Videospielen ist schon längst nicht mehr nur ein Trend, sondern zählt inzwischen zu den populärsten Freizeitaktivitäten der Welt [19]. Es erfährt immer mehr Anerkennung und das stetige Wachstum des Bereichs ist enorm. Die Anzahl der aktiven Spielenden sowie Zuschauenden, welche Videospiele über Streams verfolgen, steigt jährlich weiter an [20]. Dabei beträgt die durchschnittliche Videospielzeit der Spielenden mehr als 3 h täglich [23]. Durch das Videospielen sind die Spielenden Faktoren ausgesetzt, welche einen negativen Einfluss auf den Schlaf nehmen können.

Im Jahr 2021 spielten weltweit insgesamt über drei Milliarden Menschen Videospiele [20]. Darunter ist Deutschland mit über 34 Mio. Videospielenden vertreten [8]. Die Stereotypisierung, dass nur junge Menschen spielen, kann dabei nicht bedient werden. Auch wenn die Mehrheit im jungen Erwachsenenalter liegt, lassen sich dennoch in allen Altersgruppen zahlreiche Spielende finden [8]. Beim Videospielen benötigen und verbessern die Spielenden verschiedene Fähigkeiten. Insbesondere die kognitive Leistung sowie soziale und psychische Fähigkeiten werden dabei gefordert und gefördert [10]. Neben den positiven Aspekten des Videospielens gibt es auch negative Einflüsse auf die Gesundheit der Spielenden. Videospielen ist eine bildschirmbasierte Aktivität, welche überwiegend im Sitzen stattfindet und somit von Bewegungsmangel geprägt ist [26]. Lange Sitz- und Bildschirmzeiten sind bereits als Risikofaktoren für zahlreiche chronische Krankheiten und die Gesamtmortalität bestätigt worden [21]. Neben den physischen Einflüssen hat das Videospielen ebenfalls Auswirkungen auf die Psyche und den Schlaf. Einerseits kann das Spielen von Videospielen zur Entspannung beitragen, Stress reduzieren oder die Stimmung anheben [24]. Andererseits können die mit dem Videospielen einhergehenden langen Sitz- und Bildschirmzeiten einen negativen Einfluss auf das Schlafverhalten und somit indirekt auf die kognitive Leistung haben [29]. Darüber hinaus kann die zusätzliche Exposition von blauem Licht, welches von den Bildschirmen ausgestrahlt wird, einen Einfluss auf den zirkadianen Rhythmus und somit auf den Schlaf haben [4]. Jedoch ist es umstritten, ob das blaue Licht allein oder weitere Faktoren den Schlaf negativ beeinflussen.

Aus diesem Grund thematisiert diese Übersichtsarbeit den Zusammenhang zwischen Videospielen und dem Schlafs und die daraus resultierenden Gesundheitsfolgen für Videospielende.

Schlafstörungen und Videospielen

Videospielen ist eine (Freizeit‑)Aktivität, welcher häufig als Hobby nach der Arbeit oder Schule in den Abendstunden nachgegangen wird [11]. Dementsprechend ist es naheliegend zu untersuchen, ob das (abendliche) Spielen von Videospielen Einfluss auf den Schlaf haben kann. In der wissenschaftlichen Literatur existieren Belege über mögliche negative Auswirkungen des Videospielens auf das Verhalten, die Emotionen sowie die psychische und physische Gesundheit [22, 23]. Physiologische Reaktionen wie die elektrodermale Aktivität [3], Blutdruck [2], Herzrate [14] und Herzratenvariabilität [13] können durch (gewaltbasierte) Videospiele beeinflusst werden. All diese Aspekte sind eng mit der Qualität und Quantität des Schlafs verbunden. Somit können Videospiele die psychophysiologische Regulation beeinflussen. Allerdings ist die Anzahl der experimentellen Studien zum Thema Schlaf gering. Es existieren nur wenige Studien, welche neben subjektiven Parametern zusätzlich objektive Messungen der Schlafquantität und -qualität bei Videospielende durchgeführt haben [9]. Diese Untersuchungen konnten zeigen, dass ein negativer Zusammenhang zwischen dem Spielen von Videospielen und der Schlafqualität sowie der Schlafquantität besteht [22].

Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene spielen vorwiegend am Abend oder in der Nacht Videospiele [11]. Grund hierfür können soziale Verpflichtungen wie die Schule, die Arbeit, das Studium oder die Ausbildung sein. Demzufolge sind die Videospielende in den Abendstunden oder in den ersten Stunden der Nacht aktiv, wodurch sich die Zubettgehzeit verschiebt [28]. Das Spielen von Videospielen wird deshalb im Allgemeinen bei Schulkindern mit einem verspäteten Schlafbeginn [28], einer kürzeren Schlafdauer und erhöhter Müdigkeit [27] in Verbindung gebracht.

