Einführung der PID in den Niederlanden

Die Etablierung der PID in Maastricht resultierte aus der Tatsache, dass in den Laboreinrichtungen des Department of Clinical Genetics sowohl In-vitro-Fertilisation (IVF) als auch Pränataldiagnostik in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt worden waren. Die Kultivierung von Embryonen in einem Laborraum, um diese dann 3–4 Monate später in einem Nachbarraum einer pränatalen Diagnostik zu unterziehen, führte zu der Idee, Methoden für eine In-vitro-Embryonenauswahl als Alternative zur Pränataldiagnostik zu entwickeln.

Ein erster Schritt war die Entwicklung eines effizienten FISH-Tests, der extrem genau zur Einzelzellanalyse passte, wie dies für die PID unabdinglich war [2]. Diese Methode schuf die Anschlussfähigkeit zur Zusammenarbeit mit dem Hammersmith Hospital in London, wo 1990 die PID erstmals klinisch zum Einsatz kam [5]. Diese Zusammenarbeit war vorteilhaft für beide Zentren: London wurde in die Lage versetzt, den Maastrichter FISH-Test im klinischen Setting einzusetzen, und gleichzeitig erhielten die Kollegen aus Maastricht Zugang zu menschlichen Embryonen für Forschungs- und Trainingszwecke zu einem Zeitpunkt, als dies in den Niederlanden noch nicht erlaubt war.

Im Jahr 1993 wurde die Erlaubnis des Ministers of Justice einerseits und des Ministers of Public Health, Welfare and Sports anderseits unter der Voraussetzung beantragt, dass ein erhebliches Risiko für eine schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung vorliegen müsse. Die Verhandlungen mit beiden Ministerien dauerten 2 Jahre – blieben jedoch ohne Ergebnis. Erst 1995 wurde letztendlich PID auf einer experimentellen Basis zugelassen: PID wurde erlaubt, sofern ein hohes Risiko für genetisch bedingte, schwerwiegende Erkrankungen bestand, die nicht behandelt werden können. Nach Brüssel war Maastricht eines der ersten PID-Zentren in Zentraleuropa. 1997 wurde das erste holländische PID-Baby geboren. Eine Kostenerstattung durch das öffentliche Gesundheitswesen erfolgt seit 2006. Seitdem werden insgesamt 3 Behandlungszyklen pro Paar komplett erstattet. Sollte es während dieser Zyklen zu einer Schwangerschaft kommen, dann werden 3 weitere Zyklen ebenfalls erstattet.

Im Januar 2003 wurde gemäß Kap. 2 der Dutch Special Medical Procedures Act (Wet op de Bijzondere Medische Verrichtingen) durch das Ministry of Public Health, Welfare and Sports ein neues Zulassungssystem eingeführt. Zusätzlich zu den identischen Abrechnungszulassungen für die 8 holländischen klinisch-genetischen Zentren wurde dem Maastricht University Medical Center (UMC) eine spezielle Erlaubnis erteilt, PID durchzuführen. Dies geschah vor dem Hintergrund der positiven Evaluation der in Maastricht implementierten PID. Die bestehenden Rahmenbedingungen änderten sich erst ab 2008, als die Kriterien für eine Zulässigkeit der PID durch die Ausweitung der Indikationen auf PID-Testung von BRCA1 und BRCA2 durch den stellvertretenden Minister of Public Health, Welfare and Sports erweitert werden sollten. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom kleinsten Koalitionspartner blockiert und verursachte eine Regierungskrise. Kontrovers wurden insbesondere die unvollständige Penetranz, die variable Krankheitsexpression und die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs diskutiert. Nach einer einmonatigen Diskussion und Verhandlung stimmte die überwiegende Mehrheit der holländischen Abgeordneten letztendlich für einen Kompromissvorschlag bezüglich des Testens von Embryonen auf genetisch bedingte Erkrankungen. In der Folge bestimmte die Regierung das University Medical Center (UMC) von Maastricht – das einzige universitäre Krankenhaus in den Niederlanden, das bisher bereits Embryoselektion durchführen durfte – als Einrichtung, die die Erlaubnis für die Testung von Embryonen für eine größere Anzahl von Krankheitsentitäten erhielt. Der Kompromiss beinhaltete aber auch, dass die Regierung die Implementierung einer National Indications Commission durchsetzen konnte, die darüber bestimmen sollte, für welche neuen Krankheitsbilder eine PID in Frage kommen würde, vorausgesetzt, dass folgende Kriterien berücksichtigt werden würden:

  1. 1.

    die Schwere und Art der Erkrankung,

  2. 2.

    die Möglichkeiten der Prävention und Behandlung,

  3. 3.

    zusätzliche medizinische Kriterien und

  4. 4.

    psychologische und ethische Faktoren.

