Delinquenz, Vollzug und Forschung in Bezug auf psychisch kranke Straftäterinnen zu beleuchten, stellt eine fachliche kriminologisch-forensische Thematik dar. Eine solche Betrachtung kann keine umfassende Debatte von Gender- und Gleichstellungsaspekten in der Vielfalt soziologischer, anthropologischer und gesellschaftspolitischer Dimensionen vornehmen. Gleichwohl haben diese Größen Einfluss auf die zu behandelnde Thematik und sollten bei einer Diskussion und Interpretation des gegenwärtigen Kenntnisstandes mitberücksichtigt werden. Wissenschaftliche Aktivitäten sind stets in gesellschaftliche Strömungen eingebunden und durch diese beeinflusst. Daher sollen einige Anmerkungen hierzu beigetragen werden – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit. Es handelt sich vielmehr um den Versuch, weitere Perspektiven zu eröffnen und zu einer kritischen Auseinandersetzung zu ermutigen.

Gleichstellung?

Die Beschäftigung mit Gender- und Gleichstellungsaspekten mag in der gegenwärtigen westlichen Welt veraltet und in Zeiten, in denen beispielsweise in Deutschland höchste politische Ämter durch Frauen bekleidet werden, überflüssig wirken. Aktuell scheinen eher Diskussionen über eine Gender-Fluidität bzw. das Ende binärer Betrachtungsweisen im Fokus zu stehen.

Es stellt sich dabei allerdings die Frage, ob nicht eben diese Besetzung hoher politischer Funktionen, die von großer Medienpräsenz begleitet werden und daher in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent sind und auch die Debatten über Gender-Fluidität und Nonbinarität darüber hinwegtäuschen, wie es tatsächlich um die Gleichstellung steht. Errungenschaften diesbezüglicher Bemühungen sind bis in die Gegenwart in vielen Bereichen keineswegs angekommen, etabliert oder selbstverständlich:

Der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen („gender pay gap“) betrug in Deutschland 2021 18 %, d. h., der Bruttostundenverdienst von Frauen lag im Durchschnitt 18 % niedriger (Statistisches Bundesamt 2022a). Sie verdienten durchschnittlich 4,08 € pro Stunde weniger als Männer (Statistisches Bundesamt 2022b).

In Deutschland waren Führungspositionen (Geschäftsführung kleiner Unternehmen, die Geschäftsführung oder Bereichsleitung großer Unternehmen sowie leitende Positionen im Verwaltungsdienst) 2019 im Durchschnitt zu knapp einem Drittel mit Frauen besetzt (29,4 %; Statistisches Bundesamt 2022c). Sicher können die Ursachen hiervon vielfältig sein, bewusstseinsnah oder -fern liegen, und auch aus der weiblichen bzw. Arbeitnehmenden-Perspektive konstelliert werden (z. B. aus familiären Gründen, beeinflusst durch bestimmte Interaktionsmuster, Rollenverständnisse oder fehlenden Rollenvorbilder). Andererseits ist anzunehmen, dass diese Verhältnisse zumindest anteilig von den männlichen bzw. Arbeitgebenden-Einstellungen mitbeeinflusst und gestaltet werden. Hierbei können ebenfalls unterschiedliche Bewusstseinsgrade vermutet werden, und auch – normalpsychologisch nachvollziehbare – Bestrebungen nach dem Erhalt bestimmter Traditionen und Privilegien. Und geschlechterübergreifend gilt sicherlich, dass alle Personen von der Macht der Gewohnheit betroffen sind, und dass Änderungsversuche immer von Widerständen begleitet werden.

Die Thematisierung erfordert Mut. Das Sujet beinhaltet viele sehr unangenehme Aspekte. Aus weiblicher Perspektive ist es durchaus schambesetzt. Die Ungleichstellung impliziert Ungleichwertigkeit. Es gelingt wohl nur äußerst wenigen Frauen zu vermeiden, dies der eigenen Person zuzuschreiben. Aber auch die Attribuierung nach außen und die Benennung gesellschaftlicher Ungleichgewichte sind schwierig, da sie einen potenziellen Konflikt implizieren. Dieser wiederum wirkt sehr aversiv, besonders auf Frauen, die persönlich zurückhaltend sind.

