Hinführung zum Thema

Dieser Übersichtsartikel soll am Beispiel der genetischen Testung und Beratung sowie der Rolle von neuen Sequenzierungstechnologien der aktuellen Diskussion über die primärprophylaktische Prävention des plötzlichen Herztodes und anhand neuer Ergebnisse aus der klinisch orientierten Grundlagenforschung einige aktuelle wissenschaftliche Diskussionen seit der Publikation der neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) 2014 aufgreifen.

Von den Anfängen, Ursachen und Zusammenhängen

Die hypertrophe Kardiomyopathie ist mit einer Prävalenz von 1:500 in der Bevölkerung eine der häufigsten Erkrankungen des Herzmuskels mit überwiegend genetischer Ätiopathogenese. Aktuelle Zahlen der klinischen Diagnose HCM aus den USA zeigen eine Prävalenz von rund 1:3000, sodass anzunehmen ist, dass ein großer Teil der Patienten undiagnostiziert ist [2, 18]. Lassen sich erste Beschreibungen des Erkrankungsbildes bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen, so hat die moderne wissenschaftliche Befassung mit der Erkrankung erst in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen [6]. Über 50 Jahre später sind bereits viele der beteiligten genetischen und postgenetischen Mechanismen und Umbauvorgänge dieser Form der pathologischen Hypertrophie erkannt und in Ansätzen verstanden [9]. Neben der namensgebenden, ausgeprägten linksventrikulären Hypertrophie nimmt die variable Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes, verbunden mit einer flussabhängigen Insuffizienz der Mitralklappe, eine zentrale Rolle im Verständnis der Pathogenese unter hämodynamischen Gesichtspunkten ein. Dies führt zu einem äußerst variablen Krankheitsbild, das von benignen, asymptomatischen Verläufen, über das klinische Bild der Dyspnoe, hin zum Vollbild einer Herzinsuffizienz auf Basis einer sekundären Dilatation des Herzmuskels mit Notwendigkeit der Herztransplantation, auch schon bei Kindern, reicht. Dazu kommt das erhöhte Risiko des plötzlichen Herztodes, dessen Risikostratifikation a priori zwar insgesamt sehr erfolgreich bewertet wird und zu einer Reduzierung der Inzidenz, in Verbindung mit einer verlängerten Lebenserwartung geführt hat, dessen Prädiktion auf der anderen Seite aber weiterhin kontrovers diskutiert wird. Der folgende Übersichtsartikel soll anschließen an die Publikation der Leitlinien der ESC, welche die aktuelle Referenz zur evidenzbasierten Therapie von Patienten mit HCM darstellt [8], einige neuere Forschungsentwicklungen und Ergebnisse sowie weiterhin bestehende Diskussionen aufgreifen. Dabei sollen auch der zunehmende Einfluss von Hochdurchsatzsequenzierungstechnologien in der genetischen Testung und neue Ansätze aus der klinisch orientierten Grundlagenforschung vorgestellt werden.

Nachdem ungezählte Nomenklaturen für diese Krankheitsentität benutzt und auch wieder verlassen worden sind, definieren die Leitlinien der ESC 2014 die hypertrophe Kardiomyopathie wie folgt: „Hypertrophic cardiomyopathy (HCM) is defined by the presence of increased left ventricular (LV) thickness that is not solely explained by abnormal loading conditions.“ Diese Definition verlässt sowohl ätiologisch orientierte Beschreibungen als auch Begriffe wie „hypertrophisch-(nicht-)obstruktive Kardiomyopathie“ (H(N)OCM), die vorwiegend hämodynamische Entitäten beschreiben. Damit wird ein breiteres Spektrum an Erkrankungen einbezogen, als es bisher der Fall war.

