Zusammenfassung
Die SWI/SNF(SWItch/Sucrose Non-fermentable)-Komplexe sind aus mehreren, je nach Geweben unterschiedlichen Untereinheiten zusammengesetzt und regulieren im Sinne von „Chromatin-(Re)Modeling“ ATP-abhängig die Zugänglichkeit von funktionellen DNA Elementen, wie Promotoren und Enhancern, für z. B. Transkriptionsfaktoren.
Keimbahnmutationen in den kodierenden Genen für die Untereinheiten SMARCB1, SMARCA4, SMARCE1 und PBRM1 des SWI/SNF-Komplexes sind mit einer Veranlagung für Tumorerkrankungen assoziiert. Keimbahnmutationen in SMARCB1 und SMARCA4 führen zu den Rhabdoidtumor-Prädispositions-Syndromen (RTPS) 1 bzw. RTPS2. Dies sind einem autosomal-dominanten Erbgang folgende Dispositionen für maligne Rhabdoidtumoren (RT) des Gehirns (AT/RT), der Nieren (RTK) und der Weichgewebe (MRT). Hinweise für ein RTPS sind eine frühe, z. T. schon pränatale Manifestation von RT, ein synchrones Auftreten mehrerer RT und eine positive Familienanamnese. Sporadisch auftretende RT weisen eine somatische Inaktivierung von SMARCB1 (oder selten SMARCA4) auf und sind im Vergleich zu auf einem RTPS beruhenden RT mit einer günstigeren Prognose assoziiert.
Keimbahnmutationen in SMARCB1 und SMARCA4 können unabhängig von einem RTPS auch zu anderen Tumoren führen. Keimbahnmutationen in SMARCA4 wurden bei Patienten mit der hyperkalzämischen Form von kleinzelligen Ovarialkarzinomen (small cell carcinoma of the ovary, hypercalcemic type; SCCOHT) nachgewiesen. SMARCB1-Keimbahnmutationen wurden neben RT z. B. mit einer Schwannomatose assoziiert. Im Unterschied zu RT und SCCOHT ist für die Manifestation einer Schwannomatose ein Funktionsverlust von SMARCB1 in Kombination mit einem somatischen Verlust von NF2 erforderlich.
Die phänotypische Breite von SMARCB1-assoziierten Neoplasien geht auf Art und Lokalisation der Mutation zurück. Weiterhin spielt vermutlich der Zeitpunkt des „second hit“ eine Rolle, da die Empfindlichkeit für die Entwicklung eines RT bei biallelischer Inaktivierung von SMARCB1 in RT-Progenitorzellen wohl nur in einem kurzen Entwicklungszeitfenster gegeben ist.
Abstract
The SWI/SNF(SWItch/Sucrose Non-fermentable)-complexes are composed of several different subunits with specialized functions in specific tissues. These complexes are involved in chromatin re-modeling by regulating the ATP-dependent accessibility of transcription factors to functional elements within promoters and enhancers. Germline mutations in the genes SMARCB1, SMARCA4, SMARCE1 and PBRM1 encoding different SWI/SNF-complex subunits are associated with several hereditary cancer predisposition syndromes. For example, germline mutations in SMARCB1 and SMARCA4 may cause rhabdoid tumor predisposition syndromes RTPS1 and RTPS2, respectively. These syndromes are characterized by the occurrence of rhabdoid tumors of the brain (AT/RT), kidney (RTK) and soft tissues (MRT) in early infancy. In contrast to sporadic rhabdoid tumors, RTPS is characterized by the early onset of tumors (even prenatally), the development of multiple tumors and the presence of several affected family members. Sporadically occurring RT are characterized by somatic SMARCB1 or, less commonly observed, SMARCA4 mutations and are associated with a better prognosis than RTs occurring in patients with germline mutations of these genes.
SMARCB1 and SMARCA4 may also predispose to other tumor types. Germline mutations in SMARCA4 have been identified in patients with small cell carcinoma of the ovary of the hypercalcemic type (SCCOHT), whereas SMARCB1 germline mutations may cause schwannomatosis, characterized by the development of benign nerve sheath tumors termed schwannomas. In contrast to RT and SCCOHT, schwannoma growth is not only dependent upon biallelic SMARCB1 mutations but also the inactivation of the NF2 gene. The heterogeneous spectrum of tumors caused by SMARCB1 inactivation is most likely associated with different types of germline mutation as well as the timing of the second hit mutations in the sense that the progenitor cells of rhabdoid tumors are only sensitive towards biallelic SMARCB1 loss during a brief developmental time-frame.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Einleitung
Der SWI/SNF(SWItch/Sucrose Non-fermentable)-Komplex ist ein evolutionär konserviertes Makromolekül, das sich sowohl bei Pro- als auch Eukaryoten findet. Der Komplex besteht je nach Organismus und Gewebe aus einer variablen Zahl und Zusammensetzung von z. T. über 20 Untereinheiten (Abb. 1). Er besitzt als Kernelement eine ATPase und destabilisiert Histon-DNA Interaktionen, was im Sinne eines „chromatin remodelings“ zu einer Konformationsänderung der Struktur des Nukleosoms führt. Hierüber kann der SWI/SNF-Komplex ATP-abhängig die Zugänglichkeit von DNA-Elementen wie Enhancern für z. B. Transkriptionsfaktoren modulieren und so entscheidenden Einfluss auf das Transkriptom und damit auf eine Vielzahl von zellulären Funktionen nehmen [1]. Abhängig davon, ob die ARID1A/B oder die ARID2- und PBRM1-Untereinheiten beteiligt sind, werden die jeweiligen Varianten des SWI/SNF-Komplexes in die beiden Kategorien BAF (BRG1- or HBRM-associated factors, SWI-SNF-A) oder PBAF (polybromo-associated BAF, SWI-SNF-N) eingeordnet.
Keimbahnmutationen von Genen, die für Proteine des SWI/SNF-Komplexes kodieren, sind zum einen mit spezifischen Fehlbildungs-Retardierungs-Syndromen, wie dem Coffin-Siris-Syndrom oder dem Nicolaides-Baraitser-Syndrom, assoziiert. Bei Patienten mit diesen Syndromen sind Tumorerkrankungen nur selten beschrieben. Auch wenn systematische Erhebungen bislang fehlen, scheinen diese Syndrome nicht mit einem deutlich erhöhten Risiko für Krebserkrankungen assoziiert zu sein.