Studien zeigen, dass die Einschlafdauer durch das Spielen von Videospielen verlängert werden kann, jedoch wird der Effekt als insgesamt eher gering bewertet [22]. Dabei kann die Einschlaflatenz durch die Beleuchtungsstärke der Monitore verlängert werden [5, 16]. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Dauer der Videospielzeit und damit einhergehend die Beleuchtungsstärke und -dauer [28]. Je länger die Videospielzeit ist, desto höher ist folglich die Beleuchtungsexposition und bietet damit ein größeres Potenzial, den Schlaf negativ zu beeinflussen.

Schlafarchitektur

Eine signifikante Reduzierung des Tiefschlafs nach Spielen eines Videospiels, sowohl in Minuten als auch anteilig am Gesamtschlaf, konnte bereits festgestellt werden [6, 9]. Es wird vermutet, dass die Reduktion des Tiefschlafs zugunsten des Leichtschlafs keine Folge einer lichtbedingten Verzögerung der Melatoninausschüttung ist. Ob allerdings die kognitive Beanspruchung einen singulären Einfluss auf den Tiefschlaf hat, konnte in der Studie nicht beantwortet werden [9]. Diese Daten stehen im Kontrast zu weiteren Untersuchungen, welche keine Auswirkungen auf den Tiefschlaf feststellen konnten [12, 28]. Diese Ergebnisse sind jedoch aufgrund heterogener Studiendesigns und verschiedener Einschlusskriterien schwer miteinander zu vergleichen.

Hinsichtlich der Auswirkungen von Videospielen auf den REM-Schlaf verhält es sich ähnlich divergent. Während einige Studien keine oder nur eine sehr geringe Verkürzung nach dem Videospielen beobachten konnten [6, 9, 28], stellt eine weitere Studie eine signifikante Reduzierung des REM-Schlafs fest [12]. Ursachen für die verschiedenen Ergebnisse könnten die Heterogenität der einzelnen Probandengruppen oder unterschiedliche Videospielgenres sein.

Einfluss divergenter Videospielgenres auf den Schlaf

Die verschiedenen Arten (Genres) von Videospielen sind vergleichbar mit den unterschiedlichen Sportarten im traditionellen Sport. Verschiedene Sportarten schulen unterschiedliche Fähigkeiten der Sporttreibenden. Ähnlich verhält es sich bei Videospielen. Es gibt sehr ruhige Videospiele, welche beispielsweise zum Entspannen oder Nachdenken anregen. Andererseits gibt es Action-Videospiele, bei denen es besonders auf Reaktionsschnelligkeit und feinmotorische Fähigkeiten ankommt. Es ist naheliegend, dass vor allem letztere Videospiele einen Einfluss auf den Schlaf der Spielenden haben können. Die Auswirkungen von längeren Spielzeiten (mit gewalttätigen/actionreichen Videospielen) auf den Schlaf von Jugendlichen wurde bereits untersucht [15]. Die Studie zeigt, dass eine verlängerte Videospielexposition (150 min) zu einer 27-minütigen Abnahme der Gesamtschlafzeit der Jugendlichen führte im Vergleich zu einer kürzeren Spielzeit (50 min). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass längeres Videospielen ein Risiko für die Schlafqualität und -quantität darstellen kann, selbst wenn der Schlaf zur richtigen Zeit beginnt. Jedoch verlängerte sich die Einschlafdauer nur um 3,5 min und alle Proband*innen waren in der Lage, innerhalb von weniger als 30 min einzuschlafen [15], was als klinisch unbedenklich gilt [7].

Des Weiteren deutet die Studienlage auf einen negativen Einfluss von Action-Videospielen auf den Schlaf im Vergleich zu ruhigeren Bildschirmaktivitäten hin [28]. Dementsprechend konnte eine verringerte subjektive Müdigkeit und erhöhte kognitive Wachsamkeit bei videospielenden männlichen Jugendlichen festgestellt werden. Zudem erhöhte sich die Einschlafdauer [28]. Daneben konnte eruiert werden, dass Videospielen im Vergleich zum Schauen eines Films zu weniger Tiefschlafphasen führte sowie die Einschlafdauer signifikant erhöhte [6].

Auch im E‑Sport, also dem professionellen Videospielen, nimmt das Thema Schlaf und insbesondere die Schlafqualität eine immer wichtigere Rolle ein. Viele E‑Sportler*innen haben die Bedeutsamkeit von ausreichend Regeneration auf die Leistungsfähigkeit erkannt. So konnte in einer Untersuchung mit E‑Sportler*innen gezeigt werden, dass Spielende mit einer besseren Leistung im Spiel subjektiv mehr Tief- und weniger Leichtschlafphasen als andere Spielende hatten. Insgesamt lag die Schlafdauer aller E‑Sportler*innen jedoch im unteren Bereich der gesundheitsförderlichen Empfehlungen [7]. Auch im Vergleich zu traditionellen Sportler*innen gaben E‑Sportler*innen eine schlechtere subjektive Schlafqualität und eine geringere Frische nach dem Erwachen an [18].