1. Schwere und Art der Erkrankung

Erforderlich ist ein hohes individuelles Risiko für eine schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung. Die Schwere der Krankheit wird nicht definiert. In einigen Fällen bleibt die Unterscheidung zwischen vollständiger und unvollständiger Penetranz unklar. Ein wichtiger Aspekt ist der Zeitpunkt des Krankheitsausbruches. Im Falle von hereditären Krebserkrankungen sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden: Tumorrisiken für mehrere Organe, das Alter zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs und die Schwere der Erkrankung in der betroffenen Familie.

2. Die Möglichkeiten für Prävention und Behandlung

Hierbei geht es um die Möglichkeiten der Diagnosestellung einer erblichen Erkrankung wie Krebs bereits im präklinischen Stadium der Erkrankung und einer Behandlung vor oder nach der klinischen Diagnosestellung. Um dies adäquat beurteilen zu können, sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden: die Sensitivität und Spezifität der Testdiagnostik, die körperlichen Belastungen aufgrund der durchzuführenden Untersuchungen, die möglichen Risiken und Schäden, die im Zusammenhang mit einer (präventiven) Operation, Strahlen- und Chemotherapie zu erwarten sind, die Unfruchtbarkeit als Ergebnis einer Behandlung, die zu erwartenden Erfolge einer Behandlung und die Verfügbarkeit neuer Behandlungsformen.

3. Zusätzliche medizinische Kriterien

Zu den wichtigsten zusätzlichen medizinischen Kriterien zählen die Risiken einer IVF und einer Schwangerschaft für eine Frau, die Anlageträgerin für eine bestimmte genetisch bedingte Erkrankung ist (Beispiele hierzu vgl. auch Kapitel zu Methoden in diesem Artikel). Des Weiteren zählen hierzu mütterliches Alter, Unfruchtbarkeit und Übergewicht. Diese medizinischen Kriterien sollten auch bei der PID berücksichtigt werden, wie dies auch schon die Richtlinien für die IVF vorschreiben.

4. Psychologische und ethische Faktoren

Hauptfaktoren sind die psychologischen Belastungen. Weiterhin muss die Bereitschaft für unterschiedliche Reproduktionsmöglichkeiten (Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik) sowie vorausgegangene Erfahrungen der Patientin (u. a. bspw. Schwangerschaftsabbruch/-abbrüche) berücksichtigt werden.

Ausschluss einer Indikation für PID

Geschlechtsbestimmung (aus sozialen Gründen) ist ebenso wenig zulässig wie dies in den meisten europäischen Ländern der Fall ist. Sogenannte Rettungskinderdiagnostik ist nur dann erlaubt, wenn eine PID aus genetischen Gründen indiziert ist. HLA-Typisierung ohne Indikation für eine PID aus genetischen Gründen ist nicht zulässig. Anlageträgerschaft als diagnostisches Kriterium ist nur dann erlaubt, wenn eine schwerwiegende genetische Erkrankung vorliegt, um diese beim Kind zu verhindern.

Organisation der PID in den Niederlanden

Die niederländischen PID-Richtlinien (Februar 2009) schreiben vor, dass in den Niederlanden nur ein Zentrum PID durchführen sollte. Diese Auflage widerspricht nicht der Möglichkeit, dass es mehrere Zentren gibt, die IVF anbieten, anschließend aber die Biopsien zur Analyse nach Maastricht schicken, wo sie den Anforderungen entsprechend bearbeitet werden. Die dafür notwendigen PID-Transfer-Dienstleistungen werden gegenwärtig von den IVF-Zentren Utrecht UMC, Groningen UMC und Amsterdam AMC (Abb. 1) angeboten.

