proteine und Transkriptionsfaktoren, PFF Podozyten-Fußfortsatz, PZK Podozyten-Zellkörper, SDP Schlitzdiaphragmaproteine, ZS +MeP Zytoskelett- und Membranproteine

Wiederauftreten einer Proteinurie nach Nierentransplantation

Für die genetischen und auch die vielen nicht hereditären Formen des SRNS stellt die Nierentransplantation oft die einzig kausale Therapieoption mit allgemein sehr guten Behandlungserfolgen dar. Nach Transplantation entwickeln Patienten aber nicht selten eine (milde) Proteinurie, deren Ursache von der chronischen Transplantatabstoßung über eine Rekurrenz der FSGS im Transplantat bis hin zu nephrotoxischen Medikamenteneffekten reichen kann.

Eine schwere Proteinurie kann sich nach Nierentransplantation bei nicht hereditärer Genese des SRNS/FSGS in bis zu 40 % der Fälle innerhalb von Minuten bis Tagen entwickeln und wird als FSGS-Rekurrenz bezeichnet. Die Ursachen hierfür sind größtenteils unbekannt. Die Rolle des löslichen Urokinase-Rezeptors (suPAR) bleibt Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Das Risiko einer Rekurrenz bei genetischen Formen ist allgemein viel geringer, aber bei Patienten mit trunkierenden Varianten in Nephrin (v. a. Patienten homozygot für die Fin-major-Variante c.121_22delCA) [60] und seltener auch bei trunkierenden Varianten in Podocin [61] kann es antikörpervermittelt zur Rekurrenz des NS nach Transplantation kommen. Auch bei Patienten mit Alport-Syndrom wird nach Nierentransplantation in ca. 2–5 % der Fälle das Auftreten einer anti-GBM-Nephritis beschrieben [62].

Medikamentöse Behandlung des SRNS

Die Behandlung der Komplikationen des NS im Allgemeinen sowie die Therapie des SSNS sind nicht Gegenstand dieses Beitrags. Es wird im Folgenden daher lediglich auf die spezifische und immunsuppressive Therapie des SRNS im Kindes- und Erwachsenenalter eingegangen.

Kindesalter

Das idiopathische SRNS mit histologischem Nachweis einer FSGS hat eine verbesserte Prognose, wenn langfristig mit Cyclosporin A therapiert wird [63]. Cyclosporin A zeigt neben dem immunsuppressiven einen direkten antiproteinurischen Effekt. Ein häufig verwendetes Therapieschema für das SRNS beinhaltet Cyclosporin A in einer Dosis von 150–200 mg/m2 KOF × Tag, initial kombiniert mit Prednison in den ersten 6 Monaten. Der Kalzineurin-Inhibitor Tacrolimus ist ebenso erfolgreich bei FSGS eingesetzt worden [64]. Patienten mit SRNS profitieren nicht von einer Cyclophosphamidtherapie [65]; in einzelnen Fällen ist die Wirksamkeit von Mycophenolat-Mofetil (MMF) und Rituximab auch bei SRNS belegt.

Bei Nachweis einer monogenetischen Form des NS ist in der Regel keine weitere immunsuppressive Therapie indiziert. Einzelne Patienten sind jedoch durch eine Therapie mit Cyclosporin A in Teilremission gekommen [66]. Bei Nichtansprechen sollte die Therapie aber unbedingt beendet werden, um toxische Effekte zu vermeiden.

Neben immunsuppressiven Maßnahmen ist die Behandlung mit „Angiotensin-converting-enzyme“ (ACE)-Inhibitoren bzw. Angiotensinrezeptor-Antagonisten Basistherapie bei Kindern mit SRNS, da sie antihypertensiv wirken, die Proteinurie reduzieren und die Progression einer Niereninsuffizienz bremsen. Bei Nichtansprechen auf eine Immunsuppression (z. B. bei genetischen Formen) kann u. U. eine rein antiproteinurische Therapie mit diesen Substanzen angezeigt sein [21].

Eine therapeutische Herausforderung ist die Therapie des kongenitalen NS, dem meist ein genetischer Hintergrund eigen ist und das nicht auf eine immunsuppressive Therapie anspricht. Die Therapie ist daher symptomatisch.

Erwachsenenalter

Im Unterschied zu Kindern zeigen sich bei Erwachsenen deutlich schlechtere Ansprechraten auf die initiale Glukokortikoidtherapie [15] und bereits eine partielle Remission gilt als Therapieerfolg [14,15,16,17]. Bei steroid-abhängigen bzw. -resistenten Verlaufsformen im Erwachsenenalter wird primär die Behandlung mit 3–5 mg/kg/Tag Cyclosporin A (aufgeteilt auf 2 Dosen pro Tag) für mindestens 4 bis 6 Monate mit oder ohne niedrig dosierte Glukokortikoide vorgeschlagen [16, 67,68,69,70,71,72,73]. Alternativ kann dabei die Gabe von Tacrolimus erwogen werden. Im Falle einer partiellen oder kompletten Remission sollte die Behandlung für mindestens 12 Monate fortgeführt werden, bevor eine langsame Reduktion der Dosis über Monate erfolgen kann. Patienten, die eine Cyclosporin A-Therapie nicht tolerieren bzw. hierauf nicht ansprechen, können alternativ mit MMF und Hochdosis-Dexamethason behandelt werden [74,75,76,77,78]. Hierzu zählen auch Patienten mit ausgeprägtem vaskulären Risikoprofil sowie ausgeprägter renaler Fibrosierung bzw. fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Rituximab stellt darüber hinaus eine mögliche Alternative bei Patienten mit steroid-abhängigem SRNS dar [79,80,81].

