Hintergrund und Fragestellung

Ein aktuelles Thema der Schlafforschung ist der Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und Schlafstörungen [20]. Der vor allem durch Nachtschichtarbeit bedingte unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus ist einer der Trigger für Schlafstörungen [8]. Wenn diese chronisch geworden sind, wird die Diagnose Schlafstörung des zirkadianen Rhythmus Typ Schichtarbeit (ICD-10-Code G47.26) Rev. 2. (2023) gestellt.

Der normale Schlaf-Wach-Rhythmus ist in den meisten westlichen Ländern an den Arbeitstagen von dem an freien Tagen (zum Beispiel Wochenende) verschieden, jedoch ist dieser Wechsel in der Regel mit der 5‑Tage-Arbeitswoche recht stabil, auch wenn neue Arbeitszeitmodelle, z. B. verstärkte Homeofficemöglichkeiten, an Verbreitung gewinnen. Grundsätzlich unterschiedlich sind die Schlaf-Wach-Rhythmen bei Schichtarbeitenden im Dienstleistungssektor, in Einrichtungen der Daseinsvorsorge (Polizei, Feuerwehr, Krankenversorgung u. a.), in künstlerischen Berufen oder im Leistungssport.

In einer Studie mit Tänzerinnen und Tänzern des Staatsballetts Berlin wurde nachgewiesen, dass diese unter Schlafmangel leiden, der sich im Verlauf der Vorbereitungszeit auf eine Premiere noch verstärkt hat [7]. Als Konsequenz wurde dort ein spezieller Ruheraum eingerichtet, um die Möglichkeit für die Tänzerinnen und Tänzer des Corps de Ballet anzubieten, in den Pausenzeiten ein Powernap durchführen zu können und Schlafdefizit abzubauen oder zumindest aktiv psychisch und physisch zu entspannen. Offene Fragen sind, ob solche oder ähnliche Lösungen auch für professionelle Sportarten möglich und notwendig sind und ob ein Kurzschlaf am Tag oder der Chronotyp von Sportlerinnen und Sportlern bereits in den Trainingsplänen berücksichtigt wird.

Aus dem Bereich des Profifußballs ist bekannt, dass sich Schlafmangel im Fußball nicht nur negativ auf die sportliche und spielerische Leistung auswirkt [1, 2], sondern auch die Anzahl und Schwere der Muskel-Skelett-Verletzungen erhöht [13, 19]. Gleichzeitig legen andere Ergebnisse nahe, dass Leistungsabfall und die Anzahl der Schlafstunden pro Nacht nicht notwendigerweise miteinander zusammenhängen, wie z. B. in einer Studie von jugendlichen Fußballspielern während der Fastenzeit Ramadan nachgewiesen wurde [14]. Auch eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen der Trainingsbelastung und subjektiver Schlafqualität konnte keinen signifikanten Zusammenhang ermitteln [9]. Die aktuelle Studienlage ist noch zu heterogen, um eindeutige Erkenntnisse über einen guten oder schlechten Schlaf und dessen Management im Profifußball aufzeigen zu können [4]. In einer eigenen Untersuchung haben wir bei Profifußballspielern mittels Aktimetrie in der Mehrzahl der Messungen eine ausreichend gute Schlafdauer und nur wenig Schlafprobleme festgestellt [17]. Die Befunde sind kohärent mit anderen Untersuchungen, die zu der Aussage führen, dass bei Mannschaftssportarten in der Regel weniger Schlafprobleme als bei Einzelsportarten auftreten [6]. Auch im Fußball ist eine wiederholte Frage, wie die Leistungsfähigkeit optimiert werden kann [18]. Dabei scheinen entscheidende Determinanten auch die Schlafqualität, Powernapping und die Optimierung der Schlaf-Wach-Zeiten (zum Beispiel bei einem Flug zum Spiel mit Zeitzonenwechsel) zu sein. Daraus resultierend war das Ziel unserer fragebogengestützten Untersuchung, den Stellenwert des Schlaf-Wach-Rhythmus und des Schlafes (inkl. Napping) als Leistungsreserve im Profifußball zu erfassen. Dazu wurden Fußballverantwortliche von Herrenfußballmannschaften der ersten bis dritten Liga und von Damenfußballmannschaften der ersten Liga zur Teilnahme eingeladen.

Methoden

Probanden/Stichprobe/Untersuchungsablauf

Für die Untersuchung wurde ein Fragebogen („Die Rolle von Biorhythmus und Powernapping im Trainingsplan“) mit 14 Items erstellt (Abb. 1). Dieser wurde an 700 Verantwortliche von Fußballmannschaften (Trainer, Mannschaftsärzte, Physiotherapeuten, Manager und Betreuer) – jedoch nicht an die Spieler und Spielerinnen – von 56 Männer- sowie von 12 Frauenfußballmannschaften in Deutschland postalisch versandt. Die Studie wurde der lokalen Ethikkommission der Charité vorgelegt und es wurde die Durchführung ohne Votum unter der Voraussetzung zugestimmt, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden. Die angeschriebenen Personen wurden gebeten, den Fragebogen innerhalb von drei Monaten auszufüllen und an uns zurückzusenden.