Aktuelle Mortalitätsdaten aus dem Minneapolis Heart Institute und Tufts Medical Center, beide USA, von 1902 Patienten mit HCM im Zeitraum 1992 bis 2013 ergeben ein insgesamt niedriges jährliches Mortalitätsrisiko von 0,5 % pro Jahr, vor allem aufgrund der effektiveren Risikostratifikation und der Primärprävention des plötzlichen Herztodes durch die Implantation von ICD-Aggregaten. Am Ende des Überwachungszeitraumes (6,6 Jahre) hatten 87 % der Patienten überlebt. Von den beobachteten Todesfällen zeigten 72 % keinen Zusammenhang mit der Grunderkrankung HCM, sondern es handelte sich z. B. um die Folge einer Krebserkrankung, vor allem bei älteren Patienten. Nur rund 25 % der Patienten mit HCM starben an den Folgen ihrer Erkrankung [17].

Im August 2014 wurden von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie die neuen Leitlinien zur hypertrophischen Kardiomyopathie veröffentlicht [8]. Diese wurden insgesamt positiv kommentiert [10]. Insbesondere wurde die Rolle der genetischen Testung, auch mittels aktueller Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung gestärkt sowie ein neues Modell der Berechnung des Risikos des plötzlichen Herztodes eingeführt, um die Empfehlung zur primärprophylaktischen Implantation eines ICD-Systems zu unterstützen.

Die Rolle der genetischen Beratung und der genetischen Testung

In der Mehrzahl der Fälle folgt die HCM einen autosomal-dominanten Erbgang mit einem Risiko der Übertragung auf die Nachkommen von 50 %. Einige Fälle können durch Neumutationen erklärt werden, aber auch inkomplette Penetranz bei Eltern oder andere, seltenere autosomal-rezessive Erbgänge können den Anschein einer sporadischen Erkrankung erzeugen. Bei 60 % der Patienten mit klinischer Diagnose einer HCM lassen sich krankheitsdefinierende Mutationen in Genen von Sarkomerproteinen nachweisen [8].

Alle Patienten mit HCM ohne Hinweis auf eine sekundäre, nicht genetische Ätiologie der Erkrankung sollten eine genetische Beratung erhalten. Hierzu verweisen wir auf das kürzlich veröffentlichte Positionspapier [24].

Die neuen Leitlinien der ESC führen ausdrücklich auch die Verwendung von NGS auf, weisen aber insbesondere auf das Problem der nicht synonymen Genvarianten hin, deren Relevanz für die Erkrankung unklar ist, insbesondere bei Ganzgenomansätzen. Als Alternative wird die Analyse mittels NGS einer spezifischen Auswahl von HCM-zugehörigen Genen diskutiert. Die Diagnose einer spezifischen Mutation ermöglicht es, präsymptomatische Familienangehörige zu überwachen und im Rahmen einer genetischen Beratung auch spezifische Hinweise zum Thema Familienplanung zu geben (sog. Kaskadenscreening, siehe Abb. 1; [8]. Zusätzlich ist ggf. eine Abklärung im Hinblick auf seltenere Syndrome, die mit einer HCM vergesellschaftet sind, zwingend erforderlich (z. B. M. Danon, siehe Tab. 1 und 2).

Tab. 1 Beispiele für klinische Symptome und Untersuchungsbefunde, die auf eine spezifische Krankheitsentität hinweisen. (Durch den Autor ins Deutsche übertragen aus [8], dort modifiziert nach [23].)
Tab. 2 Häufigkeit seltenerer Krankheitsphänotypen mit HCM aus dem European Cardiomyopathy Pilot Registry: modifiziert und übersetzt durch die Autoren nach [7]

Im Falle einer betroffenen Familie mit Nachweis einer sicher krankheitsauslösenden Mutation sollten die Angehörigen sich zunächst einer genetischen Testung unterziehen und anschließen klinisch evaluiert werden [8]. Dadurch ist eher gewährleistet, dass mutationsnegative Familienmitglieder von Nachsorgeuntersuchungen ausgeschlossen werden können, was unter anderem auch eine größere Effizienz zur Folge hat [8].

