Einleitung

Somatische Mosaike aktivierender Mutationen im Phosphatidylinositol-3-Kinase/AKT/mTOR-Signalweg (PI3K-AKT-Signalweg) wurden mittlerweile bei einem breiten Spektrum segmentaler Überwuchssyndrome als ursächlich beschrieben. Hierbei sind insbesondere das PIK3CA-assoziierte Überwuchsspektrum (PIK3CA-Related Overgrowth Spectrum, PROS) sowie das durch eine spezifische Mutation im AKT1-Gen bedingte Proteus-Syndrom hervorzuheben. Die genetische Abklärung und Diagnosesicherung ist allerdings schwieriger und komplexer als bei klassischen hereditären Krankheitsbildern.

PI3K-AKT-Signalweg und phänotypisches Spektrum

Der PI3K-AKT-Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Zellproliferation, -metabolismus und -überleben sowie bei der Angiogenese (Abb. 1) und ist eng verbunden mit anderen, onkogenetisch relevanten Signalwegen, insbesondere dem RAS-Signalweg [41]. Heterozygote Keimbahnmutationen in einigen Genen dieser Signalwege stellen die Ursache bekannter, autosomal-dominant erblicher Tumorsyndrome (Cowden-Syndrom, tuberöse Sklerose) oder syndromaler Erkrankungen mit einem erhöhten Tumorrisiko (RASopathien) dar. Somatische Mutationen in zahlreichen der beteiligten Gene sind essenziell an der Tumorentstehung beteiligt. Spezifische somatische Mutationen im PIK3CA-Gen (kodiert für die 110-kD katalytische alpha-Untereinheit des PI3K-Proteinkomplexes) und AKT1-Gen sind hierbei über eine Aktivierung des Signalwegs mit vermehrter Proliferation sowie verminderter Apoptose an der Tumorgenese beteiligt. Als somatische Mosaike können diese Mutationen in variabler Ausprägung zur Entwicklung von Überwuchssyndromen führen (Tab. 1).

Abb. 1
figure 1

PI3K-AKT-Signalweg: PIK3CA kodiert für die 110-kD katalytische alpha-Untereinheit des PI3K-Proteinkomplexes, die durch Bindung eines Wachstumsfaktors (GF) an eine Rezeptor-Tyrosinkinase (RTK) aktiviert wird und Phosphatidylinositol(4,5)-bisphosphat (PIP2) zu Phosphatidylinositol(3,4,5)-triphosphat (PIP3) umwandelt. Diese Reaktion wird von PTEN antagonisiert. PIP3 führt zur Phosphorylierung von PDK1, das wiederum AKT phosphoryliert und damit Einfluss auf die Regulation des Zellzyklus/der Apoptose, Metabolismus und Angiogenese nimmt. AKT wird auch durch eine Phosphorylierung des PDK2-Komplexes, der u. a. mTOR umfasst, aktiviert

Tab. 1 Phänotypisches Spektrum von Patienten mit PI3K-AKT-Mosaiksyndromen

Somatische Mutationsmosaike

Bei einem somatischen Mutationsmosaik trägt lediglich ein Teil der Körperzellen die Mutation. Es handelt sich somit in der Regel um Mutationen, die postzygotisch während der Embryonalentwicklung auftreten (Übersicht zu Mosaiken unter Kurth und Grimm [22]). Daher wird in diesen Fällen auch von postzygotischen Mutationen/Mosaiken gesprochen [36]. Mutationsmosaike werden zunehmend häufiger als Ursache genetisch bedingter Krankheitsbilder erkannt, was neben der größeren klinischen Aufmerksamkeit vor allem an empfindlicheren Nachweismethoden liegt. Bei autosomal-dominanten Tumorsyndromen wie z. B. der familiären adenomatösen Polyposis (FAP), der Neurofibromatose Typ 1 (NF1) oder der tuberösen Sklerose (TSC) ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Mosaiks aufgrund der hohen Neumutationsrate gegeben. Bei Krankheitsbildern, die durch hochpenetrante, aktivierende Mutationen in Onkogenen bedingt sind, wäre eine durchgehende heterozygote Keimbahnmutation vermutlich meistens früh letal, weshalb solche Mutationen im klinischen Kontext prinzipiell nur in Mosaikform vorliegen [12]. Da jedoch bei dem letztgenannten Pathomechanismus der Mutationsgrad auch in den untersuchten betroffenen Geweben häufig gering ist (meist <20 %, häufig auch <10 %), ist zu vermuten, dass die mutierten Zellen die Fähigkeit haben, die normalen Zellen im Sinne eines parakrinen Signals für den Überwuchs zu „rekrutieren“ [21, 27].