Abb. 1
figure 1

Fragebogen „Die Rolle von Biorhythmus und Power-Napping im Trainingsplan“

Ergebnisse

Fragebögen

Es wurden 35 vollständig ausgefüllte Fragebögen zurückgesendet (Rücklaufquote 5 %). Ein Maß an Repräsentativität kann dadurch angenommen werden, dass nicht nur direkt Betreuende, sondern auch einige Führungskräfte den Fragebogen ausfüllten und darüber hinaus eine annähernd repräsentative Anzahl von Teams, zumindest aus der Bundesliga der Männer, an der Befragung teilnahmen. Gründe für den geringen Rücklauf des Fragebogens können Zeitmangel, geringes Interesse, Weitergabe des Fragebogens an andere Personen, Übersehen des Fragebogens, mangelndes Verständnis des Anliegens oder Hürden bezüglich des Datenschutzes sein. Zwei Teams aus der Bundesliga und der zweiten Bundesliga antworteten, dass sie bereits ein Management für das Napping implementiert haben, oder dass sie bereits mit anderen Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Chronobiologie zusammengearbeitet haben. Das kann als positives Feedback interpretiert werden, da es Offenheit und Interesse für dieses Thema in diesen Mannschaften demonstriert.

Mit dieser Erhebung wurde ebenfalls nachgewiesen, dass 85 % der Profifußballspielenden in Deutschland – zumindest nach Angaben der Teamverantwortlichen – über eine ausreichende Schlafdauer von 8,1 ± 0,8 h verfügen. Das liegt im Rahmen der empfohlenen gesunden Schlafzeit für Personen zwischen 20 und 35 Jahren [10, 21].

Aus der Forschung ist der Zusammenhang zwischen Leistung und dem zirkadianen Rhythmus nachgewiesen [16], jedoch wird bei Profifußballspielenden dieser Zusammenhang offenbar kaum beachtet. Nur 6 % der Befragten kannten den Chronotyp ihrer Fußballspielerinnen bzw. Fußballspieler, weitere 11 % zumindest teilweise. Darüber hinaus wird der zirkadiane Rhythmus der Spielerinnen und Spieler nur bei 20 % vollständig und bei weiteren 29 % teilweise während der Trainingszeiten berücksichtigt. Die mangelnde Kenntnis der Chronotypen und der individuellen Schlaf-Wach-Routinen könnte ein Grund dafür sein.

Die Frage nach der Integration von Powernapping in den Tagesablauf wurde häufig positiv beantwortet. Insgesamt 63 % der Befragten gaben an, dass Powernapping vor Spielen oder zwischen Trainingseinheiten am Tag praktiziert wird. Powernapping wird 2 bis 3 Mal (Mittel 2,4) pro Woche praktiziert und hat laut Angaben der Betreuenden bei 60 % der Fußballspielenden eine Dauer von 30 bis 60 min und bei den restlichen 40 % bis zu 30 min. Es wurde angegeben, dass Müdigkeit nach praktiziertem Powernapping selten auftritt. In den Fällen, in denen Powernapping nicht praktiziert wird, war der Hauptgrund ein Mangel an Informationen und die Überlegung, ob diese Praxis überhaupt geeignet ist, um zur Optimierung der sportlichen Leistung beizutragen.

Bei 46 % der Befragten ist nach Angaben der Trainer und Trainerinnen die Trainingsplanung der wichtigste Faktor für die Planung von Zeiten zwischen und/oder vor Leistungseinheiten, bei weiteren 17 % zumindest teilweise. Eine davon unabhängige Planung von Pausen- und Ruhezeiten ist demnach nur bei 37 % der befragten Mannschaften möglich.

Der Zusammenhang zwischen Ermüdung und Verletzungsrisiko ist bei einem Großteil (66 %) der Befragten weitgehend und bei weiteren 17 % zumindest teilweise bekannt. Dennoch gab nur ca. ein Drittel (31 %) an, dass sie diese Erkenntnisse im Zusammenhang mit der sportlichen Leistung in Form von Statistiken berücksichtigen. Die Befragten berichteten, dass eine Minderheit der Spielerinnen bzw. Spieler (14 %) vollständig (weitere 23 % teilweise) nachmittags anfälliger für Verletzungen sind oder eine geminderte Konzentration aufweisen als am Vormittag. Außerdem scheint nach Aussagen der Befragten nur eine Minderheit der Spielerinnen bzw. Spieler (17 % vollständig, 29 % teilweise) am Abend bessere Leistungen zu erbringen als am Nachmittag. Der hohe Anteil der Antworten „Ich weiß es nicht“ deutet darauf hin, dass ca. 25 % der Trainer/Manager diese Zusammenhänge bisher nicht berücksichtigt haben.