In Familien ohne Nachweis einer definitiven Mutation sollte allen Angehörigen zumindest eine Untersuchung mittels EKG und Echokardiographie angeboten werden. Aufgrund der altersabhängigen Penetranz der Erkrankung ist es wichtig, dass eine unauffällige klinische Untersuchung nicht die Entwicklung einer HCM im weiteren Verlauf voraussagen kann, sodass in regelmäßigen Abständen (alle 2–5 Jahre oder bei Vorhandensein nichtdiagnostischer Auffälligkeiten alle 6 Monate bis jährlich) oder bei Entwicklung klinischer Symptome) diese Untersuchungen wiederholt werden sollten. Die Häufigkeit sollte von weiteren Faktoren abhängig gemacht werden, insbesondere der spezifischen Familienanamnese für das Auftreten einer symptomatischen Kardiomyopathie oder des plötzlichen Herztodes sowie die gewünschte Intensität bei der Teilnahme an (Leistungs‑)Sport. Bei weiter unauffälligen Verlaufsuntersuchungen kann das Intervall auf jährlich bis zweijährig erweitert werden.

Die europäischen Leitlinien empfehlen die genetische Testung in allen klinisch betroffenen Probanden, bei denen die Identifikation einer Mutation eine Relevanz für das klinische Management des Patienten oder der Familienmitglieder hat, und den Angehörigen 1. Grades, nach entsprechender genetischer Beratung. Dies gilt auch für Kinder, unter dem verstärkten Grundsatz, dass das Screening das Management des Patienten beeinflusst (siehe Abb. 1; [8]). Bei Patienten mit Nachweis einer Mutation und ohne klinischen Phänotyp kann trotzdem in vielen Fällen ein gutartiger Verlauf angenommen werden [8]. Eine wichtige Rolle kann auch der genetischen Testung post mortem zukommen, da bei plötzlichem Herztod in 10–15 % der Fälle retrospektiv eine HCM als mögliche Ursache diagnostiziert wird und hier sowohl die Möglichkeit der Diagnose per Autopsie als auch der genetischen Testung aus post mortem Blut- und Gewebeproben besteht [25].

Abb. 1
figure 1

Genetische Testung: Empfehlungen der ESC-Leitlinie 2014, übersetzt nach [8]

Dabei besteht eine Relation zwischen Genotyp und Phänotyp: Der Nachweis einer Sarkomermutation findet sich häufiger bei jüngeren Patienten, mit stärkerer Prävalenz einer positiven Familienanamnese für HCM und SCD, es liegt häufiger eine asymmetrische Hypertrophie und ein größerer maximaler LV-Wanddiameter vor und es besteht eine größere Inzidenz für kardiovaskuläre Mortalität [14].

Aktueller Stand der Sequenzierungstechnik in der Diagnostik der HCM außerhalb primärer wissenschaftlicher Fragestellungen sind die Sanger-Sequenzierung sowie die Verwendung von NGS für die gezielte Analyse definierter, pathognomonischer Gene der HCM. Zunehmend Verwendung findet die Exon-Anreicherung (Capture-Technologie) von spezifischen Kardiomyopathie-Kandidatengenen in Verbindung mit Hochdurchsatzsequenzierung auch in der Analyse der HCM [20]. Erste Berichte zum Einsatz der Ganzgenomsequenzierung liegen bislang lediglich für die DCM vor [11]. Weitere Fortschritte auf dem Gebiet der NGS lassen eine zunehmende Verwendung auch in der klinischen Diagnostik erwarten. Der zunehmende Einsatz dieser Technologien wird uns noch stärker als bisher mit der Frage der Pathogenität einer Mutation und der zu erwartenden Penetranz beim Mutationsträger konfrontieren [15].

Evaluation und Prävention des plötzlichen Herztodes

Eine zentrale Rolle in der Beratung von Patienten mit HCM und ihrer Angehörigen stellt die Evaluation des Risikos des plötzlichen Herztodes und insbesondere seine Primärprävention dar. Neben den Leitlinien der ESC zum Management der HCM von 2014 [8] hat die ESC 2015 auch Leitlinien zur Prävention des plötzlichen Herztodes publiziert, die in den wesentlichen Aussagen zur HCM übereinstimmen.

