Hinführung zum Thema

Die Insomnie ist eine oft chronisch verlaufende Erkrankung. Betroffene sind gesundheitlich beeinträchtigt, mit Auswirkungen auf das Arbeitsleben (z. B. krankheitsbedingt erhöhte Fehlzeiten). Spezifische Behandlungen bestehen in der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) bzw. in einer medikamentösen Therapie, die bisher über eine maximale Dauer von vier Wochen verordnet werden konnte. Bei der chronischen Insomnie konnte bislang neben der KVT‑I keine primär ursächliche oder symptomatische Behandlung angeboten werden. Die vorliegende Analyse gibt wichtige Einblicke in die aktuelle Versorgungssituation der chronischen Insomnie in Deutschland.

Einleitung

Die Insomnie ist definiert als eine Störung des Ein- und/oder Durchschlafens, die nicht auf Umweltbedingungen oder ein selbst verursachtes Schlafdefizit zurückzuführen ist, und sich am Tag mit Erschöpfung, Depressivität, generellem Unwohlsein oder kognitiver Beeinträchtigung auswirkt [29].

Epidemiologische Daten zeigen erhebliche individuelle (erhöhte Vulnerabilität für fast jede Erkrankung) als auch sozioökonomische Belastungen (Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Frühverrentungen, allgemeine Krankenkosten – Burden of Disease) auf [1, 12, 13, 14, 17, 21, 23, 27, 29, 30].

Mit Aufhebung der Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Insomnie erfolgte 2013 erstmals eine Klassifikation der Schlafstörung (Insomnie) als eigenständige Erkrankung in der 5. Auflage des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM-5) [1]. Die Definition wurde sowohl in der 3. Auflage der „International Classification of Sleep Disorders“ (ICSD-3) [24] als auch der aktuell gültigen 11. Auflage der „International Classification of Diseases“ (ICD-11) [5] übernommen, die 2027/2028 auch in Deutschland verbindlich eingeführt werden soll. In der bisherigen ICD-10 ist die Insomnie gemäß gültiger DSM-5-Definition nicht abgebildet.

Etwa 6 % der Erwachsenen in Deutschland leiden an einer Insomnie [29]. Neben der mangelhaften Schlafquantität und/oder -qualität zeigt sich eine Insomnie in Kognitionseinbußen, Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und einer Beeinträchtigung der Tagesaktivität (engl. daytime functioning) und ist mit negativen Konsequenzen auf Funktion, Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen verbunden. Hierbei wird die Kurzzeit-Insomnie (nach ICD-11 mit 7A01 codiert) von der chronischen Insomnie (ICD-11 7A00) unterschieden [5]. Die chronische Insomnie wirkt sich auch negativ auf die Sozioökonomie aus, so fehlen z. B. Betroffene mehr als zweimal häufiger bei der Arbeit als Menschen mit normalem Schlaf [17, 27]. Eine chronische Insomnie lässt sich im ICD-10 nur über die F51.0 abbilden [5]. Dies erscheint aus Sicht der Schlafmedizin bedenklich, denn die ICD wird aktuell als Schlüssel-Codierung für alle abrechenbaren Leistungen in der ambulanten Versorgung genutzt, und dient als Basis für das DRG-System in der stationären Versorgung. Zudem wird die ICD als Basis für die Mortalitätsstatistik [5] sowie als Datenquelle für die Gesundheitsberichterstattung [8, 9] verwendet. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 1881 Menschen mit der Hauptdiagnose F51.0 in einem Krankenhaus stationär versorgt ([8]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Klassifizierung der Insomnie [1, 5, 24]

Die Insomnie hat eine multifaktorielle Pathogenese [20, 29]. Neben prädisponierenden, z. B. genetischen, neurologischen und persönlichen Faktoren sind für die Entstehung der Erkrankung auslösende und aufrechterhaltende Einflüsse verantwortlich, die zu einem Ungleichgewicht der Schlaf-Wach-Regulierung führen, bedingt durch eine Überaktivität der Erregungssysteme und/oder einer Hypoaktivität der schlafinduzierenden Systeme [20, 29].