Die meisten Konzentrationsschwierigkeiten bei den Spielerinnen bzw. Spielern wurden bei Routineaufgaben (54 %) am Morgen (26 %) und um die Mittagszeit (23 %) berichtet.

Die negativen Auswirkungen des Jetlags sind in den meisten Fußballteams bekannt. So gaben 49 % der Befragten an, dass die Fußballspielenden bei Auswärtsspielen mit Zeitzonenwechsel Verhaltensregeln beachten, um Jetlag-Auswirkungen zu minimieren.

Diskussion

Zusammenfassend kommt die Umfrage zu den Ergebnissen, dass der Chronotyp, der individuelle zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus und das Problem von Müdigkeit oder Schläfrigkeit am Tage bei den Profifußballspielenden von den Managern und Betreuern bisher kaum berücksichtigt werden. Dabei kann die niedrige Rücklaufquote der Fragebögen durchaus das Ergebnis beeinflusst haben. Diese drückt zu einem Teil wenig Interesse oder wenig Kenntnis hinsichtlich des angefragten Themas aus. Eine weitere Limitation ist, dass die Fragebögen nicht aktiv nachgefordert wurden.

Die ausführlichsten Antworten kamen mit Begleitschreiben von denjenigen Vereinen, die das Thema bereits auf ihrer Agenda haben.

Bei diesen Vereinen war ein Ergebnis unter anderem, dass ein Mittagsschlaf oder das Powernapping tatsächlich praktiziert werden, weil vermutlich die Bedeutung von Schlaf für die Verbesserung der individuellen Leistung bei den Verantwortlichen präsent ist. Während der Powernap bei Schlafdefizit und bevorstehender physischer und/oder mentaler Herausforderung immer als sinnvoll angenommen wird [15], sind der Zeitpunkt und die Bedeutung eines Mittagsschlafs von zirka 90 min Dauer noch nicht ausreichend untersucht, um hier gezielte Empfehlungen für Profifußballspielende aussprechen zu können. Bisherige Untersuchungen zum Thema Napping im Leistungssport, zum Beispiel auch als Element der Regeneration nach einer sportlichen Leistung [5], lassen nur grobe Vorschläge für die Einbettung von Mittagsschlaf in die Trainingsplanung zu [11, 12].

Der nächste Schritt ist daher aus Sicht der Autoren und Autorinnen eine weiterführende Forschung auf diesem Gebiet. Dazu gehören Fragebogenerhebungen bei den Spielern und Spielerinnen. In dem Zusammenhang ist stets zu entscheiden, ob vorhandene, spezifische Fragebögen (z. B. Chronotyp, Schläfrigkeit am Tage, Schlafqualität) für die Anwendung bei Sportlerinnen und Sportlern validiert sind oder, wie in der vorliegenden Analyse, zunächst selbst entwickelte Fragebögen explorativ zum Einsatz kommen. Vorlagen für derartige sportspezifische Schlaf-Fragebögen gibt es bisher nicht.

Generell gibt es heute vielfältige Erhebungsmöglichkeiten – von papierbasierten Fragebögen bis hin zur z. B. App-basierten Aufzeichnung von Ruhe-Aktivitäts-Zyklen bzw. des Schlaf-Wach-Verhaltens oder aber des Chronotyps. Neben medizinischen Geräten und Apps stehen auch zahlreiche Gadgets und Wearables aus dem Consumer-Health-Bereich zur Verfügung. Die Ergebnisse dieser Tools können in unterschiedlichem Ausmaß differieren, aber eine Orientierung ist durchaus möglich [3]. Diese Methoden sind – solange nicht als Medizinprodukt zugelassen – nicht geeignet, in der Schlafmedizin als Diagnoseelement eingesetzt zu werden, aber im Schlaf-Wach-Coaching können sie zunehmend eine Rolle spielen. Das setzt voraus, dass Spieler und Spielerinnen sowie das betreuende Personal die Relevanz des Themas erkennen und entsprechende Aktivitäten unterstützen. Notwendig ist zukünftig ein individuelles Management, um die Leistungsfähigkeit einzelner Spieler und Spielerinnen zu unterstützen. Dafür sind weitere Studien in enger Zusammenarbeit zwischen Schlafexperten, Chronobiologen, Mannschaftsärzten, Trainingspersonal und anderen Verantwortlichen im Profisport notwendig.

Die Adressierung des Themas Schlaf im Leistungssport, speziell in der Trainingsplanung, ist eine in Deutschland noch nicht ausgeschöpfte individuelle Leistungsreserve. Die Optimierung des Schlaf-Wach-Verhaltens dient dabei nicht nur einem erfolgreichen Leistungssport allgemein, sondern auch den einzelnen Sportlern und Sportlerinnen.