Auf Mosaiken beruhende Krankheitsbilder treten in der Regel sporadisch auf, d. h. es handelt es sich um Einzelfälle in der Familie. Wenn bei einem autosomal-dominanten Tumorsyndrom eine Neumutation in Mosaikform vorliegt, kann das Wiederholungsrisiko für zukünftige Kinder einer erkrankten Person nicht sicher eingeschätzt werden. In den meisten Fällen ist von einem geringen Risiko auszugehen, in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Auftretens der Mutation und der beteiligten Keimblätter können die Keimzellen aber ebenfalls betroffen sein und ein Risiko von bis zu 50 % bestehen. Bei den durch aktivierende Mutationen in Onkogenen bedingten Krankheitsbildern, bei denen das Vorliegen einer heterozygoten Keimbahnmutation nicht lebensfähig wäre, ist die Geburt eines betroffenen Kindes hingegen weitestgehend ausgeschlossen.

Molekulargenetische Diagnostik

Die Identifizierung von Mutationsmosaiken ist eine diagnostische Herausforderung, da die ursächlichen Mutationen in Leukozyten-DNA häufig entweder gar nicht nachweisbar sind oder weit jenseits der Nachweisgrenze klassischer Methoden wie der Sanger-Sequenzierung (~10 % Mutationsanteil) liegen und der Mutationsgrad selbst im betroffenen Zielgewebe gering sein kann. Durch den Einsatz neuer technischer Ansätze hat sich die Sensitivität inzwischen allerdings deutlich verbessert. Mit NGS-Verfahren (Abb. 2a) kann gezielt eine besonders hohe Lesetiefe (coverage) angestrebt werden (deep sequencing), um auch Mosaikgrade um 1 % nachweisen zu können. Als sehr empfindliche Methode hat sich auch die Sequenzierung mit single molecule Molecular Inversion Probes (smMIP) herausgestellt [1, 13]. Zum gezielten Nachweis bestimmter Hotspot-Mutationen können auch andere Methoden eingesetzt werden wie Restriktions-Fragment-Längenpolymorphismus-Analyse (RFLP), digital droplet PCR (ddPCR), SNaPshot-Analyse, Mass-ARRAY [17].

Abb. 2
figure 2

a Missensemutation c.1634A>G;p.Glu545Gly in Exon 10 des PIK3CA-Gens als niedriggradiges (10 %iges) Mosaik; b an der Mittellinie des Bauches scharf begrenzter Nävus flammeus auf der rechten Bauchseite bei einem Patienten mit klinischem Verdacht auf ein Klippel-Trenaunay-Syndrom; c zerebriformer Bindegewebsnävus am Fuß bei einer 21-jährigen Patientin mit molekulargenetisch gesichertem Proteus-Syndrom

Für den primären Nachweis eines ursächlichen somatischen Mosaiks ist in der Regel die Untersuchung von betroffenem Gewebe notwendig, bei der entweder auf eine gezielte Biopsie oder operativ entferntes Gewebe zurückgegriffen wird. In letzterem Fall ist häufig kein frisches Gewebe verfügbar, sondern nur formalinfixiertes, in Paraffin eingebettetes Material (FFPE). Da die Qualität von aus FFPE-Material extrahierter DNA häufig eingeschränkt ist, wird der Nachweis von (niedriggradigen) Mosaiken auch dadurch erschwert. Bei einer kutanen Manifestation ist es manchmal möglich, mit dem Skalpell vorsichtig Hautschuppen abzukratzen und aus dem Abradat DNA zu isolieren. Darüber hinaus kann auch eine Hautstanze mit der Untersuchung von Fibroblasten für die Diagnosestellung hilfreich sein [29].