Die deutsche Leitlinie für die Diagnose und Therapie von Insomnien empfiehlt als erste Behandlungsoption die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) [29]. Aufgrund der eingeschränkten flächendeckenden Verfügbarkeit einer strukturierten KVT‑I wurde diese in Deutschland vor Einführung der digitalen Gesundheitsapplikationen nur bei ca. 10 % der Betroffenen durchgeführt [27]. Schlafhygienische Maßnahmen, Entspannungstechniken und andere Komponenten einer Verhaltenstherapie werden laut der klinischen Erfahrung ärztlicherseits regelhaft vermittelt und von vielen Betroffenen auch angewendet, jedoch gibt es hierzu keine publizierten Daten. Nur wenn die KVT‑I nicht verfügbar ist, nicht infrage kommt oder nicht wirksam ist, soll die Erkrankung pharmakologisch behandelt werden [29]. Die für die Kurzzeittherapie zugelassenen Hypnotika (Benzodiazepine und Z‑Substanzen) können starke Nebenwirkungen, einschließlich Hangover-Effekten, nächtlicher Verwirrung, Stürzen und Rebound-Schlafstörungen sowie eine Toleranz und Abhängigkeit verursachen [18, 22, 26, 29, 30, 31]. Bei Älteren findet sich aufgrund von Begleiterkrankungen und damit einhergehender Multimedikation zusätzlich das Problem der Interaktionen zwischen den Medikamenten [26, 29]. Darüber hinaus ergibt sich bei älteren Menschen das potenzielle Risiko einer inadäquaten Medikation gemäß PRISCUS, was vermieden werden sollte [26]. Eine primär ursächliche oder aber symptomatische und damit langfristige medikamentöse Behandlung konnte insbesondere Personen mit chronischer Insomnie bislang nicht angeboten werden, weil bisher in Deutschland keine längerfristig regelhaft verschreibungsfähige, primär ursächliche oder aber symptomatische Medikation für die chronische Insomnie verfügbar ist [29]. Oftmals werden daher Medikamente eingesetzt, die für die Behandlung der Insomnie gar nicht zugelassen sind [29]. Die derzeit verordnungsfähigen Benzodiazepine und Z‑Substanzen sind im Allgemeinen nur für eine Kurzzeittherapie zugelassen und sollen in der Regel innerhalb von 4 Wochen ausgeschlichen werden. Dabei sollte aus Sicht der Praxis in dieser Zeit eine strukturierte Begleitung erfolgen, z. B. mittels KVT‑I oder digitaler Gesundheitsapplikation [30, 32].

Die vorgelegte Analyse hat das Ziel, die Auswirkungen der Insomnie im Alltag und die derzeitige medikamentöse Behandlungssituation darzustellen. Grundlage bilden die analysierten Daten der deutschen Kohorte einer 2020 durchgeführten repräsentativen Querschnittsbefragung im Rahmen der National Health and Wellness Survey (NHWS), basierend auf Selbstauskünften betroffener Personen, die angaben, dass bei ihnen eine Insomnie diagnostiziert wurde [6].

Methoden

Studiendesign

Es handelt sich um eine prospektiv geplante Subgruppenanalyse von selbstberichteten Angaben von Teilnehmenden einer Online-Befragung. Befragte Personen aus Deutschland, die angaben, dass bei ihnen die Diagnose einer Insomnie gestellt wurde und keine andere Schlafstörung vorliegt, gingen in die Analyse ein.

Datenquelle

Daten der NHWS-Befragung, die im Jahr 2020 durchgeführt wurde, bilden die Grundlage der Auswertung. Das angewandte 2020 Europe NHWS-Protokoll wurde vom Pearl Institutional Review Board (Indianapolis, IN, USA; 19-KANT-204) geprüft [6].

Die NHWS ist eine jährliche, globale, online durchgeführte Querschnittserhebung, bei der eine demografisch repräsentative Stichprobe von Erwachsenen (≥ 18 Jahre) befragt wird. Diese werden über ein webbasiertes Verbraucherpanel, d. h. eine vorab rekrutierte Stichprobe von Erwachsenen, die sich bereit erklären, an einer Umfrage teilzunehmen, identifiziert. Die Umfrage wird in den USA, in Europa und Asien durchgeführt und umfasst 35 validierte Skalen und krankheitsspezifische Bewertungsmaßstäbe [6].

In die vorliegende Subgruppenanalyse gingen Informationen von in Deutschland Befragten mit der Diagnose einer Insomnie ein, bei denen keine andere Form einer Schlafstörung vorlag und die wegen ihrer Insomnie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln behandelt bzw. nicht behandelt wurden.

Teilnehmende für die Subgruppenanalyse wurden anhand der folgenden allgemein im Rahmen der NHWS gestellten Frage identifiziert:

Welche der folgenden Erkrankungen hatten Sie in den letzten 12 Monaten?

Daten von identifizierten Personen, die die folgenden Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, wurden für die Analyse verwendet:

Einschlusskriterium.

Selbstauskunft über eine gesicherte Diagnose einer Insomnie im Zeitraum der vergangenen 12 Monate.

Ausschlusskriterien.

  • Selbstberichtete Narkolepsie, Schlafapnoe oder andere Schlafstörungen

  • Selbstberichtete andere schwere Erkrankung (z. B. Krebs, Multiple Sklerose, Muskeldystrophie, chronische Lebererkrankung, Leberzirrhose, Epilepsie, M. Parkinson)

  • Schwangerschaft

Das Hauptziel war die Ermittlung der medikamentösen Insomniebehandlung sowie die Auswirkung der Insomnie auf den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und die Arbeitsproduktivität von Menschen, die eine gesichert diagnostizierte Insomnie berichteten und eine bzw. keine Behandlung dieser Erkrankung erhielten. Daten zum Gesundheitszustand wurden mit den standardisierten und validierten Fragebögen EuroQoL-5-Dimensions (EQ-5D-5L) [25] und Short Form 36 (SF-36) [11] erhoben. Patientenberichtete Morbidität sowie die Lebensqualität wurden mittels SF-36, die Arbeitsproduktivität und Arbeitsbeeinträchtigung mittels Work Productivity and Activity Impact Questionnaire (WPAI) [28] erfasst.