Neben der primär immunsuppressiven Therapie ist auch bei Erwachsenen die Behandlung mit ACE-Inhibitoren bzw. Angiotensinrezeptor-Antagonisten Teil der Basistherapie – auch wenn normotensive Blutdruckwerte vorliegen [82, 83].

Diagnostische Tools

Nierenbiopsie

Kindesalter

Die Erstmanifestation eines idiopathischen NS ist keine Indikation zur Nierenbiopsie. Liegen jedoch folgende untypische klinische Befunde vor, besteht eine Indikation zur Nierenbiopsie und meist (mit Ausnahme sekundärer Formen) auch zur genetischen Testung.

Alter bei Erstmanifestation <12 Monate oder > (8 bis) 10 Jahre:

  • Makrohämaturie, ausgeprägte arterielle Hypertonie,

  • erniedrigte Komplementfaktoren im Serum (C3),

  • nicht prärenal bedingte akute Niereninsuffizienz,

  • schleichender Beginn über Monate und

  • Verdacht auf eine sekundäre Form des NS (z. B. im Rahmen einer Systemerkrankung: systemischer Lupus erythematodes, Schönlein-Henoch-Purpura).

Auch das fehlende primäre Ansprechen des NS auf Glukokortikoidgaben (Steroidresistenz) stellt eine Biopsie-Indikation dar. Patienten mit häufigen Rezidiven („frequent relapser“) werden nach individueller Entscheidung und in Abhängigkeit vom Verlauf vor einer zytostatischen/immunsuppressiven Therapie oder nach Nichtansprechen einer solchen nierenbiopsiert.

Erwachsenenalter

Im Gegensatz zu Kindern besteht bei Erwachsenen vor dem Hintergrund der vielfältigen Differentialdiagnosen des NS bereits bei Erstmanifestation eine Indikation zur Nierenbiopsie. Bei fehlendem Therapieansprechen bzw. häufigen Rezidiven sind nach individueller Entscheidung Rebiopsien angezeigt, um die initiale Diagnose zu erhärten bzw. zu revidieren.

Bei folgenden Patienten kann die Durchführung einer Rebiopsie jedoch diskutiert und evtl. hintangestellt werden:

  • Patienten mit einem langjährigem Diabetes mellitus mit dem typischen Verlauf einer zunächst moderaten Albuminurie, die langsam zum Vollbild eines NS fortschreitet,

  • Patienten mit entsprechender Medikamenteneinnahme und zeitlichem Bezug zum Auftreten des NS, z. B. NSAR, Bisphosphonate, Penicillamin, Gold, Lithium,

  • Patienten mit bekanntem Malignom und

  • Patienten mit ausgeprägter Adipositas.

Molekulargenetische Untersuchungsmethoden

Aufgrund der klinischen Variabilität und der genetischen Heterogenität des SRNS ist es außerhalb der CNS-Altersgruppe aufgrund des Erkrankungsspektrums in Abwesenheit spezifischer klinischer Symptome häufig schwer, bei Patienten das Gen zu benennen, in dem die ursächlichen Varianten vorliegen. Einzelgen-Untersuchungen mittels Sanger-Sequenzierung spielen daher außerhalb o. g. Altersgruppe inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle (sind aber mitunter noch die schnellste Möglichkeit zur definitiven Diagnose eines CNS mit hoher Trefferrate in nur drei Genen: NPHS1, NPHS2 und WT1) und werden außerhalb einer gezielten Diagnostik (Untersuchung auf eine bekannte familiäre Variante) zunehmend weniger eingesetzt. Aufgrund der verbesserten molekulargenetischen Diagnostik unter Einsatz der NGS-Technologien wie z. B. Gen-Panel-Diagnostik, Exom- oder Genom-Analyse ist heutzutage in vielen Fällen eine klinische und genetische Einordnung möglich und damit ggf. eine Möglichkeit der optimierten und individualisierten Therapie. Während genetische Untersuchungen einen klaren Stellenwert in der pädiatrischen Patientenkohorte mit NS haben, werden diese bei erwachsenen Patienten immer noch sehr zurückhaltend veranlasst.

Ausblick

Die molekulargenetische Untersuchung im Rahmen eines humangenetischen Beratungsgespräches und damit die Rolle des Humangenetikers spielen eine zentrale Rolle bei der Behandlung von pädiatrischen und adulten Patienten mit SRNS, um weitere klinische Schritte bzgl. invasiver Diagnostik, medikamentöser Therapie und Transplantation zu planen sowie ein mögliches Wiederholungsrisiko bei Verwandten anzugeben. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von (Kinder‑)Nephrologen und Humangenetikern sollte daher zukünftig von beiden Seiten weiter forciert werden.

Fazit für die Praxis

  • Das SRNS wird im Kindes- und Erwachsenenalter beobachtet und kann isoliert oder im Rahmen einer syndromalen Erkrankung auftreten.

  • Patienten mit SRNS, bei denen keine hereditäre Ursache oder Varianten in Nephrin nachgewiesen werden, haben nach Nierentransplantation ein erhöhtes Rekurrenzrisiko in der Transplantatniere.

  • Molekulargenetische Untersuchungen sollten auch bei erwachsenen Patienten mit SRNS erwogen werden, da auch bei dieser Patientenkohorte bei Nachweis einer hereditären Ursache Aussagen über ein mögliches Wiederholungsrisiko gemacht werden können.

  • Die Therapie des SRNS bei Erwachsenen beruht auf einer dualen Immunsuppression mit Kalzineurin-Inhibitoren bzw. Mycophenolat und niedrig dosierten Glukokortikoiden.