Zudem kann es bei niedriggradigen Mosaiken schwierig sein, den Befund zu validieren, d. h. echte Mutationen von Sequenzierartefakten oder ggf. auch Kontaminationen zu unterscheiden. Zur Bestätigung eines Mosaiks sollte die gleiche Mutation in mindestens einem anderen räumlich getrennten Gewebe ebenfalls nachgewiesen werden, auch wenn dies im klinischen Alltag nicht immer realisierbar ist. Hierzu dient entweder ein weiteres betroffenes Gewebe oder Normalgewebe (z. B. DNA aus Leukozyten, Mundschleimhaut, Speichel oder Urinsediment). In Normalgewebe sollte gezielt nach einem sehr niedriggradigen Mosaik der im betroffenen Zielgewebe identifizierten Mutation gesucht werden. Bei den meisten der hier beschriebenen Überwuchssyndromen ist der Nachweis der postzygotischen Mutation anhand einer Blutprobe jedoch nicht Erfolg versprechend. Lediglich bei dem schweren Phänotyp des Megalenzephalie-Kapillarfehlbildungen-Polymikrogyrie-Syndroms (MCAP) war die Mutation meistens in DNA aus Blut oder Speichel nachweisbar [36], ebenso bei einem eigenen unpublizierten Fall.

Durch den fehlenden Mutationsnachweis muss eine klinisch gestellte Diagnose nicht infrage gestellt werden, da in Abhängigkeit des untersuchten Gewebes und der eingesetzten Untersuchungsmethode nicht jede Mosaikmutation aufgedeckt werden kann, insbesondere wenn sie unter der Detektionsschwelle der jeweiligen Methode liegt.

Krankheitsbilder

Das Ausmaß des Überwuchses kann bei den meisten Syndromen sehr variabel sein und von einer Makrodaktylie bis zu einer Hemihypertrophie bzw. Hemihyperplasie reichen. Es können verschiedene Gewebe betroffen sein, häufig bestehen neben dem Überwuchs typische kutane Veränderungen und vaskuläre Malformationen. Alle hier beschriebenen Krankheitsbilder treten sehr selten auf. Mögliche Differentialdiagnosen sind in Tab. 2 aufgeführt.

Tab. 2 Differentialdiagnosen

PIK3CA-assoziiertes Überwuchsspektrum (PROS)

Klinik

Die klinischen Entitäten, die durch PIK3CA-Mutationsmosaike verursacht und mittlerweile unter dem Begriff PROS zusammengefasst werden [17, 18], umfassen neben den unten ausführlicher beschriebenen Syndromen CLOVES und MCAP [30] zahlreiche weitere, klinisch definierte Subtypen (Tab. 1). Durch den Nachweis von PIK3CA-Mutationen ist davon auszugehen, dass es sich um eine ätiologisch zusammengehörende Krankheitsgruppe handelt, die je nach betroffenem Gewebe und Ausmaß des Mosaiks (abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens der Mutation in der Embryonalentwicklung) ein Spektrum unterschiedlich stark ausgeprägter Manifestationen aufweist [29]. Eine Expertengruppe hat diagnostische Kriterien für das PROS vorgeschlagen, die neben dem Nachweis einer postzygotischen PIK3CA-Mutation entweder das Vorliegen von mindestens zwei der folgenden Merkmale umfasst (segmentaler Überwuchs, vaskuläre Malformationen, epidermale Nävi) oder das Vorliegen von passenden isolierten Auffälligkeiten (z. B. Makrodaktylie) [17].

Die klinischen Leitsymptome des PROS sind in Tab. 3 zusammengefasst. Gemeinsam ist den Krankheitsbildern darüber hinaus, dass die Symptomatik entweder bereits bei Geburt besteht oder in der frühen Kindheit beginnt und einen progredienten Verlauf aufweist. Eine Progredienz ist jedoch kein zwingendes Kriterium für den Verdacht auf ein Krankheitsbild aus dem „PRO“-Spektrum und nicht so deutlich ausgeprägt wie beim Proteus-Syndrom (siehe unten). Der Überwuchs ist in der Regel asymmetrisch und disproportioniert. In einer Studie von 35 Patienten mit somatischen Mosaikmutationen in PIK3CA wurde ein bevorzugter linksseitiger und distaler Überwuchs insbesondere der unteren Extremität sowie eine Dysregulation des Fettgewebes bei allen Patienten beschrieben (einerseits lipomatöser Überwuchs sowie andererseits Lipoatrophie in nicht betroffenen Arealen) [18]. Einem Erklärungsansatz zufolge könnte der erhöhte Energieverbrauch der betroffenen Gewebe zu einer negativen Energiebilanz der übrigen Gewebe führen [25]. Durch eine Infiltration der Muskulatur und innerer Organe durch das Fettgewebe scheint es zu einer sekundären Vergrößerung dieser Gewebe zu kommen [18].