Zum anderen sind Keimbahnmutationen von Genen, die Proteine des SWI/SNF-Komplexes kodieren, mit einer Disposition für benigne (z. B. Schwannome) und/oder maligne (z. B. aggressive Hirntumoren) Tumoren assoziiert. Somatische Mutationen, einschließlich Translokationen oder Deletionen, von Genen, die für einzelne Untereinheiten des SWI/SNF-Komplexes kodieren, finden sich nach einer aktuellen Übersicht bei etwa 20 % aller Krebserkrankungen des Menschen. Entsprechend zählt der Komplex zu den bei der Tumorentstehung am häufigsten mutierten regulatorischen Einheiten [2]. Inaktivierende Veränderungen seiner Untereinheiten bedingen eine fehlerhafte Zusammensetzung des SWI/SNF-Komplexes. Dadurch ändert sich das Bindungsmuster des Komplexes an Promotoren und Enhancer, was zu einer Störung der Balance zwischen Differenzierung und Selbsterneuerung der Zellen und so letztlich zur Tumorentstehung führt ([3] und Referenzen darin).
Keimbahnmutationen, die mit Tumordispositions-Syndromen assoziiert sind, wurden bisher für SMARCB1, SMARCA4, SMARCE1 und PBRM1 beschrieben. Im Folgenden werden diese mit dem SWI/SNF-Komplex-assoziierten Tumordispositions-Syndrom kurz vorgestellt (Abb. 1).
Rhabdoidtumor-Prädispositions-Syndrom (RTPS)
Rhabdoide Tumoren sind seltene, bösartige Tumorerkrankungen, die aggressiv verlaufen und mit einer ungünstigen Prognose assoziiert sind. Sie zählen zu den embryonalen Tumoren und betreffen überwiegend Kinder in den ersten Lebensjahren. Sie können sich sowohl im Gehirn und Rückenmark (atypische teratoide/rhabdoide Tumoren: AT/RT) als auch in der Niere (rhabdoide Tumoren der Niere: RTK, rhaboid tumors of the kidney) und in den Weichteilen, wie z. B. in der Leber, den Halsweichgeweben, aber auch an allen anderen anatomischen Lokalisationen (maligne rhabdoide Tumoren: MRT) manifestieren. Nach dem Jahresbericht 2016 des deutschen Kinderkrebsregisters wurden zwischen 2006 und 2015 insgesamt 140 Patienten unter 15 Jahren mit einem AT/RT in Deutschland gemeldet. Dies entspricht etwa 15–20 % aller intrakraniellen und intraspinalen embryonalen Tumoren. AT/RT betreffen vornehmlich Säuglinge und Kleinkinder, können sich aber auch schon pränatal präsentieren. So beträgt das mediane Erkrankungsalter 18 Monate. Die Inzidenz liegt in der Altersgruppe der Säuglinge (<1 Jahr) mit 7,5/Mio. am höchsten und nimmt dann kontinuierlich ab (http://www.kinderkrebsregister.de/dkkr/ergebnisse/jahresberichte.html). Somit sind AT/RT trotz ihrer Seltenheit mit etwa 50 % die häufigsten malignen Hirntumoren bei Säuglingen bis zum sechsten Lebensmonat. Es wurde eine leichte Prädominanz des männlichen Geschlechts berichtet (Ratio männlich/weiblich: 1,3). Auch für die RTK und MRT gilt die beschriebene Altersabhängigkeit. Für beide Entitäten ist die höchste Inzidenz in der Gruppe der Säuglinge zu beobachten (bei Alter <1 Jahr laut Jahresbericht 2016 des Kinderkrebsregisters 1,2/Mio. für RTK und 4/Mio. für extrarenale MRT).
Klinische Präsentation und Genetik
Rhabdoide Tumoren manifestieren sich in der Regel mit unspezifischen klinischen Zeichen, wie einem vorgewölbten Bauch, Schmerzen oder Gedeihstörungen. Bei RTKs können sich auch eine Hämaturie und bei AT/RTs Erbrechen, Kopfschiefhaltung oder Lähmungen von Hirnnerven zeigen. Bei der Diagnosestellung bestehen in bis zu 30 % bereits Metastasen.
Hinweise auf ein Rhabdoidtumor-Prädispositions-Syndrom (RTPS) oder ein erhöhtes Risiko für rhabdoide Tumoren sind in Tab. 1 aufgeführt. Bei 25–30 % der Patienten mit rhabdoiden Tumoren liegt ein RTPS vor, wobei zwischen RTPS1 (MIM#609322) und RTPS2 (MIM#613325) unterschieden wird. RTPS1 ist mit etwa 95 % der Fälle von RTPS die häufigste Form und wird durch heterozygote Inaktivierung von SMARCB1 in 22q11.23 durch eine Einzelbasenmutation oder eine strukturelle Mutation (Deletion, Translokation) verursacht (GeneReviews: Rhabdoid tumor predisposition syndrome, Nemes K et al., under review). RTPS2 wird durch eine heterozygote Inaktivierung von SMARCA4 in 19p13.2 in der Keimbahn hervorgerufen.
Bei Patienten mit Keimbahnmutationen in SMARCB1 oder SMARCA4 ohne Manifestation von Rhabdoidtumoren wurden andere Tumoren beobachtet, sodass die mit diesen Genen assoziierte Disposition möglicherweise auch mit anderen Tumoren als RT assoziiert ist. Tab. 2 gibt eine Übersicht über diese Tumoren.
