Hintergrund

Schlafgesundheit ist eine Thematik, welche über die gesamte Lebensspanne ihre Bedeutung nicht verliert. So ist der gesunde Schlaf bereits während der Schwangerschaft essentiell und wird besonders im frühen Säuglingsalter für die Eltern relevant. Denn der Schlaf und das Schlafbedürfnis sowie die Schlafarchitektur und Schlafzyklen entwickeln sich bereits in utero und verändern sich mit jeder Altersphase, vom Fötus, Baby, Kleinkind, Kindergartenkind, Schulkind oder Jugendlichen über das junge Erwachsenen- oder mittlere Lebensalter bis hin zum älteren Lebensalter. So steigt zwar die Anzahl der durchgeschlafenen Stunden mit dem Alter, dennoch werden nächtliche Wachzeiten von vielen Eltern in den ersten Jahren ihrer Kinder berichtet [15]. Im Grundschulalter werden nächtliche Unterbrechungen zwar seltener, aber oftmals kommen Schwierigkeiten beim Einschlafen der Kinder als Thema hinzu [15]. So sind Schwierigkeiten mit dem Ein- und Durchschlafen gerade im Kindesalter weit verbreitet. Aber nicht nur junge Kinder sind betroffen, auch Jugendliche klagen häufig über Ein- und Durchschlafprobleme und ganz besonders darüber, nicht ausgeschlafen zu sein. Dabei scheint die Prävalenz der Schwierigkeiten des Ein- und Durchschlafens von Kindern aus sozioökonomisch schwächer gestellten Familien höher zu liegen als im Durchschnitt [8]. Insgesamt liegt die Prävalenz von Schlafproblemen im Kindes- und Jugendalter bei bis zu 43 % [14]. Meist werden für diese Altersgruppe Einschlafprobleme, nächtliches Erwachen, Alpträume, Angst vor dem Alleineschlafen oder der Dunkelheit, Weigerung ins Bett zu gehen oder auch Schlafwandeln genannt und stellen eine große Herausforderung für die Kinder und ihre Eltern dar. Viele Eltern suchen Rat im Internet und stoßen dabei u. a. auf Apps zur Schlafunterstützung [17]. In einer früheren Studie, die sich mit Schlaf-Apps für Babys und Kinder beschäftigte [17], konnte gezeigt werden, dass die meisten sogenannten Schlaf-Apps für Familien mit jungen Kindern eher Lieder oder Musik enthalten, nur wenige jedoch schlafbezogene Informationen oder Trainingsaspekte umfassen.

Zu beachten ist die hohe Chronifizierungswahrscheinlichkeit von Schlafschwierigkeiten, die auch für den deutschen Kontext durch Auswertungen längsschnittlicher Daten der KIGGS-Studie gezeigt werden konnte [8]. Folglich leiden auch Erwachsene oft an Ein- und Durchschlafproblemen (ca. 24 %, [2]) oder Schlafstörungen wie Insomnie. Auch sie suchen nach Apps, um am Abend besser einschlafen zu können. Dementsprechend ist der Markt an Apps zum Thema Schlaf groß und zunehmend wachsend, jedoch auch sehr intransparent [10]. Die fehlende Transparenz über die Zielgruppe sowie beispielsweise über involvierte Expert*innen bei der Konzeption bemängeln diverse Autor*innen [11].

Ein wesentliches Element von gesunder Schlafhygiene oder eines schlafförderlichen Abendrituals stellt bei Kindern das abendliche Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten dar [7], die günstigenfalls leicht erlernbare Strategien umfassen, die das Kind selbstständig oder zusammen mit den Eltern gut umsetzen kann. Insgesamt stehen solcherart Gute-Nacht-Geschichten in einem positiven Zusammenhang zum Schlafverhalten des Kindes. Jedoch gilt es auch hier genau hinzuschauen, denn viele der sogenannten Schlafgeschichtenbücher umfassen oftmals ungünstige, wenig hilfreich oder nicht selbstgesteuerte Strategien [16]. Neben didaktischen Schlaf-Apps könnten Games in Zukunft auch in diesem Kontext ihren Platz finden. Solcherlei Spiele können von Familien, Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen sowie Erwachsenen gespielt werden. Häufig verwendete Begrifflichkeiten sind Serious Games, welche als Spiele mit klaren didaktischen Anteilen definiert werden und sich somit von Entertainmentansätzen unterscheiden, und Gamificationansätze. Letztere haben eher das Ziel, über spieltypische Elemente und Vorgänge Motivation, Leistung und Engagement in spielfremden Kontexten zu erhöhen [19]. Somit wäre eine Entwicklung von schlafförderlichen Spielen eine solche Gamification.

