Die Forschung zu schweren Gewaltdelikten beschäftigt sich überwiegend mit männlichen Tätern, da die meisten Gewaltdelikte (> 90 %) von Männern ausgehen. Die Erkenntnisse daraus lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf Frauen übertragen, die Tötungsdelikte begehen. Täterinnen sind deutlich seltener vorbestraft, die Opfer sind meist Angehörige, häufig männliche (Ex‑)Partner sowie Familienmitglieder wie Kinder oder Freunde. Insbesondere bei Tötungsdelikten in der Partnerschaft sind die Täterinnen häufig selbst Opfer gewesen. Tötungsdelikte durch Frauen finden häufig im häuslichen Umfeld unter Anwendung von „scharfer Gewalt“ oder – im Falle von Kindstötungen – durch Ersticken statt. Wie können solche Taten durch ein besseres Verständnis der Täterinnen und der Tatumstände verhindert werden? Welche Rolle spielen dabei psychische Störungen, Substanzen und die spezifische Täterin-Opfer-Beziehung?

Diesen Fragen gehen Trägårdh et al. in ihrer aktuellen Studie nach, in der sie alle Täterinnen von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten untersuchten, die zwischen 2000 und 2014 im Rahmen einer staatlichen forensisch-psychiatrischen Untersuchung (FPU) in Schweden untersucht wurden (Trägårdh et al. 2023). Ein multiprofessionelles Team beurteilt, vergleichbar zur Schuldfähigkeitsbegutachtung im deutschsprachigen Raum, ob eine schwere psychiatrische Störung („severe mental disease“, SMD) vorliegt, die in der Regel zu einer forensisch-psychiatrischen Behandlung anstelle einer Gefängnisstrafe führt. Für die FPU steht den amtlichen Untersucher:innen eine umfangreiche Datenbasis zur Verfügung.

Die FPU-Ergebnisse und Gerichtsurteile von 175 Täterinnen, die Tötungsdelikte planten oder vollendeten, wurden eingeschlossen; bei der Hälfte der Studienpopulation lag eine SMD vor. Die erhobenen Daten wurden zusammengefasst und auf verschiedene Aspekte wie demografische Daten, psychiatrische Vorgeschichte, einschließlich Substanzmissbrauch, Täterin-Opfer-Beziehung und Tatmerkmale bezogen. Es erfolgten Vergleiche zwischen den Täterinnen mit und ohne SMD.

Die Täterinnen waren überwiegend nicht erwerbstätig (71 %), hatten Beziehungserfahrungen (76 %) und waren zum Zeitpunkt der Anlasstat teilweise in Partnerschaften (46 %). Die Mehrheit berichtete von traumatischen Erfahrungen in der Familie vor dem 18. Lebensjahr (56,6 %) und von Substanzmissbrauch durch Eltern oder Bezugspersonen. Auch im Erwachsenenalter hatten viele Täterinnen (68,5 %) traumatische Erfahrungen mit dem Partner gemacht, häufig in Verbindung mit Substanzmissbrauch des Partners (52,1 %). Die beiden Gruppen (SMD vs. ohne SMD) unterschieden sich nicht hinsichtlich der genannten Faktoren.

Bei der Mehrheit der untersuchten Personen war eine psychiatrische Diagnose schon bekannt (71,1 %, ohne Suchterkrankungen). Bei den meisten erfolgte in der Vergangenheit eine psychiatrische Behandlung (81,7 %) und/oder waren Suizidversuche bekannt (60,6 %). Diese Merkmale unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis traten vor allem bei Täterinnen der SMD-Gruppe auf (47,6 % vs. 1,1 %). Persönlichkeitsstörungen und Angststörungen waren dagegen in der Gruppe mit SMD seltener als in der Gruppe ohne SMD (25,0 % vs. 45,1 % bei Persönlichkeitsstörungen und 13,1 % vs. 27,5 % bei Angststörungen).

Hinsichtlich des Substanzmissbrauchs zeigte sich, dass bei den meisten Täterinnen ein früherer (65,3 %) oder aktueller (57,5 %) Substanzmissbrauch eine Rolle spielte. Allerdings war bei einem großen Teil der Stichprobe (75 %) die Substanzstörung erstmalig in der FPU diagnostiziert worden bzw. erfolgte bis dahin keine Behandlung (68 %). Substanzbezogene Störungen waren in der Gruppe mit SMD seltener (27 % vs. 53 %). Bemerkenswert ist, dass vor dem 15. Lebensjahr ca. 50 % der Stichprobe von einem problematischen Alkoholkonsum bzw. 25 % auch von einem problematischen Drogenkonsum berichteten.

