Einleitung

Corona im Justizvollzug

Die Coronapandemie hat die Welt mit erheblichen gesellschaftlichen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Betroffen waren aber v. a. die Menschen, die für nichtvorhersagbare Zeiträume mit den direkten Folgen der Pandemie – Ängsten und Befürchtungen vor Ansteckung mit letalen Folgerisiken oder Coronalangzeitfolgen – aber auch mit den Folgen von Pandemiemaßnahmen – Lockdowns, Kontaktbeschränkungen oder Isolierung – umzugehen hatten. Als zentrale psychische Folgen führt Haas (2020) bei vulnerablen Gruppen eine Störungstrias aus Stress, Angst und Depression an. Diese Symptome finden sich prominent auch in Überblicksarbeiten zu psychischen Folgen der COVID-19-Pandemie (z. B. Benoy 2020; Röhr et al. 2020).

Dort, wo die „Welt zur Anstalt schrumpft“ (Bock 2018), waren die Anforderungen an die Betroffenen ungleich größer als in weniger restriktiven Umwelten, die den Menschen nicht nur mehr Möglichkeiten zur Kompensation von Belastungen bieten, sondern meist auch keine zusätzlichen Belastungen aufbürden. Dementsprechend werden in Studien und Überblicksarbeiten über Studien zu coronabedingten Einschränkungen und ihren Folgen im Strafvollzug u. a. vermehrte Ängste, Isolation, aber auch mangelnde Möglichkeiten zur sozialen Distanzwahrung infolge beengter räumlicher Verhältnisse, Besuchseinschränkungen, reduzierte therapeutische und medizinische Angebote, Arbeitseinschränkungen, verlängerte Einschlusszeiten u. v. m., die sich negativ auf das Wohlbefinden der Inhaftierten auswirkten, berichtet (z. B. Baier et al. 2023; Hewson et al. 2020; Johnson et al. 2021; Schüttler et al. 2022). Auch über hohe Ausprägungen der bereits erwähnten Störungstrias aus Stress, Angst und Depression wurde bei Gefängnisinsassen als Coronafolgeprobleme berichtet (z. B. Ramones et al. 2022). Dabei ist zu beachten, dass Gefängnisinsassen bereits ohne Corona mit diversen psychischen Vorbelastungen in die Anstalten kommen und die Haft ihrerseits den Betroffenen Belastungen und Einschränkungen aufbürdet. Insoweit scheint es, dass die COVID-19-Pandemie und die hierauf erfolgten Maßnahmen die ohnehin bestandenen Anforderungen für die Betroffenen weitererhöht und insoweit die „pains of imprisonment“ verschärft haben (Craig et al. 2023). Zugenommen haben aber offenbar nicht nur Befindlichkeitseinbußen und psychische Störungssymptome; auch über weitergehende Konsequenzen, wie vermehrte körperliche Einbußen, aber insbesondere auch eine signifikante Zunahme an Suiziden und Suizidgedanken bei Inhaftierten, wurde berichtet (z. B. Mitchell et al. 2021).

Modelle möglicher Zusammenhänge zwischen coronabedingter Belastung und psychischen Folgeproblemen

Obwohl es sich bei der Untersuchung corona- und coronamaßnahmenbedingter psychischer und gesundheitlicher Folgen um ein genuin gesundheitspsychologisches Themenfeld handelt, stößt man bei der Sichtung von Studien zu dem Thema vergleichsweise selten auf die explizite Bezugnahme auf gesundheitspsychologische Erklärungsmodelle. Außerhalb der Vollzugsforschung wurde in diesem Zusammenhang gelegentlich auf das Modell der erlernten Hilflosigkeit (z. B. Garcia et al. 2021) oder das Vulnerabilitäts-Stress-Modell (z. B. Huang et al. 2021) rekurriert. Aber auch im Vollzugskontext wurde das letztgenannte Modell z. B. zur Untersuchung der coronabedingt erhöhten Suizidrisiken Inhaftierter herangezogen (Scott et al. 2023). Die Potenziale des etwas aktuelleren Systematischen Anforderungs-Ressourcen-Modells (SAR-Modell, Becker et al. 2004) wurden im Kontext der Untersuchung von Coronafolgen in Haftanstalten zwar ventiliert (Kloske 2022), nach Kenntnis der Autoren bislang aber im Feld nicht umgesetzt.

