Genderspezifische Aspekte bei kardiovaskulären Erkrankungen haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind mehr und mehr in den Blickpunkt öffentlicher, aber auch wissenschaftlicher Diskussionen gerückt. Dabei wird durch die Auseinandersetzung mit genderspezifischen Unterschieden das Bewusstsein auf eine Reihe von Teilaspekten der Verschiedenartigkeit und Vielfalt sensibilisiert, was unter dem modernen Begriff der „Diversity“ zusammengefasst wird. Diversitätsmerkmale beziehen sich auf Unterschiede wie Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Religion und Bildungsstand, aber auch kulturelle Werthaltungen und Erfahrungen.

In dem Moment jedoch, in dem diese Vielfältigkeit wahrgenommen wird, wird auch eine Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse erkennbar. In der angloamerikanischen Literatur zum Beispiel begegnet uns wie selbstverständlich in den Studien die Unterscheidung in verschiedene ethnische Patientengruppen. Der Aspekt Gender stellt somit lediglich einen einzelnen, jedoch bedeutenden Bereich der Verschiedenartigkeit dar. Die Kenntnis soziokultureller und biologischer Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht auch in der medizinischen Gesundheitsforschung und -versorgung eine Berücksichtigung von genderspezifischen Aspekten notwendig. So besteht auf der einen Seite die Herausforderung an die Genderforschung, diese Unterschiede differenziert zu betrachten und die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Änderungen in der Behandlung als konsequente Antwort auf die erkannten Unterschiede wirklich die erhofften Verbesserungen bringen können.

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen die führende Todesursache in den westlichen Industrieländern. Jedoch sind bedingt durch das höhere Alter der Frauen zum Zeitpunkt der Erstmanifestation der Erkrankungen das Krankheitserleben, die konsequente Umsetzung erforderlicher Behandlungsmaßnahmen bis hin zur Prognose unterschiedlich im Vergleich zwischen Männern und Frauen.

So scheint auf der einen Seite der Faktor Alter ein wesentlicher Grund für die beobachteten Unterschiede zu sein. Dies bestätigt sich darin, dass zum Beispiel in zahlreichen Studien zum akuten Myokardinfarkt statistische Analysen adjustiert für Alter und weitere bedeutende Kofaktoren dem Einfluss des Geschlechts als eigenständiger Faktor eher eine untergeordnete Bedeutung einräumen. Auf der anderen Seite jedoch sind hiermit Beobachtungen nicht zu erklären wie z. B. die höhere Mortalität bei jüngeren Frauen mit akutem Hebungsinfarkt [1, 2] – obwohl insgesamt die Anzahl jüngerer Frauen mit Infarkt vergleichsweise niedrig ist – oder die Koronarmorphologie mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Pathophysiologie der Arteriosklerose [3] oder die Beobachtung, dass beim akuten Koronarsyndrom bei Frauen häufiger normale Koronargefäße zu diagnostizieren sind [4], um nur einige Beispiele anzuführen. Auch die Wirkweise und Wirksamkeit von Arzneistoffen an Rezeptoren und Kanälen weisen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf [5]. Dies zu verstehen ist unerlässlich und erfordert eine genauere Analyse der zugrunde liegenden Unterschiede und Mechanismen. Es stellt sich die Frage, in wie weit biologisch-genetisch vermittelte Einflussfaktoren (u. a. über Östrogen) auf der einen Seite oder soziokulturelle Faktoren auf der anderen Seite eine Rolle spielen bei einer geschlechterspezifisch unterschiedlichen, klinischen Manifestation einer Erkrankung, im therapeutischen Vorgehen und für den Krankheitsverlauf. Bislang offen bleibt auch die Frage, ob nicht die Unterrepräsentanz von Frauen in den meisten Studien zu kardiovaskulären Erkrankungen zu einem unzureichenden Wissen und somit zu einem lückenhaften Verständnis von genderspezifischen Unterschieden geführt hat.

Im vorliegenden Supplementband zu „Genderspezifischen Aspekten bei kardiovaskulären Erkrankungen und Therapien“, der sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, wird eindrucksvoll die Bedeutung sowohl von experimenteller als auch klinischer Forschung im Hinblick auf genderspezifische Aspekte hervorgehoben. Es gilt zu verstehen, welche Einflussfaktoren auf die Krankheits-, aber auch auf die Gesundheitsprozesse über genetische Faktoren und somit u. a. über Östrogen vermittelt wirken und welche weiteren Faktoren in der klinischen Manifestation der Erkrankung und in Bezug auf das therapeutische Vorgehen eine Rolle spielen.