Auf dem Hintergrund dieser Strukturen wird erreicht, dass in den Niederlanden das Angebot der PID auf 3 Ebenen organisiert ist: lokal, national und international.

1. Lokal: Arbeitsgruppe PID Maastricht

Seit 1995 trifft sich die lokale Arbeitsgruppe PID in Maastricht jeden Monat, um neue Fälle, Protokolle und die Zusammenarbeit mit den in den Transfers eingebundenen Zentren etc. zu diskutieren. Sobald eine neue Krankheitsentität von der Arbeitsgruppe als Indikation für die PID akzeptiert worden ist, wird diese Indikation zur Genehmigung an die National Indications Commission eingereicht.

2. National: PID Niederlande

Das Maastricht University Medical Center (MUMC) hat mit den 3 universitären Zentren Embryonentransfervereinbarungen getroffen: mit dem UMC Utrecht seit 2008, mit dem UMC Groningen seit 2009 und mit dem Amsterdam Medical Center seit 2013. Diese Vorgehensweise schützt zukünftige Eltern aus anderen Teilen des Landes vor einer häufigen Anreise nach Maastricht, da ihre IVF regional durchgeführt und die Biopsie dann zur Diagnostik nach Maastricht weitergeleitet werden kann (Abb. 1). Seit 2009 kooperieren das Diagnostikzentrum in Maastricht und die IVF Zentren unter den Namen PGD Nederland. Neue Entwicklungen, ethische Fragestellungen und organisatorische Angelegenheiten werden durch den sogenannten Vorstand diskutiert und behandelt, obwohl diese Organisation keinen eigenen rechtlichen Status hat. Rechtliche Angelegenheiten werden in bilateralen Verträgen zwischen der Maastricht UMC (als Lizenzhalter) und den universitären medizinischen Zentren, zu welchen die IVF-Labore gehören, geregelt. Jedes Jahr im Herbst findet ein Treffen zwischen allen an der Durchführung der PID in den Niederlanden Beteiligten statt.

Abb. 1
figure 1

Die Niederlande mit den PID-Zuweisungszentren

3. PID International

1995 startete die erste transnationale Zusammenarbeit mit dem PID-Zentrum der Freien Universität in Brüssel. Auf der Basis von bilateralen Verträgen wurde vereinbart, dass beide Zentren sich bei Problemfällen gegenseitig unterstützen. Des Weiteren findet jährlich das sogenannte BruMa-Meeting für all jene Fachgebiete statt, die an beiden Zentren an der Durchführung der PID beteiligt sind. Seit 2006 beteiligt sich das PID-Zentrum in Straßburg an der Zusammenarbeit und seit diesem Zeitpunkt finden die Treffen abwechselnd in Brüssel, Maastricht und Straßburg unter dem Namen BruMaStra statt. Jenseits des Austausches von Erfahrungen aus Klinik und Forschung, Protokollen und Daten, gibt es auch eine beschränkte Anzahl von gemeinsamen Projekten und Publikationen [15]. Die PGD Nederland ist Mitglied des ESHRE PID-Konsortiums.

National Indications Commission PGD

Im Herbst 2009 wurde die National Indications Commission gegründet. Einer Vorgabe des Ministeriums für Gesundheit folgend, initiierte der holländische Berufsverband für klinische Genetik (VKGN) und der Berufsverband der Gynäkologen und Geburtshelfer (NVOG) diese Kommission und benannte Mitglieder. Zusätzlich zu den Vertretern dieser beiden Berufsverbände gehören auch Patientenvertreter und Ethiker dieser Kommission an. Die oben genannten Kriterien stellen die Grundlagen für seine Entscheidungen dar. Die Kommission beurteilt nicht Einzelfälle per se. Vielmehr steht jeder Fall stellvertretend für den Umgang mit dieser Kategorie von Krankheitsbildern.