SMARCB1 gehört zu den Kerneinheiten des SWI/SNF-Komplexes, SMARCA4 zu seiner katalytischen Untereinheit. Mutationen in anderen für Komponenten des Komplexes kodierenden Genen sind nach dem aktuellen Stand nicht als ursächlich für ein RTPS beschrieben, sodass das RTPS genetisch klar determiniert ist. Für das RTPS1 wurden bei Patienten zu etwa gleichen Anteilen Deletionen des kompletten SMARCB1-Gens (22 %), intragenische Deletionen und Duplikationen (24 %), Nonsensemutationen (24 %) und Frameshift Mutationen (20 %) nachgewiesen [4]. Seltener sind Spleißmutationen für das RTPS1 ursächlich (10 %). Auch wenn die Zahl der Patienten mit RTPS2 bislang gering ist, so scheinen doch hier Missensemutationen im Vergleich zu trunkierenden Veränderungen des SMARCA4-Gens deutlich seltener [5]. Das zweite Ereignis der Tumorinitiierung, das sowohl bei SMARCB1- als auch bei SMARCA4-assoziierten Tumoren im Sinne des 2‑Hit-Modells zur Tumorentstehung führt, ist in der Regel eine inaktivierende somatische Mutation des zweiten Allels (Punktmutation, große Deletion oder ein kopienzahlneutraler Verlust der Heterozygotie [LOH], der mit einer Duplikation des primär betroffenen Allels einhergeht). Somatische Mutationen weiterer Gene spielen im Gegensatz zu vielen anderen malignen Neoplasien bei Rhabdoidtumoren allenfalls eine untergeordnete Rolle [6]. Insgesamt gehören die Rhabdoidtumoren mit genomweit im Mittel nur ein bis zwei Mutationen pro 10 Mb zu den Neoplasien mit den wenigsten somatischen Mutationen [7].
Obwohl die Inaktivierung von SMARCB1 (bzw. alternativ selten SMARCA4) bei allen AT/RT als das initiale Ereignis gilt und sich nur wenige zusätzliche somatische Imbalancen oder Mutationen finden, können die Tumorzellen aufgrund ihrer epigenetischen Signaturen in drei Subgruppen klassifiziert werden [6, 8]. Diese Signaturen, die auf DNA-Methylierungsanalysen beruhen, korrelieren interessanterweise wie folgt mit klinischen Parametern:
-
AT/RT-TYR Signatur: infratentorielle Lokalisation, frühes Erkrankungsalter
-
AT/RT-MYC Signatur: primär supratentorielle Lokalisation, späteres Erkrankungsalter (4–5 Jahre)
-
AT/RT-SHH Signatur: sowohl infra- als auch supratentorielle Lokalisation
Diese neuen und noch nicht vollständig verstandenen Befunde belegen, dass trotz der genetischen Homogenität der AT/RT auf epigenetischer Ebene eine Heterogenität besteht, welche offensichtlich klinische Relevanz besitzt.
Diagnostik
Zur Evaluation eines synchronen Tumors, gerade wenn der Verdacht auf ein RTPS besteht, sollte frühzeitig eine Ganzkörperbildgebung mittels MRT in Erwägung gezogen werden. Bei einem AT/RT sollten mit der Bildgebung der komplette Liquorraum und der Spinalkanal erfasst werden. Weiterhin sollte zu Staging-Zwecken eine Lumbalpunktion erfolgen.
Die (neuro)pathologische Diagnostik beinhaltet eine histologische Beurteilung und eine Bestimmung der SMARCB1 (INI1) bzw. SMARCA4 (BRG1) Expression mittels immunhistochemischen Färbungen an Tumorgewebe (Abb. 2). Histopathologisch sind in rhabdoiden Tumoren sogenannte Rhabdoidzellen nachweisbar, die durch randständige prominente Nukleolen und einen exzentrisch gelegenen Zytoplasmasaum mit variablen eosinophilen zytoplasmatischen Einschlüssen charakterisiert sind. Ist in der Immunhistochemie zusätzlich ein Verlust der INI1 bzw. BRG1 Expression nachweisbar, sollte eine genetische Diagnostik angeschlossen werden (Sequenzierung von SMARCB1 bzw. SMARCA4 sowie Kopienzahlanalyse mittels MLPA an DNA aus Tumorgewebe oder FISH-Analyse an Paraffinschnitten aus dem Tumorgewebe). Parallel, zumindest aber bei Nachweis einer somatischen Deletion oder Mutation, besteht die Indikation zur Analyse hinsichtlich einer Keimbahnmutation/-deletion an z. B. peripherem Blut. In den Paraffinschnitten für die FISH-Analysen ist häufig Normalgewebe (z. B. Gefäße) enthalten, welches meistens bereits eine Einschätzung hinsichtlich des Vorliegens einer heterozygoten Keimbahndeletion erlaubt (Abb. 2).
Im Rahmen des Europäischen RT-Registers (EU-RHAB), in dem die meisten deutschen Patienten behandelt werden, erfolgt die neuropathologische und genetische Referenzdiagnostik in Deutschland zentralisiert. Die Kontaktdaten sind am Ende des Artikels aufgeführt.
Therapie
Die Therapieempfehlungen des Dana Faber Cancer Institute [9] und des Europäischen Rhabdoid Registers werden aktuell als Standard anerkannt und müssen als „best available evidence“ für eine wirksame Therapie angesehen werden [10]. Aktuelle Empfehlungen des EU-RHAB-Register finden sich unter http://www.rhabdoid.de. Patienten mit Keimbahnmutationen im SMARCB1 bzw. SMARCA4-Gen zeigen im Vergleich zu sporadischen Rhabdoidtumoren einen signifikant ungünstigeren Verlauf [5, 11].
Empfehlungen zur Früherkennung bei RTPS
Bisher wurden aufgrund der noch weitgehend unklaren Datenlage zur Penetranz und der multiplen Lokalisationen, die bei einem RTPS betroffen sein können, keine standardisierten Empfehlungen zur Früherkennung entwickelt. Im Allgemeinen gilt, dass trunkierende Mutationen in SMARCB1 mit einem höheren Risiko für eine Tumorentwicklung assoziiert sind als Missensemutationen. Weiterhin scheint das Risiko für das Auftreten von Rhabdoidtumoren im ZNS und Abdomen bei SMARCA4-Keimbahnmutationen gering zu sein. Für weibliche Träger einer SMARCA4-Keimbahnmutationen sollten regelmäßige Ultraschalluntersuchungen der Ovarien und im höheren Alter ggf. eine Oophorektomie in Erwägung gezogen werden [12]. Vorschläge für ein Vorsorgeprogramm für Träger einer trunkierenden SMARCB1-Keimbahnmutation beinhalten konkret ein MRT des Kopfes und eine Sonographie des Abdomens alle drei Monate sowie ein Ganzkörper-MRT (keine Angaben zur Frequenz) bis zum fünften Lebensjahr, für Träger einer SMARCA4-Mutation wurden bisher keine Empfehlungen entwickelt [12]. Alternative Programme schlagen bei RTPS1 eine monatliche Schädel- und eine Abdomensonographie alle 2–3 Monate im ersten Lebensjahr und ein MRT des Schädels und des Spinalkanals sowie eine Sonographie des Abdomens alle sechs Monate zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr vor [13]. Die aktuellen Vorsorgeempfehlungen des EU-RHAB-Registers sind aufgrund der schlechten Prognose der Erkrankung noch intensiver als die oben benannten Programme und in Tab. 3 zusammengefasst.