Die Verhältnisse der Besetzungen von Führungspositionen mit Frauen oder Männern sind in den einzelnen Berufen unterschiedlich: In der Medizin wurde bereits 2008 ein Anteil von über 60 % Studienanfängerinnen berichtet, jedoch von lediglich knapp 12 % Professorinnen und von 11 % leitenden Ärztinnen. Das Verhältnis von Frauen zu Männern nahm somit reziprok zur Höhe der Hierarchiestufe ab. In der Medizin erschien dieser Trend im Vergleich mit anderen akademischen Berufen besonders ausgeprägt (Hibbeler und Korzilius 2008). Eine Änderung der Verhältnisse könnte angesichts der langen Ausbildungszeiten ohnehin nur langsam erfolgen. Es sind aber auch kaum Ansätze erkennbar: Ähnliche Zahlen wie 2008 wurden auch noch 2020/2021 berichtet (Saritas 2021). Die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes wird dahingehend zitiert, dass der Frauenanteil unter den Studierenden bei zwei Dritteln liege, jedoch nur bei 13 % unter den Lehrstuhlbesetzungen (Dreyer 2020). Aktuell berichtet das Deutsche Ärzteblatt, dass die Themen und Hauptprobleme noch die dieselben seien wie 2008 (Beerheide und Schmedt 2023). Der „Wandel“, der im Titel des Themenhefts und des dazu gehörigen Hauptbeitrags anklingt (Richter-Kuhlmann 2023), scheint sich bei genauen Hinsehen eher darauf zu beziehen, dass sich inzwischen auch Ärzte für die Betreuung ihrer Kinder engagieren. In erster Linie ist die berufliche Eignung sicher eine Frage individueller Gegebenheiten. Dennoch fällt bei Betrachtung der Zahlen der systematische Trend ins Auge. Die Erfahrungen vieler – sehr kluger, sehr mutiger und sehr fleißiger – Frauen sind nicht selten geprägt vom Eindruck einer „gläsernen Decke“, die einen Aufstieg verhindert. Und explizit im Bereich der Medizin ist der Gender pay gap gut belegt (Hoff und Lee 2021).

Es gibt gesellschaftspolitische Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Auch wenn die Arbeiten von Hofstede später mitunter kritisch diskutiert und Weiterentwicklungen gefordert wurden, scheint der Ansatz einer länderspezifischen Charakterisierung anhand von verschiedenen kulturellen Dimensionen doch originär und geeignet, sich zumindest einen Eindruck zu verschaffen und im Vergleich mit anderen kulturellen Bedingungen eine distanzierte und relativierte Betrachtungsweise zu ermöglichen: In Deutschland zeigte sich ein vergleichsweise hoher Maskulinitätsindex, der u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die sozialen Geschlechterrollen stark unterscheiden, wobei von Männern Durchsetzungsfähigkeit, Härte und eine Fokussierung auf materiellen Erfolg erwartet wird und von Frauen Zurückhaltung und Empfindsamkeit. Im Gegensatz dazu stehen feminin geprägte Gesellschaften, in denen sich die Geschlechterrollen überschneiden, und Frauen und Männer um Bescheidenheit und Feinfühligkeit bemüht sind (Hofstede 2001).

Alltagssexismus

In anderer Weise und vielleicht noch deutlicher als in speziellen beruflichen Konstellationen wird eine fehlende Gleichstellung in den sich stets wiederholenden, alltäglichen Erlebnissen. Wie der Alltagsrassismus, der häufig thematisiert und aufgezeigt wird, sind auch Alltagschauvinismus oder -sexismus nach wie vor nahezu allgegenwärtig und stellen in der Realität für Frauen spürbare Probleme dar. Einen Eindruck hiervon mag ein kleines Alltagsexperiment zweier Journalistinnen geben, wobei eine Frau unterwegs auf den Gehwegen einer Stadt versuchte, eine Stunde lang nicht – wie sonst stets gewohnt und gleichsam als ein Automatismus – auszuweichen, und dabei nicht mit einer einzigen Frau, jedoch mit „einem Dutzend“ Männern kollidierte (Bolle und Dworak 2019). Auch wenn es sich hier nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, kann der Ansatz doch unschwer nachvollzogen – und auch nacherprobt – werden und nachdenklich stimmen.