Klinische Anwendungen in den Niederlanden

Aufnahmeprozedur

Die Mehrheit der Patienten wird von einem Facharzt für Humangenetik aus einem der 8 niederländischen klinischen Zentren überwiesen, d. h. von dort, wo die Patienten eingangs beraten worden sind. Die PID erfordert eine vorangegangene erste genetische Testung. Hierzu werden die zukünftigen Eltern, ihr bereits erkranktes Kind oder andere Familienmitglieder, die möglicherweise Anlageträger einer bestimmten Erkrankung sind, einbestellt, um ihre DNA testen zu lassen. Während des Erstgesprächs an der Maastricht UMC werden Sie darüber informiert, wer einen präliminären genetischen Test durchführen lassen sollte. Ist die Entscheidung für eine PID getroffen, wird ein Termin mit einem Gynäkologen an der Maastricht UMC, Utrecht UMC, Groningen OMC oder Amsterdam AMC in Abstimmung mit dem betreffenden Paar vereinbart. Ein Reproduktionsmediziner wird dann entscheiden, ob beide Partner IVF-Kandidaten sind, indem er bei Ihnen eine Anamnese erhebt und sogenannte Fertilityparameter testet. Die Frau wird sich einer körperlichen Untersuchung unterziehen und es wird ein Ultraschall von den Eierstöcken vorgenommen. Bei dem Mann wird eine Samenanalyse durchgeführt. Beide, Mann und Frau, werden auf unterschiedliche Infektionserkrankungen hin untersucht.

Methodische Aspekte

In-vitro-Fertilisation und -Kultur

Die PID erfolgt vor einer künstlichen Befruchtung, die mit einer kontrollierten Ovarienstimulation beginnt, um möglichst qualitative hochwertige Oozyten zu gewinnen. Für den Fall, dass molekulare Amplifikationsmethoden genutzt werden, ist intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) indiziert, um eine Kontamination der Spermien nach konventioneller IVF zu vermeiden. Bis vor kurzem wurden alle Biopsien an Tag 3 durchgeführt. Die Anzahl der Zellen am Tag der Entnahme ist variabel, aber die besten Embryonen bestehen zu diesem Zeitpunkt aus 8 oder mehr Zellen. In den meisten Fällen wird nur eine Zelle entnommen. Um die Menge des diagnostischen Materials einerseits zu erhöhen und andererseits weniger Mosaike zu untersuchen, wurde vor kurzem die Methode geändert und die Zellen erst am Tag 5 oder 6 während des Blastozystenstadiums des Embryos entnommen. Dies ermöglicht die Gewinnung mehrerer Zellen: In dieser Phase nach Befruchtung ist es möglich, ca. 5 Zellen dem Trophoblasten zu entnehmen. Nach der Trophoektodermbiopsie wird der Embryo so lange kryokonserviert bis er nach der Analyse zu einem späteren Zeitpunkt (im Laufe eines späteren Zyklus) rückübertragen werden kann.

Genetische Diagnostik

Im Prinzip können alle monogenen Erkrankungen, die mittels einer post- oder pränatalen Diagnostik analysiert werden können, auch im Rahmen einer PID untersucht werden. Bis vor kurzem wurde für alle monogenen Erkrankungen als Analysemethode PCR verwendet. Für die zystische Fibrose wurde bspw. ein Multiplex-Marker-PCR-Protokoll entwickelt [3]. Diese indirekte Methode ermöglicht das Verfolgen von Vererbungsmustern. Dies hat zur Konsequenz, dass sich die Familienmitglieder einem genetischen Test unterziehen müssen, damit informative polymorphe Marker identifiziert werden können. Diese Information kann dann genutzt werden, um zu überprüfen, ob der Embryo den betroffenen Genotyp hat oder nicht. PID-PCR ist anfällig für die Kontamination mit extraembryonalem Material und für „allele drop-out“ (ADO). Dies kann dann geschehen, wenn ein in den embryonalen Zellen vorkommendes Allel nicht amplifiziert werden kann.

Speziell im Fall von autosomal-dominant genetisch bedingten Erkrankungen kann ADO der betroffenen Allele zum Transfer eines erkrankten Embryos führen. Erst kürzlich wurde Karyomapping eingeführt. Diese Methode nutzt die „multiple displacement amplification“ (MDA), gefolgt von einer Genotypisierung einer großen Anzahl von polymorphen Markern.