Genetische Beratung
RTPS folgen dem autosomal-dominanten Erbgang mit inkompletter Penetranz und variabler Expressivität. Die meisten Patienten mit Nachweis einer Keimbahnmutation in SMARCB1 haben Neumutationen [4], wohingegen beim RTPS2 SMARCA4-Mutationen häufiger von einem Elternteil weitergegeben wurden [5]. In einer Studie von Eaton et al. wurde unter 100 Patienten mit einem AT/RT, RTK oder MRT bei 35 Betroffenen eine Keimbahnmutation in SMARCB1 nachgewiesen. Neun Patienten hatten die Mutation von einem Elternteil geerbt und in acht dieser neun Familien waren mindestens ein oder mehrere Angehörige von einem Rhabdoidtumor oder einem Schwannom betroffen [14]. Bei Nachweis einer Keimbahnmutation bei einem betroffenen Patienten sollte daher eine Testung der Eltern angeboten werden, um zu klären, ob die Mutation de novo aufgetreten ist oder von einem Elternteil weitergegeben wurde. In wenigen Familien mit genetisch gesichertem RTPS, in denen mehrere Geschwister betroffen waren und die Mutation bei den gesunden Eltern ausgeschlossen wurde, wird ein Keimzellmosaik vermutet [14, 15]. Rhabdoidtumoren können sich im Rahmen eines RTPS bereits vor der Geburt manifestieren, sodass ggf. bereits vorgeburtlich eine frühe Diagnosestellung möglich ist.
Schwannomatose
Klinik und Häufigkeit
Patienten mit Schwannomatose (MIM #162091) haben multiple spinale Schwannome und/oder Schwannome der peripheren Nerven (Synonyme: Neurinome, benigne periphere Nervenscheidentumore BPNSTs). Seltener treten Schwannome der Hirnnerven (wie z. B. unilaterale Vestibularis-Schwannome) oder Meningeome auf [16]. Damit überlappt das Tumorspektrum bei Schwannomatose mit dem der Neurofibromatose 2 (NF2, MIM #10100). Differentialdiagnostisch wichtig sind intradermale Schwannome, die bei Schwannomatose nicht auftreten, aber bei 27 % der Patienten mit NF2 festzustellen sind [17]. Ependymome, bilaterale Vestibularis-Schwannome, Katarakte und Retina-Hamartome sind häufig bei NF2, kommen aber bei Patienten mit Schwannomatose nicht vor. Patienten mit Schwannomatose leiden häufig unter chronischen, starken Schmerzen im Sinne einer peripheren Neuropathie. Diese Schmerzsymptomatik ist in den meisten Fällen nicht mit nachweisbaren Tumoren assoziiert [16]. Die Schwannomatose ist selten, ihre Häufigkeit wird auf 1:40.000–1:70.000 geschätzt. Schwannomatose tritt meist sporadisch auf, 13–25 % der Fälle sind familiär (zusammengefasst in [18]).
Genetik
Bislang wurden zwei Gene identifiziert, deren Keimbahnmutationen zur Schwannomatose prädisponieren: LZTR1 und SMARCB1. Keimbahnmutationen in SMARCB1 wurden bei 48 % der Patienten mit familiärer und 10 % mit sporadischer Schwannomatose festgestellt [19,20,21,22,23,24]. Die biallelische Inaktivierung des SMARCB1-Gens in Schwannomen spricht dafür, dass SMARCB1 auch in diesen Tumoren als Tumorsuppressor agiert [19, 20, 23]. Jedoch ist für die Entstehung der Schwannome nicht nur der Funktionsverlust von SMARCB1 erforderlich, sondern auch der Verlust des NF2-Gens, das wie SMARCB1 auf Chromosom 22 lokalisiert ist. Schwannome von Patienten mit SMARCB1-Keimbahnmutationen entstehen nach dem 4‑Hit/3-Schritt-Modell [21]. Die Keimbahnmutation des SMARCB1-Gens stellt den ersten Schritt dar, gefolgt vom somatischen Verlust des langen Arms von Chromosom 22, der zur Deletion der zweiten Kopie des SMARCB1-Gens und zum Verlust eines Allels des NF2-Gens (zweiter Schritt) führt. Bei diesem zweiten Schritt kann es sich um eine große Deletion handeln, oder aber um LOH ohne Kopienzahlverlust. Der dritte Schritt der Tumorentstehung umfasst die somatische Inaktivierung des verbleibenden NF2-Allels.