Neben demografischen Daten und Daten zum Krankheitsverlauf wurden selbstberichtete Daten zu klinischen, sozialen und emotionalen Auswirkungen der Insomnie sowie die Krankheitslast und das Nichterfüllen krankheitsbedingter Bedürfnisse erfragt [7]. Die Schwere der Erkrankung wurde mit dem validierten Instrument Insomnie-Schweregrad-Index (ISI) gemessen [10]. Je höher der Score, desto schwerer ist die Insomnie: 0 bis 7 Punkte: keine Schlafstörung, 8 bis 14 Punkte: unterschwellige Schlafstörung, 15 bis 21 Punkte: moderate Schlafstörung, 22 bis 28 Punkte: schwere Schlafstörung [10].

Für die insomniespezifische Analyse wurden die Teilnehmenden in zwei Kohorten eingeteilt:

  • DT-Kohorte: Selbstauskunft über eine ärztliche Diagnose von Insomnie („D“ = diagnostiziert) und Behandlung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten („T“ = therapiert)

  • DUt-Kohorte: Selbstauskunft über eine ärztliche Diagnose von Insomnie („D“ = diagnostiziert) und keine Behandlung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten („Ut“ = untherapiert)

Um eine repräsentative Stichprobe der erwachsenen Bevölkerung zu erhalten, wurde ein geschichtetes Zufallsverfahren nach Geschlecht, Ethnie und Alter angewandt [6].

Statistik

Die Abfrage der Datenbank erfolgte mit IBM SPSS Statistics Version 23 und/oder R 3.6.0 oder höher. Anzahl (N), Prozentangaben, Mittelwert mit Standardabweichung bzw. Median mit 25 und 75 Perzentile werden angegeben. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte entsprechend der jeweiligen Manuals [6, 11, 25].

Für die kategorialen Daten berechnete Gruppenvergleiche zwischen der DT- und der DUt-Kohorte sowie Insomnie-Kohorten vs. Gesamtkohorte exklusiv Insomnie-Kohorten wurde der chi2-Test genutzt. Das Signifikanzniveau wurde mit 0,05 angegeben. Hierfür wurde R 4.3.1 verwendet.

Ergebnisse

Studienpopulation

Aus den Daten von 10.034 Erwachsenen aus Deutschland wurden insgesamt 532 (5,3 %) Teilnehmende identifiziert, die die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten (Abb. 2). Die Teilnehmenden wurden in zwei Kohorten eingeteilt:

  • DT-Kohorte: N = 138 (25,9 %)

  • DUt-Kohorte: N = 394 (74,1 %)

Abb. 2
figure 2

Verteilung der Teilnehmenden an der National Health and Wellness Survey (NHWS)

Mit 283/394 stellten 71,8 %% der Menschen, die eine ärztlich gesicherte Diagnose einer Insomnie angaben, fest, dass sie niemals verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen hatten (DUt-Kohorte). Aus dieser DUt-Kohorte berichteten nur 45/283 (15,9 %), dass sie von einer ärztlichen Fachperson überhaupt jemals ein verschreibungspflichtiges Medikament angeboten bekommen haben.

Soziodemografische und gesundheitsbezogene Daten

Die soziodemografischen und gesundheitsbezogene Daten sind in Tab. 1 und 2 zusammengestellt. Das mittlere Alter lag bei 52 Jahren (DT-Kohorte; Standardabweichung [SD] 14 Jahre) bzw. 48 Jahren (Dut; SD 16 Jahre), die Mehrheit war weiblich (DT, 55,1 %; DUt, 63,2 %) und hatte nie geraucht (DT, 39,1 %; Dut, 41,1 %). Hinsichtlich der Trinkgewohnheiten gaben 28,3 % (DT) bzw. 29,9 % (DUt) keinen, 62,3 % (DT) bzw. 63,7 % (DUt) bis zu 4 Mal pro Woche und 9,4 % (DT) bzw. 6,3 % (DUt) mehr als 4 Mal pro Woche Alkoholkonsum an.

Tab. 1 Soziodemografische Daten
Tab. 2 Allgemeine Gesundheitscharakteristika

Hinsichtlich Komorbiditäten berichteten 39,1 % der DT- und 38,3 % der DUt-Kohorte von mindestens einer Komorbidität. Unter den Komorbiditäten waren Schmerzzustände am häufigsten (jeweils zwei Drittel in beiden Kohorten), gefolgt von Depressionen (55,8 % DT, 49,2 % DUt) (Tab. 3). In der Gesamtpopulation der Befragten lag die Rate für Komorbiditäten bei 20,1 %.