Der Einfluss auf die psychische Verfassung

Der Zusammenhang von psychischer Verfassung und Schlaf von Videospielenden konnte bereits dargestellt werden. Die Studienlage weist darauf hin, dass die Schlafqualität positiv mit der mentalen Gesundheit und negativ mit der Intensität des Videospielens zusammenhängt [1]. Hinsichtlich der mentalen Gesundheit geht der Einfluss von Videospielen sogar so weit, dass E‑Sportler*innen signifikant höhere Scorewerte bezüglich einer Depression aufweisen als traditionelle Sportler*innen und dabei häufiger Symptome zeigten [18].

Gerade im kompetitiven E‑Sport sind neben den gesundheitlichen Faktoren der Psyche die kognitiven Leistungsfaktoren von großer Bedeutung für die Spielenden. Diesbezüglich wurde untersucht, inwiefern leistungsrelevante Parameter im E‑Sport durch Schlaf beeinflusst werden. Dabei wurde festgestellt, dass die Schlafzeit signifikant mit anhaltender Aufmerksamkeit beim Spielen zusammenhängt [29]. Da E‑Sportler*innen je nach Spiel über eine Dauer von 30 bis 45 min hoch konzentriert sein müssen, ist dieses Ergebnis von großer Bedeutung und sollte E‑Sportler*innen dazu ermutigen, ausreichend auf Schlaf und andere Formen der Regeneration zu achten.

Aktivierung und Hemmung des Schlafs

Die Nutzung eines erleuchteten Bildschirms, wie beispielsweise beim Videospielen, kann unter anderem zu einer Erhöhung der Einschlaflatenz führen [12]. Lange ging man davon aus, dass besonders das sogenannte blaue Licht für die Störung des Schlafs verantwortlich ist, indem es die Produktion des Schlafhormons Melatonin hemmt [4]. So konnte festgestellt werden, dass Personen etwa zehn Minuten später einschliefen, wenn diese vor dem Einschlafen ein E‑Book anstatt eines herkömmlichen Buches gelesen haben [4]. Die aktuelle Entwicklung der Schlafforschung in den vergangenen Jahren entfernt sich jedoch zunehmend von der Vorstellung, dass das blaue Licht vorrangig für die Hemmung des Schlafs verantwortlich ist.

Viel mehr wird heute davon ausgegangen, dass die genutzten Medien, wie beispielsweise ein Computer, eine aktivierende Wirkung auf die nutzende Person haben. Dass die Aktivität während der Nutzung eines elektronischen Mediums eine entscheidende Rolle spielt, konnten Studien bereits zeigen. Vergleicht man das Videospielen mit dem Schauen eines Films vor dem Zubettgehen, so konnte gezeigt werden, dass Videospielen zu einer höheren Aktivität des Sympathikus und somit zu einer Hemmung des Schlafs führt [13, 14]. Wie in diesen Studien demonstriert, kann eine gesteigerte Sympathikusaktivität beispielsweise über die Herzfrequenz (HF), Herzratenvariabilität (HRV) oder durch Messung des Schlafhormons Melatonin oder des Stresshormons Cortisol bestimmt werden. Aufgrund der hohen Bedeutung der Aktivierung des Sympathikus für die Hemmung des Schlafs und die enge Verbindung zur Nutzung von Videospielen wird speziell dieser Bereich und dessen Einfluss auf den Schlaf in dem folgenden Abschnitt näher beleuchtet.

Quantifizierung sympathikotoner Aktivierung

Die Aktivität des vegetativen Nervensystems (VNS), genauer des Sympathikus und Parasympathikus, wirkt sich auf verschiedene Systeme des Körpers aus. Veränderungen innerhalb dieser nervalen, endokrinologischen und neuromuskulären Systeme können sich auf den Schlaf bzw. die Schlafqualität auswirken [22]. Messen lassen sich diese Veränderungen unter anderem durch das Elektroenzephalogramm (EEG), die Elektrokardiografie (EKG) oder eine endokrinologische Untersuchung des Cortisolspiegels [25]. Jedoch benötigen diese Messmethoden Fachpersonal und werden zudem häufig stationär durchgeführt. Eine mögliche Alternative ist die Nutzung von Wearables zur HRV-Analyse. Diese spiegelt Veränderungen des VNS wider und weist eine hohe Praktikabilität im Feld auf [25].