Wir hoffen über die Beiträge im vorliegenden Supplementband die Wahrnehmung für genderspezifische Aspekte zu schärfen und Anregungen zu geben, diese im Alltag stärker zu berücksichtigen. Die Klärung genderspezifischer, pathogenetischer Mechanismen zusammen mit der Weiterentwicklung versorgungsmedizinischer Möglichkeiten stellt eine bedeutende Grundlage für eine effektivere Gesundheitsförderung dar. Sie ist eine Chance und eine Herausforderung zugleich, ein besseres Verständnis für die jeweiligen Erkrankungen und die optimale Versorgung zu gewinnen. Vieles ist zwar gleich und dennoch ist einiges anders und dies gilt es zu verstehen.

An dieser Stelle gilt auch der Dank der Firma Lilly, die durch ihre Unterstützung die Realisierung eines solchen Supplementbandes ermöglicht hat.

Over the past decade, the understandings of gender differences have markedly improved and have heightened awareness of cardiovascular diseases in women. Therefore, gender-specific aspects have increasingly become the focus of both public and scientific discussions. In addressing gender-specific differences, receptivity for the awareness of partial aspects of diverseness and multiplicity has increased, summarized under the modern term “diversity”. Characteristics of diversity refer to differences such as gender, age, ethnic origin, religion, and educational level, but also to cultural values and experiences. For example, in the Anglo-American literature, we encounter differentiation into various ethnic patient groups in the studies as a matter of course. The aspect gender is, thus, only a single, but important point of diversity. Knowledge of the sociocultural and biological differences between the sexes also makes consideration of gender-specific aspects necessary in medical health research and care. Thus, on the one hand, it is required of gender research to recognize these differences and to understand the underlying mechanisms. On the other hand, the question arises whether changes in treatment as a consequential response to the recognized differences can really bring the desired improvements.

Cardiovascular diseases are the leading cause of death of both men and women in western industrial countries. But due to the more advanced age at which the diseases manifest in women, the experience of disease, the consequential initiation of the necessary treatment measures and the prognosis are different between men and women. Thus, the age factor appears, on the one hand, to be an essential reason for the observed differences. This is confirmed, for example, in the fact that in numerous studies on acute myocardial infarction the statistical analyses adjusted for age and other important co-factors assign only a subordinate influence of gender as an independent factor. On the other hand, however, this cannot explain the observations such as the higher mortality in younger women with acute elevation infarction [1, 2] – although generally the number of younger women with infarction is comparatively low – or the coronary morphology with gender-specific differences in the pathophysiology of arteriosclerosis [3], or the observation that normal coronary vessels are diagnosed more often in women with acute coronary syndrome [4], just to name a few examples. The mode of effect and efficacy of drugs on receptors and channels also show differences between men and women [5]. This must absolutely be understood and requires a more precise analysis of the underlying differences and mechanisms. The question is, therefore, to what extent do biological-genetic influence factors, mediated among other things via estrogen, or sociocultural factors play a role in the gender-specific clinical manifestation of a disease, in the therapeutic procedure, and in the course of the disease. Thus far, the question also remains unanswered whether the underrepresentation of women in most studies on cardiovascular diseases has led to inadequate knowledge and, thus, to incomplete understanding of gender-specific differences.

This supplemental volume on “Gender-specific Aspects of Cardiovascular Diseases and Therapies”, which certainly does not claim to be exhaustive, can already impressively affirm the importance of experimental and clinical research with respect to gender-specific aspects. Its claim is to understand which influence factors in disease and health processes act via mediation of genetic factors, thus, including estrogen, and which additional factors play a role in the clinical manifestation of the disease and therapy. Our aim in publishing these papers is to intensify the perception of gender-specific aspects and to provide stimulation to give these factors greater attention in everyday practice. The elucidation of gender-specific pathogenetic mechanisms and the further development of possibilities for medical care is an important basis for more effective health support. Gaining better understanding of each disease and its optimal treatment is both a chance and a challenge. While much of this is the same, there are several differences and it is necessary to understand them.

We would like to express our thanks to Lilly, whose support made this supplemental volume possible.