Definition und Häufigkeit der chronischen Insomnie

Mehr als 10 % der Erwachsenen in industrialisierten Ländern leiden unter chronischer behandlungsbedürftiger Insomnie [1] und die Prävalenz nimmt weiter zu [1].

Auch während der Pandemie haben Schlafstörungen weiter zugenommen und parallel hat sich die psychotherapeutische Versorgungslage in Deutschland verschlechtert [2].

Die chronische Insomnie ist neben der Schlafapnoe die häufigste Schlafstörung. Die Internationale Klassifikation für Schlafstörungen (ICSD‑3 [3]) unterscheidet die akute und chronische Insomnie und andere insomnische Störungen. In der ICD-10 entsprechen die Codes F51.0 und G47.0 der Insomnie und in der ICD-11 wird es im Kapitel 7 Schlaf-Wach-Störungen ein Unterkapitel insomnische Störungen (kurzzeitig, chronisch, nicht näher bezeichnet) geben. In diesem Beitrag geht es um die chronische Insomnie . Hierbei leiden die Betroffenen an Ein- und/oder Durchschlafstörungen verbunden mit einer gestörten Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit am Tage, die chronisch verlaufen und selten spontan besser werden [4]. Daher bedarf es oft einer spezifischen, häufig lang anhaltenden Therapie. In den aktuellen Therapieempfehlungen (Leitlinie) fehlen bisher klare Aussagen zu einer schweren chronisch behandlungsbedürftigen Insomnie und Empfehlungen für eine individualisierte Therapie in Abhängigkeit des Phänotyps der Erkrankung. Zu Letzterem gehören zum Beispiel der Schweregrad der Erkrankung, der Typ der Insomnie, die Dauer der bestehenden Insomnie oder die Schlafdauer. Eine Schlafdauer unter 6 h ist Hinweis für eine ausgeprägte Insomnie, verbunden mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität [5]. Die Kombination von kurzer Schlafdauer und beeinträchtigter Schlafqualität scheint das Risiko nochmals zu potenzieren. Es gibt Bestrebungen für eine Phänotypisierung [4], es fehlen aber noch die entsprechenden Empfehlungen von Experten und Fachgesellschaften für die klinische Praxis.

Zum Krankheitsbild der chronischen Insomnie gehören auch Tagesmüdigkeit sowie mentale, kognitive und physische Beeinträchtigungen, die zu Fehltagen, Unfällen, Fehlern am Arbeitsplatz, Arbeitsunfähigkeit und Rentenbegehren führen.

Vor der Diagnose einer chronischen Insomnie steht die Abklärung, ob es sich um eine Insomnie bei Vorhandensein einer internistischen, neurologisch-psychiatrischen oder anderen den Schlaf beeinträchtigenden Erkrankung oder um das Vorhandensein von schlafstörenden Symptomen wie Tinnitus, Schmerzen, Pruritus u. a. handelt [6]. Auch der Einfluss von wach machenden Medikamenten, von Drogen und Alkohol und des Lebenswandels inklusive Schlaf-Wach-Verhalten sind abzuklären. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um einen Trigger der Insomnie handelt [4] oder um einen die Insomnie unterhaltenden oder verursachenden Umstand, den es zu berücksichtigen gilt, wie z. B. ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, Schichtarbeit oder anhaltende psychosoziale Probleme.

Ein Problem der Versorgung von Patienten mit einer chronischen Insomnie ist nach Meinung der Autoren die fehlende Expertise (Hausärzte und Fachärzte kaum aus- und fortgebildet in Schlafmedizin) und die zu geringe Anzahl an Schlafmedizinern sowie der bisher fehlende Behandlungspfad für eine ausgeprägte chronische behandlungsbedürftige Insomnie.

Derzeitiger Stand der Therapieoptionen

Die Therapie der chronischen Insomnie kann sich nach Meinung der Autoren an einem Stufenkonzept orientieren, von der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT-I) bis hin zu einer effektiven medikamentösen Therapie.