Tab. 3 Auswahl selbstberichteter Komorbiditäten

Selbstberichtete Daten zur Insomnie

Die Mehrzahl der Diagnosen einer Insomnie wurden von allgemeinmedizinischen bzw. internistischen ärztlichen Fachpersonen gestellt (DT, 54,3 %; DUt, 60,7 %). Die Diagnosestellung durch psychiatrische ärztliche Fachpersonen erfolgte in der DT-Kohorte fast zweimal häufiger als in der DUt-Kohorte: 31,2 % vs. 18,3 % (Tab. 4).

Tab. 4 Diagnose, Dauer und Behandlung der Insomnie

Die berichtete Krankheitsdauer der Insomnie seit der ärztlichen Diagnose betrug im Median 5,5 Jahre (25 % 2 Jahre, 75 % 11 Jahre; DT-Kohorte) bzw. 5,0 Jahre (25 % 2 Jahre, 75 % 10 Jahre; DUt-Kohorte). Im Median gaben die Teilnehmenden über 290 Tage (25 % 110 Tage Jahre, 75 % 360 Tage; DT-Kohorte) bzw. 180 Tage (25 % 63 Tage, 75 % 360 Tage; DUt-Kohorte) von Schlafstörung in den vergangenen 12 Monaten an (Tab. 4).

Von den Behandelten wurden 36 % (49/138) der DT-Kohorte mit Benzodiazepinen (B) oder Benzodiazepinrezeptoragonisten (Z-Substanzen) (Z) behandelt, 70 % (97/138) mit Nicht-B/nicht-Z- und/oder mit (bezogen auf die Schlafstörung) Off-Label-Medikamenten z. B. schlafanstoßenden Antidepressiva. Im Mittel (±SD) wurden B‑ und Z‑Medikamente über 42 (±64) und 45 (±38) Monate eingenommen. Die meisten Betroffenen der DT-Kohorte nahmen aktuell Z‑Substanzen (N = 36) und sedierende Antidepressiva (N = 31, hiervon 16 Personen Mirtazapin und 11 Personen Amitriptylin) ein. Am längsten wurden in der DT-Kohorte sedierende Antidepressiva und Z‑Substanzen eingenommen, im Mittel 49,8 (±73,8) bzw. 44,9 (±37,5) Monate. Betrachtet man nur den vorangegangenen Monat, dann wurden am längsten sedierende Antidepressiva, im Mittel für 22,6 (±10,9) Tage gefolgt von Melatoninrezeptoragonisten, für 17,8 (±12,8) Tage angewendet (Tab. 4).

Insgesamt 72 % (283/394) der DUt-Kohorte hatten noch nie ein verschreibungspflichtiges Medikament gegen ihre Insomnie eingenommen. Nur 16 % (45/394) dieser DUt-Personen gaben an, dass ihnen jemals ärztlicherseits ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Insomniebehandlung angeboten wurde (Tab. 4).

Zum Zeitpunkt der Online-Befragung lag bei 46 % der DT- bzw. 50 % der DUt-Kohorte keine bzw. eine unterschwellige, bei 36 % der DT- bzw. 39 % der DUt-Befragten eine moderate und bei 19 % der DT- bzw. 11 % der DUt-Kohorte eine schwere Insomnie gemäß ISI vor (Abb. 3). Der mittlere ISI-Score (bzw. Median) betrug 15,6 (15,0) und 14,7 (14,5) in der DT- bzw. DUt-Kohorte (Tab. 4).

Abb. 3
figure 3

Anteil und Verteilung der klinisch manifesten (ISI ≥ 15 [10], d. h. moderaten oder schweren) selbstberichteten Insomnie nach ISI zum Zeitpunkt der Erhebung (recall period 1 Monat); DT diagnostiziert und therapiert, DUt diagnostiziert und untherapiert

Auswirkungen der Insomnie

In der DT-Kohorte berichteten für den Zustand unter Medikation 15,2 % über schwere Auswirkungen der Schlafstörung auf das Privat- und Berufsleben. Diese Prozentzahl lag in der DT-Kohorte für den Zustand, dass keine Medikamente eingenommen wurden, bei 48,8 %. In der DUt-Kohorte, in der regelhaft keine Medikamente eingenommen wurden, berichteten 14,5 % über schwere Auswirkungen der Schlafstörung auf das Privat- und Berufsleben (Tab. 5).