Die jährliche Mortalität bei der HCM beträgt 1–2 %, die Rate an adäquater ICD-Intervention für Kammerflattern und -flimmern beträgt 0,81 %. Andere relevante kardiovaskuläre Todesursachen bei HCM sind die Herzinsuffizienz, thrombembolische Ereignisse sowie AV-Überleitungsstörungen.

Zur Prävention des plötzlichen Herztodes wird Patienten mit HCM von der Teilnahme an Wettkampfsport abgeraten (Klasse 1, Level C). Bei Patienten mit überlebtem plötzlichen Herztod nach ventrikulären Herzrhythmusstörungen ist die sekundärprophylaktische Implantation eines ICD empfohlen (Klasse 1, Level B), dies gilt auch für Patienten mit spontanen ventrikulären Tachykardien, die eine Synkope auslösen, wenn die vermutete Lebenserwartung mehr als ein Jahr beträgt.

Bei allen anderen Patienten wird die regelmäßige Bestimmung des 5‑Jahres-Risikos für SCD anhand eines neu etablierten mathematischen Modells empfohlen (Online Risiko-Rechner: http://www.doc2do.com/hcm/webHCM.html), um anhand dieser Risikostratifikation die Entscheidung für oder gegen die Implantation eines ICD-Aggregates zu unterstützen. Bisher wurde ein Punktescore zur Evaluation des SCD-Risikos verwendet (Tab. 3). Dieser wurde aktuell modifiziert und durch ein mathematisches Modell erweitert, um der unterschiedlichen Gewichtung der beteiligten Risikofaktoren gerecht zu werden. Die ESC-Leitlinien empfehlen die Verwendung dieses neuen Risikokalkulators (HCM-Risk-SCD) [21]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Algorithmus nicht für Patienten jünger als 16 Jahre, für Patienten mit metabolischen oder infiltrativen Erkrankungen (M. Anderson-Fabry), Syndromen (Noonan) oder bei Patienten vor septumreduzierenden Eingriffen validiert worden ist. Es erfolgt die Berechnung des prozentualen 5‑Jahres-Risikos einen SCD zu erleiden. In der Niedrigrisikogruppe (<5 % in 5 Jahren) wird eine primärprophylaktische ICD-Implantation nicht empfohlen. In der Intermediärrisikogruppe (>6 %, ≥4 %) kann die ICD-Implantation erwogen werden und im Hochrisikokollektiv (≥6 %) sollte die ICD-Implantation erwogen werden.

Tab. 3 Klassische Kriterien zur Abschätzung des Risikos für den plötzlichen Herztod

Diese Risikoevaluation sollte in regelmäßigen Abständen (mindestens alle 1–2 Jahre) wiederholt werden und immer dann, wenn sich am klinischen Verlauf der Erkrankung etwas ändert [22].

Dieses neue Risikomodell wurde in unterschiedlichen Ansätzen evaluiert: In einem Kollektiv aus 706 Patienten mit HCM ohne bisherigen SCD wurden beide verfügbaren Ansätze zur Risikostratifikation parallel genutzt. Es erreichten 5,9 % der Patienten im Kollektiv innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 7,7 ± 5,3 Jahren den Endpunkt SCD. Die errechnete C‑Statistik (Receiver-Operator Kurve) des neuen Modells zeigte eine verbesserte Diskriminierung mit 0,69, im Vergleich zu den Leitlinien 2003 (0,55) und 2011 (0,60), sodass die Autoren den Schluss ziehen, dass das neue HCM Risk-SCD Modell die Risikostratifikation individueller Patienten verbessert. Nichtsdestoweniger betonen die Autoren auch hier, dass das neue Risikomodell nur dazu dient, die klinische Einschätzung zu komplementieren, indem es individualisierte prognostische Informationen an die Hand gibt [28].