Die KVT‑I hat in Studien ihre mögliche Effektivität und damit ihren Stellenwert nachgewiesen [7] und ist daher die First-Line-Therapie bei einer Insomnie. Sie beinhaltet eine Kombination aus Psychoedukation, Entspannungstechniken, Schlafrestriktion, Stimuluskontrolle, kognitiven Therapien und neuen Therapieansätzen. Sie kann auch bei Patienten mit einer psychischen Komorbidität helfen. Dennoch gibt es Einschränkungen. Den Autoren ist keine Studie bekannt, in der vornehmlich Patienten mit einer schweren Insomnie entsprechend dem ISI (Insomnia Severity Index) eingeschlossen wurden. Die Studienlage lässt auch nicht zu, dass man von einer Heilung der Erkrankung durch die KVT‑I ausgehen kann. Eine Besserung der Symptomatik ist jedoch gut nachgewiesen, auch im Langzeitverlauf, bis zu 24 Monaten. Es mangelt nach Meinung der Autoren aber an Angeboten dieser Therapieform in Deutschland. Aktuell stehen auch noch wenig App-basierte, wissenschaftlich validierte Anwendungen in deutscher Sprache zur Verfügung, wenn man dies mit den englischsprachigen Angeboten vergleicht. Zudem fehlen Prädiktoren, für wen welche Art der KVT‑I (inklusive Apps) besser geeignet ist, und Erkenntnisse zur Rolle des Insomniephänotyps bei der Auswahl der nichtmedikamentösen Therapie.

Auf die KVT‑I kann bei Bedarf im Rahmen einer von den Autoren vorgeschlagenen Stufentherapie die Phytopharmakotherapie, die Therapie mit OTC (Over-the-counter)-Produkten wie Tryptophan, Melatonin oder Antihistaminika und die Therapie mit milden schlaffördernden Mitteln aus dem Off-label-Bereich wie Agomelatin oder stärkeren schlaffördernden Psychopharmaka und den Hypnotika aus der Klasse der Benzodiazepin-Rezeptoragonisten folgen. Entweder ersetzt diese Therapie die KVT‑I, oder ergänzt sie [8]. Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Daten darüber, wie viele und welche Patienten auf welche Medikamente ansprechen und für wie lange der positive Effekt eines wirksamen Mittels anhalten kann. Aber es gibt Anforderungen an ein optimales schlafförderndes Mittel (Tab. 1).

Tab. 1 Anforderungen an ein optimal schlafförderndes Mittel [9]

Orientierung für den Einsatz von schlaffördernden Medikamenten geben Publikationen der Amerikanischen Schlafakademie [3], der amerikanischen Hausärzte [10] sowie einer europäischen Expertengruppe [11]. Auch für ältere Betroffene gibt es konkrete Empfehlungen [12]. Die deutschen und europäischen Leitlinien und Behandlungspfade geben bisher aber keine Empfehlungen, wie man mit einer schweren chronischen insomnischen Störung im Langzeitverlauf umgeht, bei der eine z. B. 4‑wöchige medikamentöse Therapie gut angeschlagen hat (DGSM S3-Leitlinie [11]).

Es liegt daher in der Hand des den Insomniepatienten betreuenden Arztes, wie lange er mit welchem Mittel therapiert. So empfehlen z. B. Myslewicz et al. [13], die Betroffenen erneut dem Schlafspezialisten zuzuführen, wenn nach 4 Wochen Pharmakotherapie die Beschwerden persistieren. Dieser kann eine Fortsetzung der Pharmakotherapie initiieren. Steht die Diagnose einer behandlungsbedürftigen chronischen Insomnie, dann kann ein schlafförderndes Psychopharmakon oder ein Hypnotikum in Deutschland im Einzelfall auch dauerhaft zulasten der GKV verordnet werden (Anlage III Nr. 32 der Arzneimittel-Richtlinie).

