Delinquenz weiblicher Jugendlicher und Heranwachsender im Hell- und im Dunkelfeld

Gesetzesverstöße sind – statistisch gesehen – selten auftretende Verhaltensweisen. Dementsprechend stellt die Population von delinquenten Personen nur ein kleines Segment innerhalb einer Gesellschaft dar. Ein Teil dieses Segments wiederum besteht aus Jugendlichen und Heranwachsenden. Auch Frauen bilden in der Population straffälliger Personen eine Minderheit. Die Schnittmenge von jugendlichen bzw. heranwachsenden und weiblichen Delinquenten kann somit als „Subpopulation einer Subpopulation“ verstanden werden, für die sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt nur sehr geringe Fallzahlen vorliegen. Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2021 (Tatverdächtigenstatistik; Bundeskriminalamt 2022) belief sich beispielsweise die Anzahl an weiblichen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 17 Jahren bei allen registrierten Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021 auf 41.363 Fälle, was einem Anteil von 27 % der weiblichen Personen an allen Tatverdächtigen dieser Altersgruppe entspricht. In Tab. 1 sind die absolute und die relative Anzahl tatverdächtiger Personen weiblichen Geschlechts im Alter unter 21 Jahren bei ausgewählten Deliktkategorien für das Jahr 2021 wiedergegeben.

Tab. 1 Absolute und relative Anzahl tatverdächtiger Personen weiblichen Geschlechts im Alter unter 21 Jahren bei ausgewählten Deliktkategorien für das Jahr 2021 laut Polizeilicher Kriminalstatistik (in Klammern: Prozentsatz in Bezug auf Gesamtheit der Tatverdächtigen der jeweiligen Altersklasse; Bundeskriminalamt 2022)

Es besteht insgesamt ein ausgeprägter Belastungsüberschuss der jungen männlichen gegenüber den weiblichen Tatverdächtigen. Die Zahlen aus dem Jahr 2021 lassen wie auch die Zahlen aus den Jahren davor eine altersbezogen frühere Belastungsspitze bei weiblichen im Vergleich zu männlichen Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden erkennen. Während Letztere einen steilen Anstieg strafrechtlich relevanten Verhaltens mit maximalen Werten im Heranwachsendenalter und nachfolgender flacherer Abnahme aufweisen, ergibt sich bei weiblichen Tatverdächtigen ein noch steiler verlaufender Anstieg mit einem Belastungshöhepunkt bereits im frühen Jugendalter (Heinz 2019, Kap. IV., Abschn. 4.1.1.2). Diese Verläufe gelten als universell: Sie zeigen sich in unterschiedlichen Kulturen, Ländern und historischen Phasen sowohl im Hell- als auch im Dunkelfeld (Boers und Reinecke 2007; Loeber und Farrington 2014), wobei retrospektive Erhebungen (Selbstberichte) nahelegen, dass die Belastungsmaxima im Dunkelfeld noch früher auftreten als im Hellfeld (Boers et al. 2014). Auch gilt als gesichert, dass sich mit zunehmender Schwere der Straftaten der Anteil der männlichen Delinquenten vergrößert, was gleichermaßen im Hell- und im Dunkelfeld erkennbar ist (Boers et al. 2014; Arnis 2016). Dementsprechend zeigt sich auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2021, dass im Bereich der Jugend- und Heranwachsendenkriminalität (a) bei „klassischen“ Sexual- und Gewaltdelikten in erster Linie Personen männlichen Geschlechts als tatverdächtig geführt werden, (b) das Geschlechterverhältnis bei minderschweren Straftaten und solchen, die keine physische Überlegenheit erfordern (z. B. Ladendiebstahl) ausgeglichen ist, (c) das Verhältnis sich bei Delikten wie Misshandlung von Kindern sowie Entziehung Minderjähriger umgekehrt zeigt und (d) bei Gesetzesverstößen wie Ausübung der verbotenen Prostitution ein Maximum an jungen weiblichen im Vergleich zu jungen männlichen Tatverdächtigen zu verzeichnen ist (Anteil weiblicher Tatverdächtiger < 21 Jahren im Jahr 2021: 56 der insgesamt 59 erfassten Personen; Datenquelle für alle Angaben: Tabelle BU-TV-01-T20-TV_xslx, Bundeskriminalamt 2022). Die sozialen, psychologischen und biologischen Ursachen für die allgemein geringere Kriminalitätsbelastung von Frauen sind noch immer unklar (Endres und Wittmann 2020).

Zu Unterschieden in den Rezidivraten weiblicher und männlicher junger Straffälliger liefern Rückfalluntersuchungen im Bereich der registrierten Kriminalität wichtige Erkenntnisse. Exemplarisch seien hier Befunde aus der Untersuchung von Jehle et al. (2021) dargestellt. Die Ergebnisse dürfen – mit Blick auf frühere Beobachtungszeiträume und (Sekundär‑)Analysen anderer Autoren (z. B. Groß 2004, Abschn. 3.3.2 u. 4.2.6; Heinz 2019, Kap. VII.) – als verallgemeinerbar gelten. Delinquentinnen, die nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) abgeurteilt wurden, wiesen nach Jehle et al. (2021) in einem 3‑jährigen Beobachtungszeitraum (hier: 2013–2016) geringere Rezidivraten als eine männliche Vergleichsgruppe auf (in der Differenz je nach Sanktionsart der Bezugsentscheidung zwischen 6 [Jugendstrafe mit Bewährung] und 14 Prozentpunkte [Entscheidungen nach §§ 45, 47 JGGFootnote 1]; Jehle et al. 2021, Abb. B 3.2.1). Bei Verurteilungen zu Jugendstrafen waren Strafaussetzungen zur Bewährung bei jungen Delinquentinnen tendenziell häufiger (70 %, nweibl = 744 vs. 64 %, nmännl = 8963 im Jahr 2013; Jehle et al. 2021, Tab. B 8.2.2). Im Fall eines Rezidivs traten jugendliche und heranwachsende Straftäterinnen zeitlich später erneut strafrechtlich in Erscheinung (in der Differenz je nach Sanktionsart der Bezugsentscheidung zwischen 38 [Jugendarrest; nweibl = 1196] und 116 Tagen [Entscheidungen nach §§ 45, 47 JGG; nweibl = 22.889], bezogen auf den Median bis zum Rückfall; Bezugszeitraum 2004–2016, Jehle et al. 2021, Tab. C 3.2.1). Ebenso kam es häufiger zu Diversionsentscheidungen (§§ 45, 47 JGG), wobei die Diskrepanz am stärksten in der Altersgruppe von 18 bis 20 Jahren zutage trat (73 %, nweibl = 80.457 vs. 55 %, nmännl = 102.210; Bezugsjahr 2013, Jehle et al. 2021, Tab. B 8.1.1). Nach einer Aburteilung unter Anwendung von Jugendstrafrecht war für Delinquentinnen – unabhängig von der Sanktionsart der Bezugsentscheidung – die Wahrscheinlichkeit höher, auch nach 12 Jahren (Zeitraum 2004–2016) noch nicht erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein (Jehle et al. 2021, Tab. C 3.2.2).