Das „Job-demands-resources“-Modell (JD-R-Model; Bakker und Demerouti 2007) lässt sich in gewisser Weise als Weiterentwicklung und Spezifikation des SAR-Modells verstehen. Auch hier geht es im Kern um das Verhältnis von Anforderungen und Ressourcen, es werden im Modell aber eher proximale psychische Folgen und distale Outcomes differenziert. Demnach führen die Wahrnehmung zunehmender Anforderungen zu psychischen Belastungssymptomen, die wiederum zu Folgeproblemen beitragen. Auf der anderen Seite wirken sich Ressourcen positiv auf Motivationsvariablen aus, die den oben vermuteten Wirkzusammenhängen entgegentreten. Abb. 1 veranschaulicht die Zusammenhänge. Die gekreuzten Verbindungen (gestrichelte Pfeile) repräsentieren dabei vermutete Interaktionseffekte. So sollen wahrgenommene Ressourcen den Effekt von Anforderungen auf das psychische Belastungserleben abfedern. Unter der Voraussetzung einer hinreichenden Balance zwischen Anforderung und Ressourcen können hohe Anforderungen hingegen den positiven Effekt von Ressourcen auf das Motivationserleben u. U. sogar verstärken.

Abb. 1
figure 1

Job-demands-resources(JD-R)-Grundmodell. (In Anlehnung an Bakker und Demerouti 2007 und Gusy et al. 2016)

Das JD-R-Model wurde ursprünglich im arbeits- und gesundheitspsychologischen Kontext zur Erklärung von Burn-out-Phänomenen im Arbeitsumfeld entwickelt. Es ist mittlerweile aber auch auf andere Outcome-Variablen sowie auf andere Kontexte übertragen worden, beispielsweise auf die Situation Studierender (Gusy et al. 2016). Auch für den Arbeitskontext von Haftanstalten wurde das Modell bereits genutzt, z. B. ganz klassisch zur Vorhersage von Burn-out bei Bediensteten (Cho et al. 2020), aber auch um coronabedingte Kündigungsabsichten im Vollzugsdienst (Zeng et al. 2023) oder coronabedingte Belastungsfolgen für Pflegekräfte im Haftkontext im Vergleich zu Gemeindepflegekräften (Guardiano et al. 2022) zu untersuchen. Eine Übertragung auf die Lebenssituation Gefangener hat nach Kenntnis der Autoren bislang jedoch noch nicht stattgefunden. Insoweit das Modell in seinem Kern das Zusammenspiel von Belastungen und Ressourcen mit psychischen Folgeproblemen und weitergehenden Outcomes zu beleuchten beansprucht, scheint der Versuch einer Übertragung indessen vielversprechend zu sein.

Ziel der Studie war es insoweit, (1.) empirisch bereits belegte psychische Folgewirkungen der Coronapandemie für Gefangene im Justizvollzug zu replizieren und (2.) im Zusammenspiel zwischen der Wahrnehmung coronabedingter Belastungen und haftvermittelter Ressourcen mithilfe eines entsprechend modifizierten JD-R-Modells in einigen ihrer Zusammenhängen zu erhellen sowie hierdurch (3.) die grundsätzlichen Potenziale dieses Modells für die Vollzugsforschung auszuloten.

Methode

Datenerhebung

Die Datenerhebungen erfolgten als Querschnitterhebung im Rahmen eines umfassenderen Kooperationsprojekts („Corona behind bars“, CoBiBa) der Arbeitsgruppe Rechtspsychologie der Universität Hildesheim mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN). Sie fanden von Januar bis Dezember 2022 in insgesamt 27 Justizvollzugsanstalten aus 6 Bundesländern statt (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein). Durch die regionale Streuung sollten Stadt- und Flächenlandregionen ebenso einbezogen werden, wie Ost- und West- sowie Nord- und Südländer. Dabei wurde angestrebt, sämtliche Vollzugsformen angemessen zu berücksichtigen. Die Erhebungen erfolgten coronabedingt mittels postalisch versendeten Fragebogen und Telefoninterviews; befragt wurden die Gefangenen, die Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes (beide Gruppen per Fragebogen), Bedienstete der Fachdienste und Anstaltsleitungen (per Fragebogen und Telefoninterviews). Die hier relevanten Fragebogen für die Gefangenen lagen in insgesamt 10 Sprachen vor, um auch nichtdeutschsprachige Gefangene zu erreichen (neben deutsch: arabisch, bulgarisch, englisch, französisch, polnisch, rumänisch, russisch, spanisch, türkisch), wobei die Rücklaufquote gegenüber den an die Anstalten versendeten Fragebogen bei ca. 32 % lag. Das allgemeine Ziel des CoBiBa-Projekts war es, die verschiedenen Reaktionsmaßnahmen auf die Pandemie in den Justizvollzugsanstalten zu erkunden, die Folgen restriktiver und etwaiger kompensatorischer Maßnahmen auszuloten, nach Einflussfaktoren auf diese Wirkungen zu fahnden sowie Positiv- und Negativerfahrungen zu extrahieren, um hieraus mögliche Lehren, die man im Umgang mit dieser außergewöhnlichen Situation in einer beengten totalen Institution ggf. für die Zukunft gewinnen kann, zu ziehen.