Computerspiele sind mittlerweile oftmals Bestandteil des täglichen Unterhaltungslebens. Digitale Gesundheitsanwendungen oder Health-Apps wurden in den letzten Jahren vermehrt entwickelt und bezogen sich meist auf physische Aktivität. Diese wurden beispielsweise in der Behandlung von Übergewicht, Diabetes, Krebs oder auch bei kardiovaskulären Erkrankungen eingesetzt. Neben der Anwendung als Therapieunterstützung, in welcher Patient*innen mittels der Spiele motiviert werden sollen, sich mehr zu bewegen, werden solche Games auch als Intervention in der Prävention und Gesundheitsförderung oder der Rehabilitation genutzt. Einige Studien berichten von positiven Ergebnissen bei beispielsweise übergewichtigen Kindern [13], andere Studien berichten von erfolgreicher Implementation im schulischen wie häuslichen Kontext [18]. Präventionsstudien zeigten, dass solche Spiele für Kinder im Alter von 10–12 Jahren hinsichtlich gesünderen Essverhaltens und physischer Aktivität kurzfristig effektiv sein können [3] auch wenn unklar ist, welche Art von Gestaltung für welche Zwecke geeignet ist [4]. Längerfristige Effekte sind nicht bekannt.

Dennoch ist zu berücksichtigen, dass bei der Konzeption solcher Apps häufig die wissenschaftliche theoretische Grundlage fehlt. Somit ähneln diese Schwächen denen von themenbezogenen Kinderbüchern, bei denen ebenfalls oftmals die theoretische Fundierung, die angemessene Darstellung des Inhalts sowie die Lösungskonzeption nicht nur ungenau, sondern mitunter auch irreführend oder tendenziell schädlich sein können, wie eine Studie mit 608 Kinderbüchern gezeigt hat [16].

Qualitätskriterien gesundheitsbezogener Spiele

Die Beurteilung von gesundheitsbezogenen Spielen als potenziell (ein-)schlaffördernde Anwendung ist schwierig. Wie oben dargestellt werden diese meistens nicht theoriegeleitet entwickelt und somit fehlt es meist an Kriterien zur Beurteilung von gesundheitsbezogenen Spielen. Die Arbeitsgruppe um Frau Caserman [5] hat sich zur Aufgabe gemacht, Qualitätskriterien zur Beurteilung von Serious Games (ernsthaften Spielen) zu entwickeln. Sie versuchte Qualitätsmerkmale von attraktiven und seriösen Spielen mit dem Anspruch zu detektieren, dass diese Kriterien transferierbar auf unterschiedlichste Gebiete seien. Diese Kriterien wurden in einer Expertenrunde um Frau Caserman in Workshops diskutiert und zusammengefasst. Es wird hinsichtlich des Gegenstands bzw. Ernsthaftigkeitsgrades (Gesundheitsaspektes) zwischen Ziel, Methode, und Qualität unterschieden. Diese verschiedenen Kriterien werden wiederum in Untergruppen aufgeteilt. So sollten die Ziele klar und fokussiert dargestellt werden, erreichbar sein und nicht mit anderen Aspekten interferieren. Die eingesetzten Spielmethoden sollten Fehler beim Spielen möglichst verhindern und angemessenes Feedback hinsichtlich des Fortschritts geben sowie angemessene Belohnungen im Spiel und am Ende des Spiels beinhalten. Die Qualität zeigt sich in der Möglichkeit der Zielerreichung, der Darstellung der Trainingseffekte, den Belohnungen sowie positiven Benutzereinschätzungen und positiven Expertenbeurteilungen [5].

Hinsichtlich des spielerischen Anteils benennen die Autor*innen rund um Frau Caserman ebenfalls unterschiedliche Kriterien. So sollten positive Erfahrungen beim Spielen sichergestellt werden, damit ein sogenannter „game flow“ entsteht und auf unterschiedliche Spielertypen eingegangen werden kann. Die Balance zwischen den Skills der Spieler*innen und der angestrebten Veränderung sollte beachtet werden und das Spiel sollte komplexer werden. Zudem sollte das Spiel eine emotionale Konnektivität herstellen, um den Spielspaß sicherzustellen. Auch ein Kontrollbewusstsein („sense of control“) sollte beim Spieler hergestellt werden. Zudem sollten soziale Interaktionen oder kompetitive Verhaltensweisen gefördert werden. Insgesamt sollten die Erfahrungen unterschiedlichste Sinneskanäle integrieren und stimulieren (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch etc.), um die Erfahrungen möglichst real zu gestalten. Die Medienpräsentation im Spiel sollte sich durch attraktive Grafiken auszeichnen, die angemessen an das Spielziel und die Zielgruppe gestaltet werden sollten, und nicht zuletzt sollte der Sound oder die Hintergrundmusik adäquat sein.