Tab. 3 Übersicht der Leitsymptome

Der genaue Mechanismus der Überwuchsentstehung durch PIK3CA-Mutationen ist noch nicht vollständig verstanden, aber die Rolle, die PI3K in verschiedenen durch Wachstumsfaktoren aktivierten Signalwegen spielt, ist sicherlich ein wesentlicher Faktor [41].

CLOVES-Syndrom

Das CLOVE-Syndrom (kongenitaler lipomatöser Überwuchs [c ongenital l ipomatous o vergrowth], vaskuläre Fehlbildungen, epidermale Nävi) wurde erstmalig 2007 von Sapp et al. beschrieben [39]. Da auch weitere Merkmale wie eine Skoliose oder andere Skelettanomalien (z. B. Makrodaktylie, große Hände/Füße, Sandalenlücke), spinale Auffälligkeiten (z. B. tethered cord, Neuralrohrdefekte) und Epilepsien (seizures) gehäuft vorkommen, hat Alomari eine Erweiterung des Akronyms zum CLOVES-Syndrom vorgeschlagen [2].

Bei den Patienten steht in der Regel eine disproportionierte Fettverteilung im Vordergrund. Im Gegensatz zu den knöchernen Verformungen beim Proteus-Syndrom kommt es beim CLOVES-Syndrom in der Regel nur nach ausgedehnten chirurgischen Eingriffen zu Verformungen. Bei einigen Fällen wurden zusätzlich eine Hemimegalenzephalie, Chiari-Malformation oder Polymikrogyrie beobachtet. Die vaskulären Fehlbildungen beinhalten kapilläre, venöse, lymphatische sowie arteriovenöse Malformationen. Relativ häufig wurden auch renale Fehlbildungen festgestellt. Weiterhin besteht ein erhöhtes Thromboserisiko.

MCAP

Das Megalenzephalie-Kapillarfehlbildungen-Polymikrogyrie-Syndrom (MCAP) ist durch eine deutliche Makrozephalie/Megalenzephalie mit prominenter Stirn und Dolichozephalie gekennzeichnet. Außerdem treten kutane Kapillarfehlbildungen auf. Dabei wird zwar am häufigsten ein Nävus flammeus im Bereich der Gesichtsmittellinie beschrieben, es können aber auch generalisierte kutane Kapillarfehlbildungen vorliegen, die an eine Cutis marmorata erinnern. Bei etwa 50 % der Patienten besteht eine Polymikrogyrie; es können auch weitere Hirnanomalien auftreten (Ventrikulomegalie, Hydrozephalus, Kleinhirntonsillenektopie, Chiari-Malformation). Meist besteht eine geistige Beeinträchtigung, die mild bis schwer ausgeprägt sein kann; außerdem finden sich gehäuft eine muskuläre Hypotonie und Epilepsien. Poly- und Syndaktylien wurden ebenfalls beschrieben. Bei manchen Patienten bestehen strukturelle Herzfehler oder Herzrhythmusstörungen.

Genetik

Bei den als ursächlich identifizierten somatischen Mosaiken im PIK3CA-Gen handelt es sich um aktivierende Missensemutationen in insbesondere drei häufigen Mutations-Hotspots: c.1624G>A;p.Glu542Lys und c.1633G>A;p.Glu545Lys in der helikalen Domäne sowie c.3140A>G;p.His1047Arg in der Kinase-Domäne [17, 18, 21, 36, 43]. Etwas seltener sind die Missensemutationen c.3140A>T;p.His1047Leu in der Kinase-Domäne sowie c.1258T>C;p.Cys420Arg in der C2-Domäne. Es treten jedoch auch weitere seltenere Mutationen auf; insbesondere bei Vorliegen einer Megalenzephalie wurden Mutationen außerhalb der Hotspots nachgewiesen [20, 29].