Stichprobe

Die hier relevante Stichprobe besteht aus n = 956 Gefangenen, darunter n = 677 (70,8 %) männlichen und n = 279 (29,2 %) weiblichen Geschlechts. n = 395 (41,3 %) wiesen nach der Definition des Statistischen Bundesamts einen Migrationshintergrund auf, n = 161 (28,8 %) verfügten nicht mindestens über einen Hauptschulabschluss. Die häufigsten Anlassdelikte waren Körperverletzungsdelikte (25,8 %), Betrugsdelikte (25,6 %), Diebstahl (25,0 %), BtMG-Verstöße (24,1 %), Raubdelikte (15,7 %) und anderweitige Gewaltdelikte (20,7 %), wobei Mehrfachantworten möglich waren. Rund 9 % der befragten Gefangenen stammten aus Einrichtungen des Jugendvollzugs, im Übrigen waren rund 61 % im geschlossenen Regelvollzug, gut 12 % in einer sozialtherapeutischen Einrichtung, gut 14 % in der Untersuchungshaft untergebracht, 11 % waren im offenen Vollzug und 2 % in einer Einrichtung für Sicherungsverwahrte. Zum Zeitpunkt der Befragung waren knapp 79 % bereits vollständig und weitere 8 % noch unvollständig gegen Corona geimpft, 12 % gab an, sich grundsätzlich nicht impfen zu lassen.

Erhebungsinstrumente

Der Fragebogen für die Inhaftierten bestand aus insgesamt 15 Seiten. Für die hier relevanten Auswertungen wurden folgende Operationalisierungen vorgenommen:

Belastungserleben

Das Belastungserleben wurde für die hiesigen Zwecke auf Belastungen, die explizit auf coronabedingte Maßnahmen zurückgeführt wurden, beschränkt. Da ein geeignetes Instrument nicht zur Verfügung stand, wurden insgesamt 14 Items formuliert und auf 5‑stufigen Likert-Skalen abgefragt (von „Einschränkung gab es nicht oder nicht belastend“ bis „stark belastend“). Die ursprüngliche Intention, hierbei 3 verschiedene Bereiche getrennt abzufragen (Außenkontakte, Beispiel-Item: eingeschränkte Besuchskontakte; Innenkontakte, Beispiel-Item: eingeschränkte Kontakte zu den Fachdiensten; Haftalltag, Beispiel-Item: eingeschränkte Haftlockerungen), erwies sich in der Auswertung als nicht zielführend. Zwar ließen sich mittels Hauptkomponentenanalyse (KMO = .93) die 3 Bereiche separieren, jedoch mit einem starken Generalfaktor, der bereits rund 50 % der Varianz der Daten aufklärte. Demgegenüber lagen die anderen beiden Faktoren nur knapp über einem Eigenwert von 1. Dementsprechend lag die Homogenität bei Bildung einer einzigen Skala bei α = .92 und damit im sehr guten Bereich. Diese wurde für die hiesige Analyse herangezogen.

Der Gesamt-Score variierte zwischen 14 und 70 und lag im Mittel bei 40,52 (SD = 14,81), d. h., gemittelt über Probanden und Items gaben die Gefangenen ein mittleres coronabedingtes Belastungserleben („teils-teils“) an. Dabei berichteten die männlichen (M = 41,30, SD = 14,51) gegenüber den weiblichen Gefangenen (M = 38,62, SD = 15,41) über eine leicht höhere Belastung (tdf=954 = 2,55; p < 0,05, d = .18). Ein linearer Zusammenhang mit dem Alter zeigte sich nicht. Jedoch ergab sich ein leichter quadratischer Zusammenhang, demnach mittlere Altersgruppen gegenüber jüngeren und älteren Gruppen leicht höhere Werte aufwiesen (β = −.49; p < 0,01; R2 = .01).

Ressourcen

Zur Erfassung der Ressourcen-Komponente wurde auf die auf 4 Items leicht gekürzte Skala Therapeutischer Halt aus dem Essen Climate Evaluation Scheme (Essen-CES; Schalast & Tonkin 2016) zurückgegriffen. Hierdurch sollte dem zwar coronabedingten, aber durch die Justizanstalt vermittelten Belastungserleben eine haftvermittelte Ressource gegenübergestellt werden. Die Skala erfragt das Erleben von Interesse, Zugewandtheit und Wohlwollen seitens der Vollzugsbediensteten im Stationsalltag der Vollzugsanstalt durch die Gefangenen auf jeweils 5‑stufigen Likert-Skalen (Beispiel-Item: Den Bediensteten ist es persönlich wichtig, wie es mit den Gefangenen weitergeht). Die Homogenität der Skala erwies sich mit α = .82 als gut.

Der Summen-Score der Skala schöpfte auch hier die Bandbreite der Skala aus und lag im Mittel bei 6,47 (SD = 4,06), d. h., gemittelt über Personen und Items wurde eine durchschnittliche Ausprägung zwischen „wenig“ und „etwas“ gewählt. Hier berichteten die weiblichen (M = 7,29, SD = 4,30) gegenüber den männlichen (M = 6,13, SD = 3,91) im Durchschnitt über bessere Klimawerte auf den Stationen (tdf=954 = −3,88, p < 0,001, d = −.29). Nennenswerte Zusammenhänge mit dem Alter gab es nicht.