Differenzierung des SMARCB1-Mutationsspektrums bei Patienten mit Schwannomatose und Patienten mit RTPS1
Im Gegensatz zu den hochmalignen Rhabdoidtumoren (RT) sind Schwannome gutartig, eine maligne Transformation ist extrem selten. Schwannome treten meist erst im frühen Erwachsenenalter auf. RT werden bei Patienten mit Schwannomatose in den allermeisten Fällen nicht beobachtet. Es stellt sich die Frage, wie SMARCB1-Keimbahnmutationen zu so unterschiedlichen Krankheitsbildern wie der Schwannomatose und dem RTPS1 führen können. Es wird vermutet, dass die Position und die Art der SMARCB1-Keimbahnmutation hierbei eine wichtige Rolle spielen. Bei Patienten mit Schwannomatose sind die SMARCB1-Keimbahnmutationen in den meisten Fällen im 5’ und 3’ Bereich des Gens lokalisiert und hypomorph. Sie führen sehr wahrscheinlich zu verkürzten Proteinen, die zumindest teilweise funktionsfähig sind [24, 25]. Im Gegensatz dazu sind SMARCB1-Mutationen in RT bzw. bei Patienten mit RTPS1 so gut wie immer mit einem vollständigen Funktionsverlust des Proteins verbunden [11]. Es wurden erst drei Familien beschrieben, bei welchen SMARCB1-Mutationsträger innerhalb einer Familie entweder RTs oder Schwannome aufwiesen (Übersicht in [26]). Das Auftreten von erwachsenen Anlageträgern mit Schwannomen, aber ohne RT, ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass es nur ein sehr kurzes Entwicklungszeitfenster gibt, in welchem die RT-Progenitorzellen empfindlich für den biallelischen Verlust von SMARCB1 sind und es zur RT-Initiation kommen kann. Wird dieser Entwicklungszeitraum ohne biallelische SMARCB1-Inaktivierung durchschritten, entsteht kein RT. Konditionelle Knockout-Mausmodelle zeigen, dass ein Smarcb1-Verlust in Neuralleistenzellen während des embryonalen Tags 9,5 zur Entstehung von RT führt. Ab Tag 12,5 jedoch, nach der Schwannzell-Differenzierung, führt Smarcb1-Verlust nicht mehr zur RT-Entstehung. Diese Mausmodelle machten auch deutlich, dass in Schwannzellen späterer Stadien (nach dem embryonalen Tag 12,5) Smarcb1-Verlust nur in Kombination mit NF2-Verlust zu Schwannomen führt [27].
Malignität bei Schwannomatose
Patienten mit SMARCB1-assoziierter Schwannomatose haben ein erhöhtes Risiko, an malignen peripheren Nervenscheidentumoren zu erkranken, was bei der klinischen Überwachung der Patienten angesichts der zum Teil ungünstigen Prognose dieser Tumoren unbedingt berücksichtigt werden sollte [28]. Eventuell besteht auch ein erhöhtes Risiko für andere Malignome, denn es sind zwei Patienten mit SMARCB1-assoziierter Schwannomatose mit jeweils einem Uterus-Leiomyosarkom und einem Nierenzell-Karzinom berichtet worden [29, 30].
Diagnostik bei Schwannomatose
MLPA- und Sequenzanalysen der Gene LZTR1 und SMARCB1 zum Nachweis von Keimbahnveränderungen, durchgeführt an DNA, isoliert aus Blut der Patienten, sind zur genetischen Abklärung der Schwannomatose indiziert. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die genetische Ursache der Schwannomatose bei etwa 60 % der sporadischen und 14 % der familiären Fälle derzeit ungeklärt bleibt. Die disponierenden Gene bei Patienten ohne Keimbahnmutationen in LZTR1 oder SMARCB1 sind bislang noch nicht bekannt (zusammengefasst in [18]). Zur Häufigkeit von LZTR1- oder SMARCB1-Mutationen im Mosaik, die im Blut nicht oder nur schwer nachzuweisen sind, kann bislang noch keine sicherer Aussage gemacht werden. Da NF2 und Schwannomatose klinisch deutliche Überlappungen zeigen, ist bei Patienten mit klinischen Merkmalen der Schwannomatose auch eine genetische Untersuchung zum Nachweis von Keimbahnveränderungen des NF2-Gens mittels MLPA und Sequenzanalyse indiziert. Eine besondere klinische Herausforderung ist die differentialdiagnostische Abgrenzung zwischen Schwannomatose und einer NF2 im Mosaik. Mosaikbildungen sind bei NF2 relativ häufig und können zu einem im Vergleich zur klassischen NF2 milden Krankheitsverlauf führen, der dem der Schwannomatose ähnlich ist. Jedoch sind NF2-Mosaike häufig im Blut nicht nachweisbar, sondern nur bei der Analyse von Tumormaterial. Um NF2-Mosaike zu identifizieren und um zwischen NF2-Mosaiken und Schwannomatose zu differenzieren, ist die Mutationsanalyse von mindestens zwei Schwannomen eines Patienten notwendig. Wenn identische NF2-Mutationen in den Tumoren gefunden werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich dabei um die somatische Erstmutation des NF2-Gens handelt und eine Mosaikform der NF2 vorliegt. Dies macht dann im Ausschluss die Diagnose einer Schwannomatose unwahrscheinlich. Die Differenzierung zwischen Mosaik-NF2 und Schwannomatose ist relevant, da ähnlich der klassischen NF2 auch bei Patienten mit NF2-Mosaikformen das Risiko für Vestibularis-Schwannome erhöht ist und diese Tumoren einer frühen Behandlung bedürfen. Bei Patienten mit Schwannomatose sind unilaterale Vestibularis-Schwannome eher selten, häufig jedoch ausgeprägte, schwere neuropathische Schmerzen (Übersicht in [18]).
Kleinzelliges Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ (small-cell carcinoma of the ovary, hypercalcemic type, SCCOHT)
Das kleinzellige Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ (SCCOHT) ist eine aggressive Form von Eierstockkrebs, die besonders junge Frauen betrifft. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei nur etwa 24 Jahren. Auch Kinder können erkranken, sogar bereits im Alter von 1–2 Jahren. SCOOHT ist der häufigste undifferenzierte Ovarialtumor bei Frauen unter 40 Jahren. Die Prognose ist ungünstig. Das 5‑Jahresüberleben liegt derzeit bei nur 33 %.
Bei über 95 % der Tumoren dieses Subtyps lässt sich eine SMARCA4-Inaktivierung nachweisen. Diese kann sowohl somatisch als auch in der Keimbahn auftreten. Bei bis zu 43 % aller SCCOHT lässt sich eine Keimbahnmutation im SMARCA4-Gen identifizieren, weshalb eine Keimbahndiagnostik des SMARCA4-Gens grundsätzlich bei der Diagnose eines SCCOHT angeboten werden kann. Im Gegensatz zu den bei vielen Tumorentitäten somatisch auftretenden Missensemutationen handelt es sich bei den SCCOHT-assoziierten Keimbahnmutationen zumeist um SMARCA4 inaktivierende Mutationen. Hinweisend auf ein SMARCA4-assoziiertes SCCOHT ist die fehlende Expression von SMARCA4 (BRG1) in der Immunhistochemie [12, 31].