Klippel-Trenaunay-Syndrom (KTS)

Klinik

Das Klippel-Trenaunay-Syndrom (KTS) wurde erstmals 1900 beschrieben. Da in der Literatur keine einheitliche Definition Anwendung findet und Überschneidungen zu anderen Syndromen bestehen (z. B. Parkes-Weber, Proteus, Hemihypertrophie), haben Oduber et al. [32] überarbeitete klinische Kriterien vorgeschlagen: Es soll mindestens eine angeborene kapilläre oder venöse Malformation vorliegen und ein gestörtes Wachstum von Knochen und/oder Weichteilen (meist eine Hypertrophie). Eine Übersicht der Leitsymptome findet sich in Tab. 3.

Die kapillären Gefäßveränderungen imponieren klinisch als Nävi flammei und können am ganzen Körper auftreten (insbesondere im Bereich der Extremitäten), sehr selten ist das Gesicht betroffen. Im Bereich des Rumpfes sind die Nävi flammei häufig scharf begrenzt und überschreiten meist nicht die Mittellinie (Abb. 2b). Bei den venösen Malformationen treten beispielsweise Phlebektasien, Varizen, Hypoplasien, Aplasien, Hypertrophien oder persistierende fetale Venen auf. Ebenso können arteriovenöse Malformationen oder Malformationen von Lymphgefäßen vorliegen. Im Bereich der betroffenen Extremität findet sich häufig eine oft erhebliche Hypertrophie von Weichteilgewebe oder Knochen. Diese Hypertrophien können aber auch in Bereichen auftreten, in denen keine Nävi flammei vorliegen. Der asymmetrische Überwuchs ist meist schon bei Geburt erkennbar und kann sich als Hemihypertrophie, Hypertrophie einer Extremität oder auch eines Teils einer Extremität (z. B. Makrodaktylie) präsentieren. Weitere Skelettauffälligkeiten beinhalten Poly‑, Syndaktylien und eine Skoliose. Die intellektuelle Entwicklung ist meistens nicht beeinträchtigt.

Genetik

Mittlerweile konnten auch bei einem Teil der Patienten, die phänotypisch dem KTS-Spektrum zugeordnet worden waren, PIK3CA-Mutationen identifiziert werden. Kurek et al. [21] fanden bei drei von 15 Patienten PIK3CA-Mutationen. Da nur zwei Hotspot-Mutationen untersucht wurden und keine genaueren klinischen Angaben vorliegen, ist die Aussagekraft allerdings eingeschränkt. Luks et al. wiesen bei 20 von 21 Patienten mit erfüllten klinischen Kriterien für ein KTS PIK3CA-Mosaike nach [27]. Da die Mutationen z. T. nur mit ddPCR nachgewiesen wurden und mittels NGS nicht nachweisbar waren sowie keine weiteren Gewebeproben untersucht wurden, müsste diese hohe Mutationsdetektionsrate noch in weiteren Studien bestätigt werden. In der Studie von Yeung et al. [43] wurde bei einem Patienten mit klinischen Kriterien eines KTS ebenfalls eine PIK3CA-Mutation entdeckt. Aufgrund der inzwischen gehäuft nachgewiesenen PIK3CA-Mosaike bei Patienten mit den klinischen Kriterien eines KTS und den klinischen Überlappungen ist das KTS wohl in vielen Fällen dem PROS zuzuordnen.

Proteus-Syndrom

Klinik

Das Proteus-Syndrom ist charakterisiert durch einen asymmetrischen, disproportionierten und deutlich deformierenden Überwuchs von einzelnen Körperteilen, zumeist des Skeletts, der Haut, des Bindegewebes, des Fettgewebes (es kann auch eine regionale Lipoatrophie bestehen) und des zentralen Nervensystems. Letztlich kann jedoch jedes Gewebe betroffen sein. In Einzelfällen ist auch eine Vergrößerung von inneren Organen beschrieben. Klinische Diagnosekriterien finden sich bei Biesecker [4], eine Übersicht über die Leitsymptome in Tab. 3. Bei den meisten Patienten mit Proteus-Syndrom liegt bei Geburt noch keine Asymmetrie vor, sie beginnt in der Regel erst ab dem Alter von 6–18 Monaten. Charakteristisch für das Proteus-Syndrom ist ein rasches Fortschreiten der Symptomatik bis zur Adoleszenz. Nahezu pathognomonisch sind die aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Hirnwindungen als zerebriform bezeichneten Bindegewebsnävi, die insbesondere an den Fuß- oder Handflächen vorkommen (Abb. 2c). Typisch sind auch lineare verruköse epidermale Nävi. Außerdem können kapilläre, venöse und lymphatische Malformationen sowie Lungenzysten auftreten. Mögliche Komplikationen stellen tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien dar, die bereits im Kindesalter auftreten können. Zum Teil kommen auch eine Intelligenzminderung und faziale Dysmorphien vor.