Bekanntermaßen können Hellfeldstatistiken nur eine Annäherung an die Kriminalitätswirklichkeit liefern. Im Bereich der Delinquenz von weiblichen Minderjährigen und jungen Frauen unter 21 Jahren wird insgesamt von einem größeren Dunkelfeld im Vergleich zu jungen männlichen Delinquenten ausgegangen (Rubach 2014). Mitunter wurde die Vermutung geäußert, dass sich dieser besonders große Unterschied zwischen Hell- und Dunkelfeld durch eine weniger strenge Behandlung straffällig gewordener Mädchen und junger Frauen durch die Strafverfolgungsbehörden ergebe (differenzielle Kriminalisierung/„Kavaliers-“ oder „Ritterlichkeitshypothese“; Geißler und Marißen 1988, 1992). Vergleicht man die Tatverdächtigenzahlen weiblicher Jugendlicher und Heranwachsender mit der Strafvollzugsstatistik eines korrespondierenden Zeitrahmens (s. unten), so zeigt sich tatsächlich, dass es nur in relativ wenigen Fällen (und seltener als bei jungen Männern unter 21 Jahren) infolge eines Tatverdachts zu einer Verurteilung nach dem Jugend- oder allgemeinen Strafrecht kommt (Heinz 2019, Kap. IV., Abschn. 4.1.1.2). Ein alternativer Erklärungsansatz ist, dass für die seltenere behördliche Verfolgung oder mildere Sanktionierung tatverdächtiger junger Frauen durch Strafinstanzen Merkmale des Tathergangs, eine meist geringere Tatschwere, eine niedrigere delinquente Vorbelastung und seltenere Rezidive verantwortlich zeichnen (zusammenfassend Silkenbeumer 2018, S. 377). Bei einem Großteil der jungen Delinquentinnen dürfte demzufolge im Ermittlungs- oder im Hauptverfahren bei der Gesamtwürdigung von Tatverdächtiger und Tat eine Kriminalprognose gestellt werden, die z. B. eine Diversionsentscheidung rechtfertigt. Auch Daly (1994) kam zu dem Schluss, dass bei genauerer Analyse der individuellen Details eines Falls Geschlechterdifferenzen in Bezug auf strafrechtliche Konsequenzen vernachlässigbar erscheinen.

Die Datenlage und vorliegende Literatur zur Erklärung der qualitativen und quantitativen Ausprägung von Straftaten, die von weiblichen Minderjährigen und jungen Frauen in der Bundesrepublik Deutschland verübt werden, ist insgesamt noch als defizitär zu bezeichnen. Kriminologische Forschungsansätze (meist qualitativer Art), die speziell auf diese Population ausgerichtet sind, wurden größtenteils erst innerhalb der letzten 15 bis 20 Jahre formuliert. Zuvor wurde der Gegenstandsbereich meist unter „Frauenkriminalität“ subsumiert, und diese wiederum implizit unter allgemeine Kriminalitätstheorien. Entsprechend einer Anregung von Bruhns und Wittmann (2003), nach der Jugendkriminalität bei weiblichen Personen nicht ausschließlich im Hinblick auf die geringen Fallzahlen, sondern als selbstständiger Aspekt sozialwissenschaftlicher Forschung betrachtet werden sollte, zeichnet sich seit einigen Jahren eine Abkehr von dieser Betrachtungsweise ab. Dies ist insofern eine folgerichtige Entwicklung, da im Bereich der Kriminalität von Personen männlichen Geschlechts allgemein bereits seit Langem eine differenzielle Betrachtung jugendlicher bzw. heranwachsender und erwachsener Straftäter festzustellen ist. Die gegenwärtig noch vorherrschende Unterrepräsentation der Forschung zu Jugenddelinquentinnen zeigt sich auch in der Aufbereitung durch Lehrbücher. Das Standardwerk Handbuch Jugendkriminalität (Dollinger und Schmidt-Semisch 2018a) widmet dem Thema Jugendkriminalität bei Mädchen 15 der insgesamt 806 Seiten des Handbuchs (Kapitel verfasst von Silkenbeumer 2018), in den meisten Lehr- und Praxishandbüchern zu Maßregelvollzug, Forensischer Psychiatrie/Psychotherapie und Rechtspsychologie sowie in Publikationen zu Behandlungsstandards im Maßregelvollzug findet die junge weibliche Klientel keine gesonderte Erwähnung. Eine Ausnahme bildet die von Kobbé herausgegebene Zusammenstellung Lilith im Maßregelvollzug (2019), in der sich drei Aufsätze speziell mit Mädchen und jungen Frauen im forensischen Kontext befassen.

Rein deskriptiv gelten für die Delinquenz von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden näherungsweise die gleichen zentralen Befunde wie für Jugendkriminalität i. Allg. (z. B. Dollinger und Schmidt-Semisch 2018b, S. 3 f.): Sie ist relativ weit verbreitet (wenn auch qualitativ und quantitativ weniger gravierend bzw. umfassend als bei einer Vergleichsgruppe männlichen Geschlechts), transitorisch (mit früherem Rückgang im Lebenslauf als bei männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden), eher spontan, durch Gruppendynamiken beeinflusst und im Vergleich zur Kriminalität Erwachsener mit geringeren wirtschaftlichen Schäden verbunden; ferner sind junge Delinquentinnen meist nicht nur Täterinnen, sondern sie waren oder sind auch Opfer von Straftaten. Die Hintergründe persistierender Störungen des Sozialverhaltens bei Mädchen und jungen Frauen, welche sich in schwerwiegenden Delikten manifestieren können, sind komplex und multifaktoriell. Rubach (2014, S. 24) resümiert, dass es „nach aktuellen Erkenntnissen keine genderorientierte Gewalt bzw. Kriminalität [gibt], sondern Erklärungen durch multidimensionale Risikofaktoren und biografische Konflikte“. Insbesondere wurden hier als bedeutsam erkannt (zusammenfassend de Vogel und Kröger 2016 sowie Steingen 2019):

  • niedriger sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie,

  • komplexe psychische Traumatisierungen,

  • dysfunktionales Verhalten von Bezugspersonen: Gewalt, emotionale Vernachlässigung, inkonsistente/zurückweisende Erziehung, häufige Wechsel von Bezugspersonen,

  • niedriges Selbstwertgefühl,

  • soziale Zurückweisung,

  • Einbindung in gleich- oder gemischtgeschlechtliche delinquente Peergroups,

  • Substanzmissbrauch,

  • konfliktträchtige Paarbeziehungen.

Als wesentliche Schutzfaktoren für delinquentes Verhalten bzw. kriminelle Rezidive bei Mädchen und jungen Frauen wurden Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie, positive soziale Beziehungen, eine gute finanzielle Lage, Religionszugehörigkeit sowie Änderungsmotivation und das Gefühl, Verbesserungen selbst bewirken zu können, identifiziert (de Vogel und Kröger 2016).