Die HRV beschreibt die Variation des Zeitintervalls zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen (R-R-Intervall). Dabei spiegelt sie sowohl vagotone als auch sympathikotone Aktivierungen wider [25] und dient als Messparameter der kardiovaskulären Gesundheit und Fitness. Aus der Berechnung verschiedener Indizes der R‑R-Intervalle kann die HRV kalkuliert werden und zur Analyse von Sympathikus und Parasympathikus dienen.

Der Goldstandard der HRV-Messung ist das (Mehrkanal‑)EKG, welches jedoch stationär und von geschultem Personal durchgeführt werden muss. Eine praktikable und akzeptierte Alternative sind mobile HRV-Messungen mit Wearables. Diese arbeiten unter anderem über optische Techniken wie die Photoplethysmografie, welche Blutvolumenänderung anhand von Lichtreflexionen auf der Haut misst [25]. Eine etwas genauere Alternative sind Brustgurte, welche direkt in Herznähe angebracht werden. Beide Systeme sind speziell für Feldmessungen geeignet, einfach in der Handhabung und ermöglichen kontinuierliche und autarke Messungen der HRV [25].

Dass HRV-Parameter Erregungszustände bei Videospielenden messen können, zeigt ein aktuelles Review [17]. Dabei verweisen die Autoren darauf, dass andere Parameter wie die Herzfrequenz, die Blutglukose oder Cortisolwerte nicht geeignet sein sollen, um eine Aussagefähigkeit über Erregung oder Entspannung bei Videospielenden zu treffen. Dies liegt einerseits an der Konsistenz der HRV-Messung und andererseits an den untersuchten Videospielzeiten. Die inkludierten Studien untersuchten teilweise Videospielzeiten von nur 10–20 min, was keine adäquate Widerspiegelung des Videospielverhaltens von Durchschnittsvideospielenden ist [23].

Schlussfolgerung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Schlaf grundsätzlich durch das Videospielen negativ beeinflusst werden kann. Die Ursachen für diesen negativen Zusammenhang sind nicht singulär, sondern multifaktoriell. Einzelne Parameter scheinen hierbei von besonderer Bedeutung zu sein (blaues Licht, sympathische Aktivierung), jedoch ist die Kausalität noch nicht schlussendlich geklärt. Videospielende sollten frühzeitig über negative Folgen, speziell von abendlichem Videospielkonsum, aufgeklärt werden. Noch bedeutender werden diese Auswirkungen bei Heranwachsenden und auf professioneller Ebene. E‑Sportler*innen ist teilweise bewusst, welche Konsequenzen eine schlechte Schlafqualität und -quantität auf ihre eigene Leistungsfähigkeit haben kann. Jedoch gibt es noch Nachholbedarf bei der Implementierung von einheitlichen schlafhygienischen Maßnahmen. Demensprechend sollten speziell Kinder, Jugendliche und E‑Sportler*innen als potenzielle Risikogruppe wahrgenommen werden.

Zukünftige (experimentelle) Studien sollten ihre Messungen an das reale Videospielverhalten anpassen. Vor allem die Widerspiegelung authentischer Videospielzeiten ist unabdingbar. Daneben sollten Faktoren wie das ausgeübte Spielgenre, die Videospielerfahrung und weitere Bildschirmzeiten berücksichtigt werden. Diese Faktoren haben einen unmittelbaren Einfluss auf die psychophysiologische Reaktion und können Messergebnisse beeinflussen. Zusätzlich sollten feldnahe Messmethoden wie die HRV-Messung weiter implementiert werden, um die Videospielenden möglichst nahe an ihren Gewohnheiten zu erfassen.

Fazit für die Praxis

  • Videospielen kann einen negativen Einfluss auf die Schlafqualität und -quantität nehmen.

  • Besonders eine verlängerte Einschlafdauer und weniger Tiefschlafphasen können durch das Videospielen vor dem Schlafengehen auftreten.

  • Neben der Helligkeit des Bildschirms und dem blauen Licht ist hier besonders die Aktivierung des Sympathikus als ausschlaggebender Faktor hervorzuheben.

  • Sympathische Aktivierungen lassen sich einfach und praktikabel über die Herzratenvariabilität erfassen.

  • Das Videospielgenre ist zu berücksichtigen. Actionreiche Videospiele sorgen für eine größere Aktivität des Sympathikus und führen zu einer längeren Einschlafdauer als vergleichsweise ruhigere Spiele.

  • Um dauerhafte Übermüdung zu vermeiden, sollten Videospielende (speziell Kinder und Jugendliche) über mögliche negative Zusammenhänge mit Videospielen am Abend aufgeklärt werden.

  • Zukünftige Studien sollten realistischere Videospielzeit einbeziehen.