Zur Penetranz von SCCOHT bei SMARCA4-Mutationsträgern existieren nur unzureichende Daten. Wie auch bei RTPS2 ist sie möglicherweise nicht vollständig. Auch wenn bislang nur limitierte Evidenz existiert, wird aufgrund des frühen Erkrankungsalters und des in zwei Drittel der Fälle deletären Verlaufs der Erkrankung eine prädiktive Testung im Kindesalter in Erwägung gezogen. Ultraschalluntersuchungen des Abdomens alle sechs Monate werden für Anlageträger empfohlen, die Bedeutung von kernspintomographischen Analysen in der Überwachung ist nicht gesichert. Eine prophylaktische Oophorektomie nach Abschluss der Pubertät kann diskutiert werden. Eine Lockerung der Vorsorgeuntersuchungen nach dem 60. Lebensjahr ist möglich, da SCCOHT sich in höherem Lebensalter nicht mehr manifestiert.
Histologisch und molekular lassen sich SCCOHT prinzipiell abgrenzen von den typischen Ovarialkarzinomen, wie sie im Kontext der z. B. BRCA1 und 2 vermittelten Disposition für den erblichen Brust- und Eierstockkrebs auftreten. Gerade bei fehlenden oder unzureichenden Unterlagen zur histopathologischen Aufarbeitung eines Ovarialtumors sollte aber insbesondere bei sehr frühem Erkrankungsalter ein SCCOHT im Kontext des familiären Auftretens von Ovarialtumoren so gut wie möglich ausgeschlossen werden.
SMARCE1-assoziierte Meningeomatose
Meningeome treten meist sporadisch und solitär auf. Bei 1–10 % der Patienten zeigt sich allerdings eine multifokale Manifestation im ZNS. Auch etwa die Hälfte der Patienten mit NF2 entwickelt Meningeome, aber nur bei 4 % der NF2-Patienten treten diese multipel auf [32]. Bei Patienten mit Keimbahnmutationen in SMARCB1 sind multiple Meningeome bei gleichzeitig auftretenden Schwannomen beobachtet worden (Übersicht in [18]). Jedoch sind SMARCB1-Keimbahnmutationen nicht die Ursache für isoliert auftretende multiple Meningeome ohne Schwannome [33]. Multiple Meningeome, die nicht mit NF2 oder Schwannomatose assoziiert sind, stellen eine eigene Entität dar, die durch Keimbahnmutationen in SMARCE1 verursacht werden kann. SMARCE1 kodiert für die BAF57-Untereinheit des SWI/SNF-Komplexes. Es ist auf Chromosom 17q21 lokalisiert und umfasst elf Exons. Keimbahnmutationen in SMARCE1 sind bislang bei sieben Patienten mit multiplen klarzelligen, spinalen Meningeomen beobachtet worden, was die Bedeutung des Funktionsverlusts des SWI/SNF-Komplexes insbesondere bei Tumoren mit Klarzellhistologie unterstreicht [34]. Sechs der sieben Patienten mit Keimbahnmutation in SMARCE1 waren familiäre Fälle aus drei unterschiedlichen Familien. Die identifizierten SMARCE1-Mutationen waren nahezu alle proteintrunkierend und mit einem vollständigen SMARCE1-Funktionsverlust verbunden. Die Inzidenz von SMARCE1-Keimbahnmutationen bei Patienten mit isolierter multipler Meningeomatose ist momentan nicht zuverlässig einzuschätzen, da keine Daten hierzu publiziert wurden und zudem genetische Heterogenität besteht. So sind auch Keimbahnmutationen im Gen SUFU mit einer multiplen Meningeomatose assoziiert [35]. Die Therapie bei multiplen Meningeomen ist schwieriger als bei solitären Tumoren dieser Art. Wenn multiple Meningeome klein sind, können sie über längere Zeiträume asymptomatisch sein. Jedoch benötigen etwa 70 % der Patienten mit multiplen Meningeomen einer Therapie, die bei 35 % chirurgische Eingriffe umfasst, insbesondere wenn die Meningeome symptomatisch werden bzw. wachsen [36]. Ein standardisiertes Vorsorge- bzw. Früherkennungsprogramm für Träger einer Keimbahnmutation in SMARCE1 ist bislang nicht etabliert.
PBRM1-assoziierte familiäre Klarzellkarzinome der Niere
PBRM1 kodiert für den BRG1-associated factor (BAF) 180, die definierende Untereinheit des Polybromo BAF (PBAF) SWI/SNF-Komplexes, und zählt neben VHL zu den am häufigsten somatisch mutierten Genen in Klarzellkarzinomen der Niere. Der Befund einer eine PBRM1 Leserasterverschiebung verursachenden Keimbahnmutation in Exon 24 (c.3998_4005del [p.Asp1333Glyfs]) in einer Familie mit Klarzellkarzinomen der Niere spricht dafür, dass Keimbahnmutationen in PBRM1 für Nierentumoren disponieren [37]. Die Inzidenz von PBRM1-Keimbahnmutationen bei familiärem Nierenzellkarzinom ist noch nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Mutationen selten sind, da nur eine der insgesamt 35 untersuchten VHL-negativen Familien eine pathogene PBRM1-Keimbahnmutation aufwies (2,9 %) [32]. Der Indexpatient dieser Familie erkrankte an einem klarzelligen Nierenzellkarzinom (RCC) im Alter von 38 Jahren und drei weitere Familienmitglieder waren betroffen. Zwei dieser Betroffenen erkrankten ebenfalls in jungen Jahren an klarzelligen RCC (36 und 42 Jahre), was auf eine hohe Penetranz der PBRM1-Mutation in Exon 24 hinweist. Als Vorsorge wurde eine jährliche Nierenuntersuchung durch MRT empfohlen, die bei Mutationsträgern bereits ab dem Alter von 18–20 Jahren erfolgen sollte [32].
Ansprechpartner in Deutschland/Europa
Aufgrund der Seltenheit der mit Keimbahnmutationen im SWI/SNF-Komplex assoziierten Tumoren wird eine Betreuung von Betroffenen und deren Familien in spezialisierten Zentren empfohlen. Entsprechende Kontakte können über das Europäische Rhabdoidtumor Register (website: www.rhabdoid.de, E‑Mail: eurhab@klinikum-augsburg.de) vermittelt werden (Infobox 1).