Zusammengefasst treten weibliche Jugendliche und Heranwachsende – bei einem großen Dunkelfeld – im Vergleich zu männlichen Altersgenossen tendenziell früher strafrechtlich in Erscheinung, begehen überwiegend weniger schwere Delikte, werden in geringerem Maße oder zeitlich später rückfällig und werden seltener zu stationären Sanktionen verurteilt. In den verhältnismäßig wenigen Fällen, in denen wiederholte und/oder schwerwiegende Straftaten begangen werden, darf von komplexen, problembehafteten Vorgeschichten und psychischen Beeinträchtigungen ausgegangen werden.

Delinquentinnen im Jugendarrest- und im Jugendstrafvollzug

Das dreigliedrige System der jugendgerichtlichen Sanktionen der Bundesrepublik Deutschland, das sich aus dem JGG ergibt, setzt sich zusammen aus Erziehungsmaßregeln (§ 10 JGG: Weisungen; § 12 JGG: Hilfe zur Erziehung), Zuchtmitteln (§ 14 JGG: Verwarnung; § 15 JGG: Auflagen; § 16 JGG: Jugendarrest) und Jugendstrafe (§§ 17 ff. JGG). Anders als bei den Erziehungsmaßregeln, der Verwarnung und der Erteilung von Auflagen handelt es sich beim Jugendarrest und bei der Jugendstrafe um freiheitsentziehende Maßnahmen. Sie stellen demnach eingriffsintensivere Sanktionen dar, wobei der Jugendarrest mit den drei Formen Freizeit‑, Kurz- und Dauerarrest das mildere Mittel gegenüber der Jugendstrafe bildet. Der Anteil von Mädchen und jungen Frauen im Jugendarrestvollzug ist mit über 15 % an allen arrestierten Personen im Vergleich zum Jugendstrafvollzug (Anteil zwischen 5,6 und 6,1 % an allen Jugendstrafgefangenen in den vergangenen 10 Jahren) vergleichsweise hoch (Klatt 2021). Im Folgenden wird auf Charakteristika weiblicher Personen im Jugendarrestvollzug und anschließend im Jugendstrafvollzug eingegangen.

Zu Jugendarrest verurteilte Personen unterschiedlichen Geschlechts können – anders als beim Vollzug von Jugend- und Freiheitsstrafen – in denselben Anstalten/Abteilungen untergebracht werden; nur die Länder Nordrhein-Westfalen (Wetter) und Sachsen (Chemnitz) halten Anstalten eigens für den Arrestvollzug von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden vor (Klatt 2021). Endres und Lauchs (2018; Erhebungszeitraum von April 2015 bis März 2016; n = 714) berichten aus dem bayerischen Jugendarrestvollzug von einem durchschnittlichen Alter der Arrestantinnen von 18,3 Jahren bei Arrestantritt, einer durchschnittlichen Arrestdauer von 6 Tagen, einem Beschäftigungslosenanteil von 35 % (Berufstätigkeit: 11 %, Ausbildung: 7 %, Schule: 31 %) sowie einer seltenen Alkohol- (2 %) und einer etwas häufigeren Betäubungsmittelproblematik (5 %). Knapp ein Drittel der Arrestantinnen (29 %) wies mindestens einen Jugendarrestaufenthalt in der Vergangenheit auf. Deliktarten, die bei Arrestantinnen im Vergleich zu Arrestanten überwogen, waren Diebstahl und Unterschlagung (23 % vs. 15 %), Betrug und Untreue (13 vs. 7 %) sowie Nichterfüllen gesetzlicher Anordnungen (22 % vs. 12 %). Der Anteil an Minderjährigen lag bei Arrestantinnen höher als der bei Arrestanten. Ebenfalls schreiben Endres und Lauchs (2018), dass Vollzugsbedienstete die Erreichbarkeit und die Einsichtigkeit bei Dauerarrestantinnen als etwas geringer einschätzten als bei Dauerarrestanten. In einer früheren Untersuchung konnte allerdings festgestellt werden, dass der Arrestvollzug auf Mädchen und junge Frauen eine stärkere psychische Belastung ausübt als auf Jungen und junge Männer (Carl et al. 2013, zitiert nach Endres und Lauchs 2018).

In einer Auswertung von Klatt (2021; Evaluationen des Jugendarrestvollzugs in Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen; nNiedersachsen = 60, Erhebungszeitraum Januar bis Juli 2016; nSchleswig-Holstein = 39, Erhebungszeitraum Juni 2017 bis März 2018) konnten zahlreiche Übereinstimmungen zu den Befunden von Endres und Lauchs (2018) konstatiert sowie weitere Belastungs- und Risikofaktoren bei Arrestantinnen identifiziert werden (z. B. Schuldenbelastung, vereinzelt Heimunterbringung; zudem wurde bei jeweils knapp der Hälfte der Arrestantinnen beider Bundeländer ein Drogenkonsum berichtet). Insgesamt aber wird die Datenlage zum Jugendarrestvollzug von den genannten Autoren als dürftig bewertet, v. a. in Bezug auf dessen kriminalpräventive Effektivität. Zudem bleibt fraglich, ob von den Befunden aus einzelnen Bundesländern – obwohl Übereinstimmungen vorliegen – auf die Vollzugswirklichkeit in anderen Bundesländern geschlossen werden darf.

Der Vollzug von Jugendstrafen an weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden wird i. Allg. in Jugendabteilungen von Justizvollzugsanstalten für den Erwachsenenvollzug, und meist in Anstalten für den Frauenvollzug vorgenommen. In § 140 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) ist die klare Trennung der Geschlechter geregelt, von der nur in Einzelfällen abgewichen werden darf (z. B., um Inhaftierten die Teilnahme an einer spezialisierten Behandlungsmaßnahme in einer anderen als der für das jeweilige Geschlecht vorgesehenen Abteilung zu ermöglichen). Die Trennung von jugendlichen und erwachsenen Inhaftieren ergibt sich aus Artikel 37c der auch von Deutschland vollständig ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention (United Nations 1989), wonach jedes Kind (definiert als Person unter 18 Jahren), dem die Freiheit entzogen wurde, getrennt von Erwachsenden unterzubringen ist (wenn nicht mit einem anderen Vorgehen dem Kindeswohl besser gedient ist). Hierauf basieren die konkretisierenden Regelungen zur Trennung auf Bund- bzw. Länderebene im JGG und den Strafvollzugsgesetzen. Über Vollstreckungspläne wird die Zuweisung der unter Anwendung des JGG verurteilten Personen zu den jeweiligen Jugendabteilungen der Länder geregelt. Bundesländer mit einer höheren Bevölkerungsdichte verfügen meist über eine zentrale eigene Jugendabteilung für weibliche Inhaftierte (z. B. Freistaat Bayern: Jugendabteilung der Justizvollzuganstalt Aichach, Regierungsbezirk Schwaben; 61 Haftplätze, tatsächliche Belegung zum 31.12.2021: 13 Personen; Kurzinformation über die Justizvollzugsanstalt Aichach 2022), in einigen Ländern erfolgt der Vollzug länderübergreifend (z. B. Freistaaten Sachsen und Thüringen: Jugendabteilung des zentralen Frauenvollzugs der beiden Länder in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz; 12 Haftplätze; Hinz et al. 2016).