Bezüglich der Qualitätskriterien für die Balance zwischen Spielgegenstand und spielerischem Part führen die Autor*innen auf, dass das Ziel des Spiels eingebettet, erkennbar und integriert sein sollte. Beispielsweise sollten die zu erlernenden Kompetenzen in Bezug zum Spiel und in Verbindung mit den Spielelementen stehen. Das Spiel sollte wissenschaftlich fundiert sein und sich nach dem „state of the art“ der relevanten Disziplinen orientieren. Die Interaktionsmöglichkeiten sollten technisch für die Zielgruppe passen. Gegebenenfalls sollte es Tutorials zur Orientierung geben oder aber die Spielabläufe sollten selbsterklärend beziehungsweise das Spiel sollte intuitiv bedienbar sein. Zudem sollte die Zielerreichbarkeit durch die Technik unterstützt werden. Des Weiteren sollten natürlich adverse Effekte vermieden werden [5].

Mögliche unerwünschte Effekte

Gerade im Rahmen der Gesundheitsförderung sind mögliche adverse Effekte kritisch zu betrachten. Eine dieser Kritiken ist, dass Anwendungen zur Gesundheitsförderung auf digitalen Medien zur Erhöhung der Screen-Time beitragen, was mitunter in Konflikt mit derzeitigen Empfehlungen steht [6]. Neben der verlängerten Screen-Time werden weitere potenziell unerwünschten Nebenwirkungen wie die Fixierung auf einzelne Funktionen (z. B. Erfassung von Messwerten) oder auch Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit beschrieben [10].

Zusätzliche mögliche Gefahrenquellen gehen bspw. von der Verbreitung von ungesicherten Inhalten oder sogar Fehlinformationen aus [10]. Genannt werden zudem der unübersichtliche Markt, fehlende oder ungenügende wissenschaftliche Evidenz sowie mögliche allgemeine Zusammenhänge mit der Nutzung von Technik wie Folgen fehlerhafter Bedienung, aber auch der mögliche Verlust zwischenmenschlicher Aspekte [1].

Über diese Risiken hinaus sind intendierte Wirkungen von Health-Apps oder Games nur möglich, wenn diese aufgefunden, heruntergeladen und anschließend genutzt werden – Schritte, die mit unterschiedlichen Hindernissen verbunden zu sein scheinen [10]. So scheinen nach Lampert und Scherenberg [11] beispielsweise Hindernisse für Kinder und Jugendliche fehlender Speicherplatz, mangelnde Sichtbarkeit, Interesse bzw. empfundene Notwendigkeit, Kosten der Anwendung sowie auch die Verwaltung des Zugangs über die Eltern darzustellen. Diese Erkenntnisse weisen darauf hin, dass ein digitales Game zur Schlafförderung gleichermaßen die Eltern wie die Kinder als Zielgruppe in den Blick nehmen sollte.

Adaptation der Qualitätskriterien

All diese Kriterien legen aus gesundheitlicher Perspektive die Bezugnahme auf die Good-Practice-Kriterien nahe, die ursprünglich zur Planung, Umsetzung und Reflexion soziallagenbezogener Gesundheitsförderungsmaßnahmen entwickelt worden sind [9]. Für eine Einschätzung von Games zur Förderung des (Ein‑)Schlafens unter Beachtung der Stärkung gesundheitlicher Chancengleichheit lassen sich somit folgende Kriterien formulieren

  • Zielgruppenbezug (Konzept, Design, (An‑)Sprache)

  • Empowerment (zum Thema Entspannung/Schlaf)

  • Partizipation (Beteiligung in Konzeption, Entwicklung, Evaluation (Testung) sowie im Rahmen des Spielens Anpassungsmöglichkeit an Bedürfnisse)

  • Niederschwelligkeit (z. B. Sprache, Zugänge, Auffindbarkeit/Sichtbarkeit, Kosten (einmalig bzw. direkt und kontinuierlich bzw. indirekt), geschlechts- und kultursensibel, Anforderung an Speicher und Daten)

  • Nachhaltigkeit (z. B. technischer Support, Aktualisierung des Spiels, langfristiger Nutzen, wiederholtes Spielen)

  • Qualitätsmanagement und Evaluation (Rückgriff auf Kriterien/Checklisten für Health-Apps, Informationen (Transparenz), aber auch Wirkung)