Infobox 1 Europäisches Rhabdoidtumor Register (EU-RHAB)
Leitung:
Prof. Dr. Dr. med. Michael C. Frühwald
Klinikum Augsburg
Kinderklinik
1. Klinik für Kinder und Jugendliche
Stenglinstr. 2, 81656 Augsburg
Telefon: +49 (821) 400-9201
Fax: +49 (821) 400 179201
michael.fruehwald@klinikum-augsburg.de
Referenzdiagnostik Zytogenetik und Molekularzytogenetik:
Prof. Dr. med. Reiner Siebert
Universitätsklinikum Ulm
Institut für Humangenetik
Albert-Einstein-Allee 11, 89081 Ulm
reiner.siebert@uni-ulm.de
Referenzdiagnostik Molekulargenetik:
Prof. Dr. med. Reinhard Schneppenheim
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Klinik und Poliklinik für Pädiatr.
Hämatologie und Onkologie
Martinistr. 52, 20246 Hamburg
schneppenheim@uke.de
Referenzdiagnostik Neuropathologie (AT/RT):
Prof. Dr. med. Martin Hasselblatt
Universitätsklinikum Münster
Institut für Neuropathologie
Pottkamp 2, 48149 Münster
martin.hasselblatt@ukmuenster.de
Referenzdiagnostik Pathologie (RTK und MRT):
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Institut für Pathologie, Abteilung Paidopathologie
Michaelisstr. 11, 24105 Kiel
paido.pathol@path.uni-kiel.de
Fazit für die Praxis
-
Keimbahnmutationen in Genen, die für Komponenten des SWI/SNF-Komplexes kodieren, finden sich auf der einen Seite bei sehr aggressiven Tumoren embryonalen Ursprungs wie denen der Gruppe der RT und des SCCOHT. Hier sind die Gene SMARCB1 und SMARCA4 in der Regel durch inaktivierende Mutationen betroffen. Bei SMARCB1 handelt es sich zumeist um de novo Mutationen, selten sind Keimzellmosaike relevant. Die Penetranz ist hoch. Im Gegensatz dazu sind SMARCA4-Mutationen mit einer möglicherweise reduzierten Penetranz assoziiert. Keimbahnmutationen korrelieren bei diesen häufig ungünstig verlaufenden Tumorerkrankungen mit einer sehr frühen, z. T. vorgeburtlichen Manifestation und einer häufig noch ungünstigeren Prognose.
-
Das Mutationsspektrum von SMARCB1 bei der Schwannomatose ist grundsätzlich anders als das der oben beschriebenen Tumoren. Die Tumoren sind hier in der Regel gutartig.
Literatur
Narlikar GJ, Sundaramoorthy R, Owen-Hughes T (2013) Mechanisms and functions of ATP-dependent chromatin-remodeling enzymes. Cell 154:490–503
Kadoch C, Hargreaves DC, Hodges C, Elias L, Ho L et al (2013) Proteomic and bioinformatic analysis of mammalian SWI/SNF complexes identifies extensive roles in human malignancy. Nat Genet 45:592–601
Lu C, Allis CD (2017) SWI/SNF complex in cancer. Nat Genet 49:178–179
Biegel JA, Busse TM, Weissman BE (2014) SWI/SNF chromatin remodeling complexes and cancer. Am J Med Genet C Semin Med Genet 166C:350–366
Hasselblatt M, Nagel I, Oyen F, Bartelheim K, Russell RB et al (2014) SMARCA4-mutated atypical teratoid/rhabdoid tumors are associated with inherited germline alterations and poor prognosis. Acta Neuropathol 128:453–456
Johann PD, Erkek S, Zapatka M, Kerl K, Buchhalter I et al (2016) Atypical teratoid/rhabdoid tumors are comprised of three epigenetic subgroups with distinct enhancer landscapes. Cancer Cell 29:379–393
Lawrence MS, Stojanov P, Polak P, Kryukov GV, Cibulskis K et al (2013) Mutational heterogeneity in cancer and the search for new cancer-associated genes. Nature 499:214–218
Torchia J, Golbourn B, Feng S, Ho KC, Sin-Chan P et al (2016) Integrated (epi)-genomic analyses identify subgroup-specific therapeutic targets in CNS Rhabdoid tumors. Cancer Cell 30:891–908
Chi SN, Zimmerman MA, Yao X, Cohen KJ, Burger P et al (2009) Intensive multimodality treatment for children with newly diagnosed CNS atypical teratoid rhabdoid tumor. J Clin Oncol 27:385–389
Bartelheim K, Nemes K, Seeringer A, Kerl K, Buechner J et al (2016) Improved 6‑year overall survival in AT/RT – results of the registry study Rhabdoid 2007. Cancer Med 5:1765–1775
Kordes U, Gesk S, Frühwald MC, Graf N, Leuschner I et al (2010) Clinical and molecular features in patients with atypical teratoid rhabdoid tumor or malignant rhabdoid tumor. Genes Chromosomes Cancer 49:176–181
Foulkes WD, Kamihara J, Evans DGR, Brugieres L, Bourdeaut F et al (2017) Cancer surveillance in Gorlin syndrome and Rhabdoid tumor predisposition syndrome. Clin Cancer Res 23:e62–e67
Teplick A, Kowalski M, Biegel JA, Nichols KE (2011) Educational paper: screening in cancer predisposition syndromes: guidelines for the general pediatrician. Eur J Pediatr 170:285–294
Eaton KW, Tooke LS, Wainwright LM, Judkins AR, Biegel JA (2011) Spectrum of SMARCB1/INI1 mutations in familial and sporadic rhabdoid tumors. Pediatr Blood Cancer 56:7–15
Gigante L, Paganini I, Frontali M, Ciabattoni S, Sangiuolo FC et al (2016) Rhabdoid tumor predisposition syndrome caused by SMARCB1 constitutional deletion: prenatal detection of new case of recurrence in siblings due to gonadal mosaicism. Fam Cancer 15:123–126
Merker VL, Esparza S, Smith MJ, Stemmer-Rachamimov A, Plotkin SR (2012) Clinical features of schwannomatosis: a retrospective analysis of 87 patients. Oncologist 17:1317–1322
Evans DG, Huson SM, Donnai D, Neary W, Blair V et al (1992) A clinical study of type 2 neurofibromatosis. Q J Med 84:603–618