Genetik

Ursächlich für das Proteus-Syndrom ist in rund 90 % der Fälle die spezifische postzygotische Mutation c.49G>A;p.Glu17Lys im Onkogen AKT1 [26]. Es handelt sich um eine aktivierende Mutation, die soweit bekannt ausschließlich als Mosaik auftritt und meist nur im betroffenen Gewebe, nicht aber in Leukozyten-DNA nachgewiesen werden kann.

Bei einzelnen Patienten mit der Verdachtsdiagnose eines Proteus-Syndroms lässt sich eine Keimbahnmutation im PTEN-Gen nachweisen, das auch zum PI3K-AKT-Signalweg gehört. Allerdings sind in diesen Fällen die klinischen Kriterien für ein Proteus-Syndrom häufig nicht erfüllt oder die klinischen Informationen unzureichend [4]. Auf dem Boden einer genbasierten nosologischen Klassifikation sollte beim Nachweis einer PTEN-Keimbahnmutation grundsätzlich besser von einem Cowden-Syndrom oder PTEN-Hamartoma-Tumorsyndrom (PHTS, s. Artikel „Syndrome mit breitem Tumorspektrum“) gesprochen werden, auch wenn phänotypische Überschneidungen mit dem Proteus-Syndrom bestehen.

Bei einzelnen Patienten mit PTEN-Keimbahnmutation und phänotypischen Ähnlichkeiten zum Proteus-Syndrom (z. B. segmentaler Überwuchs, vaskuläre Malformationen und epidermale Nävi) wurde in jeweils mehreren betroffenen Geweben zusätzlich entweder eine trunkierende somatische PTEN-Mutation gefunden [44] oder ein Verlust des Wildtyp-Allels (LOH, loss of heterozygosity) nachgewiesen [5]. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der „second hit“ als Mosaik vorliegt und sich während der Embryonalentwicklung ereignet hat.

Tumorerkrankungen

Das Auftreten von PROS-assoziierten malignen Tumoren wurde bisher insgesamt relativ selten beschrieben. Bei fünf Patienten mit PIK3CA-Mutationen im vom Überwuchs betroffenen Gewebe wurden Wilms-Tumoren (Nephroblastome) oder nephrogene Reste (prämaligne Tumoren) diagnostiziert [9, 14, 18, 21, 27]. In isolierten Wilms-Tumoren wurden bei COSMIC bislang keine somatischen PIK3CA-Mutationen beschrieben [7]. Gripp et al. [9] schätzten die Häufigkeit von Wilms-Tumoren anhand der vorliegenden Literaturdaten auf unter 1,6 % (4/258 Patienten); Peterman et al. [33] fanden Wilms-Tumoren bei vier von 122 Patienten (3,3 %) mit CLOVES-Syndrom (davon zwei mit nachgewiesener PIK3CA-Mutation [21, 27]). Somit ist das Erkrankungsrisiko zwar gering, aber höher als in der Allgemeinbevölkerung (etwa 1:10.000). Außerdem wurden Wilms-Tumoren bei zwei Patienten mit MCAP dokumentiert, bevor die molekulare Ursache bekannt war [23, 42]. Bei zwei Kindern mit der klinischen Diagnose MCAP traten Meningeome auf [6, 31]; bei einer eigenen Patientin mit postzygotischer PIK3CA-Mutation und einer Hemihyperplasie der linken Gesichtshälfte bestanden ebenfalls multiple Meningeome. Bisher gibt es keine eindeutigen Hinweise auf eine Assoziation mit anderen Tumoren.

Beim Proteus-Syndrom wurde zwar häufiger ein breites Spektrum an Tumoren wie z. B. Meningeome beschrieben; dies kann jedoch auch durch eine Datenverzerrung bei bevorzugter Erfassung schwerer erkrankter Patienten (mit-)bedingt sein. Als relativ spezifisch werden die auch in die diagnostischen Kriterien aufgenommenen monomorphen Adenome der Parotis und bilateralen Zystadenome der Ovarien betrachtet [4].

