So jung wie die Schlafmedizin ist auch das Krankheitsbild der REM-Schlafverhaltensstörung oder „REM sleep behavior disorder“ (RBD). Das Krankheitsbild wurde im Jahr 1986 erstmals von C. Schenck als RBD bezeichnet [1], ein diagnostischer Begriff, der sich durchgesetzt hat. RBD war in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts sehr genau von anderen Autoren beschrieben worden, deren Begriffe wie „stage-1 REM sleep“ [2] sich aber nicht durchsetzten. Schenck klassifizierte als Erster die Krankheit als eine Parasomnie. Als ich im Jahr 1993 meinen ersten Artikel über RBD bei Narkolepsiepatienten veröffentlichte [3], existierte nur eine geringe Anzahl an Publikationen. Heute ist die Zahl der Publikationen explodiert. Dies hat verschiedene Gründe. Die Erkrankung stellt ein Paradoxon der Schlafmedizin dar. Der REM-Schlaf ist üblicherweise u. a. durch die Muskelatonie charakterisiert. Die Muskelatonie bei Patienten mit RBD ist aber aufgehoben, es entsteht ein „REM sleep without atonia“, ein REM-Schlaf ohne Muskelatonie, der gut quantifiziert werden kann. RBD konnte schon sehr früh bei Katzen gesehen werden, bei denen umschriebene Läsionen der Pons durchgeführt wurden[4]. Je nach Ausdehnung der Läsionen zeigten sich unterschiedliche motorische Verhaltensmuster im REM-Schlaf, die meist aggressiven Charakter hatten. Bis heute sind die Nachfolger Jouvets dabei, die sehr komplexe Pathophysiologie der RBD im Tiermodell zu erforschen.

M. Krenzer beschreibt in diesem Heft die vorherrschenden Tiermodelle in kritischer Weise, da noch viele Fragen des Entstehungsmodus ungeklärt sind. Krenzer liefert u. a. ein erweitertes Verständnis des REM-Schlafs in unterschiedlichen Tierspezies und stellt eine Verbindung zum RBD beim Menschen her. Die angewendeten Läsionsmodelle stammen teilweise aus der Forschung über neurodegenerative Erkrankungen. Diese Modelle machen Sinn, da >80% aller Patienten mit der idiopathischen Form der RBD im Laufe von 10–15 Jahren eine neurodegenerative Erkrankung entwickeln.

Die Diagnose einer RBD ist bis heute nicht ganz einfach, da harte Kriterien zum Teil noch fehlen. F. Sixel-Döring et al. befassen sich deshalb mit den derzeitig gültigen klinischen, polysomnographischen und videometrischen Kriterien der RBD. Die Autoren haben Zugang zu neu diagnostizierten, unbehandelten Parkinson-Patienten. Sie haben als erste Forschergruppe herausgefunden, dass nur 25% dieser unbehandelten Parkinson-Patienten in der Polysomnographie eine nachweisbare RBD hatten und stellen die Funktion der RBD als Prädiktor für neurodegenerative Erkrankungen infrage.

Zusammen mit K. Kesper stellen wir die derzeitigen Modelle zur automatischen Analyse der sehr aufwändigen Auswertung des „REM sleep without atonia“. Die Modelle kommen zum Teil mit sehr unterschiedlichen Methoden zu ähnlichen Ergebnissen und zeigen dass in Zukunft die Auswertung der Polysomnographien von RBD-Patienten deutlich vereinfacht werden kann.

Young et al. gehen in diesem Heft den Hinweisen für einen genetischen Ursprung der Erkrankung nach und kommen nach Review der einschlägigen Literatur zu der Auffassung, dass es kaum Hinweise für eine genetische Komponente gibt, wenngleich familiär gehäuftes Auftreten berichtet wird. Hier wird es in Zukunft sicherlich sehr wichtig sein, große Kohorten zu beschreiben, um klarere Aussagen zu genetischen Krankheitskomponenten äußern zu können.

Wie interdisziplinär heute die Pathophysiologie von Erkrankungen, insbesondere der Schlafstörungen, aufgearbeitet werden, zeigt der Beitrag von Unger et al., der sich mit dem Einfluss der Neuropeptide Ghrelin und Leptin befasst. Die Ähnlichkeiten der Ghrelinausscheidung von Patienten mit Parkinson Erkrankung und RBD könnten Ghrelin zu einem Frühmarker für eine Neurodegeneration qualifizieren. Außerdem könnte Ghrelin, das unter zellulärem Stress neuroprotektiv auf dopaminerge Neurone wirkt, möglicherweise in der Zukunft als protektiver Faktor gegen die Entwicklung von Neurodegeneration eingesetzt werden.

Die unterschiedlichsten Aspekte der REM-Schlafverhaltensstörung werden in diesem und in zukünftigen Heften für Sie als Leser aufbereitet, unterlegt mit neuesten Ergebnissen aus internationaler und deutscher Forschung. Wir hoffen, Ihr Interesse für die Schlafmedizin und insbesondere die Forschung im deutschen Raum geweckt zu haben, und laden Sie ein, mit anderen Lesern im Forum unserer Zeitschrift zu diskutieren.

Ihr G. Mayer