Tab. 5 Auswirkungen der Insomnie auf das Berufs- und Privatleben

Bezüglich der Diagnosestellung „Schlafstörung“ durch die jeweiligen ärztlichen Fachdisziplinen (Allgemeinmedizin/Innere Medizin/Psychiatrie/Schlafmedizin/Andere) ist der Unterschied zwischen DT-Kohorte und DUt-Kohorte-Kohorte signifikant (chi2 = 13,9140; p = 0,0030; Tab. 4). Die Insomnie-Kohorten unterscheiden sich hinsichtlich der Komorbiditäten (Tab. 3) signifikant von der Nicht-Insomnie-Kohorte (p-Werte < 0,0001). Außerdem ging es beiden Insomnie-Kohorten gesundheitlich deutlich schlechter als der Gesamtheit aller NHWS-Teilnehmenden, unabhängig vom verwendeten Fragebogen bzw. den erfragten Gesundheitsaspekten (Tab. 6). Personen der DUt-Kohorte hatten insgesamt leicht höhere Werte als die der DT-Kohorte. Für den EQ-5D ergab sich ein mittlerer Wert von 0,88 für Alle vs. 0,73 bzw. 0,76 für die DT- und DUt-Kohorte, wobei 1 den besten und 0 den schlechtesten vorstellbaren Gesundheitszustand abbildet. Für den SF-6D Utility Score lag der mittlere Wert für Alle bei 0,74 vs. die DT-Kohorte bei 0,61 und bei 0,62 für die DUt-Kohorte (Tab. 6). Beim SF-36 lagen die Werte sämtlicher Skalen für beide Insomnie-Kohorten deutlich niedriger als jene für alle Teilnehmenden der Befragung. Insbesondere die mentale Summenkomponente des SF-36 erscheint im Vergleich zu den deutschen Referenzwerten für Menschen mit mindestens einer Komorbidität (49,3) mit 40,7 (DT) bzw. 40,9 (DUt) deutlich erniedrigt [11].

Tab. 6 Gesundheitszustand und Arbeitsproduktivität

Berufstätige der DT-Kohorte bzw. der DUt-Kohorte fehlten aus gesundheitlichen Gründen im Mittel 27 % (±36) bzw. 16 % (±28) der Arbeitszeit während der letzten 7 Arbeitstage, während das im Mittel für 9 % (±22) der Gesamtbefragten zutraf. Die prozentuale Beeinträchtigung bei der Arbeit aufgrund der Gesundheit lag in beiden Insomnie-Kohorten bei 38 % im Mittel und war damit doppelt so hoch wie bei den Gesamtbefragten (19 % im Mittel). Eine Beeinträchtigung der Gesamtarbeitsproduktivität und der normalen täglichen Aktivität wurde im Mittel von 43 % (±32) und 50 % (±29) der Personen der DT-Kohorte bzw. von 42 % (±28) und 46 % (±27) der DUt-Kohorte angegeben. Bezogen auf die Gesamtbefragten gaben im Mittel 22 % (±28) und 23 % (±27) entsprechende Beeinträchtigungen an.

Diskussion

In der hier durchgeführten Analyse zur Bewertung der medikamentösen Behandlung und des Gesundheitszustandes von Menschen mit Insomnie in Deutschland zeigt sich bei einer medianen Krankheitsdauer von 5 Jahren, dass circa 50 % der Betroffenen unter einer sogar mittelschweren bis schweren Insomnie litten und nur 30 % der Betroffenen ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung ihrer Insomnie einnahmen oder dieses überhaupt angeboten bekamen. Der Gesundheitszustand, die selbstberichtete Morbidität und Lebensqualität wurde von den Insomnie Betroffenen als eingeschränkt beschrieben.

Die Daten der in dieser Untersuchung eingeschlossenen Teilnehmenden der NHWS 2020 aus Deutschland beruhen auf nicht verifizierten Selbstberichten. Der Fokus lag auf den Personen, die bei der Befragung angegeben haben, dass ihre Diagnose einer Insomnie durch eine ärztliche Fachperson erfolgte. Das waren etwa 5 % der Gesamtbefragten, was in etwa mit den bisherigen Angaben zur Prävalenz der Insomnie in Deutschland übereinstimmt [21, 29]. Die Teilnehmenden mit Insomnie litten bereits seit mehreren Jahren an ihrer Erkrankung und daher kann ihre Erkrankung als chronische Insomnie interpretiert werden [1, 24]. Die Krankheitsdauer deckt sich dabei mit der oft langen Wartezeit bis zur Vorstellung in einer Spezialsprechstunde [13]. Der Anteil der an einer Insomnie erkrankten Erwachsenen mit einer laut ISI mindestens moderaten Insomnie [10] lag bei circa 50 %. Bei wie vielen Teilnehmenden jedoch das Krankheitsbild einer Kurzzeit-Insomnie vs. chronischen Insomnie [1, 5, 24] vorlag, kann durch die vorliegenden Daten nicht sicher beziffert werden. Aktuelle Schätzungen basierend auf bestverfügbarer Evidenz gehen von ca. 8332–219.413 Menschen mit einer chronischen Insomnie in Deutschland aus [15, 23]. Die große Spanne der Schätzung beruht auf der nur schwer objektivierbaren Datengrundlage. Als Grundlage für diese Schätzungen können nur Zahlen aus Codierungsdatenbanken herangezogen werden, im konkreten Fall Daten von GKV-Versicherten. Dabei kann derzeit nur die ICD-10-GM F51.0 als Datengrundlage genutzt werden [5]. Die Ziffer F51.0 bildet aktuell als einzige ICD-10-GM Ziffer auch eine chronische Verlaufsform der Insomnie ab [5]. Außerdem wurden Meldungen zur Arbeitsunfähigkeit bei Menschen mit jeglicher Form der Insomnie für diese Berechnungen herangezogen [15, 23, 27]. Durch die Unschärfe der bisherigen Codierung und die Nutzung von indirekten Kennziffern kann man aber davon ausgehen, dass die Anzahl von Menschen mit einer behandlungsbedürftigen chronischen Insomnie eine sozioökonomische Relevanz hat.