Eine zweite retrospektive Untersuchung von 1629 Patienten verglich den klinischen Verlauf mit den errechneten Risikowahrscheinlichkeiten. Dabei kam es innerhalb diese Kollektivs bei 35 (2 %) der Patienten zu einem SCD, wobei lediglich vier dieser Patienten (11 %) einen hohen prädiktiven Risikoscore aufwiesen (>6 %/5 Jahre), der eine ICD-Implantation als Empfehlung nach sich gezogen hätte. Bei 46 Patienten mit adäquater ICD-Intervention bei Kammerflimmern/Tachykardie hatten 27 (59 %) der Patienten einen niedrigen Risikoscore von <4 %/5Jahre, nur zwölf (26 %) zeigten einen Risikoscore von >6 %/5 Jahre. Damit wurde in dieser Untersuchung der neue ESC-Risikoscore als unzuverlässig in der Risikodiskrimination von Patienten bewertet. Die meisten Patienten mit SCD oder korrekter ICD-Intervention wurden als dem Kollektiv mit niedrigem Risiko zugehörig „fehlklassifiziert“. Die Autoren argumentieren in diesem Zusammenhang sogar, dass der HCM-Risikoscore verfrüht in dieser Sichtbarkeit in die ESC-Leitlinien aufgenommen wurde [16].

Daraus folgte auch, dass im Gegensatz zu den HCM-Guidelines der ESC, in der 2015 erschienenen Leitlinie der ESC zum SCD ausdrücklich keine Klasse III-Empfehlung (d. h. gegen ICD-Therapie) für Patienten mit niedrigem Risiko (<4 %/5-Jahre) gegeben wurde, um dem Grad der Unsicherheit bei der A‑priori-Stratifikation in Hinblick auf SCD gerecht zu werden.

Die Anzahl und Art der nachgewiesenen Mutationen in der Korrelation von Genotyp und Phänotyp im Hinblick auf den plötzlichen Herztod wird in der Literatur kontrovers diskutiert und hat aufgrund der Heterogenität der Erkrankung bislang keinen Eingang in die Leitlinien in Form einer konkreten Empfehlung gefunden. Trotzdem gibt es auch hier Hinweise, die den Kliniker in ausgewählten Fällen dazu bewegen können, eher die ICD-Implantation zu empfehlen: In einem prospektiven Kollektiv aus 529 Patienten mit Nachweis multipler, seltener Genvarianten des Sarkomers konnte eine signifikante Assoziation zwischen dem Nachweis und kardiovaskulärer Mortalität, respektive plötzlichem Herztod gefunden werden (Hazard-Ratio 3,74 und 3,57) [29]. Für einzelne Mutationen sind besonders schwere Phänotypen bekannt, so exemplarisch genannt die Arg403Gln und Arg453Cys Mutationen der Beta Myosin Schwerkette mit einer hohen Rate an tödlichen Herzrhythmusstörungen oder bestimmte Troponin T Mutationen [13, 30].

Bei 25 % der Patienten mit HCM treten in Langzeit-EKG-Untersuchungen nsVTs auf. Ihre Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an und korreliert mit der linksventrikulären Hypertrophie als arrhythmogenem Substrat und der späten Gadoliniumanreicherung (LGE) in der kardialen MRT. Dokumentierte nsVTs während oder direkt im Anschluss von körperlicher Anstrengung sind selten, aber können mit einem erhöhten Risiko einen plötzlichen Herztod zu erleiden vergesellschaftet sein.

Andere Faktoren, die aktuell bei Patienten mit intermediärem Risiko evaluiert werden, ob und in welchem Maße sie eine Entscheidung für oder gegen die ICD-Therapie unterstützen können, sind der Grad der myokardialen Fibrose in der MRT, das Vorhandensein eines apikalen Aneurysmas und multiple Sarkomer-Genmutationen.