Zusammenfassend sind somit Einschätzungen sowohl zu potenziellem Nutzen (z. B. durch Einführung von Schlafritualen, Verbesserung der Schlafhygiene, Edukation, Entspannung, Förderung der Kontaktzeit mit anderen Personen wie Eltern/Geschwistern) als auch zu potenziellen Risiken (z. B. Screen-Time, Erlernen kritischer Verhaltensweisen, Verschlechterung der Schlafhygiene, Aktivierung, Reduktion potenziell förderlicher Schlafrituale/Entspannungsrituale, Reduktion bewusster Kontaktzeit mit anderen Personen wie Eltern/Geschwistern) erforderlich.

Ziel der hier dargestellten Arbeit war daher, basierend auf all diesen Quellen und Faktoren, die Entwicklung und Adaptation von passenden Kriterien zur Bewertung und Einordnung von schlaf- und entspannungsbezogenen Spielen/Apps. Diese Kriterien sollten für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen adaptierbar sein, sodass die Kriterien sowohl für Familien als auch für ältere Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Erwachsene passend sind.

Methodik

Unter Fokussierung der obigen Kriterien nach Caseman et al. [5] sowie vorheriger Publikationen über Kinderbücher und Apps zum Thema Schlaf [16, 17] formulierte die Autor*innengruppe in einem mehrstufigen Prozess (siehe Abb. 1) folgende adaptierte Aspekte: a) adaptierte Version der Kategorien für Kinderschlafbücher, b) adaptierte Version in Bezug der obigen Kriterien auf Gamification und Entspannung sowie c) Berücksichtigung des Themas Schlaf sowie der Einbezug gesundheitsbezogener Aspekte. Die Autor*innengruppe ist ein interdisziplinäres Team aus Schlaf‑, Gesundheits‑, Psychiatrieexpert*innen sowie Expert*innen in Klinischer Psychologie und Schlaftherapie.

Abb. 1
figure 1

Kriterienfindungs- und Reflexionsprozess

Prozessbeschreibung

Ein erstes Expert*innentreffen diente der Sondierung und ersten Diskussion oben genannter Quellen (a,b und c), die zuvor allen zur Verfügung gestellt wurden. In diesem Sondierungsprozess wurde deutlich, dass mehrere Kriterienquellen genutzt und die Gamification-Kriterien übersetzt und angepasst werden sollten. In einem weiteren Expert*innentreffen wurden die aus den unterschiedlichen Quellen ergebenen Kriterien durch gesundheitsbezogene Aspekte ergänzt und erneut zur Reflexion in die Runde gegeben, um dann ein vorläufig finales Kriteriendokument zu erhalten. Danach fand ein „Probedurchlauf“ mit der App „Schlaf-gut“ (für Kinder) statt, um diese einzuschätzen sowie die Anwendbarkeit und das Verständnis der Kriterien zu testen. Die Einschätzung erfolgte von jedem/r Expert*in alleine und selbstständig. In einer danach stattfindenden Reflexionsrunde wurden die Kriterien nach dieser ersten Anwendungsphase erneut diskutiert, sodass dieses zweite Expert*innenmeeting neben der gemeinsamen Reflexion und Diskussion abweichender Einschätzungen auch einer Konsensfindung hinsichtlich der anzuwendenden Kriterien diente. Zudem wurde der Kriterienkatalog hinsichtlich der Adaptierbarkeit auf verschiedene Altersgruppen überprüft. Aus diesem mehrstufigen Prozess haben sich detaillierte Kriterien ergeben, die in Tab. 1 dargestellt werden.

Tab. 1 Kriterienkatalog zur Bewertung von Computer-Games und Apps zum Thema Schlaf und Entspannung

Abb. 1 veranschaulicht den Kriterienfindungs- und Reflexionsprozess sowie die erste Begutachtung, während die detaillierten Kriterien sich in Tab. 1 wiederfinden.

Ergebnisse

Die finalen Aspekte zur Bewertung möglicher schlafbezogenen Apps oder Spiele, welche sich nach den einzelnen Prozessphasen und einer abschließenden gemeinsamen Konsensfindung herauskristallisiert haben, werden in Tab. 1 dargestellt. Die Gruppe beschloss in Anlehnung an das Bewertungsschema für Kinderbücher (s. oben) die verschiedenen Kriterien mit grün (1) als zutreffend, orange (2) als teilweise zutreffend oder rot (3) als nicht zutreffend/nicht erfüllt eingeschätzt. Zusätzlich war die Option „?“ als unklar/nicht beantwortbar wählbar, und es wurde für jedes Kriterium die Möglichkeit einer Erläuterung/Begründung angeboten. Am Ende wird eine Empfehlung unter Hinzunahme sämtlicher bewerteter Aspekte abgegeben (zu empfehlen, bedingt zu empfehlen, nicht indiziert/möglicherweise schädlich).