Manko der medikamentösen Therapie ist die geringe Anzahl an verfügbaren Medikamenten und der meist ähnliche Wirkmechanismus auf zentralnervöse Strukturen der Schlafregulation. So wirken die Z‑Präparate und Benzodiazepine auf Gamma-Hydroxybuttersäure-Typ-A(GABA-A)-Rezeptoren, außerhalb der Zulassung eingesetzte Antidepressiva wie Doxepin, Trazodon, Trimipramin oder Mirtazapin auf Serotonin und/oder Dopamin, Adreno-, cholinerge bzw. Histaminrezeptoren und Agomelatin auch auf die Melatoninrezeptoren. Wenn die Wirkung eines effektiven Schlafmittels nachlässt oder Nebenwirkungen bzw. Unverträglichkeiten auftreten, dann fehlen alternative Pharmaka mit gutem Wirkpotenzial.

Der Antagonismus des den Wachzustand regulierenden Neuropeptids Orexin ist hier ein innovativer Therapieansatz. Seit Ende 2022 ist in Deutschland der duale Rezeptorantagonist des Orexinsystems Daridorexant zur Behandlung chronischer insomnischer Störungen zugelassen, seit Ende 2023 auch für die Langzeitanwendung bei ausgeprägter Insomnie.

Orexin – ein wichtiger Regulator des Wachheitssystems und dessen Inhibition durch Daridorexant

Daridorexant ist ein dualer Orexin-Rezeptorantagonist (DORA). Die Substanz ist ein Benzimidazolderivat mit dem in der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) Nomenklatur anerkannten Namen [(2S)-2-(5-chloro-4-methyl-1H-benzimidazol-2-yl)-2-methylpyrrolidin-1-yl]-[5-methoxy-2-(triazol-2-yl)phenyl]-methanone und zeigt eine neuartige chemische Struktur (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Links: Wirkprinzip dualer Orexin-Rezeptorantagonisten (DORAs) am synaptischen Spalt (Grafik adaptiert nach Stahl [14]). DORAs antagonisieren die Aktivierung der Orexin-1- und Orexin-2-Rezeptoren (OX1R, OX2R) durch ORX-Neuropeptide (ORX A, ORX B), inhibieren dadurch die Stimulation nachgeschalteter neuronaler Systeme und reduzieren Wachheit. NMDA N-Methyl-D-Aspartat. GIRK G-Protein-Gated Inwardly Rectifying Potassium Channel. Rechts oben: Lage des Daridorexant-Moleküls in der Bindungstasche des ORX-Rezeptors (Röntgenkristallstrukturanalyse). Rechts unten: Dreidimensionale Darstellung des Daridorexant-Moleküls [15]

Daridorexant wirkt als ein kompetitiver, orthosterischer Antagonist [16] und blockiert den Signalvorgang einer Nervenzelle durch konkurrierende Bindung am gleichen Rezeptor wie der endogene Rezeptoragonist Orexin. Daridorexant unterscheidet sich in seinem Wirkmechanismus dadurch von klassischen Schlafmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepin-Rezeptoragonisten und von Substanzen mit durch Sedierung vermitteltem schlaffördernden Effekt, wie Antidepressiva oder Antihistaminika. Letztere wirken über ihren direkten Einfluss auf schlafregulierende, neuronale Zentren des Zentralnervensystems (ZNS).