Kehrer-Sawatzki H, Farschtschi S, Mautner VF, Cooper DN (2017) The molecular pathogenesis of schwannomatosis, a paradigm for the co-involvement of multiple tumour suppressor genes in tumorigenesis. Hum Genet 136:129–148
Boyd C, Smith MJ, Kluwe L, Balogh A, Maccollin M et al (2008) Alterations in the SMARCB1 (INI1) tumor suppressor gene in familial schwannomatosis. Clin Genet 74:358–366
Hadfield KD, Newman WG, Bowers NL, Wallace A, Bolger C et al (2008) Molecular characterisation of SMARCB1 and NF2 in familial and sporadic schwannomatosis. J Med Genet 45:332–339
Sestini R, Bacci C, Provenzano A, Genuardi M, Papi L (2008) Evidence of a four-hit mechanism involving SMARCB1 and NF2 in schwannomatosis-associated schwannomas. Hum Mutat 29:227–231
Rousseau G, Noguchi T, Bourdon V, Sobol H, Olschwang S (2011) SMARCB1/INI1 germline mutations contribute to 10 % of sporadic schwannomatosis. BMC Neurol 11:9
Smith MJ, Wallace AJ, Bowers NL, Rustad CF, Woods CG et al (2012) Frequency of SMARCB1 mutations in familial and sporadic schwannomatosis. Neurogenetics 13:141–145
Smith MJ, Wallace AJ, Bowers NL, Eaton H, Evans DG (2014) SMARCB1 mutations in schwannomatosis and genotype correlations with rhabdoid tumors. Cancer Genet 207:373–378
Hulsebos TJ, Kenter S, Verhagen WI, Baas F, Flucke U et al (2014) Premature termination of SMARCB1 translation may be followed by reinitiation in schwannomatosis-associated schwannomas, but results in absence of SMARCB1 expression in rhabdoid tumors. Acta Neuropathol 128:439–448
Sredni ST, Tomita T (2015) Rhabdoid tumor predisposition syndrome. Pediatr Dev Pathol 18:49–58
Vitte J, Gao F, Coppola G, Judkins AR, Giovannini M (2017) Timing of Smarcb1 and Nf2 inactivation determines schwannoma versus rhabdoid tumor development. Nat Commun 8:300
Evans DG, Huson SM, Birch JM (2012) Malignant peripheral nerve sheath tumours in inherited disease. Clin Sarcoma Res 2:17
Paganini I, Chang VY, Capone GL, Vitte J, Benelli M et al (2015) Expanding the mutational spectrum of LZTR1 in schwannomatosis. Eur J Hum Genet 23:963–968
Hulsebos TJ, Kenter S, Baas F, Nannenberg EA, Bleeker FE et al (2016) Type 1 papillary renal cell carcinoma in a patient with schwannomatosis: Mosaic versus loss of SMARCB1 expression in respectively schwannoma and renal tumor cells. Genes Chromosomes Cancer 55:350–354
Witkowski L, Carrot-Zhang J, Albrecht S, Fahiminiya S, Hamel N et al (2014) Germline and somatic SMARCA4 mutations characterize small cell carcinoma of the ovary, hypercalcemic type. Nat Genet 46:438–443
Smith MJ, Higgs JE, Bowers NL, Halliday D, Paterson J et al (2011) Cranial meningiomas in 411 neurofibromatosis type 2 (NF2) patients with proven gene mutations: clear positional effect of mutations, but absence of female severity effect on age at onset. J Med Genet 48:261–265
Hadfield KD, Smith MJ, Trump D, Newman WG, Evans DG (2010) SMARCB1 mutations are not a common cause of multiple meningiomas. J Med Genet 47:567–568
Smith MJ, O’Sullivan J, Bhaskar SS, Hadfield KD, Poke G et al (2013) Loss-of-function mutations in SMARCE1 cause an inherited disorder of multiple spinal meningiomas. Nat Genet 45:295–298
Smith MJ (2015) Germline and somatic mutations in meningiomas. Cancer Genet 208:107–114
Tsermoulas G, Turel MK, Wilcox JT, Shultz D, Farb R et al (2017) Management of multiple meningiomas. J Neurosurg:1–7. https://doi.org/10.3171/2017.2.JNS162608
Benusiglio PR, Couve S, Gilbert-Dussardier B, Deveaux S, Le Jeune H et al (2015) A germline mutation in PBRM1 predisposes to renal cell carcinoma. J Med Genet 52:426–430
Danksagung
Wir danken allen Mitgliedern des Europäischen Rhabdoidtumor Register (EU-RHAB) für die kontinuierliche Zusammenarbeit und den Patienten und deren Eltern für die Teilnahme an dem Register. Unsere Arbeiten zu dem hier präsentierten Themenkomplex wurden gefördert durch die KinderKrebsInitiative Buchholz Holm/Seppensen (RS), MH wird durch die DFG (Ha3060/5-1) und das IZKF Münster (Ha3/019/15) gefördert. EU-RHAB wird von der DKKS (DKS2016/18) sowie der Elterninitiative für krebskranke Kinder „Lichtblicke“ unterstützt.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
S. Bens, M. Hasselblatt, M.C. Frühwald und R. Siebert koordinieren das Europäische Rhabdoidtumor Register (EU-RHAB) bzw. sind verantwortlich für Referenzdiagnostik und klinische Betreuung. H. Kehrer-Sawatzki gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Gemäß den jeweils gültigen Regularien der Ethikkomissionen liegen Einverständnisse der Patienten bzw. Sorgeberechtigten vor.
Additional information
Die Autoren widmen diesen Artikel Herrn Dipl. Biol. Prof. em. Dr. rer. nat. Reinhard Schneppenheim anlässlich seiner Emeritierung als Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in Würdigung seines herausragenden und kontinuierlichen Engagements in der Diagnostik, Therapie und Erforschung von Rhabdoidtumoren.
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
About this article
Cite this article
Bens, S., Kehrer-Sawatzki, H., Hasselblatt, M. et al. SWI/SNF-Komplex-assoziierte Tumordispositions-Syndrome. medgen 29, 296–305 (2017). https://doi.org/10.1007/s11825-017-0160-4
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11825-017-0160-4