Ähnlich ins Grübeln zu versetzen, vermögen die fröhlichen Unterhaltungsfilme oder aber auch Aufzeichnungen politischer Debatten aus den 1950er- bis in die 1970er-Jahre. Umgang und Sprache haben sich hinsichtlich Rassismus oder Sexismus seither deutlich gewandelt, und bestimmte Handlungsweisen oder Ausdrücke wären heute nicht mehr gesellschaftsfähig. Die damalige Unbefangenheit und Unbekümmertheit jedoch legt dar, wie selbstverständlich und unhinterfragt jene Chauvinismen verwendet wurden. Man kann einen lebendigen Eindruck gewinnen, in welchem Klima, mit welchen Haltungen und in welcher Weise unsere unmittelbaren Vorfahren agiert haben, und was explizit oder implizit auch gegenwärtige Generationen prägt.

In den letzten Jahren entstanden zwei neue Wortschöpfungen, die offenbar so häufig zu beobachtende Phänomene beschreiben, dass sie mittlerweile in den allgemeinen Wortschatz Einzug gehalten haben: Zum einen das „Mansplaining“, zusammengesetzt aus den englischen Wörtern „man“ und „explaining“ als Ausdruck dafür, „jemandem etwas auf eine als herablassend oder bevormundend empfundene Weise [zu] erklären“, verbunden damit, dass „typischerweise ein Mann gegenüber einer Frau“ sich so verhält (z. B. Wikipedia 2023; bezugnehmend auf das Oxford English Dictionary und einen Artikel von Rebecca Solnit aus 2008). Zum anderen handelt es sich um das später entstandene, möglicherweise etwas weniger im allgemeinen Sprachgebrauch etablierte, ebenfalls aus dem Englischen stammende und zusammengesetzte „Hepeating“ (aus „he“ und „repeating“). Dieses Wort beschreibt die Situation, dass ein Einwurf einer Frau ignoriert wird, ein Mann ihn aber kurz darauf so oder so ähnlich wiederholt und dafür die Anerkennung und Zustimmung erfährt (lesa 2017). Der Begriff wird einer Wissenschaftlerin, der amerikanischen Physikerin und Astronomin Nicole Gugliucci zugeschrieben (lesa 2017); das dargestellte Phänomen ist besonders in der akademischen Welt häufig zu erleben.

Mitunter ergibt sich der Eindruck von zwei nahezu unabhängig voneinander geführten gesellschaftlichen Debatten bzw. Strömungen: Zum einen diejenigen eines mitunter aktionistisch bis sinnentleert anmutenden Gleichstellungsbetreibens, das u. a. zu den häufig kritisierten sprachlichen Mischkonstrukten und Neologismen führt (und zu netten Versprechern, wie demjenigen des Bundeskanzlers Olaf Scholz bezüglich der „Kinderkrankenschwesterin“ (z. B. Fleischhauer 2021; youtube 2022)), und zum anderen diejenigen eines unbeirrten und unrelativierten Fortführens überkommener Gewohnheiten.

Sexismus in der Medizin

Letzteres scheint insgesamt in der Medizin beobachtbar. Dies bezieht sich auf ein gesamtes Prinzip: nicht nur auf den Umgang mit Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen oder auf deren Karrierechancen (s. auch oben sowie z. B. Kurz und Beerheide 2023), sondern insbesondere auch auf das Verfahren mit Patientinnen und einen entsprechenden ganz grundlegenden Behandlungs- und Forschungsbias (Criado-Perez 2020). Erst sehr allmählich, und v. a. erst nachdem entsprechende Unterschiede zwischen einzelnen Ethnien in den Fokus gerückt waren, wurde thematisiert, dass der weibliche Organismus anderen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Prozessen unterliegt als der männliche. Jahrzehntelang wurden Studien zu Arzneimitteln und Dosisfindung großteils an männlichen Probanden durchgeführt. Dies ist aus der Forschungsperspektive durchaus naheliegend und verständlich, da Schwangerschaften sicher ausgeschlossen werden müssen, und damit auch Haftung bei Fruchtschäden. Allerdings wurden hierdurch immer wieder Regelungen getroffen, die für Frauen nicht, nicht vollumfänglich oder fraglich geeignet sind. Die Tatsache eines jahrzehntelangen, nahezu kompletten Neglects von naturwissenschaftlichen Fakten, welche etwa die Hälfte der Bevölkerung betreffen, erscheint geradezu ungeheuerlich. Erst in den letzten Jahren ist hierzu umfangreiches Wissen sozusagen nachermittelt worden – womit sich auch ein Beitrag des vorliegenden Themenheftes von Singer und Eckermann eigens beschäftigt (Singer und Eckermann 2023). Eine Fokussierung auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern könnte in der gesellschaftlichen Diskussion wiederum die Gefahr einer Ungleichstellung mit sich bringen. Wie in der Literatur vielfach erwähnt, wird also zu differenzieren sein, zwischen einer Gleichbehandlung, welche den vorhandenen Unterschieden nicht gerecht wird und insofern eine Ungleichstellung bedeuten kann, und einer Gleichstellung, welche die gegebenen Unterschiede beachtet, aber von einer Gleichwertigkeit ausgeht, die u. a. in eben jener Berücksichtigung Niederschlag finden kann.