Orexin-Rezeptorantagonisten entfalten ihre Wirkung dagegen über das Wach- und Weckmechanismen stimulierende Orexinsystem des im Zwischenhirn gelegenen Hypothalamus [17]. Die dort befindlichen circa 80.000 Nervenzellen sezernieren die Neuropeptide Orexin A (ORX A) und Orexin B (ORX B), die an zwei G‑Protein-gekoppelten Rezeptoren, dem ORX-Rezeptor 1 (ORXR1) und 2 (ORXR2) wirken [18]. Orexine sind bioaktive Neuropeptide wie auch Galanin, Substanz P, Neuropeptid Y u. a. Sie sind eine eigene Klasse zentralnervöser, kleiner proteinerger Signalmoleküle aus 3–100 Aminosäuren, werden in kleinen Vesikeln der Nervenzelle gespeichert und von allen Teilen eines Neurons freigesetzt. Sie binden an ihre Zielrezeptoren und erhöhen die intrazelluläre Calciumkonzentration und verändern so die Membranerregbarkeit, die Transkription und die Synaptogenese [19].

Der Begriff Orexin leitet sich aus dem griechischen Wort „orexis“ ab, was Appetit bedeutet. Der früher synonym verwendete Begriff der Hypokretine beruht auf Peptiden, die chemisch dem Darmhormon Sekretin ähnlich sind. Tatsächlich beeinflussen Orexine im Tierversuch entscheidend das Essverhalten und regulieren die Energiehomöostase [20]. Neuere Forschung zeigt, dass Orexine in die Regulation zahlreicher weiterer, autonomer, auch psychischer Funktionen involviert sind, wie Affekt- und Angstregulation, Kognition, Aufmerksamkeit oder etwa das Belohnungssystem [18].

Ihre entscheidende Rolle übernehmen Orexine in der Regulation des Schlaf-Wach-Systems. Sie stabilisieren den Wachzustand. Die ORX-Neurone des Hypothalamus sind im Wachsein am aktivsten und vermindern ihre Feuerrate im Schlaf. Entsprechend steigen die ORX-Level im Verlauf des Tages kontinuierlich an, stabilisieren so den Wachzustand und sinken in der Nacht ab, um Schlaf zu ermöglichen [21].

Die ORX-Peptide stimulieren wachaktivierende neuronale Systeme. Dazu gehören histaminerge Neurone des Nucleus tuberomammillaris (mehr ORXR2 exprimierend), monoaminerge Neurone des noradrenergen Locus coerulus (mehr ORXR1 exprimierend), serotoninerge Neurone der dorsalen Raphe, dopaminerge Neurone des ventralen tegmentalen Areals (ORXR1 und ORXR2 exprimierend), cholinerge Neurone des laterodorsalen Nucleus tegmentalis (ORXR1 und ORXR2 exprimierend) sowie das basale Vorderhirn und der pontine Pedunculus [22]. Die monoaminergen Neurone wirken hemmend auf die Orexinneurone zurück. Daher vermindert eine nur gering erniedrigte Aktivität der monoaminergen Neurone im Rahmen aufkommender Müdigkeit diese hemmende Wirkung und disinhibiert das Orexinsystem in seiner stimulierenden Wirkung, um den Wachzustand zu erhalten. Direkt schlaffördernde, GABAerge Neurone im ventrolateralen präoptischen Areal (VLPO) können mit dem Neurotransmitter GABA hemmend auf das Orexinsystem und damit schlaffördernd wirken. ORX-Neurone können über erregende, monoaminerge Projektionen zum VLPO die GABA-Wirkung antagonisieren [20].

Das Orexinsystem ist der Dirigent [23] im komplexen Spiel zwischen Wachen und Schlafen, indem es in die Abstimmung zwischen circadianen, durch die innere Uhr der Nuclei suprachiasmatici gesteuerten und den durch die Wachdauer bestimmten homöostatischen Prozessen der Schlaf-Wach-Regulation eingreift [24]. Das ORX-System lässt sich so als ein Schalter zwischen Wachen und Schlafen verstehen, der im Sinne eines Flip-Flop-Mechanismus [24] von Wachen zu Schlafen und vice versa schaltet und Übergangszustände vermeidet.

