Prävention in der Schlafmedizin ist ein noch offenes Feld. Fragt man eine Mitarbeiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Prävention und Schlaf, dann bekommt man zur Antwort: „Mehr Sport, mehr Bewegung, gute Ernährung, und dann schläft man auch besser.“

Ist das nicht dasselbe, was Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten seit Langem propagieren? Sie nennen es nur anders. Kognitive Verhaltenstherapie. Aber wenn damit schon alles getan ist, brauchen wir dann noch die spezielle Prävention, z. B. für die Insomnie? Die gleiche Frage stellt sich für die obstruktive Schlafapnoe (OSA), denn Bewegung und gesunde Ernährung machen schlank und Gewichtsabnahme reduziert das Schnarchen. Und doch, wir brauchen ein Präventionsangebot der Schlafmediziner.

Es kommt nicht nur darauf an, zu erforschen, was dem Schlaf nicht gut tut

Um bei den Präventionsverantwortlichen dieses Landes wahrgenommen zu werden, müssen wir nachweisen, dass Schlafstörungen ein extremes und wachsendes gesundheitliches und gesellschaftliches Problem sind und dass es chronische Erkrankungen sind, die man in der Regel auch chronisch behandeln muss, so wie den Diabetes mellitus oder den Bluthochdruck, und die daher auch ökonomisch relevant sind.

Wenn wir diesen Konsens erreicht haben, dann macht es Sinn, darüber nachzudenken, ob wir nicht einem weiteren Wachstum dieser Schlaferkrankungen entgegentreten können, und zwar mit präventiven Maßnahmen.

Warum macht das Sinn, über die bisherigen Angebote hinaus spezielle Prävention anzubieten? Weil die häufigen Auslöser und Kofaktoren für Schlaferkrankungen bekannt sind. Für die OSA ist es die Gewichtszunahme, für die Insomnie sind es der Stress, die Schichtarbeit, der unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus, der Medien- und Lichtkonsum und die Drogen (inkl. Alkohol). Für diese beiden häufigsten Schlafstörungen sind die genannten Auslöser genau jene, die man auch beeinflussen kann, und zwar durch Prävention.

Nehmen wir die OSA: Die nächtliche Erschlaffung der Muskulatur im Rachen ab einem bestimmten Alter aufgrund einer Fehlfunktion der die Muskeln innervierenden Nerven kann man nicht verhindern, auch nicht den anatomischen Status (Mallampati-Score, Tonsillen, Velumstruktur, Dysgnathie), von invasiven Maßnahmen abgesehen. Aber der Zunahme des Halsumfanges kann man begegnen. Dafür braucht es natürlich keine neuen Präventionsansätze. Hier gilt es, mit den Diabetologen, den Ernährungsmedizinern und den Endokrinologen und Psychosomaten zusammenzuarbeiten und deren präventive Konzepte gegen Adipositas zu nutzen.

Was die Insomnie betrifft, stellt sich dies etwas anders da. Stressprävention ist sicher wichtig und ist ebenso wie die Adipositas-Prävention bereits weitgehend etabliert. Denken wir nur an solche Erkrankungen wie Depression, Burn-out und die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei der betrieblichen Gesundheitsförderung ist dieses Thema von herausragender Bedeutung. Spannend wird es aber bei der Prävention von unregelmäßigen Schlaf-Wach-Zeiten. Hier sind wir bei einem auch gesellschaftspolitischen Thema. Wollen wir Dienstleistung rund um die Uhr oder nicht? Wenn ja, dann brauchen wir auch Schichtarbeit, ein Arbeitsmodell, das gegen die innere Uhr läuft, das ungesund ist und zu Schlafstörungen und anderen Erkrankungen führen kann. Wie kann hier Prävention aussehen? Antworten dazu kann und sollte auch die Schlafforschung finden. Zwei Beispiele dazu aus unserer Arbeitsgruppe: Bei Balletttänzern mit einem Nicht-7-Tage-Rhythmus, mit unregelmäßigen abendlichen Aktivitäten (Stress), haben wir zeigen können, dass sowohl die Schlafeffizienz als auch die Schlaflänge leiden [1]. Die Lösung, eine präventive Maßnahme, war die Bereitstellung eines Ruheraumes, der die Möglichkeit des Powernaps, des Nickerchens am Tage, gibt oder der einfach der Erholung und Entspannung dient, ohne einschlafen zu müssen. Das ist subjektiv bei den Betroffenen sehr gut angekommen, ein Erfolg, den wir in einer gerade anlaufenden Folgestudie objektivieren wollen. Bei Profi-Fußballern, Leichtathleten und Synchronschwimmerinnen zeigen sich übrigens ähnliche Schlafdefizite.