Am 31.03.2021 waren ausweislich der aktuellen Strafvollzugsstatistik (Statistisches Bundesamt 2021b) 81 Personen weiblichen Geschlechts im Alter von unter 21 Jahren im deutschen Jugend- und Strafvollzug inhaftiert.Footnote 2 Die Gruppe der der 18- bis 21-Jährigen belief sich auf 56 Personen, die Gruppe der unter 18-Jährigen auf 25 Personen, wobei hiervon sechs der heranwachsenden Frauen keine Jugendstrafe, sondern eine Freiheitsstrafe nach dem Erwachsenenstrafrecht verbüßten. Vier der Inhaftierten unter 18 Jahren (16 %) waren bereits vorbestraft, in der Gruppe der 18- bis 21-Jährigen befanden sich 17 Personen (30 %) mit mindestens einer Vorstrafe. In Tab. 2 sind die Anlasstaten gemäß Strafgesetzbuch (StGB) und Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgeführt, in Abb. 1 die voraussichtliche Vollzugsdauer.

Tab. 2 Anlassdelikte bei Personen weiblichen Geschlechts im Alter von unter 21 Jahren, die am 31.03.2021 im deutschen Jugend- und Strafvollzug inhaftiert waren (Daten aus der Strafvollzugsstatistik; Statistisches Bundesamt 2021b)
Abb. 1
figure 1

Voraussichtliche Dauer des Vollzugs bei Personen weiblichen Geschlechts im Alter von unter 21 Jahren, die am 31.03.2021 im deutschen Jugend- und Strafvollzug inhaftiert waren (Daten aus der Strafvollzugsstatistik; Statistisches Bundesamt 2021)

Aus der Strafvollzugsstatistik geht hervor, dass weibliche Jugendliche und Heranwachsende in erster Linie wegen Diebstahlsdelikten, Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit sowie Raub- und Erpressungsdelikten inhaftiert wurden, wobei Straftaten gegen das Leben bei weiblichen Inhaftierten unter 18 Jahren die dritthäufigste Deliktkategorie bildeten. Zusammenfassend gesehen wurde der überwiegende Teil der Personen wegen (teils schweren) Gewalt- bzw. Rohheitsdelikten verurteilt. In der Regel wurde die voraussichtliche Vollzugsdauer mit ein bis zwei Jahren angegeben, in zwei Fällen bei minderjährigen Straftäterinnen mit mehr als fünf Jahren. Die Zahlen scheinen widerzuspiegeln, dass bei weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden v. a. wegen Delikten, bei denen resozialisierungsförderliche Bemühungen um eine Haftvermeidung (z. B. Diversionsentscheidungen) nicht geboten erscheinen (z. B. Rohheitsdelikte), von den Tatgerichten auf Jugend- oder Freiheitsstrafe erkannt wird.

Eine Betrachtung der Basisdaten allein liefert nur indirekte Hinweise auf den Interventionsbedarf bei jungen weiblichen Inhaftierten. Hierzu sind neben Einzelfallanalysen durch die behandelnden Fachdienste der Jugendabteilungen empirische Erhebungen erforderlich. Um der gebotenen wissenschaftlichen Begleitung des Strafvollzugs Rechnung zu tragen, sieht das StVollzG die Einrichtung von landesinternen kriminologischen Diensten vor (§ 166 StVollzG). Insbesondere in den letzten 10 Jahren befassten sich einzelne kriminologische Dienste – sowie andere anstaltsinterne und -externe Arbeitsgruppen – verstärkt mit den soziobiografischen Hintergründen, dem pädagogischen und kriminaltherapeutischen Interventionsbedarf und dem Hafterleben von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden. In diesem Zusammenhang wurde auf eine unbefriedigende „Anhängsel-Situation“ (Boxberg und Neubacher 2018, S. 447) weiblicher Jugendstrafgefangener hingewiesen, die sich auch in der Forschung fortsetze (ebd., S. 447) und zu strukturellen Benachteiligungen in der Ausgestaltung des Vollzugs führen könne (erkennbar z. B. am Fehlen von jugendadäquaten und speziell auf die Bedingungen und Bedürfnisse weiblicher Personen ausgerichteten Behandlungsangeboten; Haverkamp 2015), woraus sich die Gefahr einer Verfestigung der sozialen Marginalisierung junger straffälliger Frauen ergebe (Silkenbeumer 2018, S. 385).

Die bislang zu weiblichen Jugendstrafgefangenen vorliegenden Publikationen weisen auf eine hochbelastete Klientel mit multiplen Problemlagen hin. Hinz et al. (2016) belegen mit Daten aus dem sächsischen Jugendvollzug, dass der überwiegende Teil der von 2011 bis 2015 in der Jugendabteilung der Justizvollzugsanstalt Chemnitz inhaftierten weiblichen Jugendstrafgefangenen bereits vor Erreichen der Strafmündigkeit delinquente bzw. deviante Verhaltensweisen gezeigt hatte (z. B. Fernbleiben von der Schule: 79 %, Stehlen: 69 %, Gewaltanwendung: 47 %, „Zündeln“: 21 %, Benutzung einer Waffe: 10 %, Quälen eines Tieres: 7 %, u. a.; n = 99, Mehrfachantworten möglich). Biografisch lagen ein geringes Bildungs- und Qualifikationsniveau (zwei Drittel ohne Schulabschluss, 97 % ohne berufliche Qualifikation; n = 93) vor, erlebte Gewalterfahrungen durch Bezugspersonen, frühe eigene Elternschaft und kritische Lebensereignisse (z. B. Tod von nahen Bezugspersonen in den letzten fünf Jahren). Gegen fast zwei Drittel der erfassten Personen war vor der Inhaftierung bereits mindestens eine stationäre Sanktion verhängt worden (mehrheitlich Jugendarrest). In einem Zugangsfragebogen hatten 42 % der weiblichen Jugendstrafgefangenen bejaht, dass sie bereits in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt worden seien, 58 % gaben an, einen Aufenthalt in einem Heim, einer betreuten Wohn- oder einer vergleichbaren Einrichtungsform erlebt zu haben (jeweils n = 101). Gut die Hälfte der Jugendstrafgefangenen wies eine Suchtmittelproblematik auf; bei 15 % lag ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit sowohl von Alkohol als auch von Betäubungsmitteln vor (n = 68). In einer stationären Entgiftung hatten sich bereits 31 % von n = 101 der jungen Frauen befunden. Diese Befunde seien um ältere Feststellungen von König (2002) ergänzt, denen zufolge bei weiblichen Jugendstrafgefangenen häufig Missbrauchserfahrungen und Persönlichkeitsstörungen vorlagen; ferner imponierten sie teilweise durch hohe emotionale Instabilität im Vollzugsalltag.

