Hintergrund

Aufklärungskampagnen zur Vermeidung von Risikofaktoren (insbesondere die Bauchlage im Schlaf) haben dazu geführt, dass die Rate an unter der Diagnose „plötzlicher Säuglingstod“ (SIDS, „sudden infant death syndrome“, ICD 10: R95) verstorbenen Kindern seit den 1990er-Jahren um 93 % gesunken ist [10]. Die Empfehlungen zur Prävention des SIDS wurden kürzlich in der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.)-S1-Leitlinie aktualisiert und beinhalten, basierend auf epidemiologischen Studien, folgende Empfehlungen: 1. Legen Sie Ihr Kind zum Schlafen auf den Rücken; benutzen Sie dabei eine feste und waagerechte Unterlage. 2. Legen Sie Ihr Kind tagsüber, solange es wach ist und Sie es gut beobachten können, regelmäßig für kurze Zeit auch auf den Bauch. 3. Vermeiden Sie Überwärmung: Während der Nacht ist eine Raumtemperatur von 18 °C optimal, anstelle einer Bettdecke empfiehlt sich die Verwendung eines Babyschlafsacks in altersentsprechender Größe. 4. Falls Sie keinen Schlafsack verwenden möchten, achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht mit dem Kopf unter die Bettdecke rutschen kann, indem Sie es so ins Bett legen, dass es mit den Füßen am Fußende anstößt. 5. Verzichten Sie auf Kopfkissen, Fellunterlagen, „Nestchen“, gepolsterte Bettumrandungen und größere Kuscheltiere, mit denen sich Ihr Kind überdecken könnte. 6. Wickeln Sie Ihr Kind zum Schlafen nicht fest ein. 7. Lassen Sie Ihr Kind bei sich im Zimmer, aber im eigenen Kinderbett schlafen. 8. Achten Sie auf eine rauchfreie Umgebung für Ihr Kind auch schon während der gesamten Schwangerschaft. 9. Stillen Sie im 1. Lebensjahr, möglichst mindestens 4 bis 6 Monate. 10. Bieten Sie Ihrem Kind zum Schlafengehen einen Schnuller an. 11. Diese Empfehlungen gelten auch für die Zeit unmittelbar nach Geburt: Sollte Ihr Kind auf Ihrem Körper liegen, achten Sie darauf, dass es stets freie Atemwege hat [10].

Trotz dieses Erfolgs gibt es weiterhin vermeidbare Fälle. Leider lassen sich Eltern in Produktkaufentscheidungen zum Babyschlaf bewusst und auch unbewusst durch Medien und Werbung beeinflussen [2, 6]. In Zeiten des Onlineshoppings kann die Art und Weise, wie Produkte für Babys online präsentiert werden, einen großen Einfluss darauf haben, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen und sie zum Beispiel auch schlafen legen [4, 5]. Gerade während des Schlafs in den ersten Lebensmonaten ist die SIDS-Gefahr erhöht. Aber wie sicher ist eigentlich der Babyschlaf, der online auf Webseiten für Produktpräsentationen in Deutschland gezeigt wird?

Methodik

Für diese Untersuchung wurden Online-Webseiten von Drogerieketten (DM, Rossmann und Müller), des Babynahrungsherstellers Hipp und der beiden Onlineshops Baby-Walz und Amazon im Zeitraum vom 01.07. bis 31.08.2023 ausgewertet. Die Auswahl der Webseiten erfolgte nach einer Sichtung zu den Kriterien Anzahl der Stores, Umsatz, Marktanteil und Marktbekanntheit durch Statista (https://de.statista.com). Hier machen die Drogerieketten DM, Müller und Rossmann die größte Anzahl und den größten Umsatz aus. Hipp hat in Deutschland den größten Marktanteil für die Herstellung von Babynahrung und Amazon betreibt den umsatzstärksten Onlineshop im Babysegment. Baby-Walz hat die höchste Markbekanntheit für Babyprodukte in Deutschland. Es wurden Produktpräsentationen, die ausdrücklich für Babys und deren Eltern bestimmt waren, gescreent. Bewertet wurden Babyfotos auf Verpackungen von gängigen Babyprodukten wie Windeln, Körperlotionen und Fläschchen. Hierfür wurden pro Kategorie (z. B. Rossmann → Baby&Spielzeug → Babypflege), je nach Aufbau der Webseite, die ersten vorgeschlagenen Produkte pro Produktkategorie betrachtet und darauf gescreent, ob diese entweder direkt auf der Verpackung oder auf den Bildern der Produktpräsentationen Babys zeigten. Dies waren durchschnittliche 31 Produkte pro Kategorie. Im nächsten Schritt wurde dann weiter betrachtet, ob die Babys wach waren oder schliefen. Wenn ein schlafendes Baby abgebildet war, wurde noch unterschieden, ob das Baby liegend schlief oder ob es zum Beispiel von einem Elternteil gehalten wurde. Bei den liegend schlafenden Babys wurden anschließend neun Kriterien zur Umsetzung der verschiedenen Schlafempfehlungen zur SIDS-Prophylaxe der AWMF-S1-Leitlinie untersucht [10]: Diese waren wie folgt:

  1. 1.