Situation und Stand der Wissenschaft in der Forensischen Psychiatrie

Wie verhält es sich diesbezüglich mit der Situation in der Forensischen Psychiatrie?

2022 kam es während einer wissenschaftlichen, forensischen Tagung zu folgender Situation: Der erste Programmblock mit vier Vorträgen männlicher Referenten und männlichem Vorsitzenden, war versehentlich um eine Stunde zu lang konzipiert worden. Die überzählige Stunde wurde nicht nur vollständig aufgebraucht, sondern der Block noch um weitere 20 min überzogen. Die anschließende Sitzung mit vier Vorträgen von Frauen unter einer Vorsitzenden endete zeitlich in einer Punktlandung. Umgekehrt wäre eine solche Konstellation nicht vorstellbar.

2022 kam es in einer Verhandlung vor einem Landgericht zu folgender Situation: Die forensisch-psychiatrische Begutachtung war erfolgt durch eine Professorin für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Forensische Psychiatrie. In der mehrtägigen Hauptverhandlung war für einen Tag zudem ein Professor für Rechtsmedizin zur Erstattung seines Gutachtens geladen; am selben Tag wurde ein Professor für Viszeralchirurgie als sachverständiger Zeuge gehört. Der Vorsitzende Richter begrüßte die beiden Herren Professoren höflich und fragte, ob sie einander bereits bekannt seien. Die Sachverständige, die zwischenzeitlich mehrfach mit Doktortitel angesprochen worden war, wurde in die Konversation nicht einbezogen. Auch eine solche Begebenheit wäre in umgekehrter Konstellation nahezu undenkbar.

Und wie stellt sich – vor diesem Hintergrund – der Stand der Wissenschaft zur Thematik in der Forensischen Psychiatrie dar?

Literatur zur Thematik von Delinquenz, Vollzug und Wissenschaft in Bezug auf Straftäterinnen ist nicht sehr umfangreich (Übersicht z. B. bei Stübner 2022, vergleiche ebenda und Referenzen darin).

An epidemiologischen Daten gibt es fast ausschließlich allgemeine kriminologische Zahlenangaben. Neben quantitativen Unterschieden in der Delinquenzverteilung unter den Geschlechtern gibt es auch qualitative (Polizeiliche Kriminalstatistik (BKA 2022); Leuschner 2020). Es ist von einer Dunkelziffer von Übergriffen auszugehen, da Männer Gewalt ihnen gegenüber durch Frauen vermutlich sehr viel seltener anzeigen. Da Frauen, obwohl die Geschlechter in der Gesamtbevölkerung in etwa gleich verteilt sind, nur für etwa 25 % der Straftaten und lediglich für einen kleinen Teil der schweren Gewalt- und Sexualstraftaten verantwortlich gemacht werden, fällt dementsprechend auch ihr Anteil an der Gefängnis- und Maßregelvollzugsklientel mit etwa 5,72 % (Statistisches Bundesamt 2021a), bzw. 8,34 % (Deutscher Bundestag 2020) gering aus. Die methodischen Probleme in der Forensischen Psychiatrie allgemein, wie diejenigen der seltenen Ereignisse und der kleinen Fallzahlen, stellen sich daher im Hinblick auf Straftäterinnen noch verstärkt dar und besonders zugespitzt in Bezug auf weibliche Jugendliche und Heranwachsende: Mit dieser speziellen Thematik beschäftigen sich Schwarz et al. in einem Beitrag im vorliegenden Themenheft (Schwarz et al. 2023).