Folgt man der Literatur, so werden ca. 30 % der Menschen mit Insomnie medikamentös behandelt [15, 23]. Diese Zahlen werden mit den hier vorgelegten Daten bestätigt. In der Gesamtschau werden derzeit ca. zwischen 2000 bis 79.000 Menschen mit chronischer Insomnie in Deutschland medikamentös behandelt [15].

Den aktuellen Daten nach leiden ca. 50 % der Menschen mit einer Insomnie auch unter komorbiden Erkrankungen. Chronische Insomnien, wie sie z. B. komorbid im Rahmen einer Depression auftreten können, werden aktuell im ICD-10 gar nicht abgebildet [5]. Dieser Missstand wird im seit dem 1. Januar 2022 international gültigen ICD-11 behoben [5]. Im ICD-11 wird die chronische Insomnie im eigenen Kapitel Schlaf-Wach-Störungen unter 7A00 codiert [5], was der Beachtung der chronischen Insomnie als eigenständige Erkrankung gerecht wird.

Die erhobenen Daten lassen auch den Rückschluss zu, dass der Gesundheitszustand wie auch die Lebensqualität bei Menschen mit Schlafstörungen in Deutschland im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung beeinträchtigt ist, was auch in früheren Untersuchungen publiziert wurde [21]. Während die zusammenfassenden Werte der körperlichen (für die selbstberichtete Morbidität) und mentalen (für die Lebensqualität) Summenkomponente des SF-36 für alle 10.034 NHWS-Teilnehmenden den deutschen Referenzwerten von jeweils 50 [11] entsprechen, liegen diese Werte bei der deutschen Insomnie-Kohorte insgesamt mit ca. 44 (für Morbidität) bzw. 41 (für Lebensqualität) niedriger [11]. Dies weist auf erhebliche körperliche sowie psychosoziale Defizite hin und legt einen Handlungsbedarf beim Management der Insomnie nahe.

In beiden Kohorten wurde angegeben, dass über 50 % der Insomnie-Diagnosen im Bereich der Allgemein- und der Inneren Medizin gestellt wurden. Jedoch ist der Unterschied Diagnosestellung „Schlafstörung“ bezüglich der unterschiedlichen Kategorien zwischen DT-Kohorte und DUt-Kohorte-Kohorte signifikant (chi2 = 13,9140; p = 0,0030; Tab. 4). So diagnostizierten in der DT-Kohorte etwa zweimal so häufig psychiatrische ärztliche Fachpersonen die Schlafstörung wie in der DUt-Kohorte. Auch wenn nicht bekannt ist, ob die Diagnose stellende medizinische Fachdisziplin auch die verschreibende Fachdisziplin ist, könnte ein Grund hierfür die Verordnungseinschränkung von Hypnotika gemäß Nr. 32 Anlage III Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) sein. Nachdem das Ziel der AM-RL ist, Medikalisierung zu verhindern, unterstützen die Daten das Gewicht dieser Richtlinie. Jedoch müssen Diagnosen durch unterschiedliche ärztliche Fachrichtungen eine vergleichbare Bewertungs- und Wissensgrundlage haben. Da der Fachbereich Schlafmedizin interdisziplinär aufgestellt ist, sollten die Ausbildungsvoraussetzungen für die Diagnostik und Behandlung von Menschen mit Schlafstörungen fachübergreifend gleich sein. Aktuell variieren sie jedoch massiv, weswegen derzeit große Wissens- und damit verbundene Versorgungslücken existieren. Nur bei einer fachärztlichen Zusatzbezeichnung Schlafmedizin kann man von einem konsentierten Vorgehen ausgehen. Zu fordern sind eine Aufnahme von schlafmedizinischen Curricula in die Ausbildung einiger Fachrichtungen sowie eine generelle Aufnahme von vergleichbaren schlafmedizinischen, inklusive insomnischen Inhalten in die Lehre. Was die schlafmedizinische Versorgung betrifft, braucht es mehr interdisziplinäre und auch auf eine Insomnie spezialisierte Schlafambulanzen sowie die Implementierung leitlinienbasierter spezifischer Behandlungspfade für das individualisierte Management einer chronischen Insomnie [3, 29].