Manche dieser in der Tabelle dargestellten Aspekte sind bislang noch wenig berücksichtigt worden in vorherigen Begutachtungsprozessen. Die von der Gruppe herausgearbeiteten Kriterien können zudem auch für unterschiedliche Altersgruppen angewandt werden.

Wie im obigen Schaubild dargestellt, wurden die Kriterien anhand einer App einer Testphase unterzogen. Die App „Schlaf-gut“ wird im Play-Store folgenermaßen beschrieben

„‚Schlaf gut!‘ ist eine schöne App für das tägliche Ins-Bett-Gehen-Ritual mit netten Tieren, süßen Schlafliedern und toller Erzählung. Im ganzen Haus gehen die Lichter aus und auch die Tiere auf dem Bauernhof sind müde. Aber wer bringt sie zu Bett? Wer löscht das Licht in ihren Ställen? Das ist die Aufgabe für kleine Kinder im Alter von 1–4. Zusehen, wie die Tiere schlafen gehen, ist ein schöner Weg, die Kinder auf die Schlafenszeit einzustimmen.“

„Schlaf gut“ ist von der Oscar-Kandidatin Heidi Wittlinger (2002, bester animierter Kurzfilm) designed worden.

Verfügbare Sprachen sind: Englisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Französisch, Russisch, Holländisch und Spanisch. Die App wird regelmäßig aktualisiert, die Preise liegen zwischen ca. 5 und 10 € je nach Betriebssystem und App-Komponente.

Die Ergebnisse der Pilotphasenerhebung anhand des Kriterienkatalogs mit der App „Schlaf-gut“ zeigten nachfolgende Einschätzungen des interdisziplinären Teams. Die Zusammenfassung der einzelnen Einschätzungen (also das Gruppenergebnis) sind wie folgt Kategorisiert: 1: gegeben/erfüllt, 1–2: eher gegeben/erfüllt, 2: teilweise gegeben/erfüllt, 2–3: eher nicht gegeben/erfüllt, 3: nicht gegeben/erfüllt.

Beschreibung des Ziels (Fokus auf der Zielbeschreibung, klare Ziele) mit den jeweiligen Unterkategorien wurden von der Gruppe überwiegend als eher gegeben (1–2) eingeordnet. Jedoch gab es einige kritische Anmerkungen: Es soll zwar um das Einschlafen gehen, jedoch kann im Spiel nur das Licht gelöscht werden. Durch das sukzessive Löschen der Lichter bleibt der Fokus auf dem Lichtausmachen, weniger auf dem Thema Schlaf bzw. Einschlafen, zudem können die Tiere vor dem Lichtlöschen beliebig oft animiert werden und zeigen keine Anzeichen von Müdigkeit (Gähnen findet erst nach dem Lichtlöschen statt). Die Motivation, im Spiel möglichst schnell den Lichtschalter zu finden, könnte fehlleitend sein und aktivierend wirken. Positiv anzumerken ist, dass sich durch die Wiederholung des Lichtlöschens in jeder Sequenz ein monotones Ritual ergibt.

Methodik (Korrektheit des Inhalts, angemessenes Feedback zum Fortschritt, angemessene Belohnung) mit den jeweiligen Unterkategorien wurde von der Gruppe überwiegend mit 1–2 als eher gegeben bewertet. Hinsichtlich der erkennbaren Effekte bezüglich Entspannung oder Müdigkeitssteigerung wurde diese jedoch überwiegend als nicht gegeben eingeschätzt.

Qualität (Überprüfung der Effektivität und nachhaltige Effekte, Auszeichnungen des Spiels und Einschätzungen) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Einschätzungen der Qualität ergaben, dass diese Kategorien von der Gruppe als überwiegend kritisch gesehen wurden (2–3). Im Spiel wird nicht überprüft, ob das Kind Entspannung oder Schlafen erreicht. Es wird durch die Dynamik des Spiels überprüft, ob das Kind (oder der Spielende/Elternteil) den Lichtschalter betätigen kann. Zu den Auszeichnungen lassen sich hinsichtlich der Gestaltung hohe künstlerische Expertise finden sowie die Auskunft, die App sei „von Pädagogen empfohlen“. Ein interdisziplinäres Team für die Entwicklung wird nicht angegeben.