Das genomweite Karyomapping ist extrem akkurat und erleichtert die Analyse von fast allen monogenen Erkrankungen bzw. jeder Kombination von Loci auf Einzelzellniveau. Sie ermöglicht damit eine Ausweitung des Indikationsgebietes für die PID, ohne dass vorher ein Routinetest entwickelt werden muss [9].

Viele Jahre hindurch wurde PID für Huntington-Chorea mittels direkter Testverfahren durchgeführt bzw. Vorhandensein oder Abwesenheit des mutierten Allels auf Basis der elterlichen Allele des Huntington-Disease(HD)-Gens geprüft [13]. In jüngerer Zeit wurde ein Ausschlusstest zugelassen. Diese Strategie erlaubt nun die Identifikation der mütterlichen und väterlichen vererbten Allele und kann in der Folge dazu genutzt werden, die Niedrigrisikoallele beim Ungeborenen zu identifizieren. Jenseits eines geringen Risikos von Rekombinationsereignissen kann diese Methode dazu genutzt werden, um zu entscheiden, ob das Individuum ein niedriges oder hohes Risiko trägt, diese Krankheit zu entwickeln [8].

Weiterhin wurde in allen Protokollen Bezug darauf genommen, dass Frauen, die von bestimmten genetischen Erkrankungen betroffen sind, selbst ein erhöhtes Risiko tragen für Probleme, die in engem Zusammenhang stehen mit IVF-Behandlung und/oder Schwangerschaft und/oder Geburtskomplikationen.

Komplikationen können in jeder Phase der IVF- oder PID-Behandlung entstehen und sind möglicherweise unterschiedlichen Ursprungs. In der Stimulierungsphase besteht insbesondere bei Anlageträgerinnen für das Fragile-X-Syndrom ein erhöhtes Risiko für eine geringe Oozytenausbeute [7]. Ein erhöhtes Risiko für Blutungskomplikationen während oder nach der Oozytenentnahme besteht für Hämophilieanlageträgerinnen [10]. Frauen, die an einer genetisch bedingten Kollagenerkrankung leiden, besitzen möglicherweise ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen [11].

Hinsichtlich der Analyse von Chromosomentranslokationen wurden unterschiedliche Vorgehensweisen auf der Basis von FISH entwickelt [12]. Erst vor kurzem wurde komparative genomische Hybridisierung (CGH) eingeführt in Form einer Array-CGH zur Analyse von strukturellen Chromosomenanomalien.

Ergebnisse

Tab. 1 gibt einen Überblick über alle Indikationen der 500 Behandlungen im Jahr 2015. Dabei überwog die Indikation für monogene Erkrankungen gegenüber strukturellen Chromosomenanomalien. In der Mehrheit der Fälle gab eine autosomal-dominante Erkrankung den Ausschlag, eine PID in Anspruch zu nehmen. In dieser Gruppe gehörte zu den Hauptindikationen erblicher Brust- und Eierstockkrebs, gefolgt von Huntington-Krankheit und Myotoner Dystrophie Typ 1 (DM1). Bei mehr als zwei Drittel aller Fälle mit einer zugrunde liegenden Huntington-Krankheit wurde ein direkter Test gewählt. Insgesamt wurden mehr als 50 autosomal-dominante Erkrankungen diagnostiziert. Was die autosomal-rezessiven Krankheiten betrifft waren SMA und Mukoviszidose weitaus häufiger repräsentiert als alle anderen 22 Erkrankungen dieses Erbgangs.

Tab. 1 Indikationen für alle Krankheitsbilder seit 2015

Zu den häufigsten X‑chromosomalen Krankheitsbildern zählte das Fragile-X-Syndrom und die Muskeldystrophie Duchenne/Becker. Eine FISH-Diagnostik zur Geschlechtsbestimmung im Falle von X‑chromosomalen Krankheitsbildern wurde mehr und mehr obsolet. Des Weiteren wurde die FISH-Diagnostik ersetzt durch Array-CGH zur Diagnostik struktureller Chromosomenanomalien. Die häufigste Indikationsstellung in dieser Gruppe bezog sich auf die reziproke Translokation – beide Geschlechter waren als Anlageträger hier gleich repräsentiert. Bei den Robertson-Translokationen gab es jedoch eindeutig mehr männliche Anlageträger.