Da somatische Mutationen im PI3K-AKT-Signalweg relativ häufig in verschiedenen Tumoren (PIK3CA z. B. in Kolon, Gehirn, Magen, Brust) nachgewiesen werden und es sich dabei meist ebenfalls um die oben genannten Hotspots handelt, mag es überraschen, dass Malignome bei den hier beschriebenen Überwuchssyndromen eher selten beobachtet werden. Typischerweise treten PIK3CA-Mutationen allerdings erst in späteren Stadien der Tumorgenese auf [38], d. h. es handelt sich um Mutationen, die eher das Tumorwachstum unterstützen. Somit ist davon auszugehen, dass sich bei Patienten mit einem PI3K-AKT-Mosaik-assoziierten Überwuchssyndrom wie bei einem sporadischen Tumor zunächst andere tumorinitiierende Mutationen ereignen müssen.

(Früherkennungs‑)Untersuchungen und Therapieansätze

Beim PROS werden zur Früherkennung von Wilms-Tumoren in Anlehnung an die Empfehlungen beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom bzw. der isolierten Hemihyperplasie abdominelle Ultraschalluntersuchungen alle drei Monate bis zum Alter von 7–8 Jahren empfohlen [9, 17, 33]. Darüber hinaus existieren keine spezifischen Früherkennungsempfehlungen bezüglich Tumorerkrankungen. Die Patienten und ihre Eltern sowie die behandelnden Ärzte sollten bei Auftreten von unklaren oder unspezifischen Symptomen entsprechend frühzeitig eine weitere Abklärung anstreben.

Generell sollten bei allen Patienten mit segmentalen Überwuchssyndromen zur Abklärung zusätzlicher Manifestationen und Komplikationen in Abhängigkeit von den betroffenen Körperregionen entsprechende bildgebende Verfahren eingesetzt werden (z. B. MRT des Schädels, der Wirbelsäule usw.) und Untersuchungen zur Identifizierung vaskulärer Malformationen erfolgen [17]. Zum Teil wurde auch von einem erhöhten Thromboserisiko berichtet, sodass insbesondere eine adäquate perioperative Antikoagulation beachtet werden sollte. Umfang und Zeitpunkt orthopädischer und ggf. chirurgischer Maßnahmen orientieren sich individuell am Ausmaß des Überwuchses und möglicher Begleitsymptome.

Da zur Behandlung von sporadischen Tumoren mit somatischen Mutationen im PI3K-AKT-Signalweg bereits zielgerichtete medikamentöse Therapieansätze zum Einsatz kommen (mTOR-Inhibitoren, z. B. Rapamycin), besteht die Hoffnung, dass sich diese in klinischen Studien auch zur Behandlung der Überwuchssyndrome mit PI3K-AKT-Mosaiken bewähren [16]. Eine klinische Studie in Deutschland ist unter der Leitung von Herrn Prof. Rößler (Universitätsklinikum Freiburg, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, jochen.roessler@uniklinik-freiburg.de) in Vorbereitung [37].

Fazit für die Praxis

  • Bei Vorliegen eines segmentalen Überwuchses können der Beginn und der Verlauf der Symptomatik eine erste Zuordnung ermöglichen.

  • Häufig bestehen neben dem Überwuchs kutane Veränderungen, vaskuläre Malformationen und damit verbunden auch ein erhöhtes Thromboserisiko.

  • Die Sicherung der Verdachtsdiagnose durch Nachweis eines somatischen Mutationsmosaiks ist häufig nur durch die Untersuchung von betroffenem Gewebe möglich. Zum Abgleich sollte aber immer auch eine EDTA-Blutprobe eingesandt werden.

  • Die Untersuchung sollte möglichst an einem Zentrum mit entsprechender Expertise und den technischen Voraussetzungen (z. B. NGS) nach Rücksprache erfolgen, um das beste Vorgehen und die Details von Probenentnahme und -versand zu besprechen.

  • Tumoren treten bei den genannten Überwuchssyndromen relativ selten auf. Früherkennungsuntersuchungen hinsichtlich Wilms-Tumoren werden empfohlen.

  • Ein Wiederholungsrisiko bei Kindern der Patienten ist weitgehend ausgeschlossen.