Spielspaß (Sicherstellung von Spielengagement und -erfahrung, Sicherstellung des Flowerlebens, emotionale Verbindung herstellen, Sense of Control, Sicherstellung des Eintaucherlebens, Kontextualisierungsmöglichkeit der App/des Spiels) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Bewertung dieser Kategorie ergab teilweise erfüllte Resultate (2). Positiv wurde bewertet, dass nach Expertenrating eine emotionale Verbindung hergestellt werden kann (aufgrund der sehr schönen Gestaltung und der Freundlichkeit der Tiere). Kritisch wird hingegen bewertet, dass es nicht für verschiedene Spielertypen oder Altersgruppen unterschiedliche Versionen gibt. Zwar gibt es eine Sommer- und eine Winterversion, jedoch ist der Ablauf bei jedem dieser Spiele recht gleich. Hingegen ist wählbar, ob die Sprache genutzt oder ausgeschaltet wird. Zudem ist das Spiel in unterschiedlichen Sprachen verfügbar, somit ist eine Anpassung an die eigenen Bedürfnisse zumindest teilweise gegeben.

Medienpräsentation (attraktive Grafiken, angemessener Sound) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Medienpräsentation wurde von allen Mitgliedern der Expertengruppe als durchweg positiv und erfüllt beurteilt (1). Lediglich bei der Kategorie Sound wurde bisweilen angemerkt, dass die Musik am Ende, wenn das Kind dann im Fenster erscheint, lauter wird. Bezüglich der Ablenkbarkeit wurde ebenfalls nochmals darauf hingewiesen, dass die Tiere wiederholt aktiviert werden können, was ggf. ablenkend wirken kann.

Nachhaltigkeit (technischer Support, nachhaltige Effekte) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Bewertung dieser Kategorie ist nicht einfach, da teilweise auf externe Informationen zurückgegriffen werden muss. Insgesamt fiel die Bewertung dieser Kategorie positiver aus (1–2). So scheint die App regelmäßig gewartet zu werden und es gibt Updates. Die mehrmalige Anwendung im Rahmen eines Zu-Bett-Geh Rituals ist gut denkbar. Jedoch werden kaum oder nur unzureichend schlafförderliche Strategien erlernt. Bis auf das Löschen des Lichts werden keine weiteren Strategien im Spiel angewandt.

Niederschwelligkeit und Usability (Anforderungen an Speicherkapazitäten, Anforderungen an Datenvolumen, Anforderungen an Endgeräte, Bugs, einfache Sprache, auch für Nicht-Muttersprachler verständlich, geschlechts- und kultursensibel gestaltet) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Ergebnisse bezüglich dieser Kategorie fielen insgesamt ebenfalls positiv aus und wurde als gegeben bewertet (1). Das Spiel ist auf unterschiedlichen Endgeräten sowie offline nutzbar. Ob das Spiel auch auf älteren Geräten spielbar ist, konnte die Gruppe nicht beantworten. Lediglich einer der Beurteilenden ist eine fehlerhafte Darstellung zu Beginn des Spiels aufgefallen oder unterlaufen. Das Spiel ist in unterschiedlichen Sprachen verfügbar. Es wird eine leichte Sprache genutzt und die Inhalte werden vorgelesen, sodass keine Lesekompetenz erforderlich ist. Zudem werden viele Symbole oder bildhafte Darstellungen geboten. Der Sprecher ist jedoch immer männlich. Dies könnte gegebenenfalls erweitert werden.

Integration von Lerninhalt in das Spielgeschehen (Einbettung des Lernziels in das Spielgeschehen, Lernziele oder -einheiten können nicht übersprungen werden mit technischen Hilfsmitteln, wissenschaftliche Fundierung) mit den jeweiligen Unterkategorien wurde eher als nicht erfüllt bewertet (2–3). Zwar wird durch die Aufgabe, das Licht zu löschen, deutlich, dass es ums Schlafengehen geht, jedoch sind keine weiteren Strategien für das Zu-Bett-Gehen erkennbar und weitere Informationen zum gesunden Schlafen nicht erkennbar. Positiv ist, dass die einzelnen Einheiten zwar in beliebiger Reihenfolge angewandt werden können, diese am Ende jedoch immer bei dem Kind im Fenster enden. Informationen hinsichtlich wissenschaftlicher Fundierung und Wirksamkeitstestung werden leider nicht gegeben.