Bei Durchsicht der Literatur ergibt sich der Eindruck, dass es bisher kein besonderes Interesse an der Thematik von Delinquenz, Vollzug und Wissenschaft in Bezug auf Straftäterinnen zu geben scheint, bzw. sich – u. a. möglicherweise aufgrund der erwähnten methodischen Probleme – die Aussicht auf wissenschaftliche Meriten als nicht lohnenswert darstellt. In einem 540 Seiten starken forensischen Standardwerk findet sich eine knappe halbe Seite zu Frauen in der Forensischen Psychiatrie (Müller und Nedopil 2017), in anderen Lehrbüchern finden sich gar keine entsprechenden Abschnitte. Es fällt auf, dass die wenigen verfügbaren Beiträge zumeist von Autorinnen verfasst bzw. diese eben zur Übernahme der entsprechenden Kapitel veranlasst wurden.

Vergleichsweise höhere Aufmerksamkeit scheint zu bestehen, je „frauenuntypischer“ bzw. je spektakulärer und tabubrechender die Taten sind; entsprechend besteht die verfügbare Literatur eher in narrativen Berichten und großenteils in der Darstellung eindrücklicher Fallberichte (z. B. Soyka 2004; Saimeh 2020) oder in panoptischen Zusammenstellungen (z. B. Kobbé 2019).

Für Gewaltdelinquenz durch Frauen wurde beschrieben, dass größtenteils Personen aus dem Familienkreis und nur in etwa einem Viertel der Ereignisse Fremde betroffen sind (Döge 2011).

Die Strafverfolgungsstatistik zeigte hinsichtlich der Geschlechterverteilung ein annähernd gleiches Verhältnis von Verurteilungen zu Aburteilungen (Statistisches Bundesamt 2021b).

Psychiatrische Diagnoseverteilungen und Krankheitsverläufe unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern. Wie bei Männern weisen auch bei Frauen bestimmte Krankheitsbilder ein erhöhtes Risiko für gewalttätiges Verhalten auf; wobei postuliert wird, dass bei Frauen die Risikosteigerung für Gewalt durch psychische Störungen ausgeprägter wirksam wird (Bauer und Knörnschild 2017; Müller et al. 2018).

Die Frage nach einer Anwendbarkeit des Psychopathiekonzepts auf Frauen bleibt Gegenstand verschiedener Überlegungen (Übersicht bei Verona und Vitale 2007); beschrieben wurden unterschiedliche Manifestationen psychopathischer Eigenschaften bei Frauen im Gegensatz zu Männern. Insofern gab es Überlegungen, andere Ausdrucksformen psychopathischer Merkmale für Frauen in das Psychopathiekonzept aufzunehmen, z. B. Vernachlässigung von Kindern und beziehungsbezogene Formen der Aggression wie Untreue, Verrat und Verleumdung. Differenziert beschäftigen sich Spormann et al. mit einem Beitrag in der vorliegenden Zeitschrift mit dieser Thematik (Spormann et al. 2023).

Hauptdiagnosen von Maßregelvollzugspatientinnen bestehen hauptsächlich in Schizophrenien oder in Persönlichkeitsstörungen, bei Letzteren i. S. von emotional instabilen (Borderline-Typ) und weniger ausgeprägten dissozialen oder psychopathischen Zügen, als sie oftmals bei männlichen Maßregelvollzugspatienten zu verzeichnen sind (Bauer und Knörnschild 2017).

Während in allgemeinpsychiatrischen Krankenhäusern i. d. R. deutlich mehr Patientinnen als Patienten behandelt werden (etwa im Verhältnis von 60–70 % zu 30–40 %), sind im Maßregelvollzug nur etwa 8 % der Untergebrachten weiblich. Generell stellt sich die intramurale Situation wesentlich weniger eindeutig dar als die extramurale Situation, in der das Risiko von Gewalt eindeutig männlich dominiert ist: Gewalttätige Zwischenfälle in Institutionen wurden in einigen Studien als häufiger von Männern, in anderen als häufiger von Frauen ausgehend berichtet (Übersicht z. B. bei Stübner und Nedopil 2005). Möglicherweise ist dies auch auf die besondere krankheitsbedingte Risikosteigerung gewalttätigen Verhaltens bei Frauen zurückzuführen: Besonders in forensischen Institutionen finden sich vergleichsweise schwer kranke Patientinnen; Vergleichsstudien müssten mit einer Auswahl ebenso schwer erkrankter Patienten durchgeführt werden. Der Beitrag von Troumpoukis und Wernz im vorliegenden Themenheft befasst sich mit Formen der Aggression bei Maßregelvollzugspatientinnen unter psychodynamischen Gesichtspunkten (Troumpoukis und Wernz 2023).