Tab. 2 zeigt die Ergebnisse seit Beginn 1995 bis 2015: Insgesamt gab es 2870 Zyklen bei 1430 Paaren. Mehr oder weniger ergibt sich das gleiche Bild wie 2015, obwohl sich leichte Veränderungen ergeben haben: Insgesamt überwogen die Anfragen wegen der Huntington-Krankheit gegenüber erblichem Brust- und Eierstockkrebs. Die gleiche Beobachtung lässt sich für alle Anfragen aufgrund der Indikation für Mukoviszidose gegenüber der Indikation für eine SMA machen. Darüber hinaus gab es in der Vergangenheit etwas mehr Anfragen zur Geschlechtsbestimmung aus Gründen einer X‑chromosomalen Krankheit.

Tab. 2 Indikation aller durchgeführten PID-Behandlungen in den Niederlanden, 1995–2015

Wie aus der Tab. 3 hervorgeht, kam es zu insgesamt 547 Schwangerschaften. Die Erfolgsrate der Behandlung lag bei 20 % je durchgeführtem Zyklus und bei 25 % je Embryonentransfer. Anhand der Tab. 4 lässt sich klar erkennen, dass die Zahl der Behandlungen pro Paar fast exakt bei 2 liegt.

Tab. 3 Gesamtanzahl der PID-Behandlungen von 1995 bis 2015 und Schwangerschaftsraten
Tab. 4 Anzahl der PID-Behandlungen pro IVF-Zentrum

Wir hatten bisher nur eine Fehldiagnose: Dabei handelte es sich um den Fall einer sehr schwierig zu diagnostizierenden chromosomalen Translokation [14].

Rückblick

Zu Beginn der PID-Behandlung auf experimenteller Basis im Jahr 1995 wurde die PID nur dann zugelassen, wenn es sich um ein hohes Risiko für eine nichtbehandelbare schwere, genetisch bedingte Erkrankung handelte. Bei den sehr schweren Fällen mit frühem Krankheitsausbruch handelt es sich sehr häufig um autosomal-rezessive Erkrankungen. In den meisten Fällen bedeutete dies, dass es bereits ein betroffenes Kind in der Familie gab und die Eltern diese Erkrankung beim nächsten Kind vermeiden wollten. Schon bald nach Beginn wurden wir von den verschiedenen Patientenselbsthilfegruppen kontaktiert. Die Huntington Association gehörte hier zu den ersten. Wunschgemäß diskutierten wir die vorsichtige Einführung eines direkten Testangebots. Ein indirekter oder verdeckter Test wurde nicht angeboten.

Gegenwärtig sind autosomal-dominante Krankheitsbilder im Allgemeinen und die Huntington-Krankheit im Speziellen wesentlich häufigere Gründe für eine PID als autosomal-rezessive. Offensichtlich denken Ratsuchende/Patienten anders als die Kritiker, die behaupten, dass die Anwendung PID im Falle einer Huntington-Krankheit unverantwortlich sei, weil vor dem Kind noch viele symptomfreie Jahre liegen würden. Dies jedoch zollt nicht dem Bild der harten Realität Tribut: Diese Erkrankung ereilt Menschen in der Blüte ihres Lebens, nimmt einen fatalen Verlauf und wirft ihre langen Schatten voraus [4]. Mehr oder weniger dasselbe gilt für genetisch bedingte Erkrankungen mit unvollständiger Penetranz und präventiven/therapeutischen Optionen, wie z. B. bei erblichen Tumoren. Nach langen Diskussionen hinsichtlich der Akzeptanz des PID-Einsatzes bei erblichem Brust- und Ovarialkrebs sicherten wir der holländischen Regierung zu, jährlich einen Bericht mit allen Behandlungsdaten aus dem Vorjahr zu veröffentlichen. Seit 2009 ergeht dieser Jahresbericht an das holländische Parlament mit der Folge, dass viele Fragen aufgeworfen wurden. Diese konnten jedoch zufriedenstellend von unserer Seite beantwortet werden. Letztendlich waren unsere Behandlungsergebnisse mit jenen des ESHRE PID-Konsortiums vergleichbar [6].