Boxberg und Neubacher (2018, S. 449) beschrieben die Atmosphäre in Jugendabteilungen für Delinquentinnen als geprägt von einem hohen Konfliktpotenzial. Gewalt gelte als probate Durchsetzungskompetenz in der Inhaftiertengemeinschaft, um Auseinandersetzungen um Macht und Positionen innerhalb der Gruppe zu führen. Dementsprechend gaben in einem standardisierten Fragebogen 80 % von 269 weiblichen Jugendstrafgefangenen aus 9 Standorten des Jugendvollzugs verschiedener Bundesländer an, in den letzten 3 Monaten irgendeine Form von Gewalt (physisch, psychisch, materielle Schädigung, sexuell oder aus dem Bereich Zwang/Erpressung) gegenüber einer Mitgefangenen ausgeübt zu haben, wobei als mit Abstand häufigste Art psychische Gewalt genannt wurde, und fast die Hälfte der Antworten auf physische Gewalt entfielen (Mehrfachnennungen möglich; ebd., S. 451 ff.). In der Befragung wurde auch zwischen Täterinnen- und Opferangaben unterschieden. Hierbei zeigte sich, dass die Einteilung der Population der weiblichen Jugendstrafgefangenen in Täterinnen und Opfer (und Nichtinvolvierte) nicht eindeutig war, sondern sich über die Zeit der Inhaftierung neue Konstellationen und Gruppenzugehörigkeiten ergaben. Für weibliche Jugendliche und Heranwachsende in Haft entstehen demnach Risiken sowohl für erneute Täterinnen- als auch Opfererfahrungen, wobei sich die Rollen überschneiden können und Änderungen unterworfen sind (ebd., S. 454). Als Risikofaktoren für die Ausübung von physischer Gewalt gegenüber mitinhaftierten Personen wurden (a) Selbstzuschreibung eines hohen Ranges in der Sozialhierarchie der inhaftierten Personen, (b) längere Zeit in Haft, (c) Zugehörigkeit zu einer festen Inhaftiertengruppe und (d) eher junges Alter identifiziert (ebd., S. 456).

Vor dem Hintergrund dieser hohen biografischen und vollzugsbedingten Belastungen ist es nicht überraschend, dass bei weiblichen Jugendstrafgefangenen auch Suizidgedanken auftreten und suizidale Handlungen erkennbar sind. 38 % der befragten inhaftierten jungen Frauen in der länderübergreifenden Erhebung von Boxberg und Neubacher (ebd., S. 459 ff.; n = 269) hatten zumindest einmal im Laufe ihres Lebens Suizidgedanken, 23 % unternahmen jemals einen Suizidversuch, und 6 % während der Inhaftierung. Im Lauf der Untersuchungshaft hatten 11 % der jungen weiblichen Personen Gedanken an eine Selbsttötung, am Tag der Urteilsverkündung 7 % und in der nachfolgenden Strafhaft 17 %. Als Hauptanlässe für Suizidgedanken wurden „Wut auf sich selbst“, private Probleme, Belastung durch die Haftumstände, Einsamkeit, Schuldgefühle und Reue für die begangene(n) Straftat(en) genannt. Aus einer bundesweiten Totalerhebung von Suiziden von Inhaftierten (Meischner-Al-Mousawi et al. 2020) geht hervor, dass sich im Zeitraum von 2000 bis 2019 insgesamt 42 Frauen in Haft das Leben genommen haben (2,9 % aller inhaftierten Suizidenten in diesem Zeitraum; n = 1449), davon eine Person unter 21 Jahren und 11 Personen im Alter zwischen 21 und 30 Jahren.

Zusammengefasst stellen sich die kriminogenen und rückfallrelevanten Konstellationen bei Delinquentinnen im Jugendarrest- und im Jugendstrafvollzug auf Basis dieser Forschungsergebnisse komplex dar. Es darf aber auf durchaus positive Entwicklungen und Chancen im Bereich der Resozialisierung hingewiesen werden: Weibliche Jugendliche und Heranwachsende wurden in den letzten Jahren als eine heterogene, aber eigenständige Zielgruppe im System der Jugendstraffälligenhilfe identifiziert. Durch die zunehmende Aufmerksamkeit von interdisziplinären Arbeitsgruppen wurden zentrale Problemlagen der jungen weiblichen Klientel identifiziert, woraufhin erste Handlungsempfehlungen und Handreichungen formuliert werden konnten (Haverkamp 2015). Ebenfalls wurden erste manualisierte Gruppenprogramme speziell für minderjährige/junge Gewaltstraftäterinnen entwickelt (z. B. Steingen et al. 2016), für die kriminaltherapeutische Aufarbeitung von weiteren adoleszenztypischen Delikten liegt das Manual Forensisches Therapieprogramm für junge Straftäter – ForTiS (Best et al. 2015) vor, das sich in der Anwendung auch für junge Straftäterinnen eignet. Nicht zuletzt ergibt sich ein resozialisierungsförderliches Potenzial gerade aus der Situation der weiblichen Jugendstrafgefangenen vor Ort, d. h. in den Jugendabteilungen: Durch die Überschaubarkeit und teils geringe Belegung der Abteilungen kann eine therapeutische, auf einem professionellen Nähe- und Distanzverhältnis basierende Begegnung zwischen Anstalts- bzw. Fachdiensten und den jungen weiblichen Inhaftierten als Grundlage für innerpsychische Veränderungsprozesse weit eher gelingen, als dies in den meist größeren und höher belegten Jugendhaftanstalten für männliche Delinquenten der Fall sein dürfte.

Patientinnen im Alter unter 21 Jahren im Maßregelvollzug

Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen können gemäß § 7 JGG bei Jugendlichen und Heranwachsenden mit Reifeverzögerungen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) analog zu den Voraussetzungen bei Erwachsenen angeordnet werden. Im JGG von 1953 konnte gemäß § 7 als freiheitsentziehende Maßregel bei Jugendlichen und Heranwachsenden nur die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt (§ 42b StGB a. F.) angeordnet werden. Die Unterbringung in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt (§ 42c StGB a. F.) war mit Inkrafttreten des JGG von 1943 bereits aufgehoben worden (Heinz 2019, S. 1336). Gemäß Art. 26, Nr. 5 EGStGB von 1974 wurde die Unterbringung von Jugendlichen und Heranwachsenden in einer Entziehungsanstalt wieder für anwendbar erklärt. Es gilt hierbei die Besonderheit, dass die Maßregel in einer Einrichtung vollzogen wird, „in der die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen“ und der Vollzug „aufgelockert“ und in weitgehend freien Formen durchgeführt werden kann, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§ 93a JGG).

Im Gegensatz zum (Jugend‑)Strafvollzug gibt es im Maßregelvollzug kein klares Trennungsgebot von jungen Patientinnen und Patienten. Explizit beschrieben ist in den entsprechenden Gesetzen der Länder beispielsweise nur eine Zuweisung von getrennten Zimmern (z. B. Art. 8 Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz [BayMRVG)] vom 17. Juli 2015 [GVBl. S. 222, BayRS 312-3-A], das zuletzt durch § 4 des Gesetzes vom 8. Juli 2020 [GVBl. S. 330] geändert worden ist). Konform mit Artikel 37c der UN-Kinderrechtskonvention gilt jedoch auch hier eine Trennung von minderjährigen und erwachsenen untergebrachten Personen, wobei geboten ist, junge Patientinnen und Patienten in spezialisierten Einrichtungen unterzubringen (z. B. Art. 44 BayMRVG). Dementsprechend wird die Behandlung von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden – je nach örtlichen baulichen und organisatorischen Gegebenheiten – auf gemischtgeschlechtlichen Stationen in allgemeinpsychiatrischen Kliniken der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie, in spezialisierten (ggf. besonders gesicherten) Abteilungen von Kliniken für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie, in räumlich getrennten Abteilungen in forensischen Kliniken für Erwachsene sowie (selten) in eigenständigen Einrichtungen des Jugendmaßregelvollzugs realisiert (Tondorf und Tondorf 2009; Schepker et al. 2022). Nach gegenwärtigem Stand liegen derartige Angebote in Maßregelvollzugseinrichtungen bzw. Kliniken für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie der Länder Bayern (Regensburg, Parsberg; beide Bezirk Oberpfalz), Berlin, Hessen (Marburg), Mecklenburg-Vorpommern (Rostock), Rheinland-Pfalz (Klingenmünster) und Sachsen (Arnsdorf) vor (Boysen et al. 2022). Ein erster katamnestischer Vergleich lässt – bei naturgemäß einigen methodischen Limitationen und nur bezogen auf junge männliche Patienten – hinsichtlich der kriminalpräventiven Wirkung noch keinen Hinweis auf eine Überlegenheit des einen jugendforensischen Versorgungsmodells gegenüber dem anderen erkennen (Schepker et al. 2022).