Interaktionstechnologie (angemessene Interaktionstechnologie, intuitive Spielführung und Bedienbarkeit) mit den jeweiligen Unterkategorien: Insgesamt fiel die Bewertung dieser Kategorie recht positiv aus und wird vom interdisziplinären Team als eher gegeben eingeschätzt (meist 1). Die Spielführung ist meist intuitiv möglich. Zwar gibt es keine Tutorials, jedoch sind die Spielmechanismen weitestgehend selbsterklärend, außer wenn man ohne Ton startet. Jedoch müssen auch weitere Mechanismen selbstgesteuert entdeckt werden.

Adverse Effekte (Verhindern von adversen Effekten, negative/nicht-intendierte Wirkungen) mit den jeweiligen Unterkategorien: Diese Kategorie wurde von der Gruppe uneinheitlich bewertet. Kritisch wurde gesehen, dass weitere Tiere gekauft werden können und müssen, wenn das Repertoire ausgeweitet werden soll. Hinsichtlich der Dynamik im Spiel wurde darüber hinaus kritisch angemerkt, dass gegebenenfalls vom Kind gelernt wird, erst dann schlafen zu gehen, wenn alle anderen bereits im Bett sind (wie im Spiel). Hingegen wurde die Dauer des Spiels eher positiv eingeschätzt, da es im Rahmen eines Zu-Bett-Geh-Rituals gut eingegliedert werden kann. Jedoch ist auch kritisch anzumerken, dass das Spiel beliebig oft hintereinander gespielt werden kann, ohne dass hier ein Limit angegeben wird. Die Transferleistungen sind fraglich.

Insgesamt hatte die Gruppe den Eindruck, dass die Kriterien meist gut verständlich waren, jedoch manche gegebenenfalls etwas mehr Definition benötigen. Diese wurden in der nachfolgenden Reflexionsphase hinzugefügt sowie auf Altersunabhängigkeit hinsichtlich der benannten Kategorien, Kriterien sowie Untergruppen geachtet und die Kriterientabelle entsprechend überarbeitet.

Diskussion

Gesundheitsbezogene Themen werden immer häufiger bspw. in Form von Serious Games über Apps oder Spielversionen aufbereitet mit dem Ziel, auf unterhaltsame und spielerische Weise unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Wissenschaftlich eingeordnet folgen diese oft dem Entertainment-Education-Ansatz, indem gesundheitsbezogene Botschaften oder Informationen in ein Spiel eingebettet werden und häufig in Anlehnung an die Theorie des sozialen Lernens nach Bandura nach dem Vorbild eines positiven, negativen oder transitionalen Charakters eine Verhaltensänderung erzielen sollen [12].

In den letzten Jahren stieg das Angebot von Apps oder Spielen mit anzunehmender gesundheitsfördernder Absicht kontinuierlich an, jedoch ist die Lage gegenwärtig sowohl inhaltlich als auch qualitativ als sehr unübersichtlich und intransparent einzuschätzen [10]. Wie eine vorherige Studie zur Einordnung und Bewertung von Schlaf-Apps für junge Kinder ergab, sind viele sogenannte Schlaf-Apps lediglich Musik-Apps oder mit Liedern bespielt [17]. Daher hat die Autor*innengruppe, die aus einem interdisziplinären Team (Kinderärztinnen, Psychologin, Gesundheitswissenschaftlerin, Psychiater, Schlafexpert*innen) besteht, sich zur Aufgabe gemacht, entspannungs- und schlafbezogene Kriterien zur Beurteilung von Schlaf-Apps und -Games zu entwickeln, sodass entsprechend fachbezogene Expert*innen bessere Beurteilungen und damit verbunden auch Empfehlungen geben können. Des Weiteren können Spieleentwickler*innen sich mit den hier formulierten Kriterien auseinandersetzen und so hoffentlich für die Konstruktion solcher Spiele wertvolle Hinweise erhalten. Es ist anzumerken, dass zum aktuellen Zeitpunkt die hier dargestellten Kriterien aus Perspektive der Autor*innengruppe formuliert sind. Es wurde dabei zwar bewusst auf die Zusammenführung multiprofessioneller Sichtweisen geachtet, allerdings ist kritisch zu reflektieren, dass die Perspektive jener, die von den Apps profitieren sollen, bislang fehlt. Die Autor*innengruppe strebt daher an, die formulierten Kriterien in einer Feldstudie weiterzuentwickeln. Zudem sind die Kriterien bislang eher semantisch als quantitativ beschrieben. Auch diesbezüglich wäre zu überprüfen, ob eine weitere Spezifizierung für Fachexpert*innen ggf. hilfreich wäre. Gleichwohl umfasst die hier vorgelegte Tabelle wesentliche Aspekte, die theoriegeleitet und durch Fachwissen ergänzt wurden. Zudem werden zum ersten Mal auch schlafbezogene Aspekte detailliert formuliert.