Interessanterweise gaben mehr als 70 % (394/532) der Menschen mit einer Insomnie an, trotz Beschwerden keine verschreibungspflichtigen Medikamente einzunehmen, und diese größtenteils ärztlicherseits sogar nie angeboten bekommen zu haben. Dies kann darin begründet sein, dass die primär empfohlenen und zur Verfügung stehenden Benzodiazepine und Z‑Substanzen nur als Kurzzeittherapie zugelassen sind. Sie sollten deshalb einschließlich Ausschleichphase in der Regel nur bis zu 4 Wochen verordnet werden und sind möglicherweise – durch ihr Abhängigkeitspotenzial bzw. einen möglichen Wirkungsverlust – auch ein Grund für die ärztliche Resilienz in der Verordnung. Zusätzlich besteht sowohl vonseiten der verordnenden Fachpersonen als auch vonseiten der Betroffenen oft Skepsis gegenüber potenziell abhängigkeitsgefährdenden Präparaten, die einer Verordnung entgegensteht. Da nur die verordnete medikamentöse Behandlung abgefragt wurde, sind Aussagen zu anderen Behandlungsoptionen, so auch zu verhaltenstherapeutischen Interventionen oder die Anwendung freiverkäuflicher Präparate nicht möglich. Aus der Literatur ist bekannt, dass derzeit nur ca. 10 % der Erkrankten eine konventionelle strukturierte KVT‑I erhalten [23, 27]. Einzelne Komponenten einer Verhaltenstherapie wie die Schlafhygiene oder Entspannungstechniken werden häufiger angewendet, jedoch gibt es dazu keine wissenschaftlichen Daten. Inzwischen stehen in der GKV regelhaft digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) für die Behandlung einer Insomnie zur Verfügung [16], die neue Möglichkeiten bei der strukturierten Begleitung von Menschen mit Schlafstörungen eröffnen, über deren Wirksamkeit im Versorgungsalltag jedoch bisher noch keine Daten vorliegen.

Die Teilnehmenden der beiden untersuchten Kohorten waren im Mittel etwa 50 Jahre alt und mehrheitlich weiblich. Diese Geschlechts- und Altersverteilung entspricht anderen Untersuchungen [27, 29]. Die Daten ergeben, dass Menschen mit Insomnie in Deutschland sozial eher schwächer gestellt zu sein scheinen. Auch lag der GKV-Anteil in den Insomnie-Kohorten deutlich höher als bei den gesamten deutschen NHWS-Teilnehmenden, wobei die Verteilung bei allen NHWS-Teilnehmenden jener der Allgemeinbevölkerung entsprach. Verglichen mit den Gesamtbefragten (mindestens eine Komorbidität bei 20,1 %) lag der Anteil mit mindestens einer Komorbidität in beiden Insomnie-Kohorten anteilig doppelt so hoch (DT, 39,1 %; DUt, 38,3 %). Die häufigsten berichteten Komorbiditäten der Insomnie waren Schmerzen (DT, 65,2 %; DUt, 68,5 %), gefolgt von Depressionen (DT, 55,8 %; DUt, 49,2 %). Auffällig ist der hohe Anteil an Menschen in den Insomnie-Kohorten mit Angabe einer Angststörung. Die Daten sind auch im Vergleich Insomnie-Kohorten vs. Nicht-Insomnie-Kohorte signifikant. Auch wenn nicht gesagt werden kann, inwieweit Beeinträchtigungen im Alltag auch auf die Komorbiditäten zurückzuführen sind, spiegeln die Daten wider, dass Schlafstörungen mit verschiedenen anderen Gesundheitsstörungen vergesellschaftet sein und ein bidirektionales Verhältnis haben können [14].

Insgesamt berichteten die Teilnehmenden, dass zum Zeitpunkt der Erhebung nur etwa 30 % der Erwachsenen mit einer Insomnie eine verschreibungspflichtige medikamentöse Behandlung (= DT-Kohorte) erhielten, mehrheitlich in Form von nicht-B-/nicht-Z- bzw. Off-Label-Präparaten. Die Gründe für den hohen Anteil an nicht-B-/nicht-Z- bzw. Off-Label-Verordnungen lassen sich anhand der auf Selbstauskünften beruhenden Daten nicht ermitteln. Von den medikamentös Behandelten geben ca. 50 % an, dass die Schwere der Schlafstörungen und die Auswirkungen auf die Alltagsbefindlichkeit deutlich höher sind, wenn sie keine Medikamente einnehmen. Dies könnte auch die Antwort darauf sein, dass genau diese Betroffenen aus der DT-Kohorte überhaupt eine Medikation erhalten. Die Daten legen allerdings nahe, dass die Behandlungsdauer in der DT-Kohorte den zugelassenen regulären Verordnungszeitraum mit mehr als 40 Monaten für B‑ und Z‑Medikamente deutlich überschreitet. In der Literatur ist beschrieben, dass bei Menschen mit Insomnie auch auf Privatverordnungen zurückgegriffen wird [4, 9, 19, 27]. Auch lassen sich Betroffene ihre Medikation von mehreren ärztlichen Fachpersonen nacheinander verschreiben [27]. Dies spricht einerseits für einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen, eine restriktive Verschreibung seitens der behandelnden ärztlichen Fachpersonen, oder aber auch für einen hohen Verbrauch als Zeichen von Sucht und Abhängigkeit. Dieser Befund ist in Übereinstimmung mit dem Suchtreport der Bundesregierung [9]. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung bestätigt das Verschreibungsverhalten der ärztlichen Fachpersonen, kam es doch zwischen 2014 und 2020 in Deutschland zu einer Zunahme der Privatverordnungen für Benzodiazepine und Z‑Substanzen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), bei sinkenden GKV-Verordnungen [19]. Laut aktuellem Leitfaden Medikamentenabhängigkeit der Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft sind Benzodiazepine und Z‑Substanzen die führenden Substanzen bei Medikamentenabhängigkeit [4]. Diese Erkenntnisse unterstützen die Aussage hinsichtlich einer massiven Unter- und Fehlversorgung insbesondere bei chronischer Insomnie und spiegeln einen hohen Bedarf an neuen innovativen inklusive medikamentösen Therapiemöglichkeiten wider.