In der Behandlung von Frauen wird sowohl in der Allgemeinpsychiatrie als auch in der Forensischen Psychiatrie ein größeres Augenmerk auf die Berücksichtigung der Elternschaft gelegt als in der Behandlung von Männern, was insbesondere im Hinblick auf peripartale Erkrankungen und die Versorgung von Säuglingen naheliegend erscheint. Allerdings könnte hier tatsächlich eine Benachteiligung von männlichen Patienten vorliegen, da Elternschaft seltener thematisiert und in der Behandlung adressiert wird. Speziell im Maßregelvollzug scheint hier auch ein großes protektives Potenzial ungenutzt zu bleiben; die Beziehung zu Kindern wirkt oftmals als große Motivation für ein Bemühen um Deliktfreiheit und prosoziale Lebenseinstellungen. Und auch die Kinder psychisch kranker Eltern selbst sollten unbedingt Aufmerksamkeit erhalten. Erst in den letzten Jahren wird etwas systematischer auf Kinder psychisch kranker Eltern eingegangen (z. B. Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch kranker Eltern: www.bag-kipe.de). An einigen Kliniken wurden bereits Sprechstunden für Kinder und Eltern mit Angeboten weiterer Vermittlungen etabliert (z. B. Kindersprechstunde im BKH Augsburg, DGPPN-Preisträger 2010 für Pflege- und Gesundheitsfachberufe in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde DGPPN 2023); im Maßregelvollzug kann hier noch Bedarf gesehen werden.

Ebenfalls erst in letzter Zeit erfuhren auch Gender-Aspekte der Pharmakotherapie und Arzneimittelsicherheit Beachtung, wie dargelegt – im vorliegenden Themenheft findet sich ein Beitrag über diese Thematik von Singer und Eckermann, der insbesondere auch die Situation in der Forensik berücksichtigt (Singer und Eckermann 2023).

Speziell für die Behandlung schizophrener Patientinnen im Maßregelvollzug wird postuliert, dass diese in erster Linie einer Störungsbehandlung und weniger einer Kriminaltherapie bedürfen, und dass sich die insgesamt bessere Krankheitsprognose auch im durchschnittlichen Lockerungsprozedere und in der Verweildauer niederschlagen sollte; für die Gruppe der Patientinnen im Maßregelvollzug, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, dass zumeist sehr frühe und tiefe Störungen vorliegen, die ein sehr niedriges soziales Funktionsniveau bedingen, weshalb besonders viel Unterstützung nötig wird – auch um einem hohen forensischen Risiko zu begegnen, auch werden angesichts eines hohen Anteils an Traumatisierungen entsprechende Behandlungselemente empfohlen (Bauer und Knörnschild 2017).

Bei den Rezidivraten ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht mehr so ausgeprägt wie bei den allgemeinen Kriminalitätsraten, Frauen zeigen aber etwas geringere durchschnittliche Rückfallraten als Männer (Groß 2004; Jehle et al. 2016). Ein großes Problem für die Begutachtung und die Risikoforschung ergibt sich daraus, dass die meisten Prognoseinstrumente nicht für Frauen validiert sind; Kenntnisse zu prognoserelevanten Risikofaktoren, die aus der Beobachtung männlicher Straftäter gewonnen wurden, können daher nicht einfach auf Frauen übertragen werden. In der gutachterlichen Praxis muss das gesamte jeweils verfügbare Wissen eingesetzt, jedoch immer auch auf die fragliche Übertragbarkeit hingewiesen werden (Kröber et al. 2019). Im vorliegenden Themenheft beschäftigen sich Mayer et al. mit dem aktuellen Kenntnisstand auf diesem Gebiet (Mayer et al. 2023).

Zusammengefasst: Der Kenntnisstand über Delinquenz, Vollzug und Forschung in Bezug auf Straftäterinnen ist gering und lückenhaft. Soziokulturelle und gesellschaftliche Ungleichstellungen von Frauen und Männern beeinflussen Umgang, Rezeption und Therapie. Das vorliegende Schwerpunktheft wird den Forschungsbedarf nicht abdecken, die vielen weißen Flecken nicht ausfüllen und nicht alle Fragen beantworten. Aber es wird hoffentlich dazu beitragen, das Interesse für bislang wenig beachtete Themen und für neue Untersuchungsansätze anzuregen.