Pharmaka aus der Gruppe der ORXR-Antagonisten hemmen die wachfördernden Neuronengruppen in ihrem weit verzweigten Wirkungsnetz [22]. Dies wird bei DORAs über die Rezeptortypen ORXR1 und ORXR2 vermittelt. In einer Serie von mehr als 130 pharmakologischen Zielen im zentralen und peripheren Nervensystem zeigte Daridorexant eine sehr hohe Selektivität für die Bindung an seine zentralnervösen Rezeptoren [16]. Das ist von Vorteil gegenüber hypnotisch und sedierend wirkenden Schlafmitteln, da für Daridorexant keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind, wie man das von nicht selektiv und hoch ubiquitär bindenden Benzodiazepinen oder Antihistaminika kennt [16]. Duale Orexin-Rezeptorantagonisten wie Daridorexant greifen auch nicht direkt in schlafregulierende Systeme des Gehirns ein. Vielmehr erlauben sie dem Organismus durch das abnehmende Wach- und Wecksignal seinen eigenen Schlaf zu generieren. Dies erklärt, warum der Schlaf bei Behandlung mit Daridorexant ein ungestörtes Schlafmuster hinsichtlich Leicht‑, Tief- und Traumschlaf aufweist und keine Überhangeffekte auftreten [16].

Seine besondere Bedeutung bekommt der Wirkmechanismus der DORAs durch die spezifischen, neuronalen Störungsmuster von Patienten mit einer chronischen insomnischen Störung – eine pathologische Übererregung neuronaler Netze und veränderte Stressreaktion bei Patienten mit anhaltenden Ein- und/oder Durchschlafstörungen. Diese sind sowohl im Wachen als auch Schlafen messbar. Dazu gehören erhöhte Cortisolwerte tags und auch nachts [25], wobei das frühabendlich erhöhte Cortisol das Ausmaß der Schlafstörung in der kommenden Nacht voraussagen kann [26] oder vermehrt über 24 h auftretende Betawellen im EEG [27]. Die Pathologie der Gehirnfunktion zeigt sich auch in der im PET (Positronenemissionstomographie) sichtbar erhöhten Aktivität von basalen Hirnstrukturen im Schlaf bei Insomniepatienten im Vergleich zu gesunden Schläfern. Überaktivitäten in z. B. Hypothalamus, aszendierendem retikulären System oder Cingulum beweisen, dass bei diesen Patienten eine Überregung des ZNS im Sinne eines Hyperarousal vorliegt [28]. Daher profitieren Patienten von der das Hyperarousal antagonisierenden Wirkung des Daridorexant [22].

Daridorexant wird nach oraler Aufnahme gut und schnell resorbiert, erreicht seine höchste Plasmakonzentration nach 1 bis 2 h [29] und steigt in seiner Konzentration im Gehirn in einer Mehr-als-Dosis-abhängigen Konzentration an [16]. Es wird schnell in der Leber enzymatisch durch Cytochrom CYP3A4 metabolisiert mit einer Halbwertszeit von 8 h beim Erwachsenen und bis zu 9,8 h bei älteren Menschen. Infolge der kurzen Halbwertszeit mit einer Akkumulationsratio von 1,1 besteht kein Risiko einer Substanzakkumulation [29]. Die in Deutschland empfohlene Dosis beträgt 50 mg einmal pro Nacht in den 30 min vor dem Zubettgehen. Besondere Patientengruppen können mit 25 mg pro Nacht behandelt werden, z. B. bei mäßiger Leberfunktionsstörung oder gleichzeitiger Anwendung mittelstarker CYP3A4-Inhibitoren (siehe aktuelle Fachinformation).