Im Prozess wurde deutlich, dass die Gamification-Kriterien nicht ohne Anpassungen bzw. unreflektiert übernommen werden können, sondern Schlaf und Entspannung eher passive Prozesse darstellen, bei denen gerade durch starke Aktivität wenig erreicht werden kann. Aspekte wie Spielspaß oder Aktivierung und Steigerung im Spielgeschehen wurden daher durch die Expertengruppe umformuliert, um schlafförderlich zu sein. Eine Herausforderung bei der Konzeption solcher Apps stellt sicherlich die Gratwanderung zwischen Spielspaß bzw. „Animation“ und gleichzeitig zu erzielender Entspannung oder schlaforientierten Aspekten dar. Die Stimulierung des Spielenden sollte daher eher nachlassen und einem ruhigeren Prozess weichen, eine mögliche Aktivierung durch zu erreichende Spielepunkte oder andere Elemente sollten genauestens vorher überlegt und strategisch in einem solchen Spiel gut eingeplant werden. Vor allem jedoch sollten unbedingt selbstgesteuerte Entspannungsstrategien oder Schlafstrategien eingesetzt werden, die es der Zielperson ermöglichen (ob Kind oder Erwachsener), diese Strategien selbstständig einzusetzen und abzurufen. Hierbei gilt es natürlich das Alter der Person zu berücksichtigen (Kuscheln mit Kuscheltier ist sicherlich eher etwas für Kinder, sich einen Tee zu machen eher für Ältere). Diese Berücksichtigung des Alters gilt im besonderen Maße hinsichtlich kognitiver Aspekte. Dennoch können solcherlei schlafförderliche Strategien bei jeglicher Altersgruppe eingesetzt werden.

Neben diesen inhaltlichen Aspekten ist sicherlich auch problematisch einzustufen, dass Themen wie Datenschutz oder Verantwortung, aber auch Intention oder wissenschaftliche Fundierung häufig unklar beschrieben sind, was für den deutschsprachigen Kontext durch schlechte Übersetzungen der Beschreibung oftmals verstärkt wird.

Nach Lampert scheint unklar, nach welchen Kriterien Kinder und Jugendliche Gesundheits-Apps wählen. In diesem Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass bei jüngeren Kindern oft Eltern die App auswählen [10].

Insgesamt kam bei der Autor*innengruppe die Frage auf, ob durch solche Apps oder Computerspiele ggf. auch das Abendritual etwas der familiären Zuwendung beraubt werden könnte, denn entgegen dem klassischen Vorlesebuch, das den Vorlesenden (meist Elternteil) benötigt, könnte ein solches Spiel auch alleine gespielt werden. Es sind keine interaktiven Aufgaben oder Aufforderungen, Geborgenheit auszudrücken, integriert (sich umarmen, drücken, gute Nacht sagen, etc.). So könnte auch ein Teil der abendlichen Interaktion, welche familiär oft als geborgenheitsstiftend gesehen wird, gegebenenfalls entfallen. Anderseits gibt es in Familien besondere Situationen, wie Krankheit, Schichtarbeit eines Elternteils o. Ä., in denen ein Abendritual nicht normal stattfinden kann, und hier könnte ein besonderer Stellenwert technischer Hilfsmittel liegen.

Fazit

Entwicklungen oder Gestaltungen von schlafbezogenen Computerspielen oder Apps sollten nicht nur altersgerecht sein, sondern darüber hinaus mehrere entscheidende Kriterien erfüllen. Zum einen sollten das Sprachniveau, der alterstypische Kenntnisstand bezüglich unterschiedlichster Aspekte, das Reflexionsvermögen und die Abstraktionsfähigkeit berücksichtigt werden. Besonders sollte, wie auch bei anderen Strategien, die gesunden Schlaf fördern sollen, die Selbstwirksamkeit im Sinne selbst generierter Lösungen der jeweiligen Altersgruppe dringlich beachtet werden [16]. Bei der Konstruktion schlafförderlicher Apps sollte unbedingt ein interdisziplinäres Team einbezogen werden, welches auch Experten zum Thema Schlaf sowie zur psychischen Gesundheit (von Kindern und Jugendlichen oder Erwachsenen) einschließt, um mögliche Fehler zu vermeiden. Zudem wäre die Berücksichtigung der Zielgruppe bei der Entwicklung solcher Apps oder Computerspiele wichtig, um qualitativ hochwertige und altersadäquate sowie zielgruppenorientierte Spiele zu generieren.