Außer in Fällen, in denen bei dokumentierten anhaltenden, monomorphen Kammertachykardien der Verdacht auf ein fokales arrhythmogenes Substrat besteht, welches einer Ablationstherapie zugängig sein könnte, besteht keine Indikation zur Durchführung einer elektrophysiologischen Untersuchung zur Risikostratifikation des SCD.

Zur medikamentösen Prävention des SCD in der HCM gibt es nur unzureichende Daten, die momentan nicht darauf hinweisen, dass sich eine pharmakologische Strategie zur Prävention bewährt. Disopyramid und Betablocker reduzieren zwar den LVOT-Gradienten, es gibt allerdings keine Hinweise, dass sie auch die Rate des plötzlichen Herztodes reduzieren. Auch für die chirurgische Myektomie des LVOT (Morrow-Operation) oder die perkutane Septumablation mittels Ethanol-Infektion (TASH) konnte bislang nicht sicher gezeigt werden, dass diese Eingriffe das Risiko für den SCD reduzieren. Allerdings zeigen Daten aus dem European Alcohol Septal Ablation Registry, dass die Mortalität nach Septumablation sowohl mit dem Grad der linksventrikulären Hypertrophie (Septumdicke) vor Ablation als auch mit dem residualen Gradienten nach Ablation korreliert. Bei 5,3 % der Patienten kam es zu einem Ereignis des plötzlichen Herztodes, dies bewirkte eine Mortalitätsrate von (nur) 0,98 pro 100 Patientenjahren [27].

Seit 2010 ist ein erstes ICD-Aggregat mit subkutaner Elektrodenlage auf dem Markt, das sich für Patienten eignet, die keine weitere Indikation zur Schrittmacherstimulation oder kardialen Resynchronisationstherapie haben. Da ICDs in der HCM bei einem insgesamt jüngeren Patientenkollektiv zur Anwendung kommen, ist die Hoffnung durch einen Verzicht auf die transvenöse Sondenlage und damit weniger sondenassoziierte Komplikationen, Morbidität und Mortalität der Therapie zu reduzieren. Neben der Zulassungsstudie liegen jetzt auch erste Fallserien spezifisch für HCM-Patienten aus anderen Zentren vor, die insgesamt, trotz noch geringer Fallzahl ein sinnvolles Risiko-Nutzen-Verhältnis ergeben [1, 31], Gleiches gilt für die zusammengeführten 2‑Jahres-Ergebnisse [4].

Die aktuelle Evidenz zeigt keinen direkten Zusammenhang zwischen später Gadoliniumanreicherung (LGE) in der kardialen MRT-Untersuchung zur Evaluation des individuellen Risikos für SCD, auch wenn LGE mit der kardiovaskulären Mortalität insgesamt assoziiert zu sein scheint [3, 8].

Die Leitlinien stellen fest, dass für die meisten Patienten ein 1‑Kammer-ICD-System ausreichend ist, da bei HCM eine atriale Elektrode nicht die Frequenz inadäquater Schocks reduziert. Bezüglich der Implantation eines CRT-ICD-Systems kann dieses empfohlen sein (IIb/C) bei medikamentenrefraktärer, symptomatischer Herzinsuffizienz NYHA II-IV, einer LVEF < 50 % sowie einem Linksschenkelblock mit einer QRS-Dauer >120 ms [8]. Hier liegt insgesamt noch wenig Evidenz vor.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei der Kalkulation eines Risikos für SCD in der Primärprophylaxe a priori keine 100 % Sicherheit geben kann. Es wird immer Patienten geben, die entweder „unnötigerweise“ einer ICD-Implantation unterzogen werden und mit den möglichen Komplikationen der Therapie zurechtkommen müssen, und Patienten, die einen plötzlichen Herztod erleiden, obwohl sie ein niedriges Risikoprofil haben. Dadurch besteht die herausfordernde Aufgabe des Arztes, seine Patienten über ihr Risiko anhand der aktuellen Evidenz zu informieren und aufzuklären und im gemeinsamen Gespräch insbesondere den persönlichen Vorstellungen und dem Sicherheitsbedürfnis des individuellen Patienten gerecht zu werden. Dies erfordert kein blindes Verlassen auf Risikokriterien und errechnete Prozentsätze, sondern die Auseinandersetzung mit dem individuellen Patienten, Alter, Hypertrophie, Mutationen, Familienanamnese und dessen Persönlichkeit.