Der duale Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant führt zu einer Verbesserung des Schlafes und der Tagesaktivität

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Daridorexant wurde in zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-3-Studien, an der 156 Studienzentren in 18 Ländern beteiligt waren, nachgewiesen [30]. Eingeschlossen wurden Erwachsene, die mindestens 18 Jahre alt waren und eine chronische Insomnie entsprechend der DSM-V-Kriterien aufwiesen, mit einem Schweregrad von moderat bis schwer (ISI ≥ 15). In einer Studie wurden die Patienten randomisiert (1:1:1) für die Einnahme von 50 oder 25 mg oder Placebo (Studie 1) und in der zweiten Studie für die Einnahme von 25 oder 10 mg oder Placebo (Studie 2). Die Medikation wurde jeden Abend für 3 Monate eingenommen. Primärer Endpunkt der Studie waren die Änderungen nach 3 Monaten zur Baseline-Polysomnographie-Nacht in der Wachzeit nach dem Einschlafen (wake after sleep onset; WASO) und der Einschlaflatenz (latency to persistent sleep; LPS). Sekundäre Endpunkte waren die subjektive Schlafzeit (total sleep time; TST) und der Fragenkomplex zur Tagesmüdigkeit des Fragebogens: Insomnia Daytime Symptoms and Impacts Questionnaire (IDSIQ) [31]. Die Effektivität von Daridorexant wurde anhand aller randomisierter Patienten ermittelt, die Sicherheitsdaten beruhen auf allen Patienten, die mindestens eine Dosis der Medikation eingenommen haben. Es wurden 930 Teilnehmer in der Studie 1 randomisiert. Je 310 von ihnen erhielten Daridorexant 50 mg, 25 mg oder Placebo, 924 wurden in der 2. Studie randomisiert. Von ihnen erhielten 309 25 mg, 307 10 mg und 308 Placebo. Die primären Endpunkte WASO und LPS waren mit 50 mg Daridorexant signifikant geringer als mit Placebo, sowohl nach 1 als auch nach 3 Monaten der Anwendung (Abb. 2). Nach 1 Monat ergab sich eine Differenz zur Baseline von −22,8 min [95 % CI −28,0 bis −17,6], p < 0,0001 für die WASO und −11,4 min [−16,0 bis −6,7], p < 0,0001 für die LPS. Nach 3 Monaten waren es −18,3 min [−23,9 bis −12,7], p < 0,0001 für die WASO und −11,7 min [−16,3 bis −7,0], p < 0,0001 für die LPS. Auch mit 25 mg zeigte sich ein positiver Effekt: Monat 1 −12,2 min [−17,4 bis −7,0], p < 0,0001 für WASO; −8,3 min [−13,0 bis −3,6] (p = 0,0005) für LPS und nach Monat 3 −11,9 min [−17,5 bis −6,2] (p < 0,0001) für die WASO und −7,6 min [−12,3 bis −2,9] (p = 0,0015) für die LPS. Die subjektive Schlafzeit war mit 50 mg auch verbessert im Vergleich zu Placebo: Monat 1 22,1 min [14,4 bis 29,7] (p < 0,0001) und Monat 3 19,8 min [10,6 bis 28,9] (p < 0,0001).

Abb. 2
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Darstellung von Mittelwerten der primären und sekundären Endpunkte der Studie 301 mit insgesamt n = 930 Teilnehmern, davon jeweils n = 310 Teilnehmer mit Daridorexant 50 mg, 25 mg oder Placebo. Die Fehlerbalken geben den Standardfehler des Mittelwerts an (SEM). WASO wake after sleep onset; LPS latency to persistent sleep; TST total sleep time; IDSIQ (Insomnia Daytime Symptoms and Impacts Questionnaire) [30]