Frauen mit SMD waren seltener vorbestraft (26,8 % vs. 52,7 %). Die meisten Delikte wurden von den Täterinnen alleine (89,0 %), in einer Wohnung (80,3 %) und unter Anwendung von Gewalt (62,3 %) begangen. Die Gruppe mit SMD stand seltener unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen während des Delikts (33,4 % vs. 63,0 %). In der SMD-Gruppe wurden häufiger Suizidversuche zum Tatzeitpunkt unternommen (17,4 % vs. 4,1 %).

Zu dem Opfern der Delikte ist bekannt, dass die Opfer der Täterinnen aus der SMD-Gruppe seltener Partner (23,8 % vs. 50,5 %), dafür häufiger Kinder (21,4 % vs. 9,4 %), Freunde/Bekannte (20,2 % vs. 15,4 %) oder Fremde (13,1 % vs. 4,4 %) waren als in der Gruppe ohne SMD. Die Opfer der Täterinnen aus der SMD-Gruppe standen seltener unter Drogeneinfluss (23,6 % vs. 63,5 %). Die Täterinnen der SMD-Gruppe wurden seltener von den Opfern allgemein (25 % vs. 61 %) bzw. unmittelbar während der Tat (16 % vs. 52 %) misshandelt. Als Misshandlung wurde sexuelle, körperliche oder verbale Gewalt definiert.

Zusammenfassend zeigt die Studie von Trägårdh et al., dass Frauen, die schwerste Gewaltdelikte begehen, eine hohe Prävalenz psychiatrischer Erkrankungen, darunter insbesondere für psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, vor dem Hintergrund früher und anhaltender Viktimisierung aufwiesen. Es zeigten sich Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne schweren psychischen Störungen (SMD). Frauen in der SMD-Gruppe litten häufiger an psychotischen Störungen, hatten ein breiteres Opferspektrum, in das häufiger Kinder, Unbekannte und mehr weibliche Personen involviert waren, und sie versuchten häufiger, sich nach der Straftat das Leben zu nehmen.

Die Gruppe ohne SMD war durch mehr Vorstrafen, eine höhere Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen und Substanzmissbrauch gekennzeichnet. Die Opfer waren häufiger Partner, und die Täterinnen wurden häufiger selbst von den Opfern misshandelt. Während der Delikte spielten die eigene und die Opferintoxikation eine größere Rolle.

Eine Stärke der Studie ist die relativ große und homogene Täterinnenpopulation eines ganzen Landes. Mehr als 80 % der Frauen in diesem Deliktspektrum mussten sich einer FPU unterziehen. Die nichtuntersuchten Personen könnten möglicherweise eine stärker dissoziale Motivation für die Straftaten gehabt haben. Personen, die nach einem Tötungsdelikt Suizid begangen haben, wurden ebenfalls nicht in die Studie einbezogen, da keine retrospektive FPU durchgeführt wird. Diese Gruppe macht nach Angaben der Autoren immerhin 30 % der Täterinnen mit Kindern als Opfer aus, was eine Einschränkung der Studie darstellt. Die in der Studie verwendeten umfangreichen Daten waren nicht primär für Forschungszwecke konzipiert und erforderten eine hohe Verdichtung, was erklären könnte, warum möglicherweise gewaltbezogene Risikofaktoren nicht eingehender berücksichtigt werden konnten; denkbar sind aber auch Folgestudien mit spezifischerem Fokus.

Bemerkenswert ist der hohe Anteil der unbehandelten Studienpopulation trotz der langen Krankheitsgeschichte. Damit wird die Bedeutung einer optimalen psychiatrischen Regelversorgung gerade im Suchtbereich für die Präventionsarbeit unterstrichen.

Darüber hinaus legen die Ergebnisse nahe, dass Frauen, die ein Tötungsdelikt begangen haben, auch ohne SMD einen hohen Behandlungsbedarf haben, da sich diese Gruppe in einigen Punkten kaum von den Personen im Maßregelvollzug unterscheiden, teilweise sogar eine höhere Trauma- und Substanzbelastung aufweisen. Eine optimale psychiatrische Versorgung dieser Personengruppe im Strafvollzug könnte daher einen wichtigen Beitrag zur Rückfallprävention leisten.