Belastungsfolgen

Als psychische Belastungsfolgen wurde in Anlehnung an Haas (2020) konzeptuell auf die psychische Störungstrias auf die COVID-19 Pandemie – Stress, Angst und Depressivität – rekurriert. Zur Operationalisierung wurde die auf 12 Items gekürzte deutschsprachige Version der Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS; Nilges & Essau, 2021; Beispiel-Item: Ich fühlte mich einer Panik nahe (Anm.: in der letzten Woche)), die jeweils als 4‑stufige Likert-Skalen konzipiert sind. Auch hier erwiesen sich die intendierten 3 Skalen faktorenanalytisch (KMO = .93) als nicht gut replizierbar, da der Generalfaktor bereits rund 50 % der Varianz der Daten aufklärte und die beiden nächsten Faktoren wiederum mit Eigenwerten um 1 nur noch wenig beitrugen. Mit α = .91 war die Homogenität der generalisierten Skala sehr gut, sodass diese Gesamtskala für die weiteren Analysen genutzt wurde.

Auch bei dieser Skala wurde in den Antworten die gesamte Spannbreite ausgenutzt, im Mittel lag sie bei M = 21,68 (SD = 7,93), also knapp bei der durchschnittlichen Wahl der Antwortkategorie „trifft etwas zu“. Geschlechtsunterschiede ergaben sich nicht, aber es zeigte sich ein leichter negativ-linearer Zusammenhang mit dem Alter, demnach die Werte mit zunehmendem Alter leicht abnahmen (β = −.09, p < 0,01, R2 = .10).

Motivation

Da eine direkte Motivationsmessung nicht erfolgte, wurde zur Erfassung dieser JD-R-Komponente auf die Skala Religion/Spiritualität aus den WHO-Quality-of-Life-Skalen (WHOQoL-100; deutsche Fassung: Angermeyer et al. 2000) rekurriert. Auch hier wurde die Skala auf 3 Items, die jeweils auf 5‑stufigen Likert-Skalen erfasst werden, gekürzt, wobei Items mit explizitem religiösen Bezug ausgelassen wurden und Items gewählt wurden, die einen religiösen Bezug zwar zulassen, aber nicht erfordern (Beispiel-Item: Geben Ihnen Ihre persönlichen Überzeugungen Kraft, um Schwierigkeiten durchzustehen?). Hierdurch sollte ein möglicher (z. B. kulturbedingter) Bias vermieden werden. Die Homogenität der Skala erwies sich mit α = .82 als gut.

Wiederum deckten die für diese Skala beobachteten Messwerte die Breite der Skala ab; im Mittel lagen sie bei M = 10,69 (SD = 2,96) und damit zwischen den Ausprägungen „weder noch“ und „ziemlich“. Zufallskritisch abzusichernde Geschlechts- oder Altersunterschiede wurden nicht gefunden.

Outcome

Als Outcome-Variablen wurden 3 Aspekte – körperliches Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und Suizidgedanken in der letzten Woche vor der Befragung – jeweils als „single item measure“ konzipiert. Insbesondere bei klaren und eindeutigen Konstrukten haben sich solche Ein-Item-Messungen als valide und ökonomisch bewährt (Allen et al. 2022) und sich v. a. auch im hier relevanten Kontext der Gesundheitspsychologie als sparsame Messmethode etabliert (für die Erfassung des Gesundheitserlebens z. B. Gusy, 2018Footnote 1; für die Erfassung der allgemeinen Lebenszufriedenheit z. B. Beierlein et al. 2014). Die allgemeine Lebenszufriedenheit (Wie zufrieden sind Sie mit der Qualität Ihres Lebens?) und das Gesundheitserleben (Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Gesundheit?) wurden dabei als 5‑stufige Likert-Skalen (von sehr unzufrieden bis sehr zufrieden), die Frage nach Suizidgedanken in der vergangenen Woche als 4‑stufige Likert-Skala (von trifft nicht zu bis trifft sehr zu) umgesetzt. Der Grund für die unterschiedlichen Skalierungen war, dass die Fragen in unterschiedlichen Kontexten im Zusammenhang mit anderweitigen Skalen, die verschiedene Likert-Skalen vorsahen, eingebettet wurden.