Eine andere Studie galt der Schichtarbeit, wo wir nachweisen konnten, dass 46 % der befragten Schichtarbeiter eine klinisch auffällige Tagesschläfrigkeit zeigten und 30 % über Ein- und Durchschlafschwierigkeiten berichteten, die zugleich im Zusammenhang mit einer negativeren Bewertung der subjektiv wahrgenommenen Arbeitsbedingungen standen [2]. Die betriebliche Gesundheitsprävention betreffend heißt dies, dass nicht nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der nervöse Magen oder Verletzungen verhindert werden sollten, sondern auch Schlafstörungen. Seit 2006 steigt der Krankenstand nach mehreren Jahren Rückgang wieder an. Psychisch-psychiatrische Diagnosen spielen hier die Hauptrolle. Und vielleicht sind ja gerade die Schlafstörungen ein Frühindikator für diese und andere gesundheitliche Folgen der Schichtarbeit. Wenn man nun mit präventiven Maßnahmen das Arbeitsklima oder die Arbeitsbedingungen bessert bzw. den Arbeits- und Zeitdruck mindert oder das Verantwortungsdilemma beseitigt, dann können Schlafstörungen, neben den Krankenfehltagen, ein geeigneter Indikator dafür sein, ob präventive Maßnahmen im Betrieb fruchten oder eben nicht.

Ein gutes Arbeitsklima bessert den Schlaf, und ein besserer Schlaf macht gute Laune und ein besseres Arbeitsklima und eine höhere Produktivität. Damit ist der Schlaf ein Keyplayer in der Gesundheitsvorsorge und Fürsorge und in der Prävention. Das Wissen darüber ist vorhanden. Die Messinstrumente dafür, die das Schlaflabor nicht zwingend notwendig machen, sind auch entwickelt.

Jetzt gilt es mit Elan den verantwortlichen Gesundheitspolitikern und Kassenvertretern klar zu machen, dass Prävention des gestörten Schlafes in der Tat Sinn macht und in keiner Weise durch bisherige Programme abgedeckt ist.

Ohne fachliche und auch finanzielle Unterstützung der Politik werden wir es schwer haben.

Die in diesem Heft vorgestellten Studien sind ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Interessant und wichtig ist der Ansatz von Spiegelhalder et al. und Johann et al., durch die Prävention und Behandlung von Insomnien auch das Ausbrechen psychischer und körperlicher Erkrankungen zu vermeiden. Das ist Primär- und Sekundärprävention in einem. Zudem liegt die Prävention von Insomnie und psychischen Erkrankungen nicht weit voneinander entfernt, was sich auch im Instrumentarium zeigt, der kognitiven Verhaltenstherapie. Diese Maßnahme ist Therapie und Prävention zugleich, wenn man das Beachten schlafhygienischer Maßnahmen als einen Baustein der kognitiven Verhaltenstherapie ansieht.

Cohrs et al. werden ähnlich konkret, wenn sie über Schutzfaktoren des gesunden Schlafes sprechen. Es kommt nicht nur darauf an, zu erforschen, was dem Schlaf nicht gut tut, sondern es sollte vielmehr darauf ankommen, was ihm gut tut, was ihn fördert. Dieses Prinzip hat sich auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung etabliert. Ich schaue nicht, was ein Betrieb falsch macht, sondern erarbeite, warum es einer Abteilung besser geht als der anderen, suche also nach den gesundheitsfördernden Faktoren.

Einen neuen Begriff prägen Wetter et al., und zwar den der verhältnisorientierten Prävention in Bezug auf die Prävention von Insomnien. Individuelle Programme und strukturelle Veränderungen, z. B. im Betrieb (Schichtbetrieb) oder sozialen Umfeld, und gesundheitspolitische Maßnahmen gehen hier ineinander über und ergänzen sich. Das ist der richtige Weg. Da müssen wir hin, dazu müssen wir mehr forschen.

Wie wichtig die Prävention von Insomnien ist, zeigt auch deren Risiko. Seit dem letzten Jahr [3] wissen wir nun auch um die erhöhte Mortalität bei einem chronisch gestörten Schlaf. Norra und Bremshey berichten in diesem Heft über die Suizidalität und deren nicht seltenen Auslöser, die chronische Schlafstörung. Das unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit der Prävention in der Schlafmedizin, und es ist zu hoffen, dass dieses Thema auch mit diesem Themenheft zunehmend Beachtung findet, sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis, und das nicht nur bei den Schlafmedizinern, bei den Arbeitsmedizinern, Betriebsärzten und Psychologen, sondern auch bei den Krankenkassenvertretern, den Gesundheitspolitikern und speziell den für die Prävention in Deutschland verantwortlichen Gremien.