Die IDSIQ-Schläfrigkeitsfragen wiesen auch auf eine signifikante Besserung der Symptomatik hin. In der Gruppe mit 25 mg ergab sich auch ein positiver Effekt für die TST nach 1 und 3 Monaten, nicht aber für die IDSIQ-Schläfrigkeitsfragen. In Studie 2 zeigten sich in der Kohorte mit 25 mg Daridorexant ähnliche signifikante Ergebnisse wie in der Studie 1 nach 1 und 3 Monaten, ausgenommen die objektive LPS, die sich hier nicht änderte. Mit 10 mg zeigten sich weder objektiv noch subjektiv signifikante Änderungen von WASO, LPS, TST oder IDSIQ, nicht nach 1 und auch nicht nach 3 Monaten. Zusätzlich wurden visuelle Analogskalen zur Schlafqualität eingesetzt und der ISI vor und nach Therapie. Bei beiden Instrumentarien zeigten sich in einer nur explorativen Datenanalyse ebenfalls positive Effekte und zwar unabhängig von der Dosis und sowohl nach 1 als auch nach 3 Monaten. Mit 50 mg Daridorexant kam es zum Beispiel zu einer Reduktion des ISI von 19,3 ± 4 auf 14,3 ± 5,8 nach 1 und auf 11,9 ± 6,3 nach 3 Monaten.

Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen war vergleichbar in den Subgruppen: 116 [38 %] von 308 Teilnehmern in der 50-mg-Gruppe, 117 [38 %] von 310 in der 25-mg-Gruppe und 105 [34 %] von 309 in der Placebogruppe (Studie 1) bzw. 121 [39 %] von 308 in der 25-mg-Gruppe, 117 [38 %] von 306 in der 10 mg-Gruppe und 100 [33 %] von 306 in der Placebogruppe (Studie 2). Nasopharyngitis und Kopfschmerzen waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse in allen Gruppen. Fatigue, Schwindel und Nausea waren unter Daridorexant 50 mg höher als unter Placebo (jeweils 2 % vs. 1 %) ebenso wie Kopfschmerzen (6 % vs. 4 %) und eine unbeabsichtigte Überdosierung (3 % vs. 2 %).

Zum Abbruch der Studie führten derartige Ereignisse am häufigsten in der Placebogruppe. Ein Todesfall in der 25-mg-Gruppe hatten keinen Bezug zur Studienmedikation. Der Orexin-Antagonismus führte nicht zu exzessiver Tagesschläfrigkeit (< 1 % der Studienpopulation). Es gab nur isolierte Berichte über Halluzinationen oder eine Schlafparalyse und keine Berichte über komplexe Verhaltensweisen oder Kataplexien.

Es wurde auch untersucht, ob die Medikation zu nächtlichen Stürzen führt. Es zeigten sich numerisch mehr Stürze in der Placebo- als in den Verumgruppen: Studie 1 n = 1 [0,3 %], n = 1 [0,3 %], und n = 8 [2,6 %] in den Gruppen 50 mg, 25 mg, Placebo; Studie 2 n = 3 [1,0 %], n = 4 [1,3 %], and n = 3 [1,0 %] in den Gruppen 25 mg, 10 mg und Placebo.

Daridorexant führte zu keiner morgendlichen Müdigkeit/Schläfrigkeit, wie die entsprechenden visuellen Analogskalen zeigten.

Es gab kein Muster von unerwünschten Ereignissen, welches auf ein Potenzial für Drogenmissbrauch hindeutete, und keine Entzugssymptome während der Placebo-Run-out-Phase, was durch die unerwünschten Ereignisse und mit dem BWSQ-Fragebogen objektiviert wurde.

Zusammenfassend ist der Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant in der Dosis 25 und 50 mg objektiv und subjektiv effektiv in der Besserung des Ein- und Durchschlafens, was sich auch in einer Besserung der Tagesmüdigkeit zeigt. Diese Wirkung konnte in Studien über einen Zeitraum von bis 3 Monaten nachgewiesen werden. Diese neue Therapie war in den Studien sicher, nebenwirkungsarm, provozierte keinen morgendlichen Überhang und führte zu keinem Rebound nach Absetzen der Medikation. Wie sich die Medikation in der klinischen Praxis beweisen wird, insbesondere in Abhängigkeit der verschiedenen Phänotypen der chronischen Insomnie, wird sich auch in zukünftigen Studien zeigen müssen.