Ergänzend sei angemerkt, dass es Hinweise auf eine in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Geschlechterverteilung in Entziehungsanstalten gibt (Ritter et al. 2018).

Bei der im Feld der forensischen Psychiatrie und Psychotherapie bekannten methodischen Problematik der seltenen Ereignisse und kleinen Fallzahlen, die sich bei frauenforensischen Aspekten noch deutlicher zeigt (Stübner 2022, S. 278), findet sich hinsichtlich der Betrachtung von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden im Maßregelvollzug eine weitere Zuspitzung. In der zuletzt im Jahr 2015 veröffentlichten Maßregelvollzugsstatistik (Statistisches Bundesamt 2015) waren am 31.03.2014 deutschlandweitFootnote 3 27 Patientinnen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, nach § 63 StGB untergebracht, und 17 Patientinnen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, gemäß § 64 StGB untergebracht (davon 14 Patientinnen ohne „Trunksucht“). Dass die Anzahlen der Unterbringungen gemäß § 63 StGB und § 64 StGB ungefähr im Verhältnis 2:1 standen, überrascht vor dem Hintergrund der Belegungszahlen im Erwachsenenmaßregelvollzug, in welchem die Entziehungsanstalten i. Allg. stärker ausgelastet sind als die psychiatrischen Krankenhäuser (mit zuletzt drastisch steigender Tendenz, woraus ein Novellierungsbedarf von § 64 StGB abgeleitet wurde; Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung des Novellierungsbedarfs im Recht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 des Strafgesetzbuches 2022). Das Verhältnis der Anordnung der beiden Maßregeln bei Männern unter 25 Jahren war im Jahr 2014 in etwa ausgeglichen (§ 63 StGB: 411 Patienten; § 64 StGB: 402 Patienten).

Ausweislich der aktuellen Strafverfolgungsstatistik (Statistisches Bundesamt 2022) wurde im Jahr 2021 bei 28 weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden eine Unterbringung gemäß §§ 63 oder 64 StGB angeordnet (gegenüber 262 Anordnungen bei männlichen Personen unter 21 Jahren, was einem Anteil von rund 11 % der weiblichen Personen an der Gesamtanzahl entspricht). Dies ist ein beträchtlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr: 2020 war bei 13 weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden eine Unterbringung gemäß §§ 63 oder 64 StGB angeordnet worden (gegenüber 315 Anordnungen bei männlichen Personen unter 21 Jahren, was einem Anteil von rund 4 % der weiblichen Personen an der Gesamtanzahl entspricht; Statistisches Bundesamt 2021a). Bei denjenigen Entscheidungen im Jahr 2021, bei denen das Jugendstrafrecht zur Anwendung kam, wurde in 4 Fällen auf Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung (§ 20 StGB) in Verbindung mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erkannt, in einem Fall auf Schuldunfähigkeit in Verbindung mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. In 8 Fällen kam § 21 StGB (erheblich verminderte Schuldfähigkeit) zur Anwendung, davon in 2 Fällen in Verbindung mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in 6 Fällen in Verbindung mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Abb. 2 zeigt die Entwicklung der Anordnungen von §§ 63, 64 StGB ausweislich den jährlichen Strafverfolgungsstatistiken von 2010 bis 2021.

Abb. 2
figure 2

Jährliche Anordnungen der §§ 63, 64 StGB bei weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden von 2010 bis 2021. (Daten aus der Strafverfolgungsstatistik; Statistisches Bundesamt 2022)

Die jährlichen Anordnungszahlen offenbaren auf einem aggregierten Niveau (lineare Trendlinien), dass seit dem Jahr 2010 ein ungleich größerer Anstieg von Unterbringungen gemäß § 64 StGB im Vergleich zu Unterbringungen gemäß § 63 StGB zu verzeichnen ist. Der im Erwachsenenmaßregelvollzug feststellbare kontinuierliche Zuwachs an Anordnungen der Maßregel gemäß § 64 StGB ist somit auch bei auch bei jugendlichen und heranwachsenden Delinquentinnen zu erkennen. Auffallend ist hierbei, dass in einzelnen Jahren sprunghafte Anstiege von Anordnungen zu verzeichnen sind (2018: 15 Anordnungen, 2021: 20 Anordnungen). Ähnliche plötzliche Anstiege gab es auch vor 2010, so z. B. im Jahr 2000. In den 1990er-Jahren überwogen die Anordnungen von § 63 StGB regelmäßig gegenüber den Anordnungen von § 64 StGB.

Anders als im Bereich des Justizvollzugs liegen aus der jugendforensischen Versorgung – mit Ausnahme von vereinzelten Beiträgen auf Fachtagungen (z. B. Frey und Weissbeck 2016) und Fallberichten (de Vogel und Kröger 2016) – nach Kenntnisstand der Verfasser bislang keine publizierten medizinisch-psychologischen Daten zu weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden vor. Dies kann u. a. der Tatsache geschuldet sein, dass sich die begrenzte Klientel über sämtliche der oben genannten jugendforensischen Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet verteilt und die föderale, je nach Land unterschiedliche Organisation des Maßregelvollzugs eine systematische Datenerhebung erschwert (Querengässer et al. 2017). Nach Wissen der Verfasser existieren drei Quellen, aus denen Delikt- und Diagnoseverteilungen von Patientinnen des Maßregelvollzugs im Alter unter 21 Jahren sowie einige Verlaufsbeurteilungen extrahiert werden können: (a) die jährlichen deutschlandweiten Stichtagserhebungen im Maßregelvollzug nach § 64 StGB durch das Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen (MRVZN; Berthold und Riedemann 2021, 2022), (b) die jährlichen Stichtagserhebungen in jugendforensischen Einrichtungen des Arbeitskreises Jugendforensik (Boysen et al. 2022; Weissbeck 2022) und (c) die fortlaufenden Ergebnisqualitätserfassungen durch das Institut für Qualitätsmanagement im Maßregelvollzug in Bayern (IfQM; Bezzel 2013; Bezzel und Schlögl 2021).