Aus der klinisch orientierten Grundlagenforschung: neue Therapieansätze?

Gerade im Bereich der Grundlagenforschung der HCM an Kleintiermodellen (i. d. R. Maus) konnten wichtige Fortschritte erzielt werden, die eine zielgerichtete Therapie der Erkrankung vielleicht in der Zukunft ermöglichen oder zumindest über ein verbessertes Verständnis der Pathophysiologie neue Behandlungsstrategien aufzeigen. Dabei gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte: die Modulation der Calciumsensitivität der Myofilamente, die Modulation der Funktion nur der dicken Myofilamente, eine Gentherapie der pathogenen Mutation, von Ionenkanälen, um den LVOT-Gradienten bzw. das pathologische Remodeling und Herzrhythmusstörungen positiv zu beeinflussen sowie die Beeinflussung des kardialen Metabolismus und der vaskulären Dysfunktion [26].

Die niedermolekulare Substanz MYK-461 ist ein neuer spezifischer Inhibitor der Myosin-ATPase-Aktivität und reduziert die pathologisch erhöhte Kontraktionskraft des Myosins, in diesem Beispiel bei humanen MYH7-Mutationen. Dadurch kann im Mausmodell die Entwicklung einer pathologischen Hypertrophie verzögert oder sogar umgekehrt werden. Sekundäre Umbauvorgänge, wie eine kardiale Fibrose, lassen sich jedoch nur dann beeinflussen, wenn die Behandlung vor der Entwicklung der pathologischen Hypertrophie durchgeführt wird [12]. Die neonatale HCM bei homozygoter oder kombinierter Heterozygotie des kardialen myosinbindenden Proteins C (MYBPC3) führt beim Kind häufig bereits im ersten Lebensjahr zum Tode. In einem humanisierten Mausmodell konnte eine spezifische Gentherapie mit kardialer Expression der Wildtypsequenz von MYBPC3 durch adenoassoziierte Viren (AAV) etabliert werden [19]. Die großen Fortschritte auf dem Gebiet der In-vivo-Editierung des Genoms durch die CRISPR-Technik lassen inzwischen auch gentherapeutische Ansätze denkbar erscheinen, nach entsprechender ethischer Abwägung auch bei Patienten, bei denen ansonsten die Herztransplantation im Säuglingsalter die einzige Therapiealternative ist, zumal deren Verfügbarkeit immer weiter eingeschränkt ist [5].

Fazit für die Praxis

  • Patienten und Familien mit der Diagnose HCM sollten die Anbindung an ein Referenzzentrum erfahren, das die interdisziplinäre Anbindung an Kardiologie, Humangenetik und Kardiochirurgie ermöglicht.

  • Die genetische Beratung und moderne diagnostische Verfahren müssen bei allen Patienten erwogen werden, so sie das Management direkt beeinflussen (klinische Fragestellung) oder zum besseren Verständnis der Erkrankung (wissenschaftliche Fragestellung) beitragen.

  • Zur Prophylaxe des plötzlichen Herztodes gibt es neben den etablierten Kriterien einen neuen Risikorechner, der bei der Beratung der Patienten helfen kann.

  • Trotz aller empirischen Modelle müssen insbesondere der Wunsch und die Vorstellungen des Patienten und die individuelle Krankheitsgeschichte und Familienanamnese und individuelle Risikofaktoren Berücksichtigung finden. Dies wird auch in den aktuellen Leitlinien betont.

  • Trotz aller bisherigen Evidenz ist die primärprophylaktische Implantation eines ICD-Systems weiterhin in der Diskussion und erfordert eine sorgfältige ärztliche Abwägung und Entscheidung, zusammen mit dem Patienten.