    Nutzung eines Schlafsacks (empfohlen)

  2. 2.

    Decke oder Kissen (nicht empfohlen)

  3. 3.

    Rückenlage (empfohlen)

  4. 4.

    Bauchlage (nicht empfohlen)

  5. 5.

    Seitenlage (nicht empfohlen)

  6. 6.

    Gabe eines Schnullers (empfohlen)

  7. 7.

    Schlaf allein im eigenen Bett (empfohlen)

  8. 8.

    Kuscheltiere im Bett (nicht empfohlen)

  9. 9.

    Schlafunterlage (Empfehlung: gerade und fest)

Ergebnisse

Insgesamt wurden 185 Produkte analysiert. Davon wurden auf 142 (77 %) wache Babys gezeigt und auf 42 (23 %) schlafende Babys. Von den schlafenden Babys waren neun in nicht liegender Position (z. B. getragen durch ein Elternteil) und 33 liegend abgebildet. Anteilig die meisten schlafend liegenden Babys wurden von Baby-Walz (33 %), gefolgt von Rossmann (27 %), DM (25 %), Amazon (14 %), Müller (12 %) und Hipp (0 %) gezeigt (siehe Abb. 1). Der Großteil der abgebildeten Babys schlief in Rückenlage (67 %). Bauch- und Seitenlage wurden bei 6 bzw. 27 % der Produkte gezeigt. Auf einer geraden Unterlage schliefen 97 % (siehe Tab. 1). Bei knapp einem Viertel der Babys waren Kuscheltiere in der unmittelbaren Schlafumgebung zu finden. Bedsharing, das Teilen des Bettes mit einer anderen Person, wurde bei insgesamt zwei Produkten abgebildet. Ein Schnuller war bei fünf Produkten abgebildet. Ein Drittel der Babys schlief mit Decke oder Kissen, während der empfohlene Schlafsack nur bei 12 % der Babys gezeigt wurde (Tab. 2).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der in der Werbung dargestellten Babys gemäß Wach und Schlaf (liegend, nicht liegend) je nach Online-Verkaufswebseite

Tab. 1 Gezeigte Schlafposition bei liegenden Babys je nach Online-Verkaufswebseite, N (%)
Tab. 2 Gezeigte Schlafumgebung bei liegenden Babys je nach Online-Verkaufswebseite, N (%)

Diskussion

Vier der insgesamt neun betrachteten Kriterien für einen sicheren Babyschlaf, nämlich Rückenlage, eine gerade Unterlage, das Nichtvorhandensein von Kuscheltieren im Bett und kein Bedsharing, wurden größtenteils auf den Produktpräsentationen richtig dargestellt. Die größte Adhärenz mit den Empfehlungen zum sicheren Babyschlaf ergab sich für die horizontale Schlafunterlage (97 %). Bei insgesamt 11 (33 %) Produkten mit liegendem, schlafendem Baby wurde dagegen die Bauch- oder Seitenlage gezeigt, den quantitativ bedeutsamsten Risikofaktor für SIDS.

In einer früheren amerikanischen Analyse zu Babydarstellungen in Frauenmagazinen waren ähnlich zu unseren Zahlen 36 % der Babys in Bauch- oder Seitenlage zu sehen. Bedsharing wurde in dieser Studie im Vergleich zu unseren Daten mehr als doppelt so häufig gezeigt [5]. Eine weitere Studie bewertete Stockfotos (lizenzfreie Fotografien) in Bezug auf die korrekte Darstellung des sicheren Babyschlafes. Hier waren ebenfalls 38 % der schlafenden Babys in Bauch- oder Seitenlage abgebildet [4].

Die bewusste und unbewusste (z. B. über Produktwerbungen) Informationsaufnahme aus dem Internet spielt für das elterliche Verhalten eine große Rolle. Eine Studie aus Portugal berichtete, dass sich mehr als 50 % der Eltern Informationen zum Babyschlaf aus dem Internet besorgten [3]. Eine weitere Studie fand, dass Social Media für Eltern die wichtigste Informationsquelle für Schlafempfehlungen darstellte [11]. Anders war es in Großbritannien und Australien, wo sich zumindest 63–94 % der Eltern an ein Gespräch zum sicheren Babyschlaf mit Personen aus dem Gesundheitswesen erinnern konnten [1, 9]. Studien weisen darauf hin, dass Medienbotschaften Gesundheitsentscheidungen maßgeblich beeinflussen. Gerade Familien mit schwachem soziodemografischen Hintergrund und niedrigem Bildungsstatus scheinen hierfür besonders empfänglich zu sein [7]. Dies ist umso tragischer, da per se das SIDS-Risiko in diesen Gruppen bereits erhöht ist [8]. Unsichere Schlafpraktiken in Produktwerbungen können folglich dazu führen, dass Eltern Empfehlungen zum richtigen Babyschlaf nicht ernst nehmen oder ignorieren.

Fazit

Babyprodukte zeigen leider häufig eine unsichere Schlafumgebung und Position für Babys, was zu falschen Engrammen für die Eltern führen kann. Insgesamt besteht deutlich Nachbesserungsbedarf für die Darstellung des sicheren Babyschlafs in der Werbung.