Im Folgenden wird erstmals eine Beschreibung von weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden im Maßregelvollzug gegeben. Hierzu werden Daten aus den Stichtagserhebungen im Maßregelvollzug nach § 64 StGB und Ergebnisqualitätserfassungen des IfQM Bayern herangezogen.

Die deutschlandweite Stichtagserhebung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB stellt derzeit die umfangreichste Erhebung von Patientendaten in Entziehungsanstalten dar. Die Datenerfassung erfolgt über einen digitalen Fragebogen, der von den zuständigen Therapeuten auszufüllen ist. Aufgrund der freiwilligen Teilnahme der Kliniken handelt es sich um eine selektive Erfassung, aber es kann ein bundesweiter Querschnitt abgebildet werden. Im Jahr 2019 beteiligten sich beispielsweise insgesamt 19 Kliniken an der der Erhebung, woraus sich n = 2046 Patientendatensätze ergaben, im Jahr 2021 beteiligten sich 17 Kliniken, woraus sich n = 1703 Patientendatensätze ergaben. Zur Beschreibung der Daten von Patientinnen unter 21 Jahren wurden die Datensätze der Jahre 2017 bis 2022 analysiert; das vor dem Jahr 2017 verwendete Kodierungsschema der erfassten Fälle erlaubt keine Filterung nach Alter und Geschlecht.

Beim IfQM handelt es sich um ein trägerübergreifend tätiges Institut, das seit 2010 standardisiert in allen bayerischen Maßregelvollzugseinrichtungen Qualitätsmessungen vornimmt. Mittels Fragebögen und Interviews (mit Patienten und/oder mit der Bewährungshilfe, mit Nachsorgetherapeuten etc.) werden anamnestische Daten, Therapieverläufe und poststationäre Entwicklungen als fortlaufende Verlaufserhebung erfasst. Die forensischen Kliniken sind zur Teilnahme verpflichtet, die Voraussetzung für die Datenverarbeitung am IfQM ist jedoch die Einwilligung der Patienten.

Nachfolgend sind in Tab. 3 und in Tab. 4 die Anlassdelikte bzw. die Haupt- und Nebendiagnosen aller Patientinnen des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB im Alter unter 21 Jahren dargestellt, die im Rahmen der jährlichen Stichtagserhebungen des MRVZN Bad Rehburg im Zeitraum von 2017 bis 2022 erfasst wurden (n = 14).

Tab. 3 Anlassdelikte von Patientinnen des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB im Alter unter 21 Jahren, die in den jährlichen Stichtagserhebungen des MRVZN Bad Rehburg im Zeitraum von 2017 bis 2022 erfasst wurden (n = 14)
Tab. 4 Psychiatrische Haupt- und Nebendiagnosen von Patientinnen des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB im Alter unter 21 Jahren, die in den jährlichen Stichtagserhebungen des MRVZN Bad Rehburg im Zeitraum von 2017 bis 2022 erfasst wurden (n = 14)

Die Patientinnen waren zum jeweiligen Stichtag im Durchschnitt M = 18,86 (SD ±1,51) Jahre alt. Das Durchschnittsalter bei Aufnahme im Maßregelvollzug belief sich auf M = 17,92 (SD ±1,83) Jahre, das jüngste Einweisungsalter lag bei 15 Jahren (2 Fälle). Bei 4 der Patientinnen war im Einweisungsurteil § 21 StGB zur Anwendung gekommen. Auf Basis der Daten können hierfür akute Intoxikationen zum Tatzeitpunkt angenommen werden; es waren (Misch‑)Intoxikationen durch Alkohol, Opiate, Cannabinoide, Amphetamine und Kokain zum Tatzeitpunkt verzeichnet, in einem Fall wurde von deliranter Symptomatik berichtet. Durchschnittlich wurden die Patientinnen zu Parallelstrafen von M = 40,23 (SD ±20,60) Monaten verurteilt (Minimum: 16 Monate, Maximum: 84 Monate). Hinsichtlich der delinquenten Vorbelastung lagen M = 4,08 (SD ±5,07) Eintragungen in das Bundeszentralregister vor (Min.: 0 Eintragungen, Max.: 18 Eintragungen), das Alter bei erster Straftat lag bei M = 16,18 (SD ±1,89; Min.: 14, Max.: 20) Jahren und die bisherige Gesamthaftdauer vor der Unterbringung betrug M = 23,90 (SD ±44,92; Min.: 0, Max.: 144) Monate. Hinsichtlich soziobiografischer Merkmale konnten in den Daten tendenziell ähnliche Muster erkannt werden wie in den vorliegenden Befunden zu weiblichen Jugendstrafgefangenen (z. B. Hinz et al. 2016): selten Migrationserfahrungen, ein eher geringes Schul- und Ausbildungsniveau, mitunter frühe Elternschaft und Voraufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Die Beurteilungen zum Behandlungsverlauf und zur Therapiemotivation der Patientinnen durch ihre Behandelnden ließen ein durchwachsenes Bild erkennen: Neue Konsumereignisse (Rückfälle) und Entweichungen während der Maßregelunterbringung bei einem Teil der Patientinnen korrespondierten mit Einschätzungen von geringen Behandlungsbereitschaften und ungünstigen Behandlungsprognosen. Anderen Patientinnen hingegen wurde eine zuverlässige, motivierte Teilnahme am Therapieprogramm mit entsprechend günstigen Behandlungsprognosen bescheinigt.

In den Tab. 5 und 6 sind die vom IfQM erfassten Anlassdelikte bzw. führenden Diagnosen bei Patientinnen des bayerischen Maßregelvollzugs dargestellt, die zwischen 2010 und 2022 aus einer Unterbringung gemäß §§ 63, 64 StGB entlassenFootnote 4 worden und bei Aufnahme unter 21 Jahre alt gewesen waren (n = 13). In die Erfassung gingen auch Patientinnen der beiden bayerischen Jugendforensiken (Zentrum für Forensische Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg und am Bezirkskrankenhaus Parsberg) ein.

Tab. 5 Anlassdelikte von Patientinnen, die im Zeitraum von 2010 bis 2022 aus dem bayerischen Maßregelvollzug entlassen worden und bei Aufnahme unter 21 Jahre alt gewesen waren (n = 13)
Tab. 6 Hauptdiagnosen von Patientinnen, die im Zeitraum von 2010 bis 2022 aus dem bayerischen Maßregelvollzug entlassen worden und bei Aufnahme unter 21 Jahre alt gewesen waren (n = 13)