Von den befragten Gefangenen berichteten 17,6 % über Suizidgedanken in der vergangenen Woche (trifft etwas zu: 9,0 %; trifft zu: 4,4 %; trifft sehr zu: 4,2 %). Die Angaben zur Lebenszufriedenheit und zur Gesundheit deckten ebenfalls den Messbereich vollständig ab; im Mittel lag die angegebene Lebenszufriedenheit zwischen „unzufrieden“ und „weder noch“ (M = 2,79, SD = 1,15); das Gesundheitserleben war im Mittel leicht höher ausgeprägt (M = 3,16, SD = 1,25). Für die Angabe von Suizidgedanken und für die Lebenszufriedenheit ergaben sich weder Geschlechts- noch Altersunterschiede, die zufallskritisch abzusichern waren. Für das Gesundheitserleben ergab sich ein leichter Zusammenhang abnehmender Werte mit zunehmendem Alter (β = −.87, p < 0,01, Pseudo‑R2: .01).

Umgang mit fehlenden Werten

Ursprünglich wurden 991 Fragebogen erfasst, die zumindest teilweise ausgefüllt wurden. In einem ersten Schritt wurden alle Proband*innen ausgeschlossen, bei denen über 40 % der Angaben (Freitextfelder und einige soziodemografische Angaben waren hier ausgenommen) fehlend waren. Dies erschien sinnvoll, da die Verteilung der relativen Häufigkeit fehlender Werte gezeigt hat, dass nur wenige Proband*innen in dem Bereich > 40 % zu finden sind und bei diesen Personen nicht davon ausgegangen wurde, dass die vorhandenen Angaben gewissenhaft vorgenommen wurden. Durch diesen Filter wurden 35 Personen ausgeschlossen und die finale Stichprobengröße von n = 956 erreicht.

In dem verbleibenden Datensatz lag der maximale Anteil an fehlenden Werten in den Variablen, die für diese Auswertung von Relevanz sind, bei 5 % pro Item (z. B. bei der Frage nach Belastungen durch sonstige Einschränkungen von Außenkontakten). Um die Interpretation zu erleichtern, werden alle deskriptiven Angaben in diesem Artikel auf Basis dieses Datensatzes berechnet.

Um unnötigen Informationsverlust zu vermeiden, wurden für die Durchführung der Kernanalyse multiple Imputationen mithilfe des Paketes mice (van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 2011) für die Statistiksoftware R (R Core Team 2022) vorgenommen. Für jede Variable wurden die Prädiktoren zur Schätzung der fehlenden Werte über die Bestimmung einer bivariaten Rangkorrelation ausgewählt (Cut off: ρ = 0,2). Lediglich Angaben zu Alter, Geschlecht und Sprache des Fragebogens (deutsch ja/nein) wurden in jedem Fall zur Schätzung herangezogen. Insgesamt wurden 8 Datensätze mit jeweils 30 Iterationen berechnet.

Auswertungsmethode

Die hier postulierte Adaptation des JD-R-Modells wurde in Form von Strukturgleichungsmodellen mithilfe des Paketes lavaan (Rosseel 2012) unter R getestet. Da multiple Imputationen verwendet wurden, kam die Funktion sem.mi aus dem Paket semTools (Jorgensen et al. 2022) zur Anwendung. Diese Funktion ist eine Erweiterung der sem-Funktion aus lavaan und erlaubt es, die berechneten Modelle über alle imputierten Datensätze zu poolen.

Es wurden 2 Modelle unterschiedlicher Komplexität berechnet. In beide Modelle wurde auch das Messmodell der latenten Variablen miteingeschlossen. Auf eine Darstellung der Messmodelle wird aber der Übersichtlichkeit halber in diesem Artikel verzichtet. Während sich Modell 1 auf im JD‑R postulierte Haupteffekte beschränkte, wurden im Modell 2 auch die Interaktionen zwischen latenten Konstrukten postuliert. Um diese Effekte zu berücksichtigen, wurden latente Produktterme der betroffenen Variablen in die Modelle eingeschlossen (vgl. z. B. Steinmetz et al. 2011). Da nicht alle involvierten Variablen eine Normalverteilung aufweisen (z. B. therapeutischer Halt), wurde auf die Methode des „double mean centering“ (Lin et al. 2010) zurückgegriffen. Die Kovarianzen der latenten Konstrukte mit dem latenten Produktterm wurden auf 0 festgelegt. Zusätzlich wurden die Kovarianzen zwischen den Produktindikatoren dahingehend beschränkt, dass Indikatoren, die dieselben Items betreffen, auch dieselbe Kovarianz aufweisen sollen (Schoemann und Jorgensen 2021). Für beide Modelle wurden robuste „Diagonally-weighted-least-squares“-Schätzer (WLSMV bei lavaan) verwendet.

Ergebnisse

Tab. 1 gibt zunächst einen Überblick über die bivariaten Zusammenhänge der Modellvariablen, zur Anwendung kam Spearmans Rho. Die meisten der Variablen weisen Korrelationen in der erwartbaren Richtung auf; deren Größenordnung fiel jedoch teilweise nur gering bis moderat aus. Die höchsten Werte ergaben sich für die DASS-Skala sowie zwischen der Lebenszufriedenheit und dem Gesundheitserleben, demgegenüber das coronabedingte Belastungserleben keinen direkten Zusammenhang mit dem Erleben von Lebenssinn und dem Aufkommen von Suizidgedanken aufzuweisen schien.