Symptome der Insomnie beeinflussen die Gesundheit sowie die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und beeinträchtigen somit auch die Arbeitsproduktivität [18, 27]. Das zeigt sich auch in der vorliegenden Analyse. Geschätzte EQ-5D-Standardwerte für die Gesamtbevölkerung in Deutschland zeigen, dass ca. 60 % einen Wert von 0,92 haben, was der Angabe „kein Problem“ bei allen abgefragten Punkten entspricht [25]. Der Gesundheitszustand der deutschen NHWS-Gesamtbefragten war besser als bei den Menschen mit Insomnie: Mit einem Mittelwert von 0,88 beim EQ-5D-5L Indexwert lagen die Gesamtbefragten im oberen Bereich. Für beide Insomnie-Kohorten zeigten sich – mit Werten von 0,73 (DT) bzw. 0,76 (DUt) – relevante Auswirkungen [25] der Insomnie auf den Gesundheitszustand. Im Gegensatz zu den Gesamtbefragten gaben Befragte beider Kohorten im Mittel 2- bis 3‑mal häufiger an, bei der Arbeit zu fehlen. Die geringen Unterschiede in den Kohorten könnten auf den Einfluss der Insomnie auf den Gesundheitszustand, wie mit EQ-5D gemessen, zurückzuführen sein.

Insgesamt erscheint die Versorgungssituation bezüglich Differentialdiagnostik und Therapie offensichtlich unzureichend und führt zu langer Krankheitsdauer. Es ist zu fragen, wie die Versorgungsstrukturen zukünftig angepasst und die Verfügbarkeit zielgerichteter Behandlungsmöglichkeiten verbessert werden kann.

Limitationen

Die folgenden Limitationen ergeben sich aus dem Studiendesign:

  • Grundlage der Analyse waren nicht verifizierte Selbstberichte, und eine definitive Diagnose entsprechend der ICSD‑3 (insbesondere akute vs. subakute vs. chronische Insomnie) [24] war nicht möglich, ebenso wenig eine Analyse des Einflussfaktors Komorbidität, wie Depression, Angststörung und Schmerzsymptome auf die Ausprägung und den Verlauf der Insomnie. Daten zum Verlauf betreffs Schweregrad oder Art der Insomnie (Einschlafstörung, Durchschlafstörung, frühmorgendliches Erwachen) wurden ebenfalls nicht erhoben.

  • In der Umfrage wurde nur nach verordneter medikamentöser Therapie gefragt, nicht nach direkt in der Apotheke ohne Rezept erworbenen, freiverkäuflichen Schlafmitteln oder nach nichtmedikamentöser Versorgung wie z. B. der kognitiven Verhaltenstherapie oder deren Komponenten.

  • Die beiden untersuchten Kohorten waren ungleich groß.

Fazit für die Praxis

Aufgrund der erheblichen Belastung durch eine Insomnie und deren Auswirkungen auf die Tagesaktivität (daytime functioning) hat die Verbesserung der Diagnostik und Therapie von Insomnien eine individuelle, aber auch gesellschaftliche Konsequenz. Die vorliegenden Daten zeigen erstmals die Diskrepanz zwischen wahrscheinlichem Bedarf und der derzeitigen Versorgungssituation. Dies macht die Notwendigkeit des Ausbaus der Versorgungsstrukturen und die Verfügbarkeit zielgerichteter Versorgungsmöglichkeiten deutlich. Um den schlafmedizinischen Versorgungskontext auch digital abbilden zu können, ist aus Sicht der Schlafmedizin eine Umstellung auf den ICD-11 als Grundlage für die Codierung notwendig, weil sich die Prävalenz der Insomnie in den aktuellen Codierungssystemen nicht abbilden lässt. Erst diese Umstellung ermöglicht die Abbildung der Insomnie als eigenständige Erkrankung im deutschen Versorgungskontext und kann durch die Beachtung des Phänotyps die Grundlage für zukünftige Behandlungskonzepte und eine zielgerichtete Ressourcenallokation bilden. Dies könnte einen Ausbau der Versorgungsstrukturen und somit deren Verfügbarkeit im Sinne eines besseren Zugangs zu zielgerichteten Versorgungsmöglichkeiten ermöglichen.