Das jüngere Einweisungsalter belief sich bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB auf 18 Jahre. Bei beiden ehemaligen Patientinnen wurde bei Entlassung von den Behandelnden eingeschätzt, dass sich sowohl ihr Sozialverhalten als auch ihr Störungsbild „sehr“ verbessert habe (Beurteilung auf einer Ordinalskala). Bei den Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB belief sich das jüngste Alter bei Zugang auf 17 Jahre. Sechs der 11 Patientinnen mit Anordnung von § 64 StGB schlossen die Therapie mit einer bedingten Entlassung (§ 67d Abs. 2 StGB) ab, in den anderen 5 Fällen wurde die Unterbringung wegen mangelnder Erfolgsaussicht vorzeitig für erledigt erklärt (§ 67d Abs. 5 StGB). Damit liegt der Anteil der Therapieabbrüche bei weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden innerhalb des bundesweiten Durchschnitts bei allen Maßregelvollzugspatienten gemäß § 64 StGB von ca. 40–50 % (Fries et al. 2011; Berthold und Riedemann 2021), wobei vorliegend die besonders kleine Fallzahl zu berücksichtigen und ein Stichprobenfehler nicht ausschließbar ist. Dementsprechend fiel auch die Einschätzung des Behandlungserfolges bei Therapiebeendigung durch die Behandelnden inhomogen aus: Im Mittel wurde die Besserung des Sozialverhaltens und von relevanten Nebendiagnosen nur als „mäßig“ beurteilt, bei 2 ehemaligen Patientinnen wurde eine Besserung gänzlich verneint. Hinsichtlich der Hauptdiagnosen (Abhängigkeitsstörungen) konnten hingegen bei knapp der Hälfte der ehemaligen Patientinnen nach Ansicht der Behandelnden sehr gute Behandlungsergebnisse erzielt werden. Eine katamnestische Erhebung (Einjahreszeitraum) bei ehemaligen Patientinnen mit Legalbewährungsmöglichkeit (bedingte Entlassung) ergab, dass tatsächlich 5 der auf Bewährung entlassenen jungen Frauen längerfristig, d. h. für mindestens 12 Monate, sowohl abstinent (definiert als weitgehend kein Konsum von per Weisung untersagten Suchtmitteln) als auch straftatenfrei (definiert als Fehlen jeglichen strafrechtlich relevanten Verhaltens, unabhängig von behördlicher Erfassung, strafrechtlicher Verfolgung oder Sanktion) lebten. Dies darf – limitiert durch die sehr kleine Stichprobe aus nur einem Bundesland – als vorläufiger Hinweis darauf gewertet werden, dass die Maßregel nach § 64 StGB bei jungen Patientinnen, welche die Therapie regulär abschließen, durchaus mit längerfristigen Behandlungserfolgen einhergehen kann.

Auf Basis der vorliegenden begrenzten Fallzahlen ist es noch nicht möglich, verallgemeinerbare Schlüsse über die Klientel der jugendlichen und heranwachsenden Patientinnen des Maßregelvollzugs zu ziehen. Hinsichtlich der Verteilung der juristischen und medizinischen Daten, der Verlaufs- und Behandlungsvariablen und der prognostischen Einschätzungen darf jedoch als eine erste Hypothese formuliert werden, dass sich bei weiblichen Personen unter 21 Jahren in einer Entziehungsanstalt teilweise ähnliche Muster zeigen wie bei der Gesamtpopulationen von Patienten des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB: ein hoher Anteil von Polytoxikomanien an den Hauptdiagnosen, ein Überhang von Abhängigkeiten von Betäubungsmitteln gegenüber der Abhängigkeit von Alkohol, vielfach Betäubungsmitteldelikte als Anlassstraftaten – als weitere Anlassdelikte meist Rohheitsdelikte, häufig Nebendiagnosen aus dem Spektrum der Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen (ICD-10: F6, F9), Quoten von Erledigungen der Maßregel in Höhe von etwa 40–50 % und eine Tendenz zu einer eher fremdmotivierten Teilnahme am Behandlungsprogramm, woraus sich therapiefeindliches Verhalten ergeben kann (u. a. Befunde von Schalast 2000; Fries et al. 2011; Berthold und Riedemann 2021; Schwarz und Stübner in Vorbereitung). Als Besonderheiten der jungen weiblichen Klientel im Vergleich zur Gesamtpopulation aller untergebrachten Personen in einer Entziehungsanstalt kann vorläufig extrahiert werden, dass in der hier betrachteten Gruppe verhältnismäßig häufig vollendete oder versuchte Tötungsdelikte vorlagen und als primäre Substanzkonsumstörung besonders selten eine Abhängigkeit von Alkohol diagnostiziert wurde.

Bei diesen Überlegungen sind die methodischen Limitierungen zu beachten. Es herrscht keine Klarheit darüber, ob die in den Stichtags- und Verlaufserhebungen erfassten Fälle für die Gesamtgruppe der weiblichen untergebrachten Personen unter 21 Jahren in forensischen Abteilungen gemäß § 64 StGB repräsentativ sind; es besteht die Gefahr, dass hier lediglich Einzel- oder Zufallsbefunde erfasst wurden. Dennoch können sie als erster Bezugspunkt dienen, auf dem weitere Forschung aufbauen kann.

Zusammengefasst können bei weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden, die in Verbindung mit einer psychischen oder einer Substanzkonsumstörung straffällig wurden, ähnliche Anordnungstrends hinsichtlich Unterbringungen im Maßregelvollzug wie bei jungen männlichen und erwachsenden Patienten erkannt werden: Einer relativ konstanten Anzahl an jährlichen Anordnungen von § 63 StGB steht ein seit Jahren deutlicher Anstieg der Anordnungen von § 64 StGB gegenüber. Hinsichtlich Delikt- und Diagnoseverteilungen sowie Behandlungsverläufen ergeben sich auf Basis einer ersten quantitativen Auswertung von Falldaten Hinweise darauf, dass bei Patientinnen des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB im Alter unter 21 Jahren tendenziell ähnliche Muster vorliegen wie bei der Gesamtpopulation aller untergebrachten Personen in einer Entziehungsanstalt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die empirische Beschäftigung mit den Ursachen und Bedingungsfaktoren von Delinquenz, die von Mädchen und jungen Frauen unter 21 Jahren verübt wird, den intramuralen Kontexten, mit denen sich diese Klientel konfrontiert sieht, sowie den Möglichkeiten einer alters- und geschlechtsadäquaten Resozialisierung hat in den vergangenen 10 Jahren innerhalb der kriminologischen Forschung in Deutschland einen Aufschwung erfahren. Wesentliche Charakteristika, Problemlagen und Behandlungsbedürfnisse konnten insbesondere bei weiblichen Personen im Jugendarrest- und im Jugendstrafvollzug identifiziert werden.

Lückenhafter stellt sich die Situation im deutschen Maßregelvollzug dar. Daten zu jugendlichen und heranwachsenden Patientinnen in Kliniken für forensische Psychiatrie werden bei katamnestischen Verlaufsuntersuchungen oder Stichtagserhebungen zwar miterfasst, eine gesonderte, systematische Betrachtung dieser Population erfolgte bislang nach Kenntnis der Verfasser jedoch weder länderintern noch bundesweit. Dies kann den höchst unterschiedlichen Vollzugspraxen der Länder sowie den allgemeinen Herausforderungen von wissenschaftlicher Betätigung im Maßregelvollzug geschuldet sein. Es zeigt sich demnach auch hier der Bedarf an einer hochwertigeren Begleitforschung sowie einer bundesweit einheitlichen Datenlage zu Patientinnen und -patienten in forensischen Kliniken (Querengässer et al. 2017). Gegebenenfalls könnte hier die Einführung einer in den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder verankerten Institution zur wissenschaftlichen Begleitung des Maßregelvollzugs – ähnlich den kriminologischen Diensten im Justizvollzug – Abhilfe schaffen.