Je motivierter Patient:innen in der forensischen Psychiatrie sind, umso wahrscheinlicher ist deren Teilnahme an Behandlungsangeboten und ein möglicher Therapieerfolg. Mangelnde Motivation führt hingegen häufig zu Behandlungsabbrüchen oder kann die Verweildauer in psychiatrischen Einrichtungen verlängern, was sowohl für die Betroffenen als auch vor dem Hintergrund begrenzter Versorgungsressourcen problematisch ist. Eine geringe Behandlungsbereitschaft verringert auch die Wirksamkeit von Behandlungsmaßnahmen im Hinblick auf das Rückfallrisiko. Gemäß der Hoffnungstheorie werden Ziele, von denen man glaubt, sie erreichen zu können und die mit den eigenen Werten übereinstimmen, mit größerer Wahrscheinlichkeit verfolgt. Die Integration von hoffnungstheoretischen und motivationsfördernden Ansätzen bereits vor Beginn der eigentlichen Therapie erscheint naheliegend, jedoch sind solche „pre-treatment“-Interventionen in der forensischen Psychiatrie bisher kaum untersucht worden.

Kann ein Gruppenangebot, basierend auf der Hoffnungstheorie und Motivational Interviewing, zu mehr Veränderungsbereitschaft, mehr Hoffnung, einer Reduktion von aggressivem Verhalten und einer verbesserten Teilnahmequote am anschließenden Therapieangebot im forensischen Setting beitragen? Dieser Frage widmeten sich die Autor:innen Moulden et al. (2024) mithilfe eines motivierenden gruppentherapeutischen Programms („motivational preparatory program“; MPP), welches in einer forensisch-psychiatrischen Klinik durchgeführt wurde. Die 60 Teilnehmer:innen waren Patient:innen einer kanadischen forensisch-psychiatrischen Klinik für Schuldunfähige, wobei die Hälfte der Teilnehmer:innen am MPP teilnahm und die andere Hälfte als Kontrollgruppe diente. Die Diagnosen mit dem größten Anteil bei den Teilnehmer:innen waren Schizophrenie (MPP: 50 %/KG: 70 %) und schizoaffektive Störung (MPP: 25 %/KG: 22 %). Eine häufige Komorbidität war eine substanzbezogene Störung (MPP: 71 %/KG: 77 %). Bei den Indexdelikten handelte es sich überwiegend um Gewaltdelikte (MPP: 63 %/KG: 86 %) mit durchschnittlich 15,2 (MPP) bzw. 15,1 (KG) Vorverurteilungen und durchschnittlich 4,71 (MPP) bzw. 10,5 (KG) stationären Voraufenthalten.

Das Programm war der eigentlichen Behandlung vorgeschaltet und enthielt neben Elementen der Hoffnungstheorie und dem Motivational Interviewing auch kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze. Das MPP wurde über einen Zeitraum von 8 Wochen in 1,5-stündigen Gruppentherapiesitzungen 2‑mal wöchentlich angeboten. Laut Artikel und persönlicher Rücksprache mit der Erstautorin wurden verschiedene Themenbereiche bearbeitet: Psychoedukation zur forensischen Psychiatrie, Risiko- und Schutzfaktoren, Risikomanagement, Vermittlung eines Veränderungsmodells, Diskussion über Hoffnung, Zielsetzung, Umsetzung von Plänen, Evaluation und Adaptation. Auch Behandlungsmythen und Bedenken hinsichtlich des Therapieprogramms wurden angesprochen. Es sei ein halbstrukturierter Ansatz verfolgt worden, bei dem in jeder Sitzung bestimmte Themen behandelt wurden und gleichzeitig flexibel auf die Bedürfnisse der einzelnen Gruppenmitglieder eingegangen worden sei. Die Teilnehmer:innen erhielten auch Hausaufgaben.

Die Behandlungsbereitschaft wurde mit dem University of Rhode Island Change Assessment (URICA) in die Veränderungsphasen (1) Precontemplation, (2) Contemplation, (3) Action und (4) Maintenance eingeteilt. Nach Beendigung des MPP befanden sich deutlich mehr Teilnehmer:innen in der Aktionsphase (50 %) und kaum noch welche in der Pre‑/Contemplation-Phase (8,3 %). In der Kontrollgruppe hingegen blieb ein großer Teil der Teilnehmer:innen in der Pre‑/Contemplation-Phase (54 %). Die Verbesserung der so erfassten Veränderungsmotivation war nur in der MPP-Gruppe signifikant (Mann-Whitney-Test, W = 335, p = 0,007).

Die Hoffnung wurde vor und nach dem Gruppentherapieprogramm mit der Adult Dispositional Hope Scale (ADHS) und der Adult State Hope Scale (ASHS) gemessen. Die Zunahme der Hoffnung durch das Programm war jedoch nicht signifikant (p = 0,56).

Das Rückfallrisiko wurde einerseits mit dem Self Appraisal Questionnaire (SAQ) und andererseits mit dem „Structured-professional-judgement“ – Instrument Hamilton Anatomy of Risk Management – Forensic Version (HARM-FV) untersucht. Lediglich bei der „Aggressive Incidents Scale“ des HARM-FV-Instruments zeigte sich eine Tendenz zu weniger aggressivem Verhalten in der MPP-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe (p = 0,10).

Schließlich überprüften die Autor:innen einen Monat nach Abschluss des MPP, an wie vielen therapeutischen Anschlussprogrammen die Teilnehmer:innen teilnahmen. Diese umfassten psychotherapeutische Behandlungen, spezialisierte Suchtbehandlungsprogramme und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen. Während sich in der Vergleichsgruppe kaum Veränderungen zeigten und nur jede dritte Person an einem Programm teilnahm (0,27), waren es in der MPP-Gruppe etwas mehr als 2 Therapieangebote/Person (2,2) und damit doppelt so viele wie zu Beginn der Studie.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass ein vorbereitendes Therapieprogramm mit Elementen der Hoffnungstheorie, der motivierenden Gesprächsführung und psychoedukativen Anteilen zu einer Steigerung der Behandlungsmotivation und zu einer erhöhten Teilnahme am anschließenden Therapieangebot führt. Das Programm bewirkte eine Entwicklung von der Pre‑/Contemplation-Phase hin zur Phase des Handelns. Eine mögliche Wirkung der Therapie bestand in einer Abnahme von aggressivem Verhalten. Die Studie ist durch die geringe Stichprobengröße und das Fehlen von Post-Follow-up-Daten limitiert. Trotz der zusätzlichen Informationen, die von der Erstautorin zur Verfügung gestellt wurden, erschwert die fehlende Standardisierung des Programms eine Implementierung und Reproduktion in der Praxis.

Die Studie zeigt, dass eine Gruppenintervention, die Selbstwirksamkeit fördert und Hoffnung vermittelt, gleich zu Beginn der oft langwierigen Behandlung in der forensischen Psychiatrie entscheidend für die Bereitschaft sein kann, sich auf zukünftige Behandlungsprogramme einzulassen.