Tab. 1 Interkorrelationsmatrix der Modellvariablen (Spearmans Rho)

Tab. 2 berichtet zunächst über die Kennwerte der Modellanpassung für das adaptierte JD-R-Modell. Bei beiden Modellen bewegen sich die Anpassungskriterien in einem akzeptablen Wertebereich (Hu und Bentler 1999). Es fällt aber auf, dass Modell 2 eine deutlich bessere Modellanpassung aufweist als Modell 1. Die Ergebnisse deuten also darauf hin, dass sich die gekreuzten Interaktionseffekte positiv auf die Modellanpassung auswirken.

Tab. 2 Modell-Fit für Modelle ohne (Modell 1) und mit Interaktionsterm (Modell 2)

Da sich Modell 2 bei der Betrachtung der Modellgüte hervorgetan hat, wird dieses in Abb. 2 noch einmal im Detail dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Modell 2 mit Interaktionstermen. Es sind standardisierte Koeffizienten dargestellt; nichtsignifikante Werte sind ausgegraut

Eine Sichtung der standardisierten Koeffizienten zeigt, dass sich fast alle vermuteten Zusammenhänge in der Stichprobe identifizieren lassen. Besonders ausgeprägt sind demnach zunächst die negativen Zusammenhänge zwischen dem therapeutischen Klima und dem coronabedingten Belastungserleben sowie zwischen der DASS- und der Lebenssinnskala. Aber auch die Pfadkoeffizienten des Belastungserlebens auf die DASS-Skala sowie der DASS- und der Lebenssinnskala auf die 3 Outcome-Variablen erscheinen substanziell. Demgegenüber war der Einfluss des therapeutischen Halts auf die Lebenssinnskala zwar statistisch bedeutsam, aber von der Größenordnung her schwach. Lediglich die vom JD-R-Modell postulierten gekreuzten Interaktionsterme weisen keine signifikanten Koeffizienten auf, obwohl diese die Modellanpassung insgesamt deutlich erhöhten. Bei einer isolierten Berechnung der interaktiven ZusammenhängeFootnote 2 zeigt sich aber zumindest für die Regression auf die Variable DASS ein signifikanter Interaktionsterm (b1,2 = −0,006 [−0,008, −0,003]; p < 0,001).

Diskussion

Diskussion der Ergebnisse

Primäres Ziel der vorliegenden Studie war es, das aus der Arbeitspsychologie stammende Job-demands-resources (JD-R)-Modell von Bakker und Demerouti (2007) zu modifizieren und erstmalig an die Anforderungs- und Belastungssituation von Gefangenen im Haftkontext zu adaptieren, um dessen Potenziale für die Vollzugsforschung herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck wurden bereits empirisch belegte psychische Folgewirkungen der Coronapandemie für Gefangene repliziert und im Zusammenspiel zwischen der Wahrnehmung coronabedingter Belastungen und einer haftvermittelten Ressource anhand des Modells überprüft. Die Ergebnisse der Studie entsprechen weitgehend den Annahmen des JD-R-Modells und unterstreichen dessen Nützlichkeit auch im Kontext des Justizvollzugs.

Zunächst bestätigen und erweitern die Ergebnisse der Untersuchung die Befunde vorheriger Studien. Sowohl die negativen Zusammenhänge zwischen Einschränkungen während der Coronapandemie und der psychischen Gesundheit als auch die weitergehenden Zusammenhänge zwischen der psychischen Gesundheit und dem Aufkommen von Suizidgedanken, der Lebenszufriedenheit und dem Gesundheitserleben stehen im Einklang mit vorherigen Befunden (z. B. Baier et al. 2023; Butler et al. 2007; Hewson et al. 2020; Johnson et al. 2021; Mitchell et al. 2021; Lin et al. 2010; Schüttler et al. 2022; Skowrónski et al. 2021). Demnach steigern coronabedingte Einschränkungen im Vollzug das Belastungsniveau bei den Gefangenen, was die Wahrscheinlichkeit psychischer Folgesymptome erhöht und im Weiteren zu Suizidgedanken führen und die Lebenszufriedenheit und das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Während vorliegende Studien bereits positive Zusammenhänge zwischen dem Sozialklima und z. B. dem Gerechtigkeitserleben, dem Sicherheitsgefühl oder der Schlafqualität von Gefangenen zeigen konnten (z. B. Bosma et al. 2020), wurde hier auch ein positiver Zusammenhang zwischen dem Sozialklima im Sinne der Wahrnehmung therapeutischen Halts auf der Station und dem wahrgenommenen Lebenssinn der Gefangenen beobachtet. Dieser zeigte wiederum Zusammenhänge mit Suizidgedanken, der Lebenszufriedenheit und dem allgemeinen Gesundheitserleben der Gefangenen. Dies bestätigt noch einmal, dass das soziale Klima auf der Station eine wichtige Ressource für die Gefangenen sein kann.

Bei multivariater Betrachtung passen die Ergebnisse weitgehend zu den Annahmen des JD-R-Modells von Bakker und Demerouti (2007) und unterstreichen die Potenziale seines Kerngedankens auch für die Untersuchung von Gefangenen im Justizvollzug. Entsprechend den Erwartungen lassen sich demnach auch im Haftkontext Variablen identifizieren, die als Belastungen bzw. Anforderung und als Ressource klassifiziert werden können und welche sich zunächst auf Merkmale der psychischen Gesundheit und die Motivation auswirken können. Im Einklang mit dem JD-R-Modell zeigen die Ergebnisse, ausgehend von Belastungen und Ressourcen, zwei Prozesse: (1.) Der Zusammenhang zwischen (hier pandemiebedingten) Einschränkungen im Justizvollzug und den Outcomes Suizidgedanken, Lebenszufriedenheit und körperliches Gesundheitserleben wird durch Merkmale der psychischen Gesundheit der Gefangenen vermittelt. Dies steht im Einklang mit Erkenntnissen aus arbeitspsychologischen Studien, die ebenfalls zeigen, dass (Arbeits‑)Belastungen das Verhalten, die Einstellungen oder andere Outcome-Variablen von Personen über Merkmale der psychischen Gesundheit beeinflussen (z. B. Montano et al. 2017; Simbula 2010). Ebenfalls zeigen die Ergebnisse, dass (2.) der Zusammenhang zwischen der Ressource therapeutischer Halt im Stationsklima und den Outcomes über den Lebenssinn vermittelt wird. Dies bestätigt die Annahmen des JD-R-Modells und frühere Befunde, welche mediierende Effekte von Motivationsvariablen zwischen Ressourcen und arbeitsbezogenen Outcomes zeigen (z. B. Guterman et al. 2017; Simbula 2010) vermutet.

Weiterhin postuliert das JD-R-Modell Interaktionen zwischen Belastungen und Ressourcen. Eine Vielzahl von Studien konnte entsprechend den Modellannahmen zeigen, dass negative Auswirkungen von Belastungsfaktoren auf die psychische Gesundheit durch Ressourcen abgemildert werden können (Bakker et al. 2005; Tadić et al. 2015). Auch dies ist ein Mechanismus, der sich tendenziell auf die Situation von Gefangenen übertragen zu lassen scheint: Wenngleich der Effekt in dieser Studie nicht signifikant ist, zeigt sich dennoch ein leicht mildernder Effekt des therapeutischen Halts als Ressource auf den Zusammenhang zwischen coronabedingtem Belastungserleben und der psychischen Gesundheit der Häftlinge. Insbesondere aber hatte sich die Modellgüte durch Hinzunahme der Interaktion deutlich verbessert.

Das Modell postuliert weiterhin, dass der positive Effekt von Ressourcen auf die Motivation unter besonderen Bedingungen sogar stärker werden kann, was ebenfalls in empirischen Studien bestätigt werden konnte (z. B. Bakker et al. 2007; Klebe et al. 2021). Dieser Effekt zeigte sich in der aktuellen Studie jedoch nicht. Dies könnte mit der Auswahl der abhängigen Variable „Lebenssinn“ zusammenhängen: Während die ausgewählten Belastungs- und Ressourcenvariablen sowie die Variable zur psychischen Gesundheit äquivalent zu den ursprünglichen Variablen des JD-R-Modells sind, ist diese Variable konzeptuell weiter von der Ursprungsvariable „Motivation“ entfernt. Dies könnte aber auch damit zusammenhängen, dass das coronabedingte Belastungserleben zu wirkmächtig ist.

Insgesamt erscheint eine Übertragung des Kerngedankens des JD-R-Modells auf den Haftkontext jedoch vielversprechend. Besonders im Hinblick auf die als „pains of imprisonment“ bezeichneten Belastungen scheint das Modell geeignet zu sein, um deren multiple Zusammenhänge und Folgewirkungen für die Gefangenen näher zu untersuchen. Gleichzeitig ermöglicht es, Ressourcen zu identifizieren, welche den Gefangenen im Umgang mit diesen Belastungen unterstützen können.

Limitationen

Trotz der für deutsche Verhältnisse recht beachtlichen Stichprobengröße und den vielversprechenden Ergebnissen weist die Studie Limitationen auf. Zunächst ist die Stichprobe zwar breit gestreut, regional verteilt, sie deckt die verschiedenen Vollzugsformen ab und umfasst alle Altersgruppen und Geschlechter. Sie ist aber keineswegs repräsentativ. Durch den postalischen Fragebogenversand ist dabei in zweifacher Hinsicht mit Selektionen zu rechnen. Demnach wurden nicht nur, dies ist unvermeidbar, ausschließlich auskunftsbereite Gefangene erreicht, sondern es hing auch die Kommunikation, Verbreitung und Organisation der Befragung vom Engagement der jeweiligen Anstalt ab. Die Streubreite der Rücklaufquoten aus den Anstalten lässt hier unterschiedlich effektive Vorgehensweisen erahnen. Nicht zuletzt oblag es hierdurch letztlich den Anstalten sicherzustellen, dass die teilnehmenden Gefangenen über hinreichende Lesekompetenzen in wenigstens einer der 10 angebotenen Sprachen verfügten.

Ferner lag, wie bereits erwähnt, keine Motivationsvariable im Sinne des JD-R-Modells vor, sondern wurde durch die Lebenssinn-Skala des WHOQoL angenähert. Allerdings war es nicht die Absicht, das Modell 1:1 zu übertragen. Vielmehr sollte dessen Grundidee der Erweiterung des Systematischen Anforderungs-Ressourcen-Modells (Becker et al. 2004) übertragen und deren Potenzial für die Untersuchung von Gefangenen ausgelotet werden. Nicht zuletzt deshalb wurde als einen der beiden Ausgangspunkte im Modell bereits eine Belastungsvariable als UV gewählt, die das Erleben von Anforderung im JD-R-Modell ersetzt und gewissermaßen die Anforderung abbildet, die wahrgenommene coronabedingte (Mehr‑)Belastung zu verarbeiten. Die Befunde deuten darauf hin, dass solche Modifikationen möglich und sinnvoll sein können.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass das Modell zwar gerichtete Wirkprozesse postuliert und in diesem Sinne modelliert; in Anbetracht des querschnittlichen Designs sind die unterstellten Wirkrichtungen jedoch nicht zwingend. Denkbar wäre beispielsweise, dass das Ausmaß der Depressivität-Angst-Stress-Trias nicht nur vom Belastungserleben moduliert wird, sondern umgekehrt eine hohe primäre Ausprägung der Trias auch die Sensitivität für das Empfinden von Belastung moderieren könnte. Diese Möglichkeit ist mit einem querschnittlichen Untersuchungsdesign empirisch nicht zu klären.

Schließlich ist festzuhalten, dass es sich um den ersten Versuch der Erprobung eines „Prison-demands-resources-Modell“ handelt, der deshalb zunächst einen „One-size-fits-all“-Ansatz verfolgte. Hierdurch sollten allgemeine Zusammenhänge und die grundsätzlichen Potenziale des Modells erfasst werden. Indessen ist noch unklar, ob sich die Zusammenhänge tatsächlich für alle Haftformen, Haftanstalten, Altersgruppen, Geschlechter, Bundesländer usw. gleichermaßen zeigen, zumal mit vergleichbaren Gewichten und Modell-Fits. Immerhin ergaben sich für das Alter und für das Geschlecht einige Zusammenhänge mit den Modellvariablen, die sich möglicherweise auf die beobachtbaren Effekte auswirken.

Ausblick

Der letzte Gedanke leitet zur Frage über, wie es weitergehen könnte. Hier bieten sich sicher zunächst Analysen etwaiger differenzieller Zusammenhänge mit den oben genannten potenziellen Einflussfaktoren an. Für ein umfassendes Verständnis wären aber auch weitere Analysen der Modellvariablen selbst erforderlich. Beispielsweise wurden die coronabedingten (Mehr‑)Belastungen von den Gefangenen ja stark unterschiedlich wahrgenommen. Es erscheint mithin vielversprechend, gezielt nach den Einflussfaktoren zu fahnden, um belastungssteigernde und -reduzierende Faktoren zu identifizieren. Weiterhin scheinen Variationen der Modellvariablen denkbar zu sein. Beispielsweise haben wir als Ressource gezielt eine durch die Haft vermittelte Komponente – therapeutischer Halt als Bestandteil des Stationsklimas – gewählt. Hier ließen sich auch anderweitige Ressourcen, wie z. B. die erlebte soziale Unterstützung durch Außenkontakte oder personale Resilienzfaktoren, denken.

Langfristig wäre es schließlich eine Überlegung wert, das Modell an ganz anderen Fragestellungen und Outcomes bei Gefangenen des Justizvollzugs zu erproben. Letztlich geht es um das Verhältnis und Zusammenspiel von Anforderungen und Ressourcen in ihrer Wirkung auf psychische, motivationale oder anderweitige Positiv- und Negativfolgen für den Betroffenen. Fraglos stellt eine Haftumgebung eine Vielzahl von Anforderungen, deren Bewältigung oder Nichtbewältigung Folgen für den Haftverlauf und das Haftergebnis hat. Es erscheint also lohnend zu untersuchen, ob auch andere Outcomes, wie z. B. Therapieeffekte, intramurale schulische- oder berufliche Fortschritte, Veränderungen dynamischer Risikofaktoren oder der Legalmotivation, auf diese